Wie soll ich es aushalten?

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Andieile
Beiträge: 13
Registriert: 24. Okt 2009, 15:33

Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Andieile »

Hallo, bin neu hier im Forum, möchte einmal so kurz wie möglich meine Situation schildern. Ich schlage mich seit fast 20 Jahren mit Depressionen und Ängsten herum. Habe es trotzdem geschafft, mein Lehramtsstudium und Referendariat durchzuziehen. Arbeite seit 12 Jahren als Berufsschullehrer mit den Fächern Wirtschaft und Sport, bin glücklich verheiratet und habe zwei süße Kinder im Alter von 6 und 8 Jahren. Nach einer Krise am Ende der Referendariats hat mir mein damaliger Psychiater Amitryptilin gegen die Depressionen und Tavor als angstlösendes Medikament verschrieben. Nach vielen "Aufs und Abs" (aber immer mit Tavor als Krücke) habe ich mich im letzten Jahr entschlossen, mit einem stationären Aufenthalt in der Burghof-Klinik in Rinteln einen Tavor-Entzug durchzuführen. Nach 6wöchigem Ausschleichen ging ich für zwei Wochen durch die Hölle, danach ging es mir für ca. 1 Woche wirklich gut. Vor meinem geplanten Entlassungstermin Anfang November stellten sich Angst und Antriebslosigkeit wieder verstärkt ein, so dass ich noch bis Ende Januar in der Klinik blieb, ohne dass sich mein Zustand besserte. Bin dann auf eigenen Wunsch Ende Januar entlassen worden. Da die Unruhe und Anspannung auch zu Hause nicht auszuhalten war, hat mir meine Psychaterin neben dem Amitriptylin wieder Lorazepam verschrieben. Mit 1,5 mg habe ich es dann irgendwie geschafft, meine berufliche Wiedereingliederung zu bewältigen. Nach den Sommerferien habe ich 6 Wochen durchgehalten, dann war ich wieder am Ende - Schlaflosigkeit, innere Unruhe, fast panikartige Angst. Musste mich krankschreiben lassen, da zur Zeit jeder Morgen mit Würgkrämpfen beginnt, kann mich auf nichts konzentrieren. Zur Zeit nehme ich 50 mg Valdoxan und 3 mg Lorazepam, die Anspannung ist trotzdem kaum zu ertragen. Positive Gefühle kommen einfach nicht bei mir an, versuche den Tag nur irgendwie zu überleben und habe keinerlei Ahnung, wie es weitergehen soll. Ich weiß nur, dass es weitergehen muss...
cocker
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Registriert: 20. Okt 2009, 13:09

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von cocker »

Hallo, deine Schilderung hört sich wirklich schlimm an bezogen auf die Medikamente und was das bewirkt oder eben nicht bewirkt.
Bist du denn in deinem Beruf zufrieden ?
Bist du den Anforderungen nicht mehr gewachsen?? Ich kann deine berufliche Situation glaube ich gut nacherleben, da ich selber am Berufskolleg war (bin / noch krank geschrieben), von daher weiß ich was du leisten muss.
cockerspaniel
Andieile
Beiträge: 13
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Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Andieile »

Hallo,
ersteinmal herzlichen Dank für Deine Antwort. Bisher habe ich immer gedacht, ich sei der beruflichen Situation in der Schule gewachsen, frage mich aber, wieso es in diesem Jahr bis zum Ende der Sommerferien ganz gut ging und sich dann schleichend Schlafprobleme und Antriebslosigkeit wieder einstellten. (Auch das Lorazepam musste ich in dieser Zeit wieder von 1,5 auf 3 mg erhöhen). Habe das Gefühl, dass mein Akku sich nach und nach leersaugt, ohne dass ich es wahrhaben will, ist er dann komplett leer, geht wie zur Zeit gar nichts mehr. Tatsache ist auch, dass ich es in den letzten Jahren nie geschafft habe, nach dem Unterricht ohne die Tranquillizer "runterzukommen" und den Nachmittag zu genießen. Habe andererseits mit 44 Jahren natürlich keine Lust (und nicht die finanziellen Rücklagen) auf Frühpensionierung
Gruß StillAndreas
Clown
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Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Clown »

Hallo Kollege

(ich bin an einer HS )
hast du denn auch außerhalb deines Klinikaufenthaltes Psychotherapie gemacht?

Es wäre doch z.B. die Frage interessant, warum dich das Unterrichten überhaupt so 'hoch' bringt, dass du dann ohne Beruhigungsmittel nicht mehr runter kommen kannst?

Grüße,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Liber
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Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Liber »

Hallo Andreas,

erst mal herzlich willkommen im Forum!

Beim Lesen deines Beitrags fällt mir auf, dass du zwar über die Probleme mit deinen Medikamenten schreibst, aber bisher noch nichts über eine Psychotherapie, die gemacht hast oder noch machst.

Auch diese ist sehr wichtig. Denn dort könntest du mal schauen, was überhaupt die Ursachen für deine Ängste sind und sie bearbeiten.

Machst du Therapie und wenn ja, wie sind denn deine bisherigen Erfahrungen damit?

Lieben Gruß
Brittka

Edit: Clown, lese gerade erst deinen Beitrag
Andieile
Beiträge: 13
Registriert: 24. Okt 2009, 15:33

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Andieile »

Hallo Kollege,
ihr habt es an der Hauptschule bestimmt nicht leichter als wir...

Die Frage, was mich so "hoch" kommen lässt, kann ich ganz klar beantworten: Wenn es mir nicht gut geht, habe ich natürlich auch Muffe vor der Schule, in solchen Phasen habe ich eigentlich schon an belastungsarmen Tagen Probleme. Quäle ich mich doch zur Schule, liegt mein Anspannungslevel vor
dem Unterricht schon bei 180 (Wenn 100 relativ entspannt ist). In der Schule zeigen sich dann oft sämtliche Symptome meiner Sch... Erkankung - Konzentrationsprobleme und vor allen Dingen das Gefühl, komplett neben sich zu stehen, mein Arzt nannte dieses Gefühl auch mal Depersonalisation, keinen gefühlsmäßigen Zugang zu seiner Umwelt zu haben. Habe mich bisher immer gezwungen, diese Gefühle wegzuschieben und "normalen" Unterricht durchzuziehen. Nach sechs Stunden Schule liegt das Anspannungsniveau dann bei gefühlten 300, wie soll ich da auch nur ansatzweise zu meinem Wohlfühllevel zurückkommen. In besseren Zeiten helfen Sport und autogenes Training ein wenig, jeder "überdrehte" Tag steigert jedoch die Angst und Unruhe vor dem nächsten. So, dass soll erst einmal reichen, ich hoffe, Dich nicht mit meinen Problemen zugetextet zu haben,
Gruß
StillAndreas
Andieile
Beiträge: 13
Registriert: 24. Okt 2009, 15:33

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Andieile »

Hallo Brittka,

herzlichen Dank für Deine Antwort. Während des Klinikaufenthaltes wurde natürlich begleitend auch Psychotherapie gemacht. Da ich als Angstpatient eingestuft wurde, hatte ich sowohl Einzelgespräche als auch Gruppensitzungen. Allerdings war ich als "Entzugspatient" dabei immer etwas außen vor. Das blöde ist, dass ich, wenn es mir gut geht, Angst vor Nichts und Niemanden habe (zumindest lassen sich diese Gefühle von meinem dann vorhandenen Antrieb gut verdrängen). Während der ersten Wochen ging es mir in die Klinik recht gut. In den Gruppensitzungen fühlte ich mich mehr als "Hilfstherapeut" als Patient. Nach dem Entzug ging es mir rasch so schlecht, dass sich die Einzelgespräche auf "Durchhaltemotivation" beschränkten. In den Gruppentherapien ging man davon aus, dass mein schlechter Zustand nur auf den Entzug zurückzuführen sei. Ich bin erst jetzt an dem Punkt angelangt mich zu Fragen, ob mich z. B. mein Beruf immer wieder über die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit bringt und somit Angst- und Unruhezustände auslöst. Habe mich auch schon nach Psychotherapeutischer Hilfe umgesehen, irgendetwas muss auf jedenfall geschehen.
Beitrag ist leider viel länger geworden als gewollt, aber es ist für mich schwierig, den ganzen Gefühlsbrei zu beschreiben.

Grüße

Andreas
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von elas »

Guten Abend

ja, als Ehemalige vom Fach, kann ich Dir bestätigen, dass Lehrperson sein zwar ein ganz interessanter und auch persönlichkeits - weiterbringender Job ist, allerdings auch regelmäßig an die eigenen persönlichen und menschlichen Grenzen bringend.

Da habe ich in meinem fast 30jährigen Berufsleben auch nicht immer so eine gute Balance gefunden.
Und oft erst im Nachhinein bemerkt, dass ich mich total überfordert hatte.
In diesem Punkt bist Du nicht der Einzige.

Allerdings denke ich auch darüber nach, dass Dir ambulante Psychotherapie helfen kann.

Nicht aufgeben, nur Mut.

elas
________________________________

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Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Babi »

Hallo Andreas,
wundert mich, daß dein Doc dir Amitryphtilin als Antidepressiva gegeben hat, ich nehme das, um besser schlafen zu können und wenn ich den Beipackzettel richtig verstehe, ist das auch nicht gegen Depressionen.
Mein Bruder ist Lehrer an einer Hauptschule und er ist auch oft fix und fertig, und braucht viel Ruhe.
Habe grade von Lehrern - wie gesagt mein Bruder und meine beste Freundin - gehört, daß das in diesem Berufszweig mit der Antriebslosigkeit und vor allem der Erschöpfung schneller geht wie in anderen Berufen.
Und du kannst hier so viel schreiben wie du willst, schreib dir das von der Seele, was du willst, o.k.
Ich wünsch dir viel Kraft. Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
1970
Beiträge: 375
Registriert: 11. Mär 2009, 15:08

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von 1970 »

Hallo Babi!
>>>wundert mich, daß dein Doc dir Amitryphtilin als Antidepressiva gegeben hat, ich nehme das, um besser schlafen zu können und wenn ich den Beipackzettelrichtig verstehe, ist das auch nicht gegen Depressionen.<<<

da bin ich jetzt aber auch über deine Aussage verwundert, denn es war mein erstes AD und ich habe es nicht wegen Schlafproblemen bekommen.

Ich könnte ständig schlafen, umso mehr noch verwundert, was es denn dann eigentl. bewirken sollte. Muss mal suchen, ob ich auch noch einen Beipackzettel finde.

Andreas, auch v. mir ein WILLKOMMEN ,hoffe du wirst dich hier wohlfühlen.
Gr. Dori
1970
Beiträge: 375
Registriert: 11. Mär 2009, 15:08

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von 1970 »

Hallo Babi,
Das hat mir ja jetzt keine Ruhe gelassen. Ich habe nochmal nachgeschaut wegen Amitriptylin. Nicht weil ich unbedingt Recht haben will, sondern aus persönlichem Interesse.

Habe zwar den Beipackzettel nur von Amineurin, aber das ist der gleiche Wirkstoff und da steht eindeutig:

.... ist ein Mittel aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva.

Vielleicht hast du es ganz einfach überlesen. Ich hatte damals ganz übersehen, dass da steht beruhigende dämpfende Wirkung, erst jetzt, wo du schreibst, dass du es wegen Schlafproblemen bekommen hast.

Da hat mein Hausarzt damals wohl ordentlich "daneben gegriffen". Ich hätte auch ohne sein verschriebenes Medi problemlos einen Winterschlaf halten können

Liebe Grüße
Dori
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Wie soll ich es aushalten?

Beitrag von Babi »

Hi Dori,
ja ich muß das wirklich überlesen haben.
Im Moment nehme ich es nicht mehr, weil bin sonst am Tage zu nix fähig, wenn ich es für die Nacht nehme, nehme nur noch am Tag Citalopram.
Habe Amitriphtylin letzte Nacht das erste Mal durch Kytta-Sedativum, ein pflanzliches Beruhigungsmittel mit Baldrian, ersetzt und das ist besser.
Lieber gruß Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
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