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Was ist der Willen der Depression

Verfasst: 28. Dez 2009, 16:32
von Tears
Ich bin an einem Punkt, an dem ich ernsthaft überlege, meiner Depression endlich nachzugeben und mich vom Gerüst meines normalen Lebens zu verabschieden.

Zwar habe ich in den vergangenen Wochen zeitweise wieder etwas mehr Kraft verspürt, merke aber, dass sie einfach nicht reicht, um das zu bewältigen, was ein normales Leben verlangt. Während der letzten Monate habe ich alles auf Sparflamme laufen lassen. Das konnte ich mir für eine Weile erlauben. Nun muss ich mich aber entscheiden, entweder ich mache wieder weiter, oder ich schmeiße alles hin. Wenn ich das tue, bin ich erst mal raus aus dem Job. Ich muss diversen Auftraggebern sagen, dass ich nicht mehr arbeite, muss aus einem laufenden Projekt raus, muss Kunden sagen, dass ich nicht mehr zur Verfügung stehe, quasi dicht mache. Ich werde meine Wohnung nicht mehr bezahlen können, weil ich keine Einkünfte mehr habe, werde dieses Desaster meinem Kind zumuten müssen; werde nicht die Kraft für Wohnungssuche und Umzug haben. Wie so etwas organisatorisch und finanziell in der Realität aussieht, habe ich gar keine Ahnung.

Ich komme aber einfach nicht hoch, liege seit drei Tagen im Bett und wollte eigentlich in aller Ruhe etwas arbeiten. Es muss eine Entscheidung her, sonst steigt der Druck noch mehr und ich komme in Teufels Küche. Am liebsten würde ich abhauen, auswandern, irgendwohin wo mich keiner kennt, im Zelt im Dschungel vor mich hin vegetieren und mit nichts mehr etwas am Hut haben.

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 28. Dez 2009, 18:25
von Babi
Hey Tears,
laß dich mal drücken.
Du klingst wirklich sehr verzweifelt.
Vielleicht solltest du mal eine Kur machen, das wäre vielleicht eine Möglichkeit, die Kurve zu kriegen und vielleicht kannst du dann auch deinen Job behalten, wenn dein Arbeitgeber merkt, daß du was tust.

Du bist jedenfalls sehr am Ende und brauchst etwas, daß dir Kraft gibt und wo du Kraft schöpfen kannst.
Du brauchst auf jeden Fall viel Ruhe, das merke ich.
Laß dich doch von deinem Arzt mal beraten, was er zu einer Kur meint.
Meiner hatte mir das sogar geraten, als ich sehr tief in der Depression war. Er hat gesagt, ich solle mir das überlegen.
Es ist jetzt wichtig, daß du Kraftquellen für dich findest.
Wenn mir noch was einfällt, schreibe ich es hier rein, ich würde dir gerne mit mehr Tipps helfen,. weiß im Moment nur keine.
Alles Liebe Babi

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 28. Dez 2009, 18:26
von HelH3
Liebe Tears,

hm, solange du dich wie beschrieben so blockiert fühlst, lässt du der Depression doch eigentlich schon ihren Willen, oder? Im übrigen kann ich dir das alles gut nachfühlen - befinde mich auch in einer Situation, in der ich zwar schon eine Entscheidung getroffen habe, sie aber nur so elendig langsam umzusetzen vermag und es mir somit eigenverschuldet sehendenden Auges nur unnötig viel komplizierter mache. Typisch

Manchmal wünschte ich, es gäbe EKT-Geräte für den häuslichen Eigengebrauch zur nachhaltigen Antriebssteigerung, ich würde das sofort nutzen

Dir und uns allen mehr Kraft und Hoffnung wünscht Helena

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 28. Dez 2009, 19:12
von e621
Hi Tears,

ich glaube die Depression soll eine Veränderung herbeiführen.
Vlt. ist es ja gerade deine berufliche Situation.

So down wie du dich fühlst, würde ich fast sagen geh ins nächste Bezirkskrankenhaus und lass dich stabilisieren.

Mitfühlend

Frank

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 28. Dez 2009, 19:52
von Katzenohr
Hallo Tears,
es hoert sich an als waerst du selbstaendig. Trotzdem hast du doch sicherlich eine Krankenversicherung. Vielleicht verschafft dir eine Au ein wenig Zeit die Lage zu sondieren. Ich weiß, das ist jetzt wieder ein praktischer Vorschlag, aber unter Umstaenden laesst sich das mit einer Kur -wie Babi es vorgeschlagen hat- verknuepfen.

> Nun muss ich mich aber entscheiden, entweder ich
mache wieder weiter, oder ich schmeiße alles hin. Wenn ich das tue, bin ich erst mal raus aus dem Job. Ich werde meine Wohnung nicht mehr bezahlen können, weil ich keine Einkünfte mehr habe, werde dieses Desaster meinem Kind zumuten müssen;

Die Alternative dazu waere doch nur weiterarbeiten bis du nicht mehr selbst entscheiden kannst. Der Mensch scheinst du mir nicht zu sein und ich weiß worum es geht, denn ich stehe vor einer aehnlichen Entscheidung
und koennte dann mein Haus evtl nicht mehr halten. Im Moment jongliere ich ein wenig auf Zeit, hoffe das meine Therapie und AD helfen. Wenn nicht, so hoffe ich jedenfalls, bin ich mir wichtig genug eine Entscheidung für mich und gegen das Geld zu treffen.
>
> Es muss eine Entscheidung her, sonst steigt der Druck noch mehr und ich komme in Teufels Küche. Am liebsten würde ich abhauen, auswandern, irgendwohin hin vegetieren und mit nichts mehr etwas am Hut haben.

Ich glaube nicht, dass Aufgeben eine Moeglichkeit darstellt. Ich schicke dir ein kraftpaket und drueck dich.
Katzenohr

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 28. Dez 2009, 21:35
von mystery60
Hallo Tears,

dein Hilferuf klingt für mich nach aufgbeben oder sich einfach fallen lassen, im Sinne von keine Kraft mehr aufwenden müssen - nicht mehr ankämpfen gegen alles.

Geht mir in gewissen Weise ähnlich, denn ich muss mich bald mal entscheiden, ob ich zurück in meinen Job gehe (n kann) oder nicht. Andere Projekte hab ich auch hinausgeschoben aber ich denke, ich werde sie absagen. Ich werde ggf. sowieso aus meinem bisherigen Tätigkeitsfeld aussteigen.

Bei Dir ist das aber entscheidender, denn es hängt mehr dran, deine Existenz, und da ist schon die Frage, welche Zukunftsperspektive du hast - also die Frage: was will ich?
Ggf. wäre ja auch einfach eine klare Pause angezeigt - haben andere ja auch schon empfohlen, mal in eine Klinik gehen, sich helfen lassen, zur Ruhe kommen, über sich nachdenken, seine Mitte finden und daraus die Frage beantworten: was will ich eigentlich vom Rest meines Lebens?

Wenn Du mit deiner Arbeit zufrieden warst und das im Prinzip gern gemacht hast, wäre es schade, wenn das alles kaputt gehen würde.
Gönn Dir erst mal Ruhe - im Zweifel würde ich auch Kunden vertrösten und wenn die nicht weiter warten wollen oder können werden die sowieso ihre Konsequenzen ziehen, aber vielleicht gibt es auch welche, die Verständnis und Geduld haben und warten, weil sie deine Arbeit schätzen.

Egal wie Du Dich entscheidest und was jetzt kommt, ich drück Dir die Daumen

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 29. Dez 2009, 09:18
von maki
Hallo Tears,

Hast du denn nicht die Möglichkeit, in deiner Arbeit kürzer zu treten? Nur noch einzelne Projekte anzunehmen und fertigzustellen. Ganz aufhören kann man ja nur, wenn man auf der anderen Seite eine Erwerbsquelle hat, und das scheint bei dir ja nicht der Fall zu sein.

Ich hoffe, wenn du wieder hier reinschaust, bist du ein bischen besser drauf, hast wieder mehr Kraft, denn du weisst ja, jeder Tag ist für uns anders, mal grau, mal schwarz, mal bischen lichtdurchflutet.

Wünsch dir Kraft bei deinen Entscheidungen!

Milly

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 29. Dez 2009, 12:32
von Tears
Hallo Ihr Lieben,
vielen Dank, dass Ihr Euch dazu Gedanken macht.

Ich sehe momentan wirklich keine Lösung, schwanke zwischen alles weiterlaufen lassen und sehen, was passiert, und das Risiko eines existentiellen Absturzes eingehen und sehen, was passiert.

Ich fange mal hinten an:

Milly,
ja, ich habe keine Rücklagen oder Sicherheiten. Während der vergangenen Monate habe ich bereits alles sehr auf Sparflamme laufen lassen in der Hoffnung, dadurch wieder zu Kräften zu kommen. Ich dachte auch, dass es geholfen hätte, dem ist aber nicht so. Nun naht das neue Jahr, ich muss mich um vieles kümmern, wenn es weitergehen soll, aber ich bin auf einmal wieder so fertig, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie das gehen soll. Sehe alles schwarz und habe keinerlei Vertrauen in meine Kraft und Fähigkeiten, den Erwartungen anderer und dem finanziellen Druck halte ich nicht mehr stand.

Tiefgrund,
eigentlich mache ich meine Arbeit sehr gerne, aber sie strengt mich z.T. sehr an und bringt mich immer wieder an meine Leistungsgrenze. Wahrscheinlich haben mich auch dieser Perfektionismus und das Gefühl, eigentlich nicht gut genug zu sein, über die Jahre derart ausgelaugt, dass ich jetzt nicht mehr kann. Einfach mal ganz Pause machen, ist je nach dem das einzige, was gehen wird, aber die oben geschilderten Konsequenzen werde ich tragen müssen, da ich keine Einkünfte mehr haben werde. Mir selbst ist das langsam völlig egal, ich weiß nur nicht, was so ein existentieller (emotional und wirtschaftlich) Gau bei einem Kind verursacht. Ich habe da ja Verantwortung.
Um Sicherheiten habe ich mich nie gekümmert, auch so gut wie keine Altersvorsorge, eigentlich sogar ganz bewusst nicht. Wahrscheinlich war die Einstellung, dass ich mich halt anstrengen muss, und wenn ich das nicht schaffe, eben die Konsequenzen zu tragen habe, schon aus der latent schwelenden Depression geboren.

Katzenohr,
ja, ich bin selbständig. Krankenversichert bin ich sogar. Was ist eine „Au“? Arbeitsunfähigkeit? So eine Versicherung habe ich gar nicht. Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass ich keine Einkünfte habe, wenn ich nicht arbeite. Ein Dilemma, denn was ist schlimmer? Es ist eine Mär, dass die Zerschlagung der Existenz keine seelischen Auswirkungen hat, demnach gibt es entweder das k.o. durch Aufhören oder durch Weitermachen. Für’s Aufhören spricht, dass ich nicht weiß, was danach kommt, es also etwas Neues birgt. Was das Weitermachen bedeutet kann ich mir schon besser vorstellen.

Honk,
vielleicht läuft es tatsächlich darauf hinaus. Im Februar habe ich keine fixen Termine, den Monat halte ich mir immer frei. Wenn’s bis dahin nicht besser ist, muss ich das tun.

Helena,
wie sieht denn Deine Entscheidung aus? Magst Du davon erzählen? Warum zögerst Du sie hinaus? Das würde mich sehr interessieren. Vielleicht gibt es mir einen neuen Denkanstoß, einen Weg aus der Sackgasse. Wenn Du nicht öffentlich davon erzählen willst, aber es persönlich tun würdest, würde ich mich über eine Email total freuen. Mein Profil ist offen.

Babi,
eine Kur am besten auch mich psychologischer Betreuung wäre vielleicht tatsächlich eine gute Sache. Als Du das schriebst, habe ich mich daran erinnert, dass ich bereits im Mai oder so mal bei der KK angerufen hatte und mich nach den Möglichkeiten einer Kur erkundigt hatte. Damals war ich noch nicht depressiv, nur sehr erschöpft. Weiter habe ich mich erinnert, dass ich bereits Ende 2007 wegen Erschöpfung beim Hausarzt war. Er machte ein großes Blutbild und sagte, dass alles perfekt sei. Er fragte mich, ob ich Sorgen hätte, ich erzählte ihm von viel Arbeit und noch einem anderen Thema, das mich seit langem beschäftigt, er sagte, ich solle mal weniger machen, und dann ging ich wieder. Ich habe mich auch daran erinnert, dass ich Anfang 2009 wieder bei diesem Arzt war, weil ich total erschöpft war, und ihn um Aufputschmittel gebeten habe, weil ich nicht mehr konnte, aber unbedingt eine Arbeit fertig machen musste, die noch ein paar Wochen in Anspruch genommen hat. Ich habe dann ein paar Herz-Kreislauf-Tropfen von ihm erhalten, die keine Wirkung hatten und ich deshalb auch nicht richtig einnahm.

Wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdenke, stelle ich mir die Frage, ob der Arzt mich nicht auf die Gefahren hätte aufmerksam machen müssen. Ich habe mir nicht vorstellen können, was eine Erschöpfung für massive Auswirkungen haben kann, die die seelische und finanzielle Existenz derart gefährden können. Ich hatte zuvor schon mit Depression zu tun, war aber lange her. Der Gedanke, dass ich geistig und körperlich jemals nicht mehr können könnte, hat in meinem Bewusstsein nicht existiert.

Es kommt mir so vor, als würde ich einfach alles falsch machen. Ich komme mit dem Leben nicht klar, mit der Arbeit nicht, die mir eigentlich Spaß macht, bringe nicht einmal eine Kommunikation mit Ärzten und Therapeuten zustande, um Hilfe zu bekommen. In der Vergangenheit habe ich schon diverse Therapeuten aufgesucht, von denen glaube ich kein einziger je den Ernst meiner Situation erkannt hat. Vielleicht erzähle ich immer zu abgeklärt, vielleicht sind meine Geschichten zu banal, meine Verhaltensweisen zu dämlich. Mir reicht der Kampf mit mir selbst, ich bin zu müde, auch noch um Hilfe zu kämpfen. Klingt abgedroschen, aber in Situationen wie der gegenwärtigen kann ich mich des resignativen Gefühls nicht erwehren, dass es meine Strafe für irgendwas ist, keine Hilfe bekommen zu dürfen. (Ihr braucht nicht auf diesen Satz zu reagieren, ich weiß was darauf zu sagen ist, würde es bei anderen ebenso tun. Das Gefühl bleibt dennoch.)

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 30. Dez 2009, 09:44
von maki
Hallo tears,

Es wäre ja nicht verkehrt, weiterhin auf Sparflamme zu bleiben wenn's zu mehr noch nicht reicht. Du hast ja gemerkt, dass es dir damit ein bischen besser geht, also warum solltest du jetzt wieder in den alten Trott hinein. Hast du denn niemanden, den du um Hilfestellung bei verschiedenen Tätigkeiten bitten könntest? Ich weiss, wenn man unten ist, ist sogar ein Telefonat zuviel,da wäre schon jemand nötig der uns das erledigt.

Wünsch dir Kraft!!

Milly

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 30. Dez 2009, 23:17
von Katzenohr
Hallo Tears
egal wie du dich entscheidest, ich wuensche dir viel Kraft für deinen Weg. Wenn ich dich unterstuetzen kann, will ich es gern tun.
Alles liebe Katzenohr

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 31. Dez 2009, 10:09
von chrigu
Liebe Tears,

ich hab jetzt erstmal nur Dein Eingangsposting gelesen. Aber schon bei der Überschrift habe ich mich gefragt: Was will sie denn eigentlich, die Depression? Will sie, dass Du im Bett liegst? Dass Du aufgibst? Dass Du in den Dschungel auswanderst?

Vielleicht will die Depression eigentlich etwas ganz anderes, aber in diesem Willen gibt sie Dir das Gefühl, aufgeben zu müssen, liegen bleiben zu müssen.

Ich habe für mich das Gefühl, dass meine Depression an dem Punkt, an dem sie ganz schlimm war, tatsächlich etwas bestimmtes wollte. Für mich wollte sie wohl, dass ich mir Hilfe hole, dass ich nicht mehr so weitermache wie bisher. Das mit der Hilfe habe ich tatsächlich ziemlich sofort gemacht, einfach, weil es nicht anders ging. Die Änderungen kamen dann erst später und sind immer noch dabei.

Im RME hat Clown geschrieben, dass man bestimmte Aspekte oft erst erkennt, wenn man aus dem größten Schmerz raus ist. Aber vielleicht hilft es Dir, die Sache mal von einer anderen Seite zu betrachten? So, dass die Depression nur vermeintlich will, dass Du liegenbleibst, aber ihr eigentlicher "Wille" etwas anderes ist?

Alles Gute für Dich!
Chrigu

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 1. Jan 2010, 21:42
von Katzenohr
Hallo liebe Tears,
ich wuensche dir ein gutes neues Jahr.
Seebaer hat in seinen thread alle eingeladen an Bord zukommen und 2010 anzusteuern. Mir hat dieses Bild geholfen mich mit einem neuen Jahr und moeglichen Unwegbarkeiten anzufreunden. Wasser ist unberechnenbar, aber ich bin auf einem Schiff und das hat ein steuer und selbst wenn es sinken sollte, dann kann ich schwimmen.
Vieleicht findest du auch ein Bild das dir weiter hilft.
Alles liebe
Katzenohr

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 1. Jan 2010, 21:45
von Katzenohr
Bitte entschuldige die Tippfehler.
Ich war zu schnell
Katzenohr

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 1. Jan 2010, 23:56
von Tears
Liebe Katzenohr,
nett von Dir, dass Du mich hervorlockst. Mir geht es nicht gut, liege den siebten Tag im Bett. Ich habe mich zurückgezogen, weil ich wieder einmal alles schwarz sehe. Will Euch davon verschonen.
Trotzdem hat mich Dein Posting gefreut. Vielen Dank dafür.

Chrigu,
Danke auch für Deine Gedanken. Es ist genau meine ernst gemeinte Frage, was die Depression von mir will. Da ich im Laufe der Jahre schon einiges versucht habe, habe ich jetzt das Gefühl, sie will mich richtig am Boden haben. Was danach kommt, entzieht sich momentan meiner Vorstellungskraft im konstruktiven Sinne.

Gute Besserung an Chrigu und Katzenohr und einen schönen Urlaub.

Viele Grüße und die besten Wünsche an Euch alle für 2010.

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 01:58
von Harry_Haller
Hey Tears,

was heißt, Du willst uns damit verschonen? Was ist das hier? Eine kombinierte Bingo- und Topflappen-Häkel-Gruppe? Ich schätze dieses Forum so, weil hier wirklich jeder wirklich sein ganzes Elend loswerden kann!

Also: raus damit! Wenn Du schon sieben Tage im Bett liegst, geht es Dir wirklich dreckig! Und was das schwarzsehen angeht, können wir ja um die Wette schwarzsehen. Ich liege zwar nicht lang, kann mir aber nach ein paar relativ ausgeglichenen Tage auch nicht ernsthaft vorstellen, wie ich auf diese Weise noch 20 oder 30 Jahre weitermachen soll. Dumm nur, dass ich keine Perspektive oder Alternative sehe. Meine Frau habe ich mittlerweile soweit, dass sie auch die ersten Anzeichen einer prächtigen Depression zeigt ... Willkommen in 2010.

Diese Forum lebt vom Austausch, auch wenn es ans Eingemachte geht. Also, verkrieche Dich nicht vor uns - wir verstehen Dich!

Liebe schwarzseherische Grüße
Der Steppenwolf

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 03:47
von 1975
War gerade auf der Suche nach einem Platz für Neujahrsgrüße und bin hier vorbeigestolpert. Zwar kann ich gerade nicht mit sonderlich guten Ratschlägen nutzen. Aber etwas fällt mit ein. Vielleicht versuchst Du etwas total Gegenteiliges zu tuen, was ausgefallenes. Zeig DIR das DU Lebst - lauf barfuss durch den Schnee - tue etwas was Du noch nie getan hast.
Hoffe dieses Gedicht baut Dich etwas auf.
(für alle anderen natürlich auch)

Ich wünsche dir Zeit
Ein Gedicht von Elli Michler

Ich wünsche dir
nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur,
was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.

Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit, nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.

Ich wünsche dir Zeit, nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrigbleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.

Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.

Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben!

LG an Alle

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 07:40
von flyingangel
Hallo tears,

es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht, aber vielleicht bietet sich dir dadurch die Möglichkeit, etwas zu verändern. Wie schon in einigen Antworten angesprochen, will diese wirklich miese Phase dir vielleicht doch einfach nur sagen: "Tu was, ändere was!"

Aus eigener Erfahrung kann ich dir nur empfehlen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Kur wäre m.E. nicht genug, es sei denn sie findet in einer psychosomatischen Klinik statt. Wenn es in deinem Wohnort eine psychiatrische Ambulanz gibt, würde ich an deiner Stelle dort Hilfe suchen. Ein Aufenthalt in einer Tagesklinik könnte dir evt. helfen, eine neue Sichtweise zu finden, dich neu zu orientieren, zu dir selbst zu finden etc. Das alles mit professioneller Unterstützung. Ich habe auf diese Art und Weise zu einer neuen positiveren Selbst- und Weltsicht gefunden.

Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du es schaffst, aus diesem Loch herauszukommen und dich nicht weiter fallen läßt!

Ein neuer Anfang im neuen Jahrzehnt wäre doch nicht schlecht.

Alles Gute
wünscht flying angel

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 11:15
von kleene_sue
Hallo Tears,

ich wünsche Dir ein Frohes neues Jahr!!!

Bist du den ein einer ambulanten Therapie mind. 1x die Woche??? Das würde zumindest Dich zwingen innerhalb der 7 Tage, die du schon im Bett liegst 1x außer Haus zu kommen und wenn du dann das geschafft hast, hilft dir die psychiatrische Tagesklinik sehr tgl. außer Haus zu kommen und die Kur dann einen Abstand von deinem Zuhause zu kriegen, aber trotzdem immer wieder den Gedanken zu haben nach Hause gehen zu können.
Mir hat das alles schon geholfen, ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Was dann deine finanzielle Seite angeht, kann ich Dir leider nicht helfen, ich bin gerade mal 24 und nicht so erfahren ;o)

Du musst einfach deiner Seele zuhören und darauf gefasst sein, dass z.b. bei einer Therapie Probleme angesprochen werden, die weh tun, doch du musst Dich hingeben, sonst bringt das alles nix (so leicht es sich auch anhört).
Dass du nun schon tgl. im Bett liegst ist ein Zeichen, dass dein Akku alle ist und deine Seele dem Körper zwingt zur Ruhe zu kommen (viell. ein pos. Aspekt dieser Sache?!).

Ich hoffe ich konnte Dir ein wenig helfen?!

Liebe Grüße

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 11:30
von otterchen
Guten Morgen!

Die Depression bringt dich zum Stillstand. Und in diesem befindest du dich gerade.

Die Depression ist - nach meiner Definition! - mein eigener Bremsschuh. Wenn ich wieder mal so runtergefahren werde, weiß ich, dass ich etwas mit mir falsch mache.

Was will die Depression von mir?
Sie will, dass ich den eingeschlagenen Weg nicht mehr weitergehe. Sie zwingt mich zum Halten, damit ich mich mit mir selbst beschäftigen kann.

Darf ich mal ganz provokant was fragen?
Wie lange willst du noch im Bett liegen bleiben und warten, dass sich etwas ändert?

(Klingt richtig fies, ich weiß - aber mit genau der Frage hat der Lebenspartner meiner Freundin sie damals aus dem Bett bekommen. Weil sie ihm vertraut hat und gewusst hat, dass es kein Angriff war.)

Langsam zu sich selbst finden, sich kennenlernen, liebevoll mit sich umgehen...

Ist es liebevoll, sich selbst im Bett liegen zu lassen? Man legt sich ab, weil man mit sich nichts anfangen kann, würde mir in den Sinn kommen. Wie würde denn ein liebevoller Umgang aussehen können? Vielleicht eine Dusche nehmen und "hinfühlen", wie das Wasser erfrischt und die Lebensgeister wieder ein wenig weckt. Sich eine schöne Tasse Kaffee oder Kakao oder Tee zubereiten. Sich für den ersten Tag mal eine Weile ans Fenster setzen und für den nächsten Tag einen Spaziergang vornehmen. Sich selber eine tröstende Geschichte vorlesen.
Und nur bei diesen kleinen Dingen hinfühlen und spüren... wie fühlt sich das an? Kann ich überhaupt noch wahrnehmen? Wenn es mir noch schwerfällt, vielleicht mal mit den Sinnen anfangen: was kann ich in meiner Wohnung riechen, schmecken, fühlen, hören, sehen?



Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen "der Depression endlich ihren Willen lassen":
sie will nur ausbremsen, wenn der Weg nicht der richtige ist. Dann auf dieser Stelle stehenzubleiben ist nicht der Sinn der Depression.


Ganz liebe, warme Grüße aus NRW

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 12:15
von mystery60
>Ich habe mir nicht vorstellen können, was eine Erschöpfung für massive Auswirkungen haben kann, die die seelische und finanzielle Existenz derart gefährden können. Ich hatte zuvor schon mit Depression zu tun, war aber lange her. Der Gedanke, dass ich geistig und körperlich jemals nicht mehr können könnte, hat in meinem Bewusstsein nicht existiert.


<In der Vergangenheit habe ich schon diverse Therapeuten aufgesucht, von denen glaube ich kein einziger je den Ernst meiner Situation erkannt hat.


Hallo Tears,

zunächst mal die besten Wünsche fürs neue Jahr - möge es ein Neuanfang sein, eine neue Ausrichtung.

Vielleicht muss man unten am Boden sein, um wieder Kraft zu haben hoch zu kommen und ggf. seinem Leben eine neue Richtung geben zu können. Vergleichbar mit jemand, der in ein tiefes Becken voll mit Wasser sinkt - er kann nicht nach oben, schwebt immer weiter hinab in die Tiefe, hilflos - am Ende ist er ganz unten, am Boden. Seine Füße spüren es, der Boden ist erreicht. Das ist aber auch die Chance: man kann in die Knie gehen und sich abstoßen, wieder weg von der tiefsten Stelle, ein neuer Impuls, eine andere Richtung, wieder nach oben ans Licht.

Ich sehe es ähnlich wie otterchen - warum brennt einen die Arbeit und der Alltag aus? Die Frage muss man ehrlich an sich selbst stellen und nach Antworten suchen. Ist das, was man lebt, in der Arbeit und als Elternteil gut und fühlt sich alles richtig an? Was zehrt einen dann aus? Was genau raubt einem Tag für Tag die Kraft?

Wenn es da Dinge gibt, die vielleicht auch um die Ecke liegen, also nicht direkt erkennbar sind, die wir vielleicht verdrängt haben, nicht wahr haben wollen, dann sind es ggf. solche Kraftfresser, die einen hinunter ziehen, an die wir aber nicht denken (ich arbeite eigentlich gerne, es macht eigentlich Spaß).
Ein Klinikaufenthalt oder eine Therapie kann ggf. an diese Themen heranführen, kann die zentralen Fragen aufdecken: wer bin ich wirklich? wer will ich sein? was will ich vom Leben?
Und dann die Frage: ist das was ich bisher gelebt habe in diesen Antworten die richtige Art oder müssten Veränderungen erfolgen?

Eher pragmatisch: klar, man hat bisher funktioniert, hat seine Existenz gesichert, vielleicht mehr als nur das. Man hat gut gelebt, es wurde aber zunehmend schwieriger, mühsamer und man fragt sich inzwischen, wie lange man das alles noch schaffen kann und weiß doch schon, dass es eh nur noch Tage oder Wochen sind, bis das Gerüst zusammenbricht.
Also, muss sich etwas tun. Ein "weiter so" funktioniert sowieso nicht.
Also nachdenken: was kann ich konkret jetzt machen? Hilfe suchen - dem Therapeuten so lange meine Situation schildern, mein Problem darlegen, bis ich der Ansicht bin, er/sie hat es jetzt begriffen und kann mir helfen. Sich überlegen, wie eine Therapie gehen kann: Pause machen und in eine Klinik oder Tagesklinik oder ambulante Therapie. Geht das neben der Arbeit und kann ich überhaupt noch arbeiten?
Klar sind existentielle Fragen damit verbunden: ich hätte mir auch gewünscht, ich hätte vor 2 Jahren, als ich selbst noch nicht im entferntesten an eine Depression gedacht habe, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Wenn man schon mal in Therapie war wird das schwierig bis unmöglich. Aber auch da kann man sich ja beraten lassen, auch für den Fall, wie es aussieht, wenn man als Selbständige(r) aufhören muss - was bleibt am Ende. Wo ist der Boden erreicht? Wie kann es danach wieder aufwärts gehen?

In diesem Sinne wünsche ich Dir schnellen Bodenkontakt und einen kraftvollen Abstoß hinauf ans Tageslicht.

Grüße

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 12:31
von bradforhelp
Hallo Tears,

Tiefgrund hat meiner Meinung nach alles genau auf den Punkt gebracht.
Natürlich gibt es Therapeuten, die nicht verstehen, wie es einem gehen könnte. Aber ein Therapeut kann ja nur mit dem arbeiten, was man von sich Preis gibt. Ich kann dir nur raten, mutig und offen zu sein.
Als Mutter denke ich auch an dein Kind. Hast du die Möglichkeit dir bei der Kinderbetreuung helfen zu lassen?
Ich drücke dir alle Daumen und wünsche dir, dass du dich bald entscheiden kannst, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

brad

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 16:03
von Katzenohr


Hallo liebe Tears,
schön, dass du wieder da bist. Komm, wir fahren ins Jahr 2010. Vielleicht mit Seegang, Sturmwarnungen und Riffen aber unser Schiff ist robust und wird nicht sinken. Außerdem gibt es noch Sonnenschein, die laue Nächte, einen Schwimmingpool etc.
Alles andere ist schon gesagt, aber eins ist sicher. Wir sind nicht allein auf dem Schiff und deshalb komm mit.

Herzliche Grüße Katzenoh

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 2. Jan 2010, 16:39
von petra3741
hallo Tears,

ich bin auch selbstständig habe zwei kinder und hatte schon viele Depressionen, aber ich habe nie aufgegeben da raus zu kommen.
und zur zeit geht es mir langanhaltend ziemlich gut.

ich möchte Dir ein paar provokative Sachen schreiben:
ich hoffe Du bist mir nicht böse, aber Wut gibt Energie
Willst Du jetzt den Rest Deines Lebens überwiegend im Bett verbringen?
Aus Antoinette Borri:" Schritte aus der Depression"
-Deshalb ist es wichtig, sich an seine Aktivitäten ja keinesfalls aufzugeben, sondern sich gerade an sie zu klammern.
- Meine Patienten sagen oft zu ihr,"Sie haben ahlt Kraft" oder "sie sind halt ein starker Mensch". Sie antwortet:" Eben nicht.
Deshalb kann ich mir nicht erlauben, in einer Depression zu versinken.

Aus David D. Burns "Feeling Good Depressionen überwinden"
-Es gibt nur eine einzige Sache, die zuverlässig bewirkt, daß sie sich ziemlich schlecht fühlen. Den ganzen Tag im Bett liegen bleiben. An die Decke starren und den negativen Gedanken Raum geben.
- so verharren sie in der qualvollsten Form menschlichen leidens.

Du hast doch einen Beruf, den du gerne hast.
Da hast du schon mal viel was andere nicht haben.
Irgendwann gib sich ausruhen keine Energie mehr, denke ich. Es zieht dich immer mehr hinunter.
Wenn ich Anflüge von Depression bekomme klammere ich mich an Aktivität.
zb Walken gibt mir mit am meisten Energie.
wenn man was tut hat man auch wieder Erfolgserlebnisse. Die geben auch Kraft.
Jeder Ratgeber empfiehlt einen Tagesplan.
Es ist zu schaffen, wenn du ganz unten bis und alles hinüber ist fühlst Du Dich dann auch nicht besser.
Für sich selbst zu sorgen, mit Anspannung und Entspannung, weniger Perfektionismus, Hilfe holen...... muß jeder lernen.

LG Gina

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 3. Jan 2010, 01:48
von Tears
Vielen, vielen Dank an Euch alle fürs Mutmachen.

Heute habe ich mich aus dem Bett gequält und bin raus gegangen. Das hatte ich mir gestern fest vorgenommen, weil ich ein Einschreiben bei der Post abholen musste, das sonst zurückgeschickt worden wäre. Es ist ein merkwürdiges Gefühl gewesen nach so langer Zeit. Man wird paranoid. Ich hatte schon regelrecht Angst, jemandem zu begegnen und reden zu müssen. Auch weil es während der vergangenen Tage ein paar Mal an der Tür geklingelt hat, ich aber habe nie geöffnet. Gesprächen habe ich mich überhaupt nicht gewachsen gefühlt. Naja, außer mit der Postbeamtin musste ich auch keine führen. Aber vielleicht ist es auch mal nicht schlecht, sich wie vom anderen Stern durch so etwas, was eigentlich Alltag heißt, zu bewegen, damit ich alles einschließlich mir selbst aus der Distanz wahrnehmen kann.

Am frühen Nachmittag habe ich dann Eure ganzen Postings gelesen und war sehr gerührt. Es fällt mir nicht leicht, diese Zuwendung einfach so anzunehmen. Aber es ist eine gute Übung, es mal zu tun und stehen zu lassen, wie es ist.

Steppenwolf, Du hast mich mit Deinem schwarzen Humor sogar zum Lachen gebracht. Vielen Dank dafür.

Einige von Euch haben mir zu recht ins Gewissen geredet, ich solle den Hintern hoch bekommen, mich nicht aufgeben, mir etwas Gutes tun. Aber es ist doch gerade die zerfleischende Seite einer Depression, dass man sich dafür nicht wert hält. Ich kann mir selbst nichts Gutes tun, weil ich erstens keine Lust habe, mich mit dem Wrack, das ich bin, zu beschäftigen, und zweitens empfinde ich auch nichts, wenn mir etwas vermeintlich Gutes widerfährt. Und so empfinde ich Ginas und Otterchens Fragen, wie lange ich noch untätig im Bett liegen bleiben will, überhaupt nicht als Provokation. Ihr habt ja Recht. Genau als dieser Versager, den Ihr damit beschreibt, fühle ich mich. Also, warum es übespielen?

Tiefgrund, ich denke auch, dass es irgendwann nicht mehr schlimmer kommen kann und wieder aufwärts gehen muss. Das ist m.W. ein Gesetz. Darauf vertraue ich einfach mal rein theoretisch, auch wenn ich es nicht spüre.

Jedenfalls habe ich mich nach der Lektüre Eurer Postings durchgerungen, die Schamanin anzurufen, habe ihr gesagt, dass es mir sehr schlecht geht und gefragt, ob sie Zeit hat. Während des Gesprächs habe ich mich selbst beobachtet und über mich gewundert, dass ich so authentisch sein konnte und mir meine Souveränität völlig wurscht war. Heute Nachmittag war ich fast drei Stunden lang bei ihr. Jetzt geht es mir ein wenig besser. Es kamen keine halsbrecherischen Themen zur Sprache, aber interessante. Ich habe das Gefühl, dass ich mit Hilfe dieser Technik an mein Unterbewusstsein herankomme. Das ist mir in herkömmlichen Therapien nie gelungen. Ich kenne die Ursache meiner Probleme und meines Schmerzes, habe aber nie einen Weg gefunden, mit diesem Schmerz lebensfähig zu sein, meine Wut loszuwerden und zu ver-zeihen nach Anselm Grün, wie Uni-Liebe (glaube ich) es in einem anderen Thread so wunderschön beschrieben hat. Schmerz und Wut habe ich, und richtig viel davon.

Katzenohr, flying angel, Shue, Brad und alle, die ich gerade schon angesprochen habe, ich danke Euch sehr.

Lachendes Auge, ich wünsche Dir alles Gute. Habe gelesen, dass Du Dich zurückziehen willst.

Eine gute Nacht

Re: Der Depression endlich ihren Willen lassen

Verfasst: 3. Jan 2010, 06:07
von Harry_Haller
Hallo Tears,

es freut mich, dass ich Dich zum Lachen bringen konnte. Das ist doch mal der erste Schritt in die richtige Richtung.

Trotzdem muss der Onkel wieder meckern! Ich denke mal nicht, dass Otterchen und Gina das Wort "Versager" im Kopf hatten, als sie Dich fragten, wie lange Du noch im Bett zu liegen gedenkst. Und dass Du Dich als Versager fühlst, treibt mir erst recht die Zornesröte ins Gesicht!

Ja, Du bist im Moment im Eimer! Ja, Dir fehlen Antrieb, Mut und die Fantasie, wie es weitergeht. Ja, Du hast Dich während der letzten Tage Gesprächen nicht gewachsen gefühlt. Ja, Du hast eine Depression. NEIN, Du bist weder ein Versager, noch bist Du nichts wert!

Ich hatte mächtige Manschetten vor den Weihnachtstagen, an denen es mir traditionell auch außerhalb der Depri-Phasen besch... eiden geht. Pustekuchen, was waren das schöne Weihnachtstage! So harmonisch war es seit jahren nicht mehr. "Super, oller Steppenwolf", habe ich gedacht, "jetzt geht´s aufwärts!" Tja, wieder Pustekuchen! Pünktlich an Sylvester stand sie auf der Matte, die schwarze Lady, und diesmal hatte sie ihre drei Schwestern mit! Menno, so übel ging es mir lange nicht!

Weißt Du, Du hast in Deinem letzten Posting gefragt, ob es nicht eben gerade die zerfleischende Seite der Depression sei, dass man sich selbst für etwas Gutes nicht wert hält. Das kann ich so leider nicht bestätigen: ich halte mich wert, etwas Gutes zu erleben/erfahren. Ich habe keinen Zweifel an meinem Wert. Ich habe nur Zweifel, ob es irgendeinen Sinn hat. Geht es mir gut, geht es mir schlecht - wo ist der Unterschied? In 80 Jahren erinnert sich kein Schwein daran, wer ich war, was ich gefühlt habe, was ich Gutes oder Böses gemacht habe, ob ich nett zu Hinz oder Kunz war oder nicht oder was. Völlig Banane!

Mein Psychotherapeut versucht gerade, mir begreiflich zu machen, dass es trotzdem nicht sinnlos ist. Lebe! Lebe heute! Ist es Dir schon einmal passiert, dass Du morgens am Frühstückstisch gesessen hast und bereits beim ersten Kaffee sicher warst, dass dieser Tag nicht Dein Freund ist? Acht Uhr morgens, links den Kaffee, rechts die Zigarette, und Dir fällt ein, dass Du einen evtl. unangenehmen Termin vor Dir hast. Nachmittags noch zum Zahnarzt, und für abends hat sich Deine Mutter zwecks Besuch angesagt. SUPER, der Tag ist gelaufen! Vielen Dank! Dabei hast Du Dich noch nicht einmal aus der Wohnung bewegt. Nichts ist Passiert, aber Du bist übel drauf. Magenschmerzen, Zittern, blank liegende Nerven, Depression. Und Du hast immer noch nicht die Wonung verlassen.

Was passiert? Der Termin verläuft prima, der Zahnarzt sagt "Super, Frau Tears, wir mussten ja nicht mal bohren!" und Deine Mutter hat überraschend Besuch von ihrer alten Freundin und Gefährtin im Kampf gegen ungebohnerte Treppenhäuser, Frau Dingens-Bummens, bekommen und muss "leider" absagen.
Guck, die Welt ist in Ordnung, es ist wieder mal alles anders gekommen als befürchtet. Aber Du hast immer noch Magenschmerzen, Du zitterst, Deine Nerven liegen blank und Du bist depressiv. So im Eimer, dass Du die Verabredung am Abend mit Deiner Freundin leider absagen musst, obwohl Du Dich seit zwei Wochen auf den Abend gefreut hast!

Was ich damit sagen will? Die Depression hat keinen Willen, solange Du ihr keinen zubilligst! Sie macht Dich fertig und kaputt, sie kann Dich zerreissen - aber sie hat nur soviel Macht über Dich, wie DU ihr gibst!

Nein, das hier sind keine frommen Worte! Ich weiss, was Verzweiflung ist, wie es sich anfühlt, nicht mehr sein zu mögen, Bodensatz zu sein - das fünfte oder zehnte Rad am Wagen.

Aber klick Dich hier mal durchs Forum: wenn Du ein Versager bist, sind wir hier es alle. Und wenn Du meinst, keinen Wert zu haben - welchen Wert soll ich dann bitte schön haben?
Hey Tears, Du bist ein Mensch wie alle anderen hier und überall auch. Mit Schwächen, aber auch mit Stärken. Vielleicht erkennst Du letztere im Moment nicht, aber sie SIND da.

Allein, dass Du Deine Schwächen zugeben kannst, ist schon eine Stärke. Ich kenne Leute, die das NIE zugeben würden, sich lieber statt dessen besaufen und dann Frau und Kinder verprügeln.

Mensch, wir hocken hier alle im selben Boot!
Nein, ich sage jetzt nicht "Krieg den Hintern hoch".

Ich würde "Mord" und "Brand" schreien, sagte das jemand zu mir. Aber werde Dir bewußt, was Du bist: ein unentbehrlicher Teil unserer Gesellschaft - Mit und WEGEN Deiner Schwächen!

Liebe und pastorale Grüße
Der Steppenwolf