burnout - Job - Gesellschaft - was kommt?

mystery60
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burnout - Job - Gesellschaft - was kommt?

Beitrag von mystery60 »

Bisheriger Titel des thread:
Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?
geändert am 12.01.2010



Habe nicht passendes gefunden, deshalb hier mal zum Job, zu den Ursachen des Ausstiegs, warum wird man ausgelaugt, welche Ursachen liegen an einem selbst, was hat das Betriebsklima damit zu tun, wie geht man miteinander um.
Karriere - um welchen Preis?
Was ist der Sinn des Lebens - was der der Arbeit?
Ist das System krank und werden "die Falschen" behandelt?

Freue mich auf Eure Beiträge.

Gruß
TG
steppenwolf1

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Tiefgrund,

nachträglich noch willkommen im Forum. Es gibt in der Arbeitswelt immer mehr Krankschreibungen wegen psychischen Geschichten. Auch die Depression ist auf dem Vormarsch. Ich denke, dass das auch an der Gesellschaft liegt. Immer höher schneller weiter. Mensch muss funktionieren, soll kein Mensch mehr sein.

Aber wer ist die Gesellschaft ? Das sind wir, wir alle. Und jeder einzelne hat es in der Hand, die Einstellung zu ändern. Ich weiß nicht, ob das geht, wenn man Unternehmer ist und um das Leben der Firma kämpft.

Ich habe dieses Jahr auch wieder eine depressive Episode bekommen, vermutlich auch aufgrund von Überforderung. Und ehrlichkeitshalber muss ich gestehen, war das auch meine Einstellung. Ich wollte es schaffen, Arbeit war alles, Freizeit nichts. Die Quittung hab ich bekommen. Vllt. ist es auch an jedem selbst, an der Einstellung zu Arbeiten und sich auch eine ausgleichende Freizeit zu suchen und zu gestalten. Ich habe derzeit gut reden, bin nicht in Arbeit und habe derzeit nicht den Druck, den ich früher immer hatte.

Letztendlich denke ich trotzdem, dass ein Umdenken stattfinden muss. Auch von den gesunden Unternehmern. Ein glücklicher Arbeitnehmer leistet auch mehr.

Viele Grüße, wölfin
Wolf_56
Beiträge: 22
Registriert: 19. Jun 2005, 19:17

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Wolf_56 »

Hallo Tiefgrund,
vielleicht mal eine Anmerkung aus Sicht der anderen Seite.
Ich habe eine seher, sehr gute Mitarbeiterin, die schon seit vielen Jahren bei mir beschäftigt ist. Sie ist, wie man gemeinhin sagt, das beste Pferd im Stall, fleißig, sehr gewissenhaft, engagiert und vorrausschauend bei allem was sie tut. Perfektionistin könnte ihr 2. Vorname sein. Perfekt als Ehefrau, Mutter, Hausfrau, Freundin und eben auch als Mitarbeiterin. Plötzlich - peng - ein knallharter Schuss des eigenen Systems vor den Bug - Totalausfall. Ich habe keine Ahnung ob überhaupt und wenn ja, wann, sie wiederkommt.
Ich glaube, es wäre zu kurz gegriffen, hier einfach dem Arbeitgeber oder dem System die Schuld zuzuweisen.
Nur mal so als Denkanstoß.
Gruß Wolf
flora80
Beiträge: 3620
Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von flora80 »

Hallo zusammen!

Naja... ich erlebe das folgendermaßen:

Wenn man sehr engagiert und perfektionistisch arbeitet, erntet man dafür auch Lob und Anerkennung. So lange man auf dieser Basis funktioniert, ist alles gut, vor allem für den AG. Wenn man aber weniger perfektionistisch ist, auch mal etwas nicht ganz so engagiert erledigt, eben auf sich und seine Grenzen achtet, so schlägt sich das immer auch irgendwo negativ nieder, vor allem an Punkten, wo es um Bewertungen geht, z.B. Zeugnisse, oder wenn es um Kündigungen geht. Die Frage für den AN ist dann, ob er damit leben kann oder ob die Folgen dann nicht evtl. doch zu gravierend sind. Anders gesagt: Einerseits wird perfektionismus forciert, indem es eigentlich nur dafür wirklich Anerkennung gibt (der "Ottonormalarbeitnehmer" läuft halt irgendwo mit und funktioniert halbwegs, bekommt aber selten wirklich Lob...). Wenn dann andererseits jemand nicht mehr kann, dann heißt es "kein Wunder, die war ja auch immer so perfektionistisch"(EDIT: Was dann gleichbedeutend ist mit "selbst Schuld"). In vielen Fällen (ich meine hier niemanden persönlich!) gibt es hier eine Doppelmoral, die ich für problematisch halte.

Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht mehr über meine Grenzen gehe. Damit nehme ich allerdings auch evtl. mittelmäßige Beurteilungen in kauf. Ich kann mir das "leisten", da ich keine Familie zu ernähren habe. Wenn ich nicht alleinstehend wäre - ich weiß nicht, ob ich das dann auch so handhaben würde und könnte.

Ich habe noch kein Zeugnis gelesen, in dem stand: "Frau X ist eine äußerst kompetente Mitarbeiterin, die es glänzend versteht, für den Erhalt ihrer Gesundheit zu sorgen, indem Sie penibel auf ihre persönlichen Grenzen achtet. Das macht sie zu einer sehr zuverlässigen Arbeitskraft mit wenigen Krankheitstagen."

LG, Flora
uli2705
Beiträge: 179
Registriert: 12. Aug 2007, 19:20

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von uli2705 »

Hallo Tiefgrund.

Interessante Frage(n), die Du da hast.

Ich möchte dazu erst einmal 2 Dinge 'rein werfen:
1. Glaube ich, das die Anforderungen an den Arbeitnehmer kontinuirlich höher und komplexer geworden sind, man muß besser "funktionieren". Ergebnis= Überforderung + Druck.

Oft ist es wohl auch so, das man mit manchen Entscheidungen, die auf wirtschaflicher Basis (was am meisten Kohle bringt) gefällt werden, im Konflikt mit der Menschlichkeit stehen. Damit haben manche Probleme.

2. Sinn des Lebens: habe 'mal gehört

"Der Sinn des Lebens liegt im Erleben und Erleiden."

Das lasse ich 'mal so dahin gestellt.

Lieber Gruß
Ikarus
karlkraus
Beiträge: 86
Registriert: 12. Nov 2009, 18:48

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von karlkraus »

Hallo, Tiefgrund,

Deine Frage, wer denn eigentlich krank sei, wird täglich in den Medien beantwortet.

Krankheit ist die Abweichung von der Norm, die per se als Gesundheit definiert ist. So wird per definionem aus der Krankheit eine "Gesundheit" - und umgekehrt (Warum wohl tragen die AOK den Zusatz "Gesundheitskasse"?).

Ich glaube, wer Karriere machen will, wird sich früher oder später von seinen Idealen verabschieden (so er denn welche hatte), Karriere geht immer auf Kosten anderer, da darfst über den Sinn des Lebens nicht nachdenken, vielfach kommst du auch nicht dazu (oder willst es auch nicht).
Für mich besteht zur Zeit der Sinn des Lebens darin, durchzuhalten, meiner Familie im Rahmen meiner Möglichkeiten eine Stütze zu sein (eher werde ich wohl gestützt). Der Sinn des Lebens ist das Leben.
Diese Aussage kannst du nicht auf die Arbeit übertragen (tun aber viele - hab' ich auch 'mal). Arbeit soll dir das Leben angenehmer gestalten, und sie soll Nutzen bringen (nicht nur für Dich). Das auszugestalten fällt in der heutigen Zeit und Gesellschaft sehr schwer, für mich erscheint es unmöglich.

Ich lass' das 'mal so im Raum stehen.
Gruß



Tucho
bahn

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von bahn »

was ist der sinn................warum und wieso. wenn ich jetzt nur nach der evolutionslehre sehe, alles nur zufall, und irgendwann der tod und dann aus, wo ist denn
da der sinn............................

wenn ich nur in diesem leben den sinn sehe, hätte ich auch als arbeitspferd auf die welt kommen können. essen und trinken, arbeiten, veregnügen, familie, war es das....................................

mir für meinen teil genügt das nicht, auch
nicht die ganze psychologie, therapien, damit ich wieder arbeiten kann..............
damit ich wieder funktioniere...............

ich möchte etwas, einen sinn, der über diese ganze erde, mit allen ihren begrenzungen hinausgeht.....................


was ist das ziel,
was ist der sinn,

wo komme ich her,
und wo möchte ich hin.

ich suchte freude, und geld,
doch jetzt suche ich nur noch nach dem,
was zählt.


was mich hält, was mir immer wieder neue kraft gibt.............................

viele liebe grüsse,

seebär.


nichts gegen alle therapeuten und psychologie, aber es muss doch mehr geben...
fauntleroy
Beiträge: 6
Registriert: 2. Dez 2009, 12:59

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von fauntleroy »

Die niedergelassenen Psychotherapeuten sind Teil dieses Systems. Das habe ich dieses Jahr während einer depressiven Episode schön erleben dürfen als ich von allen Seiten gedrängt diesbezüglich Probetermine bei zwei verschiedenen niedergelassenen Psychotherapeuten wegen Gesprächstherapie hatte (also solche mit Kassenzulassung).

Das tu ich mir nicht mehr an (und meine Psychiaterin findet das o.k.), denn auf Sprüche wie: "Wollen Sie jetzt in Frührente gehen?" kann ich wirklich während einer depressiven Episode gut verzichten, so als ob sich im Leben wirklich alles nur um den Arbeitsplatz drehen würde?!

Gute Erfahrungen habe ich aber mit "Somatic Experiencing" als Kurz-Therapie gemacht (zahlt die GKV aber nicht), und Reiki werde ich im nächsten Jahr auch mal ausprobieren.

Ansonsten glaube ich ganz allgemein, dass Krankheit und Gesundheit zusammengehören, und dass Burnout und/oder Depressionen Teil eines Gesundungssprozesses sind, wenn man diese Warnsignale wirklich ernst nimmt und versucht sein Leben zu ändern, was seine Zeit braucht.
mystery60
Beiträge: 344
Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von mystery60 »

Hallo erst mal
und vielen Dank für die Beiträge - bislang.
Ich hatte einfach mal einen kurzen Aufriss an den Anfang gestellt, sehe aber schon, dass man aus jedem Thema viel machen kann und ganz natürlich geht alles in eine gewisse Breite.

Ich denke die Sache hat immer - mindestens - zwei Seiten:
a) zum einen man selbst, der eigene Charkater, das ICH: wie bin ich, wie reagiere ich, was sind meine inneren Reaktionspunkte, wie bin ich gepolt?
Bin ich jemand, der perfekt sein will, jemand, der immer sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellt, jemand der immer auch wenn Not am Mann/an der Frau ist, einspringt, etc ("das beste Pferd im Stall" - besser gefällt mir da aber "beste Mitarbeiterin)? Und woher kommt das, liegt das an der Erziehung, an der Übernahme der Wertvorstellungen, die man einem beigebracht "eingebleut" hat? Wenn ja, was ist daran veränderbar?
Vielleicht ist schon wichtig zu erkennen, wie man selbst tickt, warum man oft nicht "Nein" sagen kann oder will, warum man selbst so sehr auf Perfektion - hier bei der Arbeit - achtet und wenn man auch die Zusammenhänge erkennt, woher dieses Verhalten kommt, was die "inneren Schaltkreise" sind, die in bestimmten Situationen immer wieder wie intuitiv funktionieren.
b) zum anderen die Situation im Job: Besteht eine Überlastungssituation? Wird immer mehr Arbeit aufgeladen? Oft ist es ja so, dass die "besten Pferde im Stall" auch die schwärsten Säcke tragen müssen oder den größten Karren ziehen. Ist ja irgendwie auch logisch, auch aus Sicht der Chefs oder Vorgesetzten: die beste Frau/der beste Mann wird gewählt, wenn es um die schwierigsten Aufgaben geht, der Hauptleister bekommt in der Not noch das Zusatzpäckchen aufgeladen. Der/Die macht es am besten - auch unter Druck.
Dazu kommt dann ggf. noch, dass das Klima im Betrieb nicht sonderlich gut ist, dass Konkurrenzdruck herrscht, dass es nur um die Bewältigung des Arbeitspensums geht und man die Menschen dahinter gar nicht mehr wahrnimmt oder wahrnehmen will.
Bei mir kam hinzu, dass es "von oben" keine Anerkennung gab, dass man den Eindruck hat, man arbeitet wie blöd, setzt sich ein, versucht alles unter schweren Bedingungen immer gerade noch hinzubekommen, hat das Gefühl, dass man das auch schafft - trotz aller Widrigkeiten - dass die Anstrengung aber nicht gesehen oder gewürdigt wird.

Da treffen oft zwei Dinge aufeinander, die prima passen. Der eine packt die Arbeit da hin, wo sie - gut - gemacht wird, der andere will perfekt arbeiten und nimmt jede zusätzliche Ladung an, weil er gelernt hat, schon irgendwie damit klar zu kommen.

ABER: Der Krug geht eben nur so lange zum Brunnen, bis er bricht - oder das Pferd zusammenbricht. Eine über Jahre andauernde Überforderung kann zu so einem Zusammenbruch führen - auch wenn man die Arbeit gern gemacht hat, sehr engagiert war und eigentlich ein(e) Spitzenmitarbeiter(in) war.

Anderer Aspekt: Sinnfrage
Zunächst steht sicher die Absicherung des Lebensstandards, zumindest die Grundversorgung an, wenn es um den Job/die Arbeit geht. Aber Arbeit sollte - wenn immer möglich - mehr sein, als nur Zweck um das nötige Geld zu verdienen. Dabei kann man in vielen Tätigkeiten einen Sinn finden und vielleicht ist es wichtig, einfach seine eigenen Stärken bei der Arbeit einsetzen zu können. Dann kann man - nahezu in jedem Job - mit Freude arbeiten.
Ich kenne aber viele, die Probleme haben, depressiv geworden sind, die sagen, dass sie eigentlich etwas ganz anderes gerne machen würden, Fähigkeiten haben, die sich höchstens bei ihrem Hobby ausleben können und zu dem Beruf nicht passen. Sie kamen oft über die Eltern oder Abwägungen im Sinne von "mehr Geld verdienen können" zu ihren heutigen Jobs.

Ich selbst finde auch heute noch, dass ich viele meiner Fähigkeiten in meinem Job gut nutzen konnte, nur dass ich zunehmend gegen meine eigene Überzeugung Dinge machen musste, dass es schwierig wurde, wenn man trotz Weitsichtigkeit und guter analytischer Fähigkeiten sehen muss, dass diese Fähigkeiten zu diametral anderen Ergebnissen führen, als die, die "von oben" vorgegeben werden.
Dann kommt zu einer Überlastung auch noch die Sinnfrage im Job? Was mache ich eigentlich hier und für wen? Wem nutzt das überhaupt, was ich hier mache, wer hat wirklich etwas davon?

Karriere - um welchen Preis?
Gerade bei fleißigen, tüchtigen, hoch motivierten Leuten ist erkennbar, dass man natürlich auch anerkannt werden will, die Arbeit soll geschätzt werden. Deshalb hängt man auch so schnell am Angelhaken von anstehenden Lohnerhöhungen, Zulagen, Prämien, Beförderungen, etc.
Man gibt noch mehr, engagiert sich noch mehr, halst sich noch mehr auf - oder aus der anderen Sicht: man bekommt noch mehr "Zuladung", weil man ja noch etwas werden will......

Ist das System krank und werden "die Falschen" behandelt?
Zunehmend denke ich, dass durch die Rationalisierung der letzten Jahre, durch "Kostendruck", "Geinnmaximierung", "Steigerung des Aktienwertes" der Druck auf die Beschäftigten immer mehr zugenommen hat. Überall höre ich, dass im Vergleich von 5, 10 oder 20 Jahren heute die Hälfte oder noch ein Viertel aller Beschäftigten die Arbeit machen, die früher gemacht worden ist. Dabei geht es oft nicht um Einsparungen auf Grund von Maschineneinsatz, auch in rein persönlich zu erbringenden Leistungen - z.B. Gesundheitssektor - ist das so. Eher noch mehr Arbeit auf noch weniger Schultern verteilt. Wie soll das auf Dauer gehen?
Die "Ausbeutung" der einzelnen Menschen nimmt zu. Noch vor 18 Monaten hätte ich da keinen Gedanken dran verschwendet, weil ich den eigenen Auszehrungsprozess selbst auch nicht erkannt habe. Da gab es schon Anzeichen, klar: öfter Migräne, Schlafsötrungen, Müdigkeit, Lustlosigkeit, Antriebs- und Motivationsprobleme, höhere Vergessslichkeit, etc. - aber dass man sozusagen schon kurz vor dem Ende ist hätte ich damals weit von mir gewiesen.
Dieses System führt zu enormem Druck auf die Menschen. Sicher nicht generell oder überall, aber in der Tendenz. Kein Wunder also, dass depressive oder insgesamt psychische Erkrankungen zunehmen. Weitere Folgen: immer weniger Zeit für Familie, für die Kinder, für soziales Engagement, etc. - das geht heute ja schon in der Schule los oder früher: Vorerziehung mit Elementen der Schule, Englisch schon in der Grundschule, G8-Abitur, Bachelor-Studiengänge: alles vollgestopft mit Wissen, wenig Zeit und Raum für freies Denken, für Analyse, für eine Entwicklung außerhalb des main stream - alles in die gleichen Schablonen gepresst und die Schablonen werden immer enger.
Ist das am Ende wirklich volkswirtschaftlich sinnvoll? Tut es der Bevölkerung gut?
Betriebswirtschaftlich mag das aufgehen, man lädt den Leuten auf, bis sie zusammenbrechen, dann kauft man sich Neue ein. Aber wie viele Krankheitstage kommen da zusammen? Wie viel Erfahrung geht verloren? Warum treibt das System gerade die hoch motivierten und Leistungswilligen als erste aus dem Prozess?
Und: was für ein Gesellschaftsbild gibt das? Zählt nur noch Geld, wer mehr verdient, wer eine Litze mehr auf der Schulter, einen Orden mehr an der Brust hat?
Untersuchungen zeigen, dass nach Sicherung der Grundbedürfnisse mehr Geld nicht zu mehr Glücksgefühlen führt, ebensowenig wie Gesundheit. Wichtiger sind da die Sinnhaftigkeit im Dasein - etwas sinnvolles zu tun, geleistet zu haben. Das können ganz kleine Dinge sein: jemand über die Straße helfen (nicht der alten Frau, die auf der richtigen Straßenseite auf den Bus wartet), sich mal nicht genervt zeigen sondern dem Kind 5 oder 10 Minuten Aufmerksamkeit schenken, sich mal bei jemand melden, mit dem man schon lange keinen Kontakt hatte, oder dem es gerade nicht so gut geht, etc.

In diesem Sinne
jeden Tag wieder bemüht sein auf dem richtigen Weg in die richtige Richtung unterwegs zu sein

Euch einen schönen Tag
und Freude bei der Arbeit oder beim Tun

und sorry, dass der Beitrag so lang wurde
TG
Andreas01

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Andreas01 »

Hallo,
auf die Frage wer ist krank "wir oder das System" Antwort: "beide" warum ? wir sind ein nicht unerheblicher Bestandteil des Systems, gleichgültig ob Arbeitswelt, Politik, Gesundheit, Soziales uws. bestimmen wir durch unser Verhalten maßgeblich mit.
Solange nahezu jeder versucht das Maximale aus den jeweiligen System, bei gleichzeitig möglichst minimalen Einsatz zu ziehen, wird jedes System kronisch erkranken, vielleicht sogar kollabrieren.

Gruß
Andreas
bahn

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von bahn »

lieber Andreas,

ich muss dir voll recht geben, wir Menschen sind einfach Egoisten, es geht uns in erster Linie um uns selbst, das ist das Grundübel, siehe Weltklimakonferenz.

Klar, dieses System ist ja ein Stück darauf
aufgebaut, Gott sei Dank noch mit einem sozialen Netz.

Aber wie sieht die Entwicklung aus.........
Eine Bekannte von mir bekam ein Kind, und bei den Voruntersuchungen stellte sich heraus, dass es behindert wird. Und mit aller Macht wurde darum gerungen, dieses
Kind abzutreiben. Meine Bekannte wollte nicht, jeder Mensch ist lebenswert.

Selbst die Krankenkasse hat gedroht, aber
mit viel Kampf wurde dieses Kind dennoch ausgetragen.

Und ich glaube in Zukunft, wenn man schon im
Mutterleib schon erkennen kann, dass ein Mensch depressiv wird, haben diese Menschen keine Chance mehr zu leben, das ist die Realität..................................

Und wer steht noch auf, und wehrt sich dagegen, mit Fernseher ,Computer, DVD

usw. werden wir "ruhig gestellt". Na ja...

viele liebe Grüsse,

"Zukunftsforscher Seebär"


aufgebaut, Gott sei Dank noch mit einem sozialen Netz.
Emily
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Emily »

Hallo alle,

heute fand ich zu eurem Thema folgenden Buchtipp in unserer Tageszeitung:

Christine Ehlen (Pseudonym für Inge Merten): "Und das Hamsterrad dreht sich weiter! Eine Burnout-Geschichte", Frankfurter Literaturverlag, Reihe Weimarer Schiller Presse, Paperback, 189 Seiten, 13,80 Euro (ISBN: 978 - 3 -8372 - 0618 - 0). Das Buch ist im normalen Buchhandel erhältlich.

Vor einiger Zeit habe ich per Zufall einen Bericht im Fernsehen gesehen zu der Thematik. Eine Psychologin berichtete darüber, dass sie bei Burn-out recht gute Erfolge hat mit der Hinführung der Patienten zu drei Verhaltensweisen, nämlich
zu viel mehr Achtsamkeit, Entspannung und zu ganz bewusst gesetzter "Ent-schleunigung" (gemeint als wohlüberlegter, individuell ausgestalteter Gegensatz zu hektischer, gestresster Betriebsamkeit).

Allen hier wünsche ich ein schönes Fest und für das neue Jahr alles Gute!
Emily
niederländer

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von niederländer »

Hallo zusammen,

Das System, also unsere Konsumgesellschaft,ist sehr krank und mutiert uns menschen zu Egoisten.
Noch nie gab es soviel psychisch Kranken.
Jetzt, während die Feiertage wird dieses bodenlose Konsumieren ganz deutlich.
Der moderne Mensch gelangt immer mehr entfernt von seine Seele und spürt viel innere Leere.

Leider ist er ein Gefangener von dieses System, das dürch dürch seine Verknüpfungen
immer komplexer wird.


Gruß,

Dutchy
Andreas01

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Andreas01 »

Hallo seebär,
früher wurden behinderte Menschen als "unwertes Leben" beseitigt, heute werden sie gleich abgetrieben, was sind das für Menschen (Ärzte) die so was zulassen oder tun ???? mir dreht sich der Magen um !

trotzdem frohe Feiertage (nicht Fresstage)
wünscht
Andreas
atetobi
Beiträge: 274
Registriert: 12. Feb 2004, 14:02

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von atetobi »

Ein freundliches Hallo an Euch!

Ich bin der Meinung, das System, unsere gesamte Gesellschaft ist in großen Teilen krank und das zieht eine Erkrankung bestimmter Bevölkerungsteil nach sich.

Da erkranken dann nicht die Mitläufer, die alles hinnehmen und mitmachen, nein, sondern die, die die Erkrankung dieser Gesellschaft erkennen und darunter leiden. Oft kommt mir in diesem Zusammenhang der Gedanke, dass die, die durch das System krank sind, eher als normal zu bezeichnen sind als die, die sich dafür halten und teilweise mit Fingern auf uns zeigen, weil wir nicht mehr funktionieren, wie es erwartet wird.

>Eine Psychologin berichtete darüber, dass sie bei Burn-out recht gute Erfolge hat mit der Hinführung der Patienten zu drei Verhaltensweisen, nämlich
zu viel mehr Achtsamkeit, Entspannung und zu ganz bewusst gesetzter "Ent-schleunigung" (gemeint als wohlüberlegter, individuell ausgestalteter Gegensatz zu hektischer, gestresster Betriebsamkeit).<

Es ist ja prima, dass die Therapeutin das versucht, ich tue das auch für mich, aber es wäre wesentlich sinnvoller, das alles den Firmenchefen und Vorgesetzten zu vermitteln. Entschleunigung kann es für den Einzelnen, das kleine Licht nicht geben, wenn die Forderungen, die schon jetzt fast so hoch sind, dass Arbeitnehmer oft gar nicht mehr erfüllen können, immer weiter steigen und menschenunmögliches geleistet werden muss, damit man wenistens seinen Arbeitsplatz behält. Mit dem bisschen, was ein Durchschnittsverdiener heute bekommt, ist schon keine Familie mehr zu ernähren, aber die Anforderungen dessen, was dafür getan muss, übersteigen sehr oft die Möglichkeiten bzw. Kräfte.

Mütter müssen schon berufstätig sein, wenn Kinder gerade geboren sind, weil einer nicht mal mehr für wenige Jahre eine Familie unterhalten kann. Da ist dann noch viel schlimmer, als wenn man "nur" arbeitet. Sie haben einen stressigen Arbeitstag, eine Familie zu versorgen, den Haushalt zu führen und leiden in den meisten Fällen auch sehr darunter, ihre Babys schon fremden Händen zu überlassen. Krank werden, ausgebrannt sein, ist die logische Folge.

Die Politiker beklagen immer sehr, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden.

Sie veranstalten extrem kostenlastige Werbeaktionen fürs Kinderkriegen, was an sich schon lachhaft ist, wenn es nicht so traurig wäre, sind aber scheinbar nicht in der Lage zu erkennen, dass die Menschen, die sie vertreten sollen, größtenteils schon sich selbst mit den geringen Löhnen oft selbst nur mühsam erhalten können.

Menschen, die denken und die für Niedrigerlöhne arbeiten, denen häufig noch dazu der Druck einer schnellen Entlassung bzw. ein befristeter Arbeitsvertrag im Nacken sitzt, werden sich hüten, Kinder zu bekommen, auch wenn sie oft so sehr gern welche hätten. Wichtig ist vorrangig, dass die Menschen dieses Landes genug verdienen, um ihr Leben und das ihrer Familie relativ sicher finanzieren zu können.

Dazu der Sozialabbau, der vor nichts zurückschreckt.

Auch der Umgang insgesamt ist sehr rüde geworden. Der Großteil der deutschen Bevölkerung erscheint mir oberflächlich und rücksichtslos - das gilt sowohl für junge als auch für alte Menschen.

Man könnte noch vieles anführen, aber solange sich inder Gesellschaft nicht langsam ein Umdenken beginnt und sich nichts wesentlich ändert, werden immer mehr Menschen erkranken.

Dass es aber schon jetzt so viele Menschen gibt, die deshalb erkranken, besteht auch eine leise Hoffnung bei mir, dass diese sich irgendwann dafür einsetzen werden, dass eine Änderung eingeleitet wird. Wir sind verdammt Viele!

Einen schönen Abend und liebe Grüße.

Beate
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von ben1 »

Hallo

eine sehr interessante Diskussion - Danke erstmal dafür!

Ich möchte die Sinnfrage mal kurz aufgreifen und n paar Zeilen dazu schreiben. Ich denke, die Moderne hat uns (durch den kompletten Umbau der Arbeitswelt) vor das Problem (!) gestellt, das der Sinn unseres Lebens nicht mehr das reine Überleben ist (wie es viele, viele Generationen vor uns hatten - wer 14 Stunden täglich im Bergwerk arbeitet, um mit ein paar Kröten den Teil der Familie, den nicht irgendwelche Krankheiten dahingerafft haben, zu versorgen, stellt sich die Sinnfrage nicht - auch nicht die Frage, ob der Job vielleicht nicht zur Erfüllung führt oder der Vorarbeiter mich mobbt). Bitte nicht falsch verstehen - ich möchte da nicht zurück, denke aber, das das in früheren Zeiten "einfacher" war, weil die Freiheit oder die Qual der Wahl einfach nicht da war. Heute sind wir in der Situation, das wir unser Leben selber gestalten dürfen (oder müssen!) Heute gilt es (Gott sei Dank weit weg von der Überlebensfrage) für uns in unserem Leben Sinn zu finden und zu gründen. Und das System bietet uns da nur kurzfristige Anreize - denn alles, was erreicht wird, verliert eben mit dem Erreichen einen Großteil des Reizes. Also gilt es für uns, uns eigene Werte zu eigen zu machen, das Leben, das wir für lebenswert halten zu führen versuchen. Und da bin ich auch beim zweiten Punkt, dem Burn-Out. Ich denke, das es viele Menschen gibt, die IHR Leben gefunden haben und die trotz großer Arbeitsbelastung nicht ausbrennen. Anders sieht es aus, wenn ich immer "nur" Normen und Werte der Gesellschaft (wer ist das eigentlich) lebe, in der irrigen Annahme, diese Normen und Werte seien meine eigenen. Diese Freiheit zu sehen, sich eigene Werte bilden zu dürfen, ja zu müssen, beinhaltet auch immer, die Konsequenzen zu tragen (das ist der Nachteil an der Sache).

Oder?

Ben
bahn

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von bahn »

Lieber Andreas,

es wird wirklich kälter in Deutschland, nicht nur innerlich, sondern äusserlich.

Ich war mal in einer Organisation aktiv, die Frauen half, ihr Kind eben nicht abtreiben zu lassen. Au, da wurde ganz schön scharf geschossen, beleidigt, usw.

Weisst du, und das Schlimme ist, dass ich selbst auch zu vielem schweige, meinen Mund nicht aufmache. Zum Beispiel die ganzen Tierversuche, und wie man heute sonst mit unseren Brüdern und Schwestern Tier umgeht.

Was mich auch erschüttert, sind "Lebensabschnittspartner", ja, wenn es nicht mehr läuft, werfe ich den Partner weg, und suche mir was neues...............
wie ein Produkt, dass mir nicht mehr gefällt.


Aber, wie schon geschrieben, mann muss ja nicht alles mitmachen, jeder kann in diesen Grenzen sein Leben nach seinen Maßstäben führen, soweit es geht...................

Also, ich bin jetzt auch kein Engel, und manchmal denke ich, wir müssten viel mehr aufstehen...............................

Ich finde z.B. was die Geschwister Scholl damals getan haben, .....................

Wenn ich diesen Film ansehe, muss ich immer wieder heulen, weil es mich so fasziniert,
wie die den Weg des Wiederstandes gegangen sind..................ihr Leben gegeben haben.

Tiere schreien nicht, wenn man sie bricht,

Babys im Mutterleib können sich nicht wehren

Behinderte Menschen können sich auch nicht
wehren.

Unsere gute alte Erde muss auch viel etragen

Wo helfe ich, wenn ich sehe, dass meine Kolegin oder Kollege gemobbt wird.

usw.

Das kratzt mich, dass ich auch oft die Augen verschliesse,.....................gut oft habe ich in meinen Depris nicht mehr so die Kraft, die Leidenschaft..............

oder ist das wieder eine Ausrede?
Caroline1
Beiträge: 831
Registriert: 19. Mär 2003, 16:48

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Caroline1 »

Hallo Ben,

Du hast es gut in Worte gefasst, war zu müde, das so treffend zu formulieren .

So lange ich meine, Normen und Werten, die von aussen vorgegeben werden, nachlaufen zu müssen, so lange werde ich nicht bei mir und in mir ankommen, was aber eine wichtige Voraussetzung ist, lebensfähiger und weniger depressiv zu sein.

LG von

Caroline
tomroerich
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Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von tomroerich »

Aufbauend auf Bens Worte....

Kennzeichend für unsere Lebensumstände ist Orientierungslosigkeit. Hervorgerufen wird sie dadurch, dass eine Überfülle von Angeboten zum Glücklichsein, von denen kein einziges halten kann, was es verspricht, die wahren Wege zum Glücklichsein verbaut.

Alle sind auf der Suche. Und alle (mit wenigen Ausnahmen) glauben, dass Sinn und Glück zu erreichen wäre, indem man etwas kauft, sich bereichert, sich aufwertet.

Was kann dem anderes zugrunde liegen als ein tief empfundenes Gefühl von Mangel? Warum sollte jemand etwas wünschen, sich nach etwas sehnen und sich bereichern wollen, wenn er nicht glaubt, arm zu sein? Doch in Wirklichkeit wird hier Salzwasser gegen Durst getrunken, denn jeder Versuch, etwas zu bekommen, ist nur ein neuer Beweis dafür, dass man nicht hat. Das, was fehlt, ist nicht das, was man erlangen möchte, es ist nur ein billiger Ersatz, ein Betrug, eine Illusion.

Das, was fehlt, ist der Bezug zu sich selbst. Selbstverlorenheit ist das Problem und es schafft ein dumpfes, bohrendes Gefühl von Unzufriedenheit. Diese ganze hektische Beriebsamkeit ist wie ein wahnsinniges Suchen nach Sinnhaftigkeit, ein ständiges Hetzen nach einer Fata Morgana... "Noch ein paar Schritte, dann bin ich in der Oase!" Was sucht die Menschheit? Wann ist sie zufrieden und beginnt zu leben? In dieser hochproblematischen Welt gibt es keine Ruhe mehr. Keinen inneren Frieden. Selbst die Natur muss joggend und hetzend erlebt werden.

So ist ein Mensch nicht lebensfähig. Er muss Konatkt zu seinem Inneren haben, braucht Wärme (die stellt den Kontakt her), braucht Ruhe vor seinen rasenden Gedanken, damit die innere Ordnung sich ausbreiten kann.

Das größe Geschenk, das man machen kann, ist, diese Ruhe in sich zu suchen. Man muss sich dazu nicht ausklinken. Man kann völlig ruhig und gelassen werden inmitten dieser Aufgewühltheit. Es hängt davon ab, sich innerlich nicht mitreißen zu lassen und das wiederum hängt davon ab, ob man es selbst schafft, den Dingen diese ungeheure Wichtigkeit zu nehmen, die sie vorgeben, zu haben. Wer ist wichtig, was ist wichtig? Derjenige, der das alles erlebt, wer sonst? Der Wahnsinn hinter dieser ganzen Entwicklung ist, dass völiig vergessen wurde, was wichtig ist. Die Menschen sind wichtig und ihr Glück. Natürlich auch alles andere, was lebt. Aber in dieser Welt tut jeder so, als seien Autos wichtig und Handys, große Leistungen, Geld, Macht. Wenn das glücklich machen würde, why not. Aber es ist eben nicht so. Es macht Menschen zu Konkurrenten, die sich gegenseitig beneiden und bekämpfen.

Und ein Letztes: Niemand kann glücklich werden, der dem anderen nicht das gleiche wünscht. Das ist völlig unmöglich. Denn niemand kann im anderen etwas anderes sehen als das, was er in sich selbst sieht.

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
mystery60
Beiträge: 344
Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von mystery60 »

Hallo Ben,

ich gebe Dir Recht, wenn Du sagst, dass man immer dann, wenn man um das eigene Überleben kämpfen muss, seine Grundbedürfnisse befriedigen muss, keine Zeit hat, über den Sinn groß nachzudenken, denn er drängt sich einem dann täglich auf: überleben!

Aber auch in so einer Situation kann man depressiv werden, auch da kann man zur Einsicht gelangen, dass die 14 Stunden im Bergwerk oder die vielen Situationen heute, z.B. wo Kinderarbeit an der Tagesordnung ist, Kindersoldaten, was auch immer - dass das keinen Sinn mehr macht und auch da werden immer wieder Leute aufgeben, auch dieses Leben aufgeben.

Aber auch in größter Armut fragt man sich gerade auch: wozu? wozu das alles? wohin führt es?
Ich denke auch in solchen Situationen kommen Gedanken auf wie:
- ich mache es für meine Eltern, meine Geschwister, meine Verwandten, damit sie überlegen können
- ich mache es, so lange ich dazu gezwungen bin, aber danach werde ich mein eigenes Leben leben
- ...etc.

Für uns in der sog. Wohlstandsgesellschaft geht es ja in der Regel nicht mehr ums Überleben. Aber gleich, ob arm oder reich, die Frage ist doch immer: wozu ist mein Leben da, was macht mich zufrieden?
Ich habe immer gesagt, auch bei Entscheidungen, die es zu treffen galt, was werde ich wohl über mein Leben sagen, wenn ich alt bin und z.B. auf einem Stuhl vor einem Haus an einem warmen Herbstabend sitze und mein Leben Revue passieren lasse. Werde ich sagen können "Das hast Du - im Großen und Ganzen - gut gemacht" oder eben nicht.
Wenn ich mir die Dinge ins Gedächtnis rufe, bei denen ich wirklich im Reinen mit mir war, bei denen es mir uneingeschränkt gut geht, was war das dann?
Bei mir waren es Dinge, wie jemandem mit Rat oder Tat zur Seite stehen, mich überwinden, jemanden anzusprechen, ob er Hilfe braucht, einfach mal irgendwo mit anzupacken, einem Kind zu helfen, zu intervenieren, wenn sich Kinder massiv gestritten haben oder ich erkennen konnte, dass eine Gruppe sich einen einzelnen als Sündenbock zum Abreagieren ausgesucht hat.
Aber auch einfach in der Natur sein, eine Landschaft erleben, oft allein und zu begreifen, dass diese Erde schon so viel länger existiert als wir Menschen und - hoffentlich - noch da sein wird, wenn es schon lange keine Menschen mehr geben wird.
Oder auch ein schöner Film oder eine Szene, oder Musik oder ein Bild .... - all das waren Sachen, bei denen ich in der Situation ganz bei mir war.

Kann man daraus auf die Gesellschaft schließen oder darauf, was für einen selbst Sinn macht?
Man kann erkennen, wie wichtig Zeit ist, und die Möglichkeit sie selbst zu gestalten, ohne Zwänge von außen, wie wichtig Ruhe ist, Zeit wahrzunehmen, Stille um zu hören, Stillstand um zu sehen und zu erkennen und Hilfe und Mitgefühl um sich als Teil der menschlichen Gemeinschaft zu erkennen, auch Liebe, z.B. zum eigenen Partner, zu seinen Kindern, seinen Eltern, Geschwistern ....

Das sollten die Werte sein, an die man sich orientieren sollte, oder konkreter und ehrlicher, das sollten die Werte sein, an denen ich mich täglich orientieren sollte. Man kann auch dabei nicht perfekt sein, nicht alle "Fehler" vermeiden, nicht nur "gut" sein, aber man kann erkennen, welchen Weg man gehen will und welchen nicht.

Konsum macht nicht glücklich, ebenso wie zu viel Essen oder Trinken, zu wenig Schlaf und Ruhe, zu großer Stress, zu wenig Selbstbestimmung, zu große Vorgaben von außen, zu viele Aufgaben, zu viele Anforderungen. Immer wieder sollte ich mich fragen: was will ICH? Wie soll mein Leben sein, welche Werte sind für mich wichtig, wie will ich mein Leben leben und was sollte ich machen, damit ich am Ende meines Lebens sagen kann "Es war gut so".

Euch jeden Tag ein Stück Leben von dem ihr sagen könnte "es ist gut so"

TG
mystery60
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Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von mystery60 »

Danke Thomas, schöner Beitrag finde ich.
TG
bahn

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von bahn »

hallo zusammen,

ich finde eure Worte auch alle gut.

Nur, Worte allein genügen nicht, es wird schon viel zu viel geredet, in Politik usw.

Wie lebt ihr anders? Wie lebt ihr euren Sinn?

Also meine Wenigkeit fährt fast nur noch Fahrrad..................................

Und wenn ich merke, dass Behinderte ausgegrenzt werden, dann setze ich mich für sie ein.

Das waren jetzt Beispiele...................

und wie gesagt, mein "Sinn" im Leben geht über die Erde hinaus. Man lebt da irgendwo lockerer, oder kann mal eher seinen Mund aufmachen, wenn man weiss, dass das Leben auf der Erde nicht alles sein kann.

Denkt ihr, die Erde ist nur Zufall, oder wir
sind eher erdachte Geschöpfe...............

viele Fragen, Seebär
schatzi
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Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von schatzi »

Sorry, falsches Forum!
Clown
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Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von Clown »

@ Bohneberger

Freut mich, dass du meinem Tipp gefolgt bist!

>Ausserdem glaube ich wie Thomas auch, dass es dringend an der Zeit ist, dass sich Männer oder von mir auch aus Menschen an sich endlich über wichtigere Werte austauschen sollten ...
Wie meinst du denn dieses 'von mir aus auch Menschen an sich'

Gruß,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
bahn

Re: burnout - wer ist krank - ich oder das System?

Beitrag von bahn »

ja, es ist nicht einfach, weil jeder für sich einen eigenen Deutungsrahmen hat.

Auf der anderen Seite kann es auch manchmal helfen, sich mit seiner Grundeinstellung zum Leben auseinanderzusetzen.

Was sind meine persönlichen Werte im Leben, an was orientiere ich mich persönlich.

Geht das überhaupt, oder muss ich zwangsläufig die Werte unserer Gesellschaft übernehmen,................................
wer nicht mit den Wölfen heult.

Also ich sehe hier und da manche guten Ansätze....................................

aber auch manchmal resigniert, von meinem und allgemeinen autonomen Denken, ob da noch was geht.............................
und dann muss ich Clown wieder recht geben,
ob wir uns fertig diskutieren............

Seebär
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