Gang zum Psychiater war ein Flop

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Schäfchen
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Gang zum Psychiater war ein Flop

Beitrag von Schäfchen »

Ich bin enttäuscht. Nun habe ich mich endlich aufgerafft, zum Psychiater/Nervenarzt zu gehen und dann das. Eigentlich ist er in der gesamten Region als Kapazität bekannt. Nun ja. Ich habe ihm erzählt, dass ich seit etwa 1 Jahr extrem negative Gedanken habe, als Auslöser sehe ich den im letzten Jahr drohenden Jobverlust. Dann konnte ich zwar doch bleiben, aber der neue Job macht mir Angst. Ich habe Angst, den vielen Aufgaben nicht gewachsen zu sein. Ständig kommt was Neues auf mich zu, was für viele erstrebenswert ist, aber ich empfinde das als belastend. Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut. Vor allem, da ich genau solche Dinge tun muss, die ich in meinen 20 Jahren Berufserfahrung stets vermieden habe und auch nie machen musste. Jetzt ist es so, dass ich häufig in Sitzungen dabei sein muß. An sich nichts schlimmes, es geht meistens darum, dass ich Protokoll führen muss. Genau davor habe ich Angst. Das nicht auf die Reihe zu bekommen. Mir wird immer wieder bestätigt, dass ich einen guten Job mache. Warum nur stehe ich mir dann ständig selbst im Weg? Ich grüble sehr oft nachts darüber nach und was wohl wieder "schlimmes" von mir erwartet wird. Ich kämpfe nun schon seit Monaten mit mir und wollte schon den Job aufgeben. Aber das wäre doch Flucht vor etwas? Nein, ich will nicht aufgeben. Dann kam noch hinzu, dass mein Vater nach langem Leidensweg verstarb. Und auch meine Ehe ist inzwischen stark am bröckeln. Am schlimmsten finde ich diese dauernden negativen Gedanken, mir wird dabei richtig übel. Tja, nun war ich gestern bei diesem Arzt. Er bestätigte mir, dass ich in einer depressiven Verstimmung stecke und ich meinen Tank auffüllen müsse. Zu deutsch: er verschrieb mir Remergil. Ich betonte, dass ich von AD nicht viel halte. Ich hoffte eigentlich, dass ich eine Therapie machen könnte, um endlich aus diesem Teufelskreis zu kommen und an meinem negativen Denkmuster zu arbeiten. Das hält er für überflüssig und sagte, mit dem Medikament kriegen wir das in den Griff. Ich habe mich im Netz über Remergil informiert und es schockt mich, wieviele Nebenwirkungen es hat und vor allem, dass es ein starkes Mittel ist. Ich werde es nicht nehmen. Kann ich eigentlich auch auf Eigeninitiative einen Therapeuten aufsuchen? Wie sieht es mit Kostenübernahme aus? Ich möchte nicht noch weiter abrutschen und endlich was für mich tun, aber nicht mit Medikamenten. Ich würde mich über viele Nachrichten von Euch freuen.
Anna24

Gang zum Psychiater war ein Flop

Beitrag von Anna24 »

Hi Schäfchen, Informationen über Remergil findest Du hier reichlich, schau mal ins Archiv oder gib unter "Suche" Remergil ein. Der Vorteil an den Infos hier ist der, dass sie von Leuten kommen, die dieses Medikament ausprobiert haben, also eine konkrete Erfahrung damit haben. Ich hab selbst was anderes genommen, aber: Remergil gilt als eins der verträglichsten und zuverlässigsten ADs. Die Stärke der Wirkung und Nebenwirkungen hängt vor allem von der Dosierung ab. Eine Therapie kannst Du natürlich trotzdem machen, nach dem, was Du schilderst, klingt das auch sinnvoll. Frag einfach Deinen Psychiater nach Adressen von Psychotherapeuten, oder schau im Netz: http://www.psychotherapiesuche.de/ . Du kannst bei Therapeuten genau so einen Termin machen wie bei Ärzten; anrufen, aufs Band sprechen (die meisten Therapeuten haben keine Sprechstundenhilfe) und auf Rückruf warten. Die Kosten werden in Deutschland in der Regel von den Krankenkassen komplett übernommen, je nach Therapieform zwischen 100 und 300 Stunden maximal; je nach Diagnose und Beschwerdebild. Die ersten 5 Stunden (soweit ich weiß), werden von den Kassen als "Probestunden" bezahlt, so dass Du Dir in Ruhe einen Therapeuten aussuchen kannst. Aber Achtung: Wartezeiten von einigen Wochen bis - eher - Monaten sind sehr häufig. Zum Überbrücken einer Wartezeit sind Medikamente ausgesprochen sinnvoll. Rede nochmal mit Deinem Arzt, lass Dich genau informieren, und vielleicht probierst Du das Remergil aus; ich kenne etliche Leute hier und anderswo, denen das Medikament sehr geholfen hat. Gruß, Anna.
Dring
Beiträge: 261
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Gang zum Psychiater war ein Flop

Beitrag von Dring »

Hallo Schäfchen, Du hast wahrscheinlich schon richtig erkannt, daß der Auslöser für Deinen schlechten Gesundheitszustand der drohende Jobverlust bzw. der unbefriedigende neue Arbeitsplatz ist. Hinzu kommt, das Dein Vater verstorben ist (nach langem Leiden) und Du dich auch in der Ehe z. Z. nicht wohlfühlen kannst. Oft sind das Ereignisse, die uns aus der Bahn werfen. Ich hatte in den letzten Jahren 2x ähnliche Probleme. Ich habe neben meiner vollen Berufstätigkeit meine sehr kranke Mutter gepflegt und bekam nach 2 Jahren Hörstürze, Tinnitus und Depressionen. Nach einem Klinikaufenthalt ging es mir zunächst wieder besser. Ich nehme auch nicht gern Medikamente, aber es scheint zu helfen. Ich bekam seinerzeit Cipramil. Der Klinikaufenthalt hat mir auch sehr gut getan. Ich wollte auch unbedingt in eine Klinik und habe mich teilweise sogar selber bemüht, mein Hausarzt war auch der Meinung war, daß ein Klinikaufenthalt sehr gut wäre. Nach dem Klinikaufenthalt habe ich auch wieder eine neue Arbeit gefunden (mein bisheriger Arbeitsplatz wir mir inzwischen gekündigt worden). Ich muß allerdings auch sagen, daß mir diese letzten 2 Anstellungen nicht so gut getan haben. Ich bin inzwischen 41 Jahre berufstätig und war Chefsekretärin. Habe meinen Job immer gern gemacht und war zufrieden. Was man mir auch immer wieder bestätigte. Aber aufgrund der Wirtschafslage konnte ich diese nicht immer behalten. Die letzten beiden Anstellungen war auch nicht als Chefsekr. sondern mehr für alle anfallenden Büroarbeiten, was mich nicht stört, ich mache auch alles, und man ißt froh, überhaupt Arbeit zu bekommen. Waren auch 2 kleinere Betriebe. Aber wie Du auch schreibst, auch ich fühlte mich nicht wohl und auch das Neue war für mich nicht mehr erstrebenswert, sondern belastend. Liebes Schäfchen, Du siehst, Du stehst nicht allein mit diesen Problemen. Anfang 2002 bekam ich dann auch wieder meine Depressionen. Meine Mutter war Ende 2001 gestorben. Ich habe in dem Jahr 2001 sehr viel Zeit und Kraft für die Pflege meiner kranken Mutter gebracht. Sie lag nur noch, wurde künstlich ernährt, ich hatte sie inzwischen in unserer Wohnung; habe dabei voll gearbeitet, mein Mann war inzwischen Frührentner und konnte sich tagsüber um sie kümmern. Ich möchte nicht viel mehr schreiben, aber es war eine sehr schwere Zeit, Du kannst es sicherlich nachvollziehen. Dann im Januar 2002 wiederum eine Kündigung. Einige Tage späte dann mein Zusammenbruch. Ich denke, daß eine Therapie auf jeden Fall sehr sinnvoll wäre. Wer versteht außer den Betroffenen schon wie einem Depressiven zumute ist. Ich gerne seit über 2 ½ Jahren zur Therapie und freue mich immer, daß meine Thera so verständnisvoll ist. Ich glaube, Du bist auch jemand, dem man seine Krankheit nicht ansieht. Du gibst Deine ganze Kraft in den Beruf, um alles gut und mehr als 100 %ig zu machen, danach bist Du total erschöpft und findest auch nachts keine Ruhe, dabei brauchst Du eigentlich schon wieder Kraft für den nächsten Tag. Irgendwann wird es gar nicht mehr gehen. Ich habe mich auch jeden Tag wieder neu "aufgerafft". Nur irgendwann gehts nicht mehr. Für einen Therapeuten mußt Du wohl eine Überweisung haben? . Ich hatte diese. Dann kannst Du zu einer Therapeutin gehen und erst einmal versuchen, ob ihr miteinander reden könnt. So weit ich informiert bin, kann man bis zu 5 Sitzungen (auch bei unterschiedlichen Therapeuten machen), um den richtigen zu finden. Frage doch einmal bei Deiner Krankenkasse. Die Krankenkasse muß dann auch die Therapie genehmigen. Den Antrag füllt dann aber die entsprechende Therapeutin aus. Frage aber einfach einmal bei der Kasse nach. Ich habe auch eine Verlängerung der Therapie bekommen. Meistens bekommt man 52 Sitzungen. Reichen diese nicht, dann kannst Du das mit der Thera besprechen, die würde dann einen Verlängerungsantrag bei der Krankenkasse stellen. So, jetzt habe ich eigentlich mehr von mir erzählt, anstatt Dir Hilfe zu geben. Du sollest aber Deinen Job aufgeben. Informationen kannst Du unter der Rubrik im Forum unter "Depressionen, Arbeit, Ämter und Renten" bekommen. Da ist geschrieben, was man machen kann, wenn man lange krankgeschrieben ist, wann man zum Arbeitsamt muß u.ä. Vielleicht sollest Du Dich krankschreiben lassen und Dir dann kündigen lassen. So bekommst du erst einmal Krankengeld. Zu den ADs: Nicht bei jedem treten Nebenwirkungen auf, da muß man evtl. mehrere ausprobieren. Mir bekam Cipramil immer gut. Seinerzeit wurde mir dann ein anderes Medikament aufgeschrieben, welches mir nicht so gut bekam (habe 30 Pfund zugenommen). Angeblich ist dieses bisher nur bei mir aufgetreten. Dann hat mir die Neurologin wieder ein anderes Medikament aufgeschrieben, welches auch nicht besser wirkte. Dann sagte sie zu mir, daß es bei anderen gut verträglich ist und dann könne sie mir nichts mehr aufschreiben. Somit mußte radikal absetzen und das ist bei AD sehr schlecht verträglich. Mir ging es tagelang sehr schlecht. Mein Hausarzt gab mir wieder Cipramil; jetzt gehts mir langsam besser. Du siehst, die Auswirkungen sind unterschiedlich. Ich würde Dir vorschlagen, es vielleicht doch mit einem Medikament zu versuchen. Ich habe inzwischen die Neurologin gewechselt. Sollest Du sicherlich auch gut. Nicht mit jedem Arzt kann man gut reden. So, für heute habe ich aber wirklich viel geschrieben. Ich hoffe, daß Dir das Forum ein wenig helfen kann. Mir tut es immer gut hier zu lesen und zu schreiben. Für heute schönes und geruhsames Wochenende. betina PS: Kannst Du evtl. aufgrund Deines Alters schon einmal an die Rente oder EU-Rente denken?
Schäfchen
Beiträge: 10
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Gang zum Psychiater war ein Flop

Beitrag von Schäfchen »

Vielen Dank für die schnellen Antworten. @Döring: den Job aufgeben werde ich auf keinen Fall. Nicht nur, weil er sehr gut bezahlt wird, sondern auch, weil ich nicht aufgeben will. Ich ging schon immer gerne zur Arbeit, nur bin ich halt jetzt an einer Stelle angekommen, die mich zwingt, eine Veränderung zu durchlaufen. Und Du hast Recht, mir sieht man meine "Krankheit" nicht an. Ich gelte als fröhlich und aktive Person. Alles nur Fassade? Manchmal schon. Im nächsten Job (erst mal einen finden!) ist mit Sicherheit auch wieder etwas, was mir nicht so gefällt. Ich merke sehr deutlich, dass ich an mir was tun muß. Ich neige dazu, beim geringsten Problem vorschnell zu sagen, "das kann ich nicht". Momentan lese ich "Das kleine Buch vom glücklichen Leben". Durch Zufall bin ich darauf gestoßen. Es ist sehr gut und macht einem deutlich, Dinge einfach geschehen zu lassen, sie zu akzeptieren und nicht ständig dagegen anzukämpfen. Es ist wie es ist. Sagt sich meist leichter, als es ist. Doch ich lese bestimmte Passagen immer und immer wieder, manchmal hilft es mir, wenn ich wieder einmal sage "ich bin so unzufrieden". Dabei müsste ich total zufrieden sein. Wir sind gesund, haben keine Schulden, haben beide Arbeit. Was will man mehr. Aber dennoch ist immer wieder dieses blöde Grübeln da. Und genau das möchte ich durchbrechen. "Es ist wie es ist". Was soll schon passieren? Und nochmal zu Remergil. Ich habe mich natürlich ausführlich informiert. Doch alleine die Aussicht, mehrere Kilos zuzunehmen, hindern mich daran es zu nehmen. Nein! Gut, ich stecke in einer Krise. Aber deswegen nehme ich nicht diese Dinger. Die überlagern doch nur die Probleme. Ist meine Meinung. Ach ja: Rente ist noch in weiter Ferne. Bin 36 Jahre alt, von daher muß ich mich schon noch ein Weilchen durchbeißen. Gruß, Schäfchen
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