Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

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Jessi1980
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Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,
ich bin seit fünf Monaten krankgeschrieben und plage mich seit langem mit den Gedanken an einen Wiedereinstieg in meinen alten Job, dort allerdings in einem anderen Bereich. Ich habe regelrechte Angst davor! Ich war nicht in der Lage während der letzten fünf Monate inkl. Rehazeit, Psychotherapie, Sport etc...richtig "abzuschalten". Habe desweiteren Schwierigkeiten mit fremden Menschen in Kontakt zu treten, was früher (vor eineinhalb Jahren) eher eine Herausforderung für mich war, da ich beruflich immer mit vielen Kunden zutun hatte und dies auch sehr gern. Da es beruflich vor ca. einem Jahr zu massiven Engpässen durch Personalmangel kam, wurde es einer harten Aufgabe für mich mit den Kundenmassen zurecht zu kommen und für drei zu arbeiten, und auch das habe ich damals noch gut und gern bewältigt, bis es plötzlich nicht mehr klappte, und ich Blockaden und Panikattacken bekam. Dazu kam höherer Vertriebsdruck, Schuldzuweisungen, wenn etwas nicht so lief, wie der Chef es erwartet hat, eine zunehmend schlechter werdende Stimmung im Team und ein ungerechter Umgang miteinander, was unerträglich wurde.

Nach mittlerweile fünf Monaten habe ich die Erwartung, dass sich diese Angst endlich mal legen würde?! Aber sie verschwindet, trotz Einnahme von Venlafaxin, nicht. Mit meinem Therapeuten spreche ich auch über diese Themen. Habe sogar während der neuen Gruppentherapie wieder Schweißausbrüche, Blockaden und Atemprobleme bekommen und kann mir diese Reaktionen einfach nicht erklären. Ich könnte mich dann selbst wieder ohrfeigen!...in solchen Momenten verschwinden dann auch wieder meine guten Vorsätze und optimistischen Gedanken und alles kehrt sich um ins Negative...

Hat jemand ähnliche Erfahrungen und kann mir einen Tipp geben?

Nun diagnostizierte meine Psychiaterin bei mir eine erneute depressive Episode. Ich weiß einfach nicht so recht, wie es mit mir weitergehen soll?! Habe mir bereits einen Termin für eine Tagesklinik besorgt.
Krimi
Beiträge: 332
Registriert: 11. Jul 2008, 15:19

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Krimi »

Hallo Jessi,

ich möchte Dir Mut machen, Dir mehr Zeit zu lassen! Ich weiß, 5 Monate Krankenstand klingen unheimlich viel, aber vielleicht brauchst Du einfach noch mehr Zeit?

Ich war nach meinem Zusammenbruch 1 komplettes Jahr zu Hause bzw. zwischendurch 8 Wochen in der Klinik. Nach diesem Jahr habe ich 7 Monate eine Wiedereingliederung gemacht. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch noch mit Depressionen zu kämpfen, hatte Panikattacken, konnte mir einfach nicht vorstellen, wieder zu arbeiten. Aber gleichzeitig hatte ich den Eindruck, dass sich zu Hause nichts mehr ändern wird und ich ganz, ganz langsam wieder in den Beruf zurückfinden muss bzw. möchte.
Ich habe eine extram langsame Wiedereingliederung gemacht, erstmal nur 2 Stunden am Tag gearbeitet, erst war ich einfach nur anwesend, hatte keinen Kundenkontakt. Ich habe in Teamsitzungen Panikattacken bekommen, habe Konferenzen nicht aushalten können, konnte mich maximal 2 Stunden konzentrieren, habe ständig angefangen zu heulen usw.
Es ist in sehr kleinen Schritten immer ein bisschen besser geworden. Es gab Rückschritte, aber die Tendenz war doch steigend. Mittlerweile arbeite ich seit einem halben Jahr wieder "richtig" und kriege es gut hin! Klar bin ich nicht mehr so belastbar wie früher, klar habe ich immer noch einen Hang zu Panikattacken, aber ich bin viel gefestigter, stehe ganz anders da als noch vor einem Jahr.

Ich möchte Dir wie gesagt Mut machen, nicht zu verzweifeln. 5 Monate sind echt noch nicht lange bei so einer Erkrankung. Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Ich denke, Du wirst selber spüren, wann der Zeitpunkt gekommen ist, Dich langsam wieder an die Arbeit zu wagen. Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, jetzt erst noch in eine Tagesklinik zu gehen, wieder ein bisschen stabiler zu werden. Ich glaube, man kommt einfach nur in sehr kleinen Schritten wieder aus diesem Loch heraus. Lass Dir Zeit und hab Geduld und Vertrauen, dass es auch wieder bergauf geht!!!

Alles Liebe und viel Kraft wünscht Dir
Bea
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Bea, danke für Deine positiven Worte. Ich bekomme so wenigstens das Gefühl mit dieser Sorge nicht ganz allein zu sein. Ich weiß leider auch nicht, warum ich mich immer so unter Druck setze. Habe allerdings in den letzten fünf Jahren enorm unter Druck gearbeitet, vielleicht geht dieser dann auch sehr langsam aus mir raus?!Habe Angst davor, dass sich in der neuen Abteilung alles wiederholen könnte und davor, auch dort einen Zusammenbruch zu erleiden...aber Du hast recht, ich sollte mir mehr Zeit geben...
quarktasche
Beiträge: 299
Registriert: 9. Nov 2009, 12:18

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von quarktasche »

Hallo Jessi,

wie dir, Jessi, tut es mir auch gut zu wissen, dass es bei anderen ähnlich und ähnlich lange war/ist.
Vielleicht ist es die richtige Idee, erstmal in eine TK zu gehen. Ich selbst war nach einigen Monaten Station noch einige weitere Monate in einer TK. Seit Januar arbeite ich wieder. Bis zu meinem ersten Tag hatte ich totale Angst, dass es nicht geht...Dann gab es erst mal drei Wochen Eingliederung (viel zu kurz, aber ich muss beruflich voran kommen). Und ähnlich wie bei Bea ging und geht es in (manchmal) winzigen Schritten immer besser (obwohl mir die härteste Belastungsprobe noch bevor steht).
Ich will dir einfach ein bisschen Mut machen, deinen Weg zu gehen. Lass dir so viel Zeit wie du brauchst, mit dem Willen allein geht es leider nicht immer.

Viel Durchhaltevermögen und
lG bohne
retseim5
Beiträge: 43
Registriert: 10. Dez 2009, 07:03

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von retseim5 »

Hallo Jessi29,

mir geht es genau wie Dir!
Ich bin bzw. war Bauführer in einem großem Betrieb. Durch den ständigen Ärger und die dauernde Überbelastung bin ich völlig aus der Bahn geraten. Den Suizidversuch habe ich Gott sei dank nicht vollzogen.
Ich war insgesamt über 1/2 Jahr in 2 verschiedenen Kliniken.
Ich bin Heute nocht nicht im Stande Menschen gegenüber zu treten.
Ich komme mir vor wie ein 5 jähriges Kind das fremdet.
Ich bin nicht mehr in der Lage soziale Kontakte zu pflegen oder neu zu knüpfen.
Allem gehe ich ständig aus dem Weg.

Ich bin nach mehreren Gutachten zu 100 % Invalide geworden. Eigentlich müsste nun der Druck auf mich abnehmen , das ist aber leider nicht der Fall.

Ich kämpfe mich so jeden Tag aufs Neue durch

liebe Grüße axel
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo bohne, Deine Entwicklung hört sich ja recht positiv an. Ich weiß, dass es ein anstrengender Weg mit vielen Hindernissen ist, doch verlässt mich manchmal der Mut,denn wenn es mir einigermaßen gut geht, denke ich es geht wieder bergauf und dann ist es doch nicht der Fall. Aber wie bereits gesagt, ich fühle mich nicht mehr ganz so allein mit diesen Gefühlen und versuche sie als Begleiterscheinung der Krankheit zu akzeptieren. Ich wünsche auch Dir viel Kraft, Durchhaltevermögen und berufl. Weiterkommen!!!

Hallo retseim5, Dein Bericht hat mich ein wenig schockiert, und ich bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen mich überhaupt zu beschweren, weil es Dir deutlich schlechter geht als mir. Denn ganz so schlimm ist meine Situation, dank Medikamenten, nicht geworden. Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute und viel Beistand von Freunden und Familie!
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,
ich habe mich mittlerweile fest dazu entschlossen meinen derzeitigen Arbeitgeber zu wechseln. Seidem ich diesen Entschluss gefasst habe, kann ich wieder besser schlafen...

Ich habe die Möglichkeit mich in einer Tochtergesellschaft meiner derzeitigen Firma wiedereingliedern zu lassen, weiß aber nicht genau, wann dafür der richtige Zeitpunkt ist. Manchmal bekomme ich wieder Lust darauf, zu arbeiten und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Dennoch leide ich häufig unter plötzlichen Panikattacken mit rotem Kopf, Schweißausbrüchen, Ohrgeräuschen usw..., bei denen ich noch nicht herausgefunden habe, worin diese begründet sind. Meine Angst besteht darin, in dieser neuen Firma einen zu voreiligen Neuanfang zu wagen und danach auf die Nase zu fallen. Mir ist bewusst, dass es nicht einfach wird, mir geht es ja auch erst seit kurzem (einer Woche) etwas besser.

Was ratet ihr mir? Wie sind Eure Erfahrungen mit einer Wiedereingliederung? Ist es sinnvoll, wenn ich mich nach ca. acht Monaten Krankenstand für einen Wiedereinstieg entscheide?
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von wennfrid »

Hi Jessi
Die Vorstellung, daß du deine beruflichen Aktivitäten nicht zu 100-Prozent erfüllst kannst, muß eigentlich Angst auslösen. Angst verbraucht sehr viel Energie, die für denn Alltag abgeht. Eine 100-prozentige Sicherheit, alles richtig zu machen, gibt es nicht. Die Möglichkeit, daß das eine oder andere nicht optimal verläuft, ist gegeben und bei allen Menschen ähnlich. Wichtig ist, wie du dich wahr nimmst und was du von dir verlangst. Außerdem verfehlt jede Selbstkritik ihr Ziel. Wenn du dich kritisierst, wenn du selber wütend auf dich bist, dann behandelst du dich selber schlecht. Der Spruch "ich muß mich nur zusammenreißen" löst kein Problem, eher wird's noch schlimmer. Statt Selbstkritik Eigenliebe, dieses Ziel gefällt mir gut. Dazu Vertrauen in sich und die Welt, so können viele Probleme beseitigt werden. Ein hohes Idealbild, von uns selber, erschwert uns den das tägliche Sein. Mir ist klar, daß dieser Lebenstruktur mit unserer Leistungsgesellschaft kollidiert.
Nur ein Denkanstoß! Ich weiß, es ist viel leichter geschrieben, als getan.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Angst vor einem beruflichen Wiedereinstieg

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Fridolin, Dein Denkanstoß " mehr Eigenliebe statt Selbstkritik und Vertrauen in sich selbst" ist ein sehr guter Ansatz! Ich muss diesen nur emotional verinnerlichen und warnehmen, also fühlen lernen. Habe Angst, dass mir dafür nicht soviel Zeit bleibt...es ist immernoch dieser innerliche Antreiber, der mich nicht richtig zur Ruhe kommen lässt...ich bin aber auf dem besten Weg, hoffentlich.

Was die 100%ige Erfüllung der Anforderungen angeht, bin ich insgesamt relaxter geworden und konnte besonders in den letzten Wochen ansatzweise eine andere Einstellung entwickeln. Mir kommt es NICHT mehr darauf an, 150% geben zu müssen.

Ich bin mir nur nicht sicher, wann der richtige Zeitpunkt für eine beruflichen Wiedereinstieg wirklich da ist, in erster Linie hinsichtlich meiner gesundheitlichen Situation. Dass ich nicht so leistungsfähig wie früher sein werde, damit rechne ich und habe auch keine Probleme damit, weil meine neuen Vorgesetzten die Situation ja kennen werden. Unter enormen Leistungsdruck lasse ich mich nie wieder setzen!!! Der Preis, den ich dafür gezahlt habe, ist mir zu hoch!
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