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authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 11:50
von steppenwolf1
Hallo liebe Forengemeinde,

vielfach hört man ja, dass es auch darum geht, authentisch zu werden und das ein wichtiger Schritt zur Gesundung ist.

Leider war fast mein ganzes Leben Schauspielerei. Viele Masken habe ich getragen und trage noch und frage mich nun, wie man sich selbst findet ? Wie erlangst man eine eigene Identität, mit der man dann auch leben kann ?

Zwischen meinen depressiven Episoden kam immer meine Persönlichkeit durch u.a. auch viel Wut, was aber allemal besser als die Depri und die Angst war. Jetzt ist alles so egal, hab eine richtige Scheißegalstimmung erlangt und frage mich, wie ich da wieder raus komme. Auffallend ist auch, dass ich keine richtige Meinung mehr zu Dingen entwickle, regelrechtes Desinteresse.

Weiß jemand Rat ? Was muss man tun, um seine Identität wieder zu finden ? Geht das überhaupt ? Gibt es überhaupt so etwas wie authentisch ?

Danke und liebe Grüße,
wölfin

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 12:16
von Zorra
Hallo Wölfin,
authentisch sein heißt für mich, genau nach mir und meinen Gefühlen zu schauen. Nun ist das ja in einer Depression für mich eher nicht möglich, da ich zu denen gehöre, die nichts fühlen, also auch nicht in dem Sinn traurig sind - traurig sein wäre ja dann wieder ein Gefühl.
Jetzt in der guten Phase kann ich aber auch nicht immer authentisch sein - auf Arbeit gehöre ich zum dienstleistenden Bereich - da möchtest du am liebsten noch für einen Arschtritt Danke sagen (hat allerdings auch Grenzen). Privat gegenüber meinem Partner bin ich auch nicht immer authentisch, weil ich auch seine Bedürfnisse mit sehen möchte - ich versuche aber zunehmend, doch zu äußern, was ich brauche oder möchte, oder wie ich Dinge sehe. Vielleicht ist authentisch sein so ein Stück Ehrlichkeit vor sich und anderen?
Da bin ich auch lange noch nicht fertig und es ist auch gerade sehr aktuell eine Frage, die mich auch beschäftigt. Wo bin ICH?
Bin gespannt auf die anderen.
LG Elke
und siehe mal unten - das begleitet mich schon eine ganze Zeit

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 12:41
von tomroerich
Hallo Wölfin,

authentisch wird man dadurch, dass man den/die findet, der/die all diese Erfahrungen gemacht hat.

Liebe Grüße

Thomas

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 12:47
von Thomas-Michael
Hallo Wölfin,

ich schreibe mal ein paar Gedanken, die deine - wie ich finde - sehr interessante Frage in mir auslösen...

Wenn du so schreibst, wie in diesem Beitrag...oder in einigen anderen, die ich gelesen habe - bist du da nicht sehr nah dran, an deinem selbst...an deinem authentisch sein?

Weißt du - ich habe von dir gelesen, dass sich der Weg und der "Kampf" lohnt... vielleicht liegt an einem bestimmten Punkt des Weges genau dieses für dich bereit - dich ganz als du selbst zu Finden, zu Erleben...zu Spüren...zu Fühlen...

Und vielleicht ist ein Teil des Findens in deiner Auseinandersetzung mit eben dieser Frage enthalten.

Diese Frage habe ich mir - in abgewandelter Form - schon oft selber gestellt...was mir dabei auffiel - fast immer nur, wenn es mir schlecht ging, und mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen eh schon ganz unten waren...komisch, das irgend etwas in mir (uns) sich vertsärkt solche Fragen stellt, wenn wir uns in Krisensitautionen befinden...

Ich weiß keine Antwort darauf, aber ich denke, wenn wir unsere Wege offen und aufrichtig mit uns selbst gehen, dann können wir auch diese Antwort erfahren.

Mir fehlt es oft an der nötigen Geduld mit mir selbst - dennoch wünsche ich dir genau diese...hab Geduld mit dir...

Liebe Grüße

Thomas-Michael

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 13:14
von freebird
Hallo,

Eine gute Frage, die ich mir auch immer wieder stellt.

Eine Therapeutin hatte mir sogar mal vorgeworfen(!!!!) nicht authentisch zu sein und so sei ein arbeiten mit mir nicht möglich. Da bin ich dann schnellsten weg.

Im Moment sind gerade andere Themen bei mir dran.

Allerdings denke ich manchmal, dass ich aufgrund meiner kindlichen Traumata, wo ich mich immer wieder abspalten und Rollen spielen musste, vielleicht gar nicht mehr wirklich authentisch werden kann. Ich glaube manchmal, dass man Authenzität im Kindesalter lernt. Verpasst man das, aus irgendwelchen Gründen, dann ist der Zug wahrscheinlich abgefahren.

Ich kann mich natürlich auch irren - sehr oft hoffe ich das sogar.

Viele Grüße
Corinna

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 13:15
von Schlaflos02

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 14:08
von tomroerich
Auffallend ist auch, dass ich keine richtige Meinung mehr zu Dingen entwickle, regelrechtes Desinteresse.

Was genau fehlt dir dabei? Brauchst du Meinungen? Entsteht Identität durch die Meinungen, die man hat?

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 14:16
von Holgi
Hi wölfin

Meine Gedanken und Gefühle sind authentisch.

Lebe ich meine Gedanken und Gefühle aus, bin ich authentisch.

So sehe ich das !

Liebe Grüße

Holgi
........................
QUAERE VERUM

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 14:26
von tomroerich
Hey Schlaflos,

@Thomas: Das habe ich nicht verstanden.

Man sagt z.B. "Ich habe die und die Erfahrung gemacht" Wer ist das "Ich" in diesem Satz?

Wie ist die Situation mit uns selbst? Wir haben eine gewaltige Menge an Erfahrungen gemacht und dann fragen wir:

"Wie finde ich nur in all diesen großenteils widersprüchlichen und ständig wechselnden Erfahrungen mein Identität? Was genau ist es, was mich authentisch sein lässt? Ist es diese Meinung oder jene Meinung, diese Eigenschaft oder jene?"

Ich habe mich gefragt "Wer hat diese Meinung, wer hat diese Eigenschaft?" Und kam darauf, dass es immer der gleiche Thomas war, der seine Meinungen wechselte, der mal glücklich und mal unglücklich war.

Thomas war immer dabei, egal was passierte. Ich lernte, Thomas zu vertrauen und nicht dessen Meinungen, weil er mich noch nie verlassen hat, meine Meinungen aber schon.

So fand ich den Weg zur Authentizität. Authentizität fragt: Wer ist der Author, also - wer ist die Ursache? Es ist Thomas oder Schlaflos oder Wölfin. Wenn ich mich um Thomas kümmere und ihn sehe, dürfen Meinungen wechseln und Thomas bleibt als der, der sie hat.



Thomas

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 16:42
von no name
Hallo zusammen,

authentisch zu sein bedeutet für mich, dass ich sage was ich denke und entsprechend handle, also in Übereinstimmung mit meinen Werten lebe. Oder anders gesagt, wenn ich meinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck verleihe.
Wenn ich so leben kann, dann bin ich für andere gut einschätzbar.
Authentizität bedeutet aber auch zu sich selbst zu finden, seine Bedürfnisse zu berücksichtigen und keine Rollen zu spielen, bzw. Masken zu tragen, d.h. auch seine Schwächen zu zeigen.
Ich denke, dazu gehört auch eine ganze Portion Mut.
Ob ich immer authentisch bin, das weiß ich nicht. Aber ich versuche zumindest mit einer gewissen Echtheit mein Leben zu leben. Dabei hilft mir mit Sicherheit mein Glauben.

Viele Grüße

no name

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 17:09
von Kringel
Hallo Wölfin und alle anderen,

Ich versuche auch schon seit einiger Zeit, in der Frage nach Authentizität, Identität und damit Ganzheit und Stabilität, eine Antwort auf meine Problematik zu finden.

Ich folge momentan dabei der Spur der Identifikation mit meinen Erfahrungen, Gedanken, Gefühlen. Früheren und aktuellen.

@Thomas:
mir ist die Grundidee deines Ansatzes schon klar, zumindest verstandesmäßig.

Bei all dem, was ich früher und auch jetzt in meiner Anpassungsstörung an Erfahrungen gemacht habe, war 'Ich' diejenige, die immer da war. Ich dachte vor 4Jahren dass meine Arbeit das einzige stabile in meinem Leben sei, was mir noch geblieben war - und identifizierte mich noch stärker als seither damit. Einer meiner größten Fehler. Dann waren es meine Gefühle, Gedanken, Meinungen, sowie die Gefühle und Gedanken, Meinungen der Menschen um mich herum mit denen ich mich identifizierte, was mich nur noch mehr in einen haltlosen Strudel riss. Aber auch die Einsamkeit und Ignoranz/Hilflosigkeit welche das Ereignis mit sich brachte. Die aufreibende Suche nach dem 'Warum?'.

Wenn ich aufhören könnte, mich mit all dem zu identifizieren, und dies als ein falsches Selbst anzuerkennen, und mich derjenigen selbst zuzuwenden der das alles passiert ist und die ständig da war - die auch als es nicht mehr ging sich Hilfe suchte - wäre ich auf einem stabileren Steg und könnte meine Hilfe Therapie effektiver nutzen, mich weniger abhängig von Äußerlichkeiten fühlen. Und von den Masken/Rollen die ich mich gezwungen fühle anzunehmen.

Dann könnte ich Belastungen besser aushalten, mich gar nicht erst selbst in eine solche führen. Und das Leben wieder so annehmen wie es ist, mit allen Höhen und Tiefen und nicht mehr damit hadern.

Es ist nur so schwer sich von Idenitfikationen, mit denen man sich einmal behaftet hat, loszukommen. Das hat auch viel mit einer früh erlebten tiefen Scham zu tun, das eigene Selbst wegzuschließen und es durch falsche Identifikationen zu ersetzen.
Und es ist schwer gegen diese Angst anzugehen, dass hinter all den Identifikationen und Abhängigkeiten kein 'Nichts' ist, nicht etwas dass es nicht wert wäre dass man für/um es kämpft.

Denn ohne 'Es' hätten wir den Kampf ja gar nicht erst aufgenommen, und uns Hilfe geholt. (@Thomas-Michael: Danke, hast du gut ausgedrückt)

Ganzheit und Stabilität, das wäre für mich das Ziel, das 'Authentisch'-Sein.

Mit welchen Mitteln man sich am besten auf diesem Weg begibt um dabei möglichst 'authentisch' nahe an seinen Gefühlen zu sein und sie auch adäquat ausdrücken zu können, weiss ich nicht. Ich probier das seit fast 2Jahren. Es geht mir schon wesentlich besser.

Einige hilfreiche Dinge habe ich seither gefunden, z.T. in aktiver Form wie einer tiefenpsycholog. Therapie, einer Kunst-und Ausdruckstherapie, in passiver Form einer ganzheitlichen Massage. Mit meiner Religion tue ich mich momentan etwas schwer - doch ist sie auf jeden Fall auch ein stabilisierender Faktor in meinem Leben den ich nicht mehr missen möchte. Denn im Prinzip sagt sie mir dasselbe... nur ich boykottiere mich noch...

liebe Grüße,
Kringel

(sorry wenn ich auf einzelne Beiträge/Autoren nicht eingegangen bin - nehme beim Lesen aber viel mit, danke dafür an alle Schreiber!)

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 17:23
von freebird
Hallo Kringel,

Religion und Authenzität beißt sich für mich ziemlich.

Vielleicht schweife ich jetzt ab, dennoch möchte ich es hier erwähnen.

Ich hadere seit vielen Jahren mit der Religion überhaupt. Mit der Kirche schon länger und zwar jeglicher Coleure.

Als ich deinen Satz laß, dass du dich mit deiner Religion schwer tust, fiel mir spontan die Frage ein, ob wir uns, wenn wir uns einer bestimmten Religion hingeben nicht automatische unsere eigene Identität aufgeben, weil wir wieder in irgendwelche Dogmen und Glaubenssätze gezwängt werden uns der entsprechenden Religionsgemeinschaft anpassen müssen.

Viele Grüße
Corinne

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 18:11
von Zorra
Hallo Schlaflos,

danke für deine Rückmeldung: die Rolle - das habe ich für mich noch gar nicht so gesehen, aber es stimmt. Und ich spüre es unbewußt auch und spiele manchmal sogar damit, leide darunter nicht unbedingt (manchmal nervt es ein bisserl); für authentisch halte ich mich da auch nicht wirklich.
Das ist mir im privaten Bereich sicher auch wichtiger.

Hallo Corinna und Kringel,

Authentizität und Religion: ich bin evangelisch gläubig und das behindert mich nicht - ich fühle mich angenommen, so wie ich bin. Ich möchte niemanden "missionieren", ich möchte aber Respekt vor Glauben, ohne dass er von vorneherein gleichgesetzt wird mit Unterordnung. Es gibt Lebenswege, in denen der Glauben keine Rolle spielt, oder verlassen wird. Davor habe ich meinerseits Respekt, weil leider auch in meiner Kirche nicht immer der Mensch gesehen und gewürdigt wird; an meinem Glauben kann das aber nichts ändern. Ich arbeite in Kirche (nicht theologisch) und leide durchaus auch an ihr, bin aufgehoben in ihr ... kritisiere und handele. Ist halt wie das Leben im Allgemeinen ... Trotz aller Schwierigkeiten liebe ich es (meistens)...
Authentizität und Glauben schließen sich für mich nicht aus. Allerdings hilft Glauben allein auch nicht unbedingt aus der Depression - so nach dem Motto: wenn du nur richtig glaubst, dann ... So einfach ist auch Glauben nicht

Unterschiedliche Erfahrungen halt.

Seid lieb gegrüßt von Elke

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 18:57
von tomroerich
Hallo Kringel,

Es ist nur so schwer sich von Idenitfikationen, mit denen man sich einmal behaftet hat, loszukommen. Das hat auch viel mit einer früh erlebten tiefen Scham zu tun, das eigene Selbst wegzuschließen und es durch falsche Identifikationen zu ersetzen.

Ja, ganz genau. Man hat sich selbst verlassen und das beschämt zutiefst. Man will eigentlich nichts mehr mit sich zu tun haben, aber weil man eben nun mal niemand anderes sein kann, haut das natürlich nicht hin

Nach meiner Erfahrung ist die größe Hürde die, dass man nicht weiß, wo man sich suchen soll. Man sucht in den Inhalten, aber dort ist man nicht. Ich verstand vor Jahren durch einen bestimmten Satz ganz spontan, wohin man schauen soll - wo das ewige und unveränderbare "Ich" ist. Es war die ganze Zeit über da, doch ich hatte es einfach nicht gesehen. Da ist ein Gefühl von Selbstvertrautheit, wenn man in dem bleibt, ist es nicht mehr so schwer, Identifikationen aufzugeben. Ob es schwer ist oder nicht, hängt davon ab, wie viel Energie in der Identifikation steckt. Manche lassen sich sehr leicht aufgeben, sie verschwinden von selbst, sowie man sich gefunden hat. Manche ziehen einen unbarmherzig immer wieder aus sich selbst heraus, so dass man außer sich ist. Doch auch sie werden schwächer und schwächer, je länger man in sich ist. Das Selbst ist eine unbegrenzte Energiequelle, es löst Identifikationen auf, wenn man sie übergibt.



Thomas

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 19:01
von Kringel
Hallo Corinne,

danke für deinen Einwurf.

Ich werde die Antwort kurz halten, weil ich auch nicht möchte, dass es den Rahmen dieses Threads sprengt.
Denn religiöse Empfindungen sind eine ganz persönliche Sache und weder möchte ich jemandem zu Nahe treten oder verletzen, noch möchte ich dass man das bei mir tut.

Du hast für mich recht in dem Punkt, dass man bei einer (falschen) Hingabe an eine Religion Gefahr läuft seine eigene Identität aufzugeben und etwas anderes, von ihm - von außen, der jeweiligen Gemeinschaft, an seine Stelle setzt.

Es gibt aber m.E. auch die grundlegende, nahe, intime Beziehung die man zu Seinem Schöpfer hat, bzw. aufbaut. Sie liegt allem anderen zugrunde, auch der Mensch-Mensch und Mensch-Umwelt Beziehung. Sie kommt der Mensch-Selbst Beziehung sehr nahe. Ist sie positiv geprägt, von einer grundlegenden Sicherheit des Angenommen, Gewolltseins, Gut-Seins - jedoch für die Existenz in dieser Welt wie alle anderen Menschen mit freiem Willen und der Möglichkeit des im Schöpfersinne gut oder böse Handelns ausgestattet (d.h.böse gegen andere, den Schöpfer oder sich selbst, d.h. m.E. in allen Fällen gegen sich selbst)dann kann ich jederzeit zu Ihm zurückkehren und weiss ich bin angenommen, weil von Ihm hervorgebracht.
Mit dieser Annahme kann/könnte ich mich von Fremdannahmen freimachen und den Weg freimachen für die Annahme meiner (schon immer vorhandenen, aber von mir noch zu findenden, anzuerkennenden) Identität.

Dieser Weg ist nichtsdestotrotz schwierig und führt (in meiner Religion) nicht an der Akzeptanz gewisser Strukturen vorbei. Wobei ich inzwischen sehr darauf achte, was dabei lediglich von Menschen kommt (und lediglich zu deren Vorteil reicht - was ich ablehne) und was im Sinne des Schöpferwillens ist (das heisst dem Geiste der Religion entsprechend). Das setzt Wissen voraus und Auseinandersetzung.
Womit ich hadere, sind ganz spezielle Dinge in mir selbst, meiner Lage seit dem Ereignis und dem Umgang damit. Das ist in meinem Falle keine Abkehr von meiner Religion sondern die Hoffnug einer Neueinfindung darin, was einfach eine spirituelle Schwierigkeit ist.
Ich trenne aber in meiner Lage die Hilfesuche in der Religion von der Hilfesuche auf der diesseitigen, Mensch-Mensch-bezogenen Seite. Denn ich lebe im Diesseits und habe auch ein Recht und eine Pflicht mir Hilfe zu suchen. Das ist für mich die Therapie und gewisse Methoden. Dabei stimme ich mich durchaus mit meinen religiösen Grenzen ab, die ich dabei jedoch sehr weit stecke.

Wir gesagt, die Grundannahme wie Thomas sie beschreibt und ich sie für mich verstehe, und Parallelen zu meiner Religion sehe ich für mich durchaus und ziehe auch daraus meinen Nutzen.

Ich weiss nicht, ob ich dich hiermit nur noch mehr verwirrt habe, oder du es verstehst.

Wenn du meinst etwas zu 'müssen' oder dich gezwängt fühlst ohne dass du es hinterfragen und verstehen kannst - passt es eh nicht. Deine Religion, der du dich hingibst, suchst du dir am besten immer bewusst und freiwillig aus.

(Welcher Religion ich angehöre, oder was für ein Ereignis mein Leben so grundlegend durcheinanderbrachte, möchte ich allerdings so im Forum nicht mitteilen - ist zu sehr mit Vorurteilen behaftet und dient momentan nicht meiner Auseinandersetzung mit mir selbst. Sorry. Muss auch so gehen.)

liebe Grüße,
Kringel

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 19:06
von Kringel
Hallo Thomas,

du warst schneller im Schreiben

>Nach meiner Erfahrung ist die größe Hürde die, dass man nicht weiß, wo man sich suchen soll. Man sucht in den Inhalten, aber dort ist man nicht. Ich verstand vor Jahren durch einen bestimmten Satz ganz spontan, wohin man schauen soll - wo das ewige und unveränderbare "Ich" ist. Es war die ganze Zeit über da, doch ich hatte es einfach nicht gesehen. Da ist ein Gefühl von Selbstvertrautheit, wenn man in dem bleibt, ist es nicht mehr so schwer, Identifikationen aufzugeben. Ob es schwer ist oder nicht, hängt davon ab, wie viel Energie in der Identifikation steckt. Manche lassen sich sehr leicht aufgeben, sie verschwinden von selbst, sowie man sich gefunden hat. Manche ziehen einen unbarmherzig immer wieder aus sich selbst heraus, so dass man außer sich ist. Doch auch sie werden schwächer und schwächer, je länger man in sich ist. Das Selbst ist eine unbegrenzte Energiequelle, es löst Identifikationen auf, wenn man sie übergibt.<


danke, das klingt sehr tröstlich.

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 19:10
von Kringel
Hallo Elke,

>Authentizität und Religion: ich bin evangelisch gläubig und das behindert mich nicht - ich fühle mich angenommen, so wie ich bin. Ich möchte niemanden "missionieren", ich möchte aber Respekt vor Glauben, ohne dass er von vorneherein gleichgesetzt wird mit Unterordnung. Es gibt Lebenswege, in denen der Glauben keine Rolle spielt, oder verlassen wird. Davor habe ich meinerseits Respekt, weil leider auch in meiner Kirche nicht immer der Mensch gesehen und gewürdigt wird; an meinem Glauben kann das aber nichts ändern. Ich arbeite in Kirche (nicht theologisch) und leide durchaus auch an ihr, bin aufgehoben in ihr ... kritisiere und handele. Ist halt wie das Leben im Allgemeinen ... Trotz aller Schwierigkeiten liebe ich es (meistens)...<
>Authentizität und Glauben schließen sich für mich nicht aus. Allerdings hilft Glauben allein auch nicht unbedingt aus der Depression - so nach dem Motto: wenn du nur richtig glaubst, dann ... So einfach ist auch Glauben nicht<

danke auch an dich, da kann ich meine Erfahrungen anschließen.

liebe Grüße
Kringel

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 20:34
von ashleigh
Tja, das mit dem Authentischsein ist so eine Sache. Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass ich es eigentlich überhaupt nicht bin. Stattdessen spiele ich die Rolle, die andere von mir sehen wollen. Das ist megaanstrengend. Ich spiele sie so perfekt, dass es mir selber nicht mehr auffällt, das dem so ist. Nur in wenigen Momenten wird mir das bewusst.
Auch ich bin religiös geprägt.
@Kringel: Das, was du da schreibst, kommt mir sehr bekannt vor. Ich glaube zu wissen, welcher Religionsgemeinschaft du angehörst (kann mich aber auch irren. Wenn ich richtig liege, dann hast du, wie auch ich, gelernt, dass man seine wahren Gedanken nicht bekennen darf, ja nicht mal denken darf. Das wäre mit starken Schuldgefühlen verbunden, weil es unter Umständen "Sünde" ist. Wie gesagt, ich kann mich irren. Aber es kommt mir sehr bekannt vor.
Viele Grüße
Ashleigh

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 18. Okt 2009, 22:05
von Schlaflos02

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 00:02
von Kringel
Hallo Ashleigh, hallo schlaflos,

bevor ich jetzt schlafen gehe und vor morgen nacht nicht mehr zum schreiben komme, möchte ich doch was klarstellen:

@Asleigh: Ich wollte eigentlich so ein Ratespiel nicht aufkommen lassen. Du kannst dir natürlich denken was du willst beim Lesen meines Beitrags, aber du weisst es nicht und so fängt eine Gerüchteküche an. Das wollte ich nicht. Aber gut, angefangen habe ich.

>Ich glaube zu wissen, welcher Religionsgemeinschaft du angehörst (kann mich aber auch irren. Wenn ich richtig liege, dann hast du, wie auch ich, gelernt, dass man seine wahren Gedanken nicht bekennen darf, ja nicht mal denken darf. Das wäre mit starken Schuldgefühlen verbunden, weil es unter Umständen "Sünde" ist.<

Das erste mit der Ahnung meiner Religionsgemeinschaft kannst du nicht einfach mit dem zweiten verknüpfen. Das stimmt so nicht. Das ist kein Merkmal für meine Religion und mein religiöses Empfinden. Wenn du das aus meiner Weigerung liest, das im Forum bekanntzugeben, tut es mir leid. Das war Selbstschutz, keine Schuldgefühle. Dafür habe ich meine Gründe.

Das mit den Gedanken verstecken und der Sündhaftigkeit habe ich durch meine Erziehung/Kindheit gelernt, die von meiner Mutterseite her zwar einigermaßen religiös, aber auch sehr generationsbedingt und persönlichkeits geprägt war (Jahrgang 1931)wobei nicht unbedingt was Gutes rauskam. Auch wenns gut gemeint war. Ich werfe aber die Religion meiner Mutter und die Religionslosigkeit meines Vaters heute nicht mehr in einen Topf mit meinen Kindheitserfahrungen. Ich habe mich sehr früh, mit 12-14J. schon von ihnen abgegrenzt und bin meine eigenen Wege gegangen. Aber sicher habe ich einiges aus meinen Kindheitserfahrungen mit in meine 'neue' Religion genommen Damit setze ich mich jetzt damit auseinander.

Um jetzt keine Missverständnisse mehr aufkommen zu lassen (und da ich es in einem 'Beziehungen im Forum'-Thread wohl doch schonmal erwähnt habe):
Ich bin vor 10Jahren zum Islam konvertiert und lebe in meinem Rahmen auch danach.

@Schlaflos:
Es stimmt, Religionen bilden ein Kollektiv in gewissem Sinne. Aber jede Religion die ich bisher kennengelernt habe, hat auch ihre Untergruppen, in denen der Einzelne sich findet, und manchmal auch nach außen abgrenzt. Vielleicht auch eine Form der Identifikation. Ganz normal dass man sich unter Menschen wohlfühlt, die in Grundzügen dasselbe denken/leben.
Ich fühle mich in der großen Gemeinde der Muslime wohl, bin aber nicht mit allem und jedem einverstanden oder folge allem. Ich habe einige Gemeinden unter denen ich mich zuhause fühle, aber ich bleibe letztendlich in meinem Tun und Lassen ausschließlich mir selbst und letztenendes dem Schöpfer gegenüber verantwortlich. Da verwehre ich mich jeglicher Fremdidentifikation von außen.

Nach Innen hin finde ich auch nicht, dass das unbedingt eine Fremdidentifikation erfordert. Was es fordert, ist Auseinandersetzung. Das kann zu Identifikationsproblemen führen, muss es aber nicht. Es kann auch Klarheit bringen.
Der Unterschied liegt auch darin ob man sich im Erwachsenenalter eine Religion bewußt und mit klarem Verstand gewählt hat und durch alle möglichen und berechtigten Zweifel gegangen ist, oder ob man in eine Glaubensgemeinschaft hineingeboren wurde, in der die Erzieher einem keinen Spielraum zum Selberdenken und Selbstfindung lässt, und sich der Auseinandersetzung verweigert.

Es ist immer schwer, von außen einen Blick ins Innere einer Religion zu werfen. Und daß so ein anscheinend 'mächtiges Kollektiv' erstmal Angst macht. Andersrum tun sich aber auch etliche schwer, wie ich auch schon bemerkt habe

liebe Grüße,
Kringel
(die sich auch nicht ausschließlich über ihre Religion definiert )

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 07:59
von Schlaflos02

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 08:43
von lunasol
Hallo,

puh, wäre ich Steppenwölfin, wäre ich völlig überfordert mit den Antworten die hier gekommen sind. Mir wäre das zu "intelektuell". Nicht das ich doof bin, oder Wölfin für doof halte, aber ich finde, das man manche Themen nicht auf dieser Ebene "finden" kann. Also, man kann schon, wie man hier lesen kann, aber ob es etwas nützt? Mir nicht.

Meine Erfahrungen dazu sind ganz "einfach"...

Ich denke, ich bin dabei, authtentischer zu werden. Dabei hat mir geholfen, dass mich mein Therapeut immer und immer wieder dazu aufgefordert hat, zu sagen, was ich denke, was ich fühle..oder mir über die Konsequenzen Gedanken zu machen. "Einfach" auszusprechen, was mir durch den Kopf geht. Ich war blockiert von meiner Rolle, die ich spiele/spielte, auch jahrelang leider in der Therapie.

Aber ich habe seine Aufforderungen ernst genommen, habe mich arg überwinden müssen, aber es funktionierte. Mittlerweile ist es in der Therapiestunde nicht mehr so schwer und ich fange an, dass auch ins reale Leben zu übertragen. Durch die guten Erfahrungen, die ich damit gemacht habe, ich wurde, egal mit was für einer Meinung, was für einem Gefühl, wahrgenommen vom Therapeuten, das gab mir Sicherheit. Und man höre und staune, das funktioniert auch "draussen".

Nicht immer und nicht mit jedem, manchmal ist eine Maske ja auch von Vorteil, aber bei den Menschen, denen ich vertrauen möchte, geht das. Ich bin Ich. Wenn auch nicht immer dieselbe. Mal wütend, mal traurig, mal fröhlich, mal konstruktiv, mal trotzig. Und es wird akzeptiert.

Es ist eine Frage der Übung, denke ich, eine Frage des Vertrauens und auch des Mutes. Weil es gehört extremst viel Mut dazu, authentisch zu sein, wenn ich eigentlich die Befürchtung habe, dann anzuecken oder im schlimmsten Falle abgelehnt und nicht geliebt zu werden.

BTW, ich habe Jahre gebraucht um in der Therapie authentisch zu sein, was aber auch mit meiner PS zusammenhängt. Und nochmal viel Zeit um es in das Leben zu übertragen. Also möglich ist das durchaus, liebe Wölfin

liebe Grüße

lunasol

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 12:50
von Mottek
Hallo Wölfin,

diese Frage beschäftigt mich auch seit langem.
Ich bin bipolarII und ich kenne mich selbst überhaupt nicht. Die einzigen Gefühle die ich habe sind Schmerz und Traurigkeit. Auf der Suche nach meinen Gefühlen habe ich bemerkt, dass ich gar nicht weiß wer ich bin.
Mir fiel ein Gedicht vor die Füsse, das ich sehr treffend finde. Wenn ich möchtet poste ich "Die Maske"
Es ist irgendwie erschreckend, wenn man plötzlich feststellt das man sich selbst fremd ist, das man gar nicht weiß wie man eigentlich ist. So viele Jahre sollten ja alle denken, es ist alles in Ordnung.
Wo fängt man an sein Selbst zu suchen...


Mottek

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 12:59
von Liber
Hallo Wölfin,

ein gutes wichtiges Thema!


Hallo Kringel,

ich möchte noch mal auf diesen Satz von dir zurückkommen:

>Es ist nur so schwer sich von Idenitfikationen, mit denen man sich einmal behaftet hat, loszukommen. Das hat auch viel mit einer früh erlebten tiefen Scham zu tun, das eigene Selbst wegzuschließen und es durch falsche Identifikationen zu ersetzen.
>Und es ist schwer gegen diese Angst anzugehen, dass hinter all den Identifikationen und Abhängigkeiten kein 'Nichts' ist, nicht etwas dass es nicht wert wäre dass man für/um es kämpft

Das kenne ich sehr gut! Ich kenne auch diese Scham, und sie setzte noch früher ein, nämlich bereits als Auslöser für die falschen Identifikationen. Ich habe sehr früh gelernt, mich für mich selbst, mein Selbst zu schämen und habe daraufhin die falschen Identifikationen angenommen.


Es gibt hierfür ein einfaches Beispiel: so schämte ich mich fast mein ganzes Leben lang, zu weinen. Das war mir sehr früh so beigebracht worden. Es kam soweit, dass ich das, was beim Weinen von mir selbst hochkam, meine Bewegung, meine Gefühle, meine Freude, mein Schmerz ... all das für verachtenswert hielt, für etwas, wofür ich mich schämen müsste. Und somit schämte ich mich für mich selbst, für mein Selbst. Dies hielt ich für nicht liebenswert, das musste ich wegsperren, bis ich es nicht mehr spüren konnte und statt dessen ersetzte ich es mit anderen Identifikationen. Und wenn das nicht mehr ging, erstarre ich in der Depression.

Viel viel später während meiner PA habe ich festgestellt, dass das Weinen für mich ein wichtiger Weg ist, um mir, meinem Selbst nahezukommen. Wenn mir die Tränen kommen, bin ich nahe bei mir. Das kann Trauer, Freude, oder einfach "nur" innere Bewegung sein. Es zeigt mir ganz deutlich, ich spüre es, dass dann die innere Quelle fließt.

Und genau HIERFÜR hatte ich mich fast mein ganzes Leben lang geschämt!

Deshalb musste ich, um mir näher kommen zu können, an die Wurzel dieser Scham gelangen.



Lieben Gruß
Brittka

Re: authentisch - wie wird man das ?

Verfasst: 19. Okt 2009, 13:49
von steppenwolf1
Hallo zusammen,

danke für die vielen guten Beiträge.

Bei mir ist es so wie Brittka schreibt. Aus Scham für mein Selbst habe ich Identifikationen angenommen. Aber diese Identifikationen sind so stark, dass ich denke, dass ich das bin. Oder geworden bin. Deshalb trifft es auch die Signatur von Elke:

Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?
© Aya Yven

Die Frage ist nun, wie man sein ICH findet ? Thomas, was für ein Satz war es denn, der Dich an die richtige Stelle hat blicken lassen ?

Dank Dir lunasol fürs Mutmachen. Bin in meiner Therapie noch nicht so weit, dass ich das sage was ich denke. Oft kann ich auch nichts sagen, weil ich leer bin. Aber Schweigen ist auch irgendwie fehl am Platz. Der Selbstfindungsprozess finde ich sehr schwierig, wenn man sein Leben lang sein Selbst nicht gelebt hat.

wölfin