Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Antworten
etincipit
Beiträge: 37
Registriert: 11. Okt 2008, 10:56

Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von etincipit »

Hallo ,
heute wende ich mich mit einem Thema an Euch, wo ich für mich keinen Rat mehr weiß. Es gibt oft Situationen und Menschen die einem nicht gut tun. Logischerweise distanziert man sich davon. Bei mir gibt es Menschen, hierbei handelt es sich um meine Eltern,die sehr sehr oft Enttäuschung, Trauer, Wut..... nach solchen Begegnungen in mir hinterlassen. Leider kann ich mich nicht einfach distanzieren, sondern es fühlt sich eher an wie ein großer Magnet, dessen Kräften ich mich nicht erwehren kann.
Wer hat Tipps oder Erfahrungen wie ich gesunde Grenzen finden kann um aus diesem Dilemma heraus zu finden.
Viele Grüsse
Grieth
Nordseewanderer
Beiträge: 16
Registriert: 11. Nov 2009, 17:35

Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von Nordseewanderer »

Ich habe mich von meiner Familie komplett abgewandt. Freunde kann man sich aussuchen, Eltern und Geschwister dagegen nicht. Ich bereue den Schritt bis heute nicht, denn ohne diesen radikalen Schnitt hätte ich niemals den Weg in eine Klinik und auch niemals den Weg zu einer deutlichen Verbesserung meiner Gesundheit gefunden. Sowohl meine Eltern, als auch meine Geschwister hatten eine heidenangst davor, vor Freunden, Nachbarn und Geschäftspartnern dumm dazu stehen, nur weil der Sohn/Bruder ein Wahnsinniger wäre, der in der Irrenanstalt war (leider sind das heute noch gängige Vorbehalte - und zwar sowohl privat, als auch beruflich und geschäftlich).

Ich kann Dir schlecht etwas raten - aber vielleicht hilft eine gewisse räumliche Distanz.
Dendrit
Beiträge: 4981
Registriert: 23. Mai 2003, 11:14
Wohnort: Oberbayern
Kontaktdaten:

Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Grieth,

die räumliche Distanz ist mir auch gleich eingefallen - wohnst Du gleich um die Ecke oder musst Du recht lange fahren? Dann gäbe es schon mal die Möglichkeit, darauf hinzuweisen. Ich vermut, bei den heutigen Spritpreisen ...

Oder telefoniert ihr viel? Kannst Du Dich geistig ausklinken? Vllt. machst Du nebenher was, so dass Du Dich nicht ganz so darauf konzentrieren kannst, was gesagt wird.

Oder direkt sagen, dass das über Deine Kräfte hinaus geht. Dass Du allg. langsamer tun musst, weil Du sonst in der Klinik landest (muss ja nicht gleich die Psychiatrie sein, unkonzentriert die Treppe runterfallen, weil zu viel im Kopf, kann auch ganz schön weh tun).

LG, Manuela
etincipit
Beiträge: 37
Registriert: 11. Okt 2008, 10:56

Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von etincipit »

Hallo Nordseewanderer, hallo Manuela
vielen Dank für Eure schnellen Antworten.
Die räumliche Distanz ist so eine Sache. Wir wohnen nur ca. 6 KM von einander getrennt. Manchmal wünsche ich mir es seien 600 KM. Oberflächlich würde es wohl das eine oder andere erleichtern. Aber unterschwellig bin ich sehr mit dem Anpruch meiner Eltern "Wir sind doch eine Familie" sehr verhaftet. Einerseits ist es schön eine Familie zu haben. Andererseits wurde ich emotional vernachlässigt von ihnen seit ich auf der Welt bin. Was wie man sich denken kann, weitreichende Folgen hat. Ein Klinikaufenthalt steht bevor. Die Reaktion meiner Mutter darauf war nur:" oh landschaftllich ist es dort sehr schön." (?) So etwas macht mich unglaublich sprachlos, traurig und auch wütend. Die Beziehung zu ihnen komplett abzubrechen, dazu habe ich nicht die Traute. Sitze da im Moment sehr zwischen den Stühlen. Eure Antworten, Anregungen, Tipps und Erfahrungen finde ich sehr wohltuend. Halte Euch aber gerne auf dem Laufenden.
Viele Grüsse Grieth
cocorosie
Beiträge: 84
Registriert: 8. Apr 2008, 13:22

Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von cocorosie »

Liebe Grieth,
"wäre die Familie ein Verein, würde ich austreten", habe ich irgendwann einmal gehört und ist aus gutem Grund hängengeblieben. Gesund ist wohl, Erwartungen an diejenigen zu richten, die sie erfüllen können. Oder besser noch, gar keine zu haben, aber ich weiss (noch...) nicht, wie das gehen soll. Es ist wohl natürlich zu erwarten, dass gerade DIE Eltern verstehen, erkennen, unterstützen. Es ist zu einem frühen Zeitpunkt sogar überlebenswichtig daran zu glauben, aber jetzt können wir uns die Nahrung, die wir brauchen, woanders holen. Und da denke ich, wie gut, dass Du geschrieben hast und dass wir uns schon bald in unserer Frankfurter Selbsthilfegruppe (Interessierte: siehe "Beziehung im Forum") wieder austauschen und unterstützen können.

Ich habe die "Lösung" der Funkstille gewählt, weil damals geahnt habe, dass ich mit meiner depressiven Mutter niemals meinen eigenen Weg aus der Krankheit finden würde und weil ich gleichzeitig dieses Konzept "Wir sind doch eine Familie!" in Frage gestellt habe und nach wie vor stelle. Ich weiss auch noch nicht, wie das weitergehen soll. Ob es einen Frieden gibt oder weiterhin Stille.

Bleib auf Deinem Stuhl sitzen, um das Bild aufzugreifen. Sie können nicht verstehen, aber vielleicht müssen sie es auch nicht. Es ist, denke ich, wichtig, dass Du Dich verstehst, akzeptierst und Sorge für Dich trägst. Und die Eltern sind daraus entlassen. Das hat nichts mit der Aufkündigung von Liebe zu tun, das ist Selbstschutz.

Viele liebe Grüsse und bis bald,
Claudia
etincipit
Beiträge: 37
Registriert: 11. Okt 2008, 10:56

:D: Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von etincipit »

Liebe Claudia,
vielen Dank für Deine interessanten Denkanstöße!
Wenn ich lese "Wäre die Familie ein Verein, würde ich austreten" .... so schmunzele ich und denke "da wäre ich doch schon längst ausgetreten." Aber wie das halt so ist, zwischen Gedanken und Realität liegt viel dazwischen. So werde ich ersteinmal meine aktive in eine passive Mitgleidschaft umwandeln. Das Thema Depressionen werde ich vorerst außen vor lassen. Ich denke, wenn ich es akzeptiere, dass sie die Krankheit nicht verstehen können oder wollen wird sich meine Erwartungshaltung und die daraus entstehenden Gefühle wie Enttäuschung, Wut, Trauer auflösen. Wie wir natürlich wissen bedarf es dazu viel, viel Geduld Das Selbstschutz keine Aufkündigung der Liebe ist, lasse ich mal in mir wirken. Merke aber das es da Widerstände in mir gibt. Vielleicht kann ich Dir dazu schon am Samstag etwas berichten. Ich freue mich schon auf das Frankfurter Treffen.
Herzliche Grüsse Grieth
etincipit
Beiträge: 37
Registriert: 11. Okt 2008, 10:56

Re: Gesunde Grenzen setzen - Wer kann helfen?

Beitrag von etincipit »

Liebe Claudia,
ich habe Deine Anregung vom Samstag aufgegriffen, einfach mal den Spieß bei den Gesprächen mit den Eltern umzudrehen. Diesmal habe ich viel, viel geredet...... ich habe es überlebt! Ein gegenseitiges Fazit des offenen Gespräches war, zukünftig schneller, direkter problematische Dinge anzusprechen. Ich bin gespannt, denn neue Verhaltensweisen bedürfen einer gewissen Übung. Es hat viel Kraft gekostet, aber ich bin sehr stolz auf mich.
Herzliche Grüsse Grieth
Antworten