Und ewig grüßt das Murmeltier

Tears
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Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Virtuella
912318798
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von 912318798 »

Schönen Abend Virtuella!

Welche Art Leid reichst Du weiter?
Wie darf man Dein Dilemma verstehen?

Viele Grüße
Jojo
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

In erster Linie meine ich damit, dass man das Leid an die Kinder weiterreicht (Aber natürlich auch an andere einem nahestehende Menschen).
Virtuella
Katzenohr
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Katzenohr »

Hallo Virtuella
klingt für mich noch ungewohnt, da ich dich als Tears kennengelernt habe. Herzlichen Glueckwunsch zum neuen Namen.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, glaubst du, dass du dein Leid an deine Kinder weiter gibst. Du hast nicht geschrieben um welches Leid es sich handelt. Ich vermute, du meinst die Depression. Ich glaube jedoch, dass du viel mehr zu geben hast als die Depri, es jedoch gerade deshalb nicht sehen kannst.
Mein Mann leidet ebenfalls unter meiner Depression.
Ich moechte ihn nicht damit belasten und doch kann ich nicht anders. Sie gehoert zu mir. Ich will sie nicht
und doch ist sie da. Ich kann sie nicht abwaehlen. Aber ich kann, wie im Film, versuchen einen weg zu finden damit zu leben und somit mich und meinen Mann zu entlasten und vielleicht wieder Glueck empfinden.
Ich weiß es nicht, ich versuche es einfach jeden Tag
wieder mit mehr oder weniger Erfolg. Ich mag nicht aufgeben.
Viele andere Dinge muessen wir doch auch ueben. Ich habe frueher geturnt. Es hat lange gedauert bis ich einen Spagat und andere Uebungen beherrschte. Sicherlich ging es dir in einigen Bereichen aehnlich.
Vielleicht kannst du deine momentane Situation so betrachten.
Aber das ist alles meine Interpretation. Sollte ich falsch liegen, dann sorry.
Dir alles liebe Katzenohr
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Virtuella
Katzenohr
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Katzenohr »

Hallo Virtuella,
ein guter Grund für einen neuen Nick.

Ich sitze gerade an der Elbe, habe einen Besuch bei meinen Eltern hinter mir und habe dein Post gelesen.
Ich habe nicht alles behalten koennen und mit dem Handy kann ich nicht hin und her blaettern. Ich versuche es so.
Ich glaube, du hast recht mit der moegl. Ursache der Depression. Ich habe ebenfalls eine Traumatisierung
als Teenager erlebt, in meine Therapie jedoch erarbeitet, dass der Grundstein für meine Depresion in meinem Elternhaus gelegt wurde. Ich glaube, dass das leben wie ein Fluss ist. Mal ist Ebbe, Flut, Hochwasser, Verunreinigungen und diversere andere Begebenheiten
manchmal hilft alles nichts und es bleibt nur abzuwarten. Ich weiß, dass ist sicherlich kein Trost und ich wuerde dir gern einen konstruktiven Hinweis geben. Kann ich aber nicht. Ich weiß weder für dich noch für mich eine loesung. Ich habe jedoch festgestellt, dass
aufbegehren auch nicht hilft, sondern nur zusaetzliche Kraft kostet.
Hier fährt gerade ein Containerschiff. Dem gebe ich jetzt einfach unsere Sorgen und Noete mit. Beim ausladen im hh-Hafen versinken sie dann bestimmt im Schlick.
Ich werde mich dem Fluss anvertrauen und sehen was kommt.
Lg Katzenohr
Rosenkranz
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Rosenkranz »

hallo Virtuella!

Hatte beim Lesen meine Schwierigkeiten dich zu verstehen, aber ich glaube das ich jetzt weiß was du meinst. Es ist leider so, daß Kinder selbst schon im Mutterleib spüren, ob sie sich wohl fühlen oder nicht. Was du sicher auch in deiner Kindheit zu spüren bekommen hast und tiefe Narben hinterlassen hat. Leider können wir uns unsere Eltern und unsere Kindheit nicht aussuchen. Ich habe meiner Mutter auch oft vorwürfe gemacht und dort die Schuld für meine Depris gesucht, aber inzwischen habe ich selber 2 Kinder groß gezogen und weiß wie schwer das ist, noch dazu mit Depressionen. Ich denke unsere Eltern haben auch versucht, das für sie mögliche Beste daraus zu machen, auch wenn die Liebe auf der Strecke geblieben ist. Zumindest haben mir meine Eltern einen guten Grundstein gelegt, das ich mein eigenes Leben führen kann. Als ich ausgezogen bin mit 22 konnte ich sofort auf eigenen Füßen stehen. Ich habe eine Ausbildung gemacht und verdiene zwar in einen anderen Beruf bis heute mein eigenes Geld, was mir auch wichtig ist. Konnte von anfang an meinen Haushalt führen und kochen. Habe also die grundlegenden Dinge, die man brauch zu Hause gelernt, wofür ich heute sogar so im nachhinein dankbar bin, was heute nicht mehr selbstverständlich ist.
Ich denke deine Mutter hat es sich damals auch nicht leicht gemacht und es nicht leicht gehabt. Sicher trägt sie eine Mitschuld, aber absichtlich gewollt hat sie es bestimmt nicht. Auch du oder besser gesagt, vor allem du, bist nicht Schuld daran. Versuche deine Mutter zu verstehen und zu verzeihen, vielleicht kannst du dann Stück für Stück deinen eigenen Weg finden. Wie du schreibst ist dein Leben ein einziger Kampf, das hälst du auf Dauer nicht durch, du wirst daran zerbrechen, was auch wiederum deine Kinder spüren, auch wenn du deine Kinder davon fernhalten möchtest. Versuche doch einmal nicht zu kämpfen, sondern nur ein mal das Leben zuzulassen. Versuche dich einfach nur über etwas zu freuen, wenns auch Kleinigkeiten sind, die können so wertvoll sein und auch ein Anfang, die sich auszubauen lohnt. Auch ich habe seit meiner Jugend Depressionen, es gibt aber auch Zeiten, wo ich sagen kann, es hat sich dafür gelohnt zu leben und da ging es mir auch gut. Ich habe auch ziemlich schlimme Zeiten hinter mir, wo ich mein Leben am liebsten weggeworfen hätte, habe mir auch vorgestellt, das es so besser wäre und hatte eine Höllenangst davor, das nicht auszuhalten, habe es aber immer wieder geschafft mich davon zu befreien. Ich glaube das es uns allen sehr schwer fällt, im hier und jetzt zu leben. Wir hinterfragen alles vielzuviel, sind unsicher und haben vielzuviel Angst vor allem was wir tun, leben zu oft in der Vergangenheit, die wir sowieso nicht mehr ändern können. Es heißt nicht umsonst - unser tägliches Brot gib uns heute -

Ich hoffe ich konnte dir ein bißchen Lebensmut machen, viele Grüße Rosalie
wennfrid
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von wennfrid »

Hi Virtuella
Ich versuche mal, dich zu verstehen. Ich denke, es geht um den Sinn, da Depressionen oder andere Krankheiten vererbt werden können, bzw. an die Kinder weitergegeben werden. Warum in unserer Welt schöne Dinge, aber auch schlimme Sachen passieren, kann ich auch nicht verstehen. Vielleicht läßt es sich eher durch die Sicht der Religion erklären.
Durch positives und negatives habe ich die Gelegenheit, mich für eine Seite zu entscheiden. Ich glaube, daß die endogene Depression nicht vererbt werden kann, wohl aber die Depressionsbereitschaft. Außerdem denke ich, daß die Menschheit immer wieder hofft, die dunklen Seiten zu überwinden um voller Freude das Positive zu genießen. Ich denke auch, daß bis zum Lebensende Schicksalschläge passieren. Niemand hat die Macht, dunkle Zeiten zu verhindern, aber die Überwindung ist immer wieder möglich.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Vielen Dank Katzenohr, Rosalie und Fridolin für Eure Zeilen.

Ich fühle mich wie ein Alien.

Viele Grüße
Virtuella
ben1
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von ben1 »

Hallo Tears (hoffe, es ist ok, wenn ich Dich so nenne) - Achtung - ein Ben-Bild

Dieses "nicht gewollt (gewesen) sein" ist die denkbar schlechteste Startposition fürs Leben. Aber anders als ein Formel-1-Fahrer hast Du diese Startposition nicht zu verantworten! Du bist nicht im Training oder Qualifiing schlechter gefahren als die anderen - Du wurdest ins Auto gesetzt, das jetzt hinter den anderen herfahren muss. Wenn Du das Rennen jetzt gewinnen willst, hast Du (erstmal) denkbar schlechte Karten. Du kannst aber auch für Dich entscheiden - "OK, ich bin jetzt auf der letzten Position - die anderen werden das Rennen unter sich ausmachen - ich fahr jetzt mal und schau mir die Gegend an - ich will gar nicht an die Spitze, sondern die Fahrt genießen". Und das Rennen dauert lang!! Da werden die Leute auf der Pole-Position mit technischen Defekten ringen und Du wirst an ihnen vorbeifahren, wenn Du in Deinem Tempo das "Rennen des Lebens" fährst. Es bringt nichts, mit dem lahmen Motor zu hadern oder mit der schlechten Beschleunigung - aber Du kannst ab und zu bei einem Boxenstop Dein Fahrzeug neu justieren und auf die Bedingungen der Strecke anpassen. Und wie ich Dich kennengelernt habe (völlig virtuell im Forum) wirst Du genau das richtige machen, um aus dem VW-Käfer im Laufe der Zeit ein Auto zu machen, mit dem Du das Rennen ohne Probleme mitfahren kannst. Es geht gar nicht darum, das "Rennen" zu gewinnen (hab mal eine schöne Analogie zum Leben gelesen - Menschen leben nach dem Motto "Wer mit dem meisten Spielzeug stirbt, hat gewonnen"), sondern das Rennen mitzufahren, die eigene Geschwindigkeit zu finden (bei der der Motor nicht heissläuft), und die Fahrt zu genießen! Das Du bei dem Rennen dabei bist, hast Du Dir nicht ausgesucht - wie Du das Rennen fährst, ist Deine ureigenste Entscheidung.

Wieder ein komisches Bild von

Ben
Clown
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Clown »

Hallo Virtuella,

ich habe auch ein paar Bilder für dich zum Thema 'nicht-gewollt-sein' :

http://stockfotografie.files.wordpress. ... _klein.jpg

http://de.fotolia.com/id/2884705

http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs ... ead=163727

http://www.zoonar.de/appgen/?cl=zoonar& ... s_id=86072

Eigentlich brauchen wir nur zu lernen, uns auf unsere Lebenskraft zu konzentrieren und uns von ihr leiten zu lassen, nicht?



Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Lieber Ben,

vielen Dank. Irgendwie triffst Du den Nagel mal wieder auf den Kopf. So ungefähr fühle ich mich tatsächlich, alle fahren mit Rennautos und ich mit `nem klapprigen Käfer und das auf eine Rennstrecke. Aber mal ganz ehrlich: Was hat der Käfer da zu suchen? Der nervt doch nur und hält den ganzen Verkehr auf. Am besten versucht er, sich nah am Fahrbahnrand möglichst unsichtbar zu machen.

Deshalb möchte ich mich inzwischen am liebsten auch nur noch verkriechen. Dabei fühle ich mich nicht einmal einsam. Ich merke nur langsam, dass ein Mensch ohne wahrhaftigen Kontakt zu Mitmenschen anscheinend nicht leben kann. Sich die ganze Zeit verstecken, mit einem Rad im Graben, um bloß nicht gesehen zu werden, da lebt man nicht und ist auch nicht tot.

Wenn ich dann doch mal gezwungen bin, in Erscheinung zu treten, verlange ich mir schon immer ganz schön viel ab, um halt dann doch mit den Rennautos mithalten zu können. Damit der Käfer auch mal auf der Straße fahren kann, muss ich ihn dann jedes Mal erst ziemlich aufmotzen und ihm einen schönen Schein verleihen. Da ich dafür aber keine Kraft mehr habe, müsste ich ihn jetzt wohl zwangsläufig mit all seinen Beulen und Roststellen zu erkennen geben. Das traue ich mich nicht und lasse ihn deshalb einfach irgendwo stehen, wo ihn niemand sieht. Dort wird er weiterrosten und in absehbarer Zeit wahrscheinlich auseinanderfallen. Blöd nur, dass man auf dieser Erde fahren muss. So sind die Spielregeln.

Meine sozialen und Versagensängste werden immer größer. Ich fühle mich nicht mehr in der Lage, weiterzufahren, und habe das Gefühl, dass ich von all dem, was um mich herum normal ist, nichts verstehe. Vielleicht ist mit meinem Kopf auch etwas nicht ganz richtig, denn mir fehlt völlig die Wahrnehmung für mich selbst. Ich existiere in meiner Wahrnehmung nur in dem Film, immer eine Rolle zu übernehmen, die natürlich in jeder Hinsicht stets weit über Durchschnitt sein muss, getunt eben, um nur annähernd eine Berechtigung zu haben, zwei Räder auf die Straße zu setzen.

Meine Therapeutin macht mich sinnloserweise immer wieder auf Dinge aufmerksam, die ich gut gemacht habe. Ich weiß ja, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt, aber meine Wahrnehmung ändert das nicht. Wenn etwas aus mir selbst heraus mal gut zu sein scheint, bin ich der Überzeugung, dass ich es mir entweder ermogelt habe, oder es eine Lappalie war. Das ganze Lebensgefühl ist davon geprägt, falsch zu sein.

Um als Käfer auf der Rennstrecke zu fahren, braucht man schon ganz schön viel Mut und Kraft.

Vielen Dank, Clown, für die Bilder.
Virtuella
ben1
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von ben1 »

Hallo Virtuella

das blöde an der Wahrnehmung unserer Umwelt oder der anderen ist, das wir auch immer nur deren "Schein" sehen - das, was sie uns nach außen zeigen wollen. Und genau so, wie Du mit dem aufgemotzten, polierten Käfer auf der Rennstrecke fährst, fahren auch alle anderen mehr oder weniger große Rostlauben, die sie ein wenig mit Farbe und Tuningteilen verziert haben.

Das mit der Selbstwahrnehmung hat mich betroffen gemacht - wenn was schlecht läuft, rechnest Du das Deiner Unfähigkeit zu, wenn was gut läuft, ist es entweder nicht der Rede wert oder war erschlichen oder erlogen. Beides scheint mir ein wenig kurzsichtig - natürlich baut jeder Mensch Fehler, aus denen er dann auch lernen und sich entwickeln kann (dafür sind Fehler nämlich da und sogar notwendig) - natürlich läuft aber im Leben auch einiges Schief, wofür ich (oder Du) nichts kannst! Und natürlich fallen mir im Leben auch manche positiven Sachen ohne mein Zutun (oder vielleicht sogar ohne Berechtigung) zu - aber es gibt auch viele Dinge im Leben, wo ich ein klares Ursache-Wirkungs-Prinzip erkennen kann und da wird mein Beitrag sichtbar. Wenn Du nicht geschrieben hättest, hätten wir nicht geantwortet und diese interessante Diskussion wäre nicht zustande gekommen. Ein kleines, aber wichtiges Beispiel.

Dein Käfer hat Beulen und Roststellen - so wie alle anderen Autos, die am Rennen teilnhemen, auch. Schau mal genauer hin! Aber der Käfer läuft und läuft und läuft (um die VW-Werbung zu zitieren) - andere, aufgemotzte Kisten drehen 3 schnelle Runden und sind dann kaputt.

Vielleicht kann ein Denkansatz sein, für Dich selbst die Elternrolle zu übernehmen, die Du immer benötigt hättest und nie bekommen hast. Das würde bedeuten, Dich nicht mit den kalten Perfektionismusausgen zu sehen, sondern mit dem wohlwollenden Blick einer liebenden Mutter. Das ist ein schwieriger Weg, aber er lohnt sich! Denn sonst bleiben auch alle positiven Bestätigungen, die von außen kommen (wie die Rückmeldungen Deiner Therapeutin) irgendwie auf der Strecke. Und eine Zielfrage, wenn Du mal wieder über Dein Unvermögen oder Deine "Fehler" nachdenkst, wäre "Was würde eine ideale Mutter jetzt der kleinen Tears sagen, wenn sie mit diesen Gefühlen zu ihr kommt?"

Bei der "Preisgabe" der Dellen und Beulen Deines Käfers hast Du nichts zu verlieren außer Deiner Angst! So, wie Du bist, darfst Du Dich zeigen. Es wird viele, viele andere geben, die erleichtert aufatmen und sagen "Gott sei Dank, Tears Käfer ist auch nur ein ganz normales Auto" - und es kann sein, das es ein paar Idioten gibt, die selber in einem erbärmlichen Schrotthaufen sitzen, den aber immer noch für einen Ferrarie halten.

In diesem Sinne - weiterfahren

Ben
wennfrid
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von wennfrid »

Hi Ben1
Diese Vergleich mit einem Rennen ist super und ich sehe das Leben genauso. Die Startposition brauche ich nicht verantworten. Ich wurde nicht gefragt, wo und wann willst du auf diese Welt kommen, in welche Familie willst du hineingeboren werden, und mit welchen Eigenschaften kommst du auf die Welt. Es bringt nichts, sich über den Wagen und die Piste zu beschweren, es gilt das eigene Tempo zu finden, einfach alles, damit ich in diesem Rennen mitfahren kann. Der Ausgang des Rennens kann ich beeinflußen, warum ich dieses Rennen fahren muß, habe ich mir nicht ausgesucht.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Liber
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Liber »

Liebe Virtuella,

deine Zeilen haben mich ausgesprochen berührt.

Ich bin auch so ein ungeplantes Kind, wobei die Situation etwas anders war, aber vom Grundgefühl her hat auch mich das immer begleitet.

Ich hatte das Gefühl, ich müsste mir mein Dasein VERDIENEN. Ich dürfte nicht einfach "so" Da-Sein, dies Recht hätte ich nicht. Ich müsste es mir verdienen mit guter Leistung, mit Bravsein, mit Perfektion, mit Selbstverleugnung, mit Helfen, mit Zuhören, mit Dasein für alle anderen, nur NIE für mich selbst. Fiel ich aus dieser Rolle - was immer wieder geschah - glaubte ich, keinerlei Daseinsberechtigung mehr zu haben. Wenn ich so "verkehrt" sei, dürfe es mich gar nicht geben. Scham, Selbstverachtung.

Ich schreibe das alles, um dir zu sagen, dass ich dies Gefühl wirklich kenne.

Und nun möchte ich dir erzählen, was bei mir einen neuen Blickwinkel ausgelöst hat:

Irgendwann, ich hatte schon mehrere Therapien gemacht und war auch spirituell auf der Suche, da wurde mir urplötzlich etwas klar:

Es gäbe mich nicht, wenn das LEBEN selbst mich nicht gewollt hätte! Nicht die Eltern, sondern das Leben selbst!

Verstehst Du? Wenn das Leben DICH nicht gewollt hätte, hätte deine Mutter abgetrieben. Und auch ich wäre im Mutterleib gestorben oder sonst was.

Aber das ist NICHT geschehen. Das Leben hat UNS gewollt. Sonst gäbe es uns nicht. Und nun sind wir hier und haben alle Möglichkeiten, das Leben auch zu LEBEN. So wie wir gewollt und gedacht sind. Mit allen Fehlern und Macken und allen Vorzügen, die wir haben. Wir müssen uns unser Dasein nicht mit Perfektion und Leistung "verdienen". Wir bekommen es geschenkt.

Ich hoffe, das klingt nun nicht "esoterisch" oder zu "abgehoben" ... es war für mich ein ganz entscheidender Punkt, als ich das mal erkennen durfte.

Leider vergesse ich es im Alltag immer wieder. Und dein Beitrag war jetzt wieder ein Anlass, mich daran zu erinnern. Danke dafür!

Und leider war dies Erkennen auch erst so spät, dass ich meinen Kindern bis dahin auch schon viel Falsches mitgegeben habe. Lange Zeit konnte ich auch in ihnen diesen Wunsch des Lebens selbst nicht wahrnehmen.

Aber das kann ich nicht mehr ändern. Mich zu geißeln dafür, wäre sinnlos. Ich kann nur HEUTE anders auf sie schauen. Und mich immer wieder von Neuem daran erinnern.

Lieben Gruß
Brittka
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Clown »

>fahren auch alle anderen mehr oder weniger große Rostlauben, die sie ein wenig mit Farbe und Tuningteilen verziert haben.
der Ben hat mich durchschaut!

>Es gäbe mich nicht, wenn das LEBEN selbst mich nicht gewollt hätte!
Liebe Brittka, das ist der Satz, der die Botschaft der Fotos, die ich oben verlinkt habe, ausspricht! Ja!

Khalil Gibran:

von den Kindern

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch,
aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind,
gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen,
wie sie zu sein,
aber versucht nicht,
sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts,
noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen,
von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht,
damit Seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen
auf Freude gerichtet sein;
denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt,
so liebt Er auch den Bogen, der fest ist.

Liebe Grüße an alle,

Clown
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Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Virtuella
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Liebe Clown,

das ist ein wirklich schönes Gedicht, das es auf den Punkt bringt.

Ach ja, wenn man nur alles fühlen könnte, was man irgendwo anders begreift.

Lieber Gruß
Virtuella
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Clown »

Liebe Virtuella,

ganz ganz vorsichtig möchte ich dir vorschlagen, als ersten kleinen Schritt deinen Satz...

>Ach ja, wenn man nur alles fühlen könnte, was man irgendwo anders begreift.
... mit 'ich' zu sagen, nur für dich, das reicht völlig.

Warum ich das für wichtig halte? Weil du in dem Moment, wo du sagst "Ach ja, wenn ich nur alles fühlen könnte, was ich irgendwo anders begreife" auf dich schaust und dich wahrnimmst. Und das ist die liebevolle Erwachsene.

Was du gerade an Ben und Brittka geschrieben hast, WEIß das deine derzeitige Thera? Sie sollte es erfahren, denke ich, glaubst du nicht auch?

Lieben Gruß,

Clown
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ben1
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von ben1 »

Hallo

Tears, Du bist vom Leben gewollt (danke an Britka für diesen schönen Beitrag)!
Du hast Erfahrung in der Arbeit mit dem inneren Kind - vielleicht kann man ja in einem ersten Schritt mal ganz objektiv fragen "was würde eine gute Mutter jetzt tun" - ohne sofort den Bezug zu Dir zu suchen. Die Arbeit angehen würde ich aber. Dass Dich das Thema so berührt, zeigt, das hier noch einiges zu heilen ist. Heilen kann etwas, wenn ich es ansehe, wenn es da sein darf, wenn ich den Schmerz nach und nach integrieren und transformieren kann.

@ Fridolin
freut mich

@ Clown
Ein Clownmobil darf ruhig bunt sein und ein wenig rosten

Ben
brrr
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von brrr »

hallo an alle, vor allem liebe virtuella

ich bin neu hier und habe eben diesen thread gelesen und bin unheimlich berührt. denn ich kenne dies auch.

mein fehler war "jahrgang 44 zu sein und bis zum 3. lebensjahr überflüssig zu sein. meine mutter gab ihr bestes, aber es ist nicht leicht, alleine, nur mit einer halbseitig gelähmten mutter und einem 6- und 1-jährigen kind auf der flucht zu sein"

ich hatte das glück, vor einem jahr an einem pilotprojekt "schreibtherapie kriegsopfer" teilnehmen zu dürfen. mußte da zu (von mir)festgesetzten zeiten zu bestimmten theman aus meinem leben schreiben. zuerst dachte ich, dass ich mich doch an sowieso nix erinnern kann. aber ich konnte. und wenn es auch nur bilder waren, die mich wohl traumatisiert hatten.

das schreiben hat mir soooo gut getan. heute kann ich mir über das damalige ostdeutschland und die flucht auch mal filme anschauen, bücher lesen ohne gleich heulkrämpfe zu bekommen.

ich habe eigentlich nur 1 1/2 richtige therapie-erfahrung (nämlich 10 wochen psychosom. klinik und diese schreibtherapie), aber ich weiß, dass es gut und wichtig und richtig ist, sich die alten wunden anzuschauen und sogar, sie aufzukratzen. übrigens, es gibt unheimlich viele bücher über die entstehung der seele & co.

weshalb ich jedoch antworte ist etwas anderes: wer zwingt dich, liebe virtuella, mit deinem rostigen kleinauto auf der rennbahn zu fahren???? es gibt so wunderschöne kreisstraßen oder sogar feldwege.

mir hat der vergleich so gut getan. sinngemäß: wenn ich den kopf nicht hochkriege, dann freue ich mich an der naturvielfalt auf dem erdboden.

ich bekomme den kopf auch oft nicht hoch, aber nun werde ich versuchen NICHT ins leere nach unten zu schauen, sondern auf die gräser, steine und blümchen, die z.zt. alle unter dem schnee verschwunden sind.

ich bedanke mich für diesen faden und schicke allen ein sonntagslächeln.
brit
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Virtuella
Tears
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Tears »

Liebe Brit,

vielen Dank für Dein Posting.

Deinen Tipp mit dem Aufschreiben habe ich mir ja jetzt schon mal ausgiebig zu Herzen genommen. Es sind Mosaiksteinchen, die sich nach und nach zusammenfügen. Ich habe allerdings immer eine große Scham über meine Gefühle ehrlich zu schreiben und habe alles, was ich im Laufe der Zeit über mein Innenleben zu Papier gebracht habe, aus Angst, entdeckt zu werden, regelmäßig vernichtet. Einzig ein Buch, in das ich sehr, sehr düstere Aphorismen aus dem modrigen Urschlamm meiner Seele schreibe, traue ich mich zu behalten.

Dein Bild, Feldwege zu nehmen und sich an den Gewächsen am Erdboden zu erfreuen, ist verlockend. Ich habe aber das Gefühl, dass ich langsam völlig den Anschluss an die Normalität verliere. Meine Ängste werden immer größer, je länger ich mich isoliere. Da riskiere ich auch meine wirtschaftliche Existenz, die ich seit geraumer Zeit ohnehin schon verdränge. Problem ist bei allem halt irgendwie, dass ich keine Wahrnehmung für mich selbst habe und deshalb nicht richtig beurteilen kann, was ok ist und was nicht.

Lieber Gruß
Virtuella
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von Clown »

Liebe Virtuella,

habe gerade deinen Bericht gelesen, ich schreibe morgen noch etwas dazu, bin jetzt müde.

Das nur kurz: Du bist auf dem Weg, kommt mir vor, es ist gerade ein sehr schmerzhaftes Stück, aber du bist auf dem Weg ... zu dir.

Schlaf gut, bis morgen,

Clown
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Eckhart Tolle
ben1
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Re: Und ewig grüßt das Murmeltier

Beitrag von ben1 »

Hallo Virtuella

ich finde (wie Clown) - Du bist auf dem Weg! Und gerade die Passagen, die viel Kraft kosten und auslaugen sind häufig die wichtigsten. Wieder ein Steinchen für das Mosaik gefunden - weiter so!

Ben
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