Mirtazapin Erfahrungsbericht

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Schnuck77
Beiträge: 97
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Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Schnuck77 »

Hallo zusammen,

hier werde ich nun mal berichten, wie es mir mit dem Mirtazapin ergeht.
Ich finde es selber spannend, von anderen zu lesen, vielleicht interessiert das hier ja auch jemanden.

Im Folgenden erstmal der Anfang, zuerst gepostet im Thread "Dosierung Mirtazapin".


21.08.2009

Ich war heute noch einmal beim Hausarzt, weil mirJohanniskraut nicht ausreichend hilft und es mir (mit Schwankungen) weiterhin nicht gut geht.
Er hat mir auch Mirtazapin verschrieben, anfangen soll ich mit 15 mg am Abend, dann evtl. nach einer Woche auf 30 mg steigern, je nach Wirkung. Zusätzlich soll ich am Morgen weiterhin "meine" Laif 900 nehmen.

Ich bin an dem Punkt, an dem ich diese medikamentöse Hilfe auch wirklich annehmen will, auch wenn ich ein bißchen "Schiss" vor der Wirkung habe. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn Jana schreibt, sie war bis nachmittags "high"? Wie schlimm ist die Müdigkeit am Morgen? Ich muss morgens um zwanzig nach sechs aufstehen, die Kinder versorgen und um spätestens neun Uhr arbeiten (mein Mann ist beruflich oft weg, und nächste Woche komplett, so dass ich nicht auf seine Hilfe zählen kann).
Außerdem: Ist man so weggetreten, dass ich nachts durch Kinderweinen nicht mehr wach werden würde?

Wann nehme ich die Tablette ein? Vor dem Schlafengehen oder etwas eher? Wie lange dauert es, bis die Wirkung eintritt?

Und vor allem: Ich erhoffe mir eigentlich vor allem eine stimmungsaufhellende Wirkung, schlafen kann ich auch so ganz gut... Wie lange dauert es, bis diese Wirkung eintritt?

Fragen über Fragen...


22.08.2009

Ich habe gestern Abend um 20:40 Uhr die erste Mirtazapin genommen, knapp 40 Minuten später wurde ich massiv schläfrig, um 21:45 war ich im Bett und hab geschlafen.

Ich war zwischendurch wach, weil unsere kleine Tochter wach war und geweint hat, ich war sehr dankbar darum, dass mein Mann sich gekümmert hat, da ich ganz schön schläfrig war.

Heute Morgen bin ich gegen acht nach über neun Stunden Schlaf wie gerädert aufgestanden und habe eine heiße Dusche, ein Frühstück und von der Zeit her über eine Stunde gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Als Nebenwirkungen hatte ich leichte Kopfschmerzen, leichten Schwindel und eine Matschbirne wie bei einem nicht ganz so schlimmen Kater.

Von zehn bis zwölf hatte ich meine Yogastunde, das hat erstaunlich gut geklappt, auch wenn die Kopfschmerzen sich durch die Anstrengung verstärkt haben. Außerdem fühlte ich mich seltsam unbeteiligt an allem und etwas träge. Jetzt, im Laufe des Tages, wird es etwas besser, mir geht es soweit auch ganz gut.

Ich bin bloß unsicher, ob ich nun weitermachen soll. Nach allem, was ich so gelesen habe, scheint das Mirtazapin doch nicht das Richtige zu sein. Ich hatte meinen Arzt wohl darauf hingewiesen, dass ich nur gelegentlich unter Schlafstörungen leide, in der Form, dass ich nachts wach werde, meistens durch die Kids, und dann nicht wieder einschlafe.
Er meinte aber, doch, die wären gut für mich. Na, was soll ich da sagen, bin ich der Arzt?

Er weiß eigentlich auch, dass ich mir solche Hang-overs wegen der Kinder nicht erlauben kann.

Meine Freundin, die eine schwere Depression hinter sich hat und Venlafaxin dagegen nimmt, sagte, ich solle durchhalten, Nebenwirkungen seien am Anfang ganz normal.

Eine andere, die ähnliche Symptome wie ich hatte und das gleiche Mittel bekam, meinte, die stimmungsaufhellende Wirkung sei nach ein paar Tagen gekommen, die beruhigende sofort.

Vielleicht sollte ich nicht soviel lesen, sondern einfach machen...

Bin aber sehr unsicher.


23.08.2009

Ich bin nun ganz froh, dass ich gestern allen Zweifeln zum Trotz die zweite Tablette eingenommen habe, denn heute ging es mir schon viel besser (bezogen auf die Nebenwirkungen), und das, obwohl ich heute Nacht wegen meiner Tochter ca. zwei Stunden mehr oder weniger wach war. Es war so ein bißchen der Beweis, dass ich auch trotz der Tabletten in der Lage bin, nachts zu reagieren. So hoffe ich, dass ich dann morgen auch um sechs Uhr rauskomme...

Lediglich eine leichte Müdigkeit ist geblieben (die allerdings nach der Nacht auch wieder normal ist), habe heute Mittag anderthalb Stunden geschlafen, jetzt ist es gut.
Ich fühle mich sogar schon innerlich ruhiger, auch wenn die Traurigkeit noch da ist.

Also habe ich wieder etwas Hoffnung geschöpft. Werde weitermachen.
Schnuck77
Beiträge: 97
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Schnuck77 »

27.08.2009

Es wirkt! Es ist sehr interessant: Normalerweise habe ich den ganzen Tag Streßgefühle, es ist wie ein passives "Getriebenwerden", schrecklich. Aber das Gefühl ist verschwunden! Zum ersten Mal habe ich Montag Morgen auf einmal blitzartig die Abwesenheit von Streß wahrgenommen. Das war sehr angenehm!
Am Dienstag Abend hatte ich wieder einen kleinen Hänger, ein Streit mit meiner Tochter eskalierte mit Gebrüll und Tränen auf beiden Seiten, danach war ich total fertig und hatte Kopfschmerzen, die bis zum nächsten Morgen anhielten.
Mittwoch Morgen wollte ich joggen gehen, da ich die seltene Gelegenheit dazu hatte (musste erst später arbeiten), aber es war kaum möglich: Kopfschmerzen und bleierne Schwere in Armen und Beinen. habe nur 15 Min. geschafft (sonst sind 30 Min. Minimum, 45 sind möglich). Im Laufe des Tages wurde es besser, am nachmittag war ich wieder ruhig und gelassen. Mit den Kindern lief alles gut.
Eine Beobachtung habe ich außerdem noch gemacht: Zwischendurch hatte ich wie aus heiterem Himmel ganz positive Gedanken! Auch das waren kleine Blitze, aber das Echo war noch lange spürbar, ich kann es nicht besser beschreiben. Es ist, als wenn man die ganze Zeit friert, und auf einmal nimmt man die Wärme der Sonne wahr und denkt, hey, ich kann den Pulli ja ausziehen...

Das lässt mich sehr hoffen, dass die stimmungsaufhellende Wirkung auch eintritt.

Lediglich die phasenweise doch sehr starke Müdigkeit könnte noch verschwinden. Ich bin abends erst um 21 Uhr mit allem Kram fertig (und kann mir auch vorher nicht erlauben, mich hinzusetzen), wenn ich dann sofort so müde werde, habe ich das Gefühl, ich werde um die einzige Frei-Zeit am Tag betrogen.

Ich bin gespannt, wie es am Wochenende wird, wenn ich auf 30 mg erhöhe.
Schnuck77
Beiträge: 97
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Schnuck77 »

Nun nehme ich Mirtazapin (30 mg vor dem sSchlafengehen) schon rund 4 Wochen und kann wirklich sagen, dass es mir hilft. Das ewige Gedankenkarussell kreist nun etwas ruhiger, ohne dass ich Konzentrationseinbuße habe, auch die Arbeit ist gut möglich.
Morgens habe ich einen kleinen Hänger bis ca. 10 Uhr, die Müdigkeit ist aber nicht mehr so zäh und quälend wie zu Beginn, eher so, als habe man ein bißchen zu wenig geschlafen. Der Rest des Tages ist dann "ganz normal", das soll heißen, ich habe immer noch ganz normale negative Gefühle wie Streß, Wut, usw., lasse mich davon aber nicht mehr so leiten. Fröhlichkeit kommt aber auch immer häufiger durch. Ich war am Freitag sogar tanzen...(da habe ich die Tabletten dann erst um 1 Uhr nachts genommen, der Hänger am Morgen war aber gleich, jedenfalls nicht schlimmer als der Kater, den ich evtl. gehabt hätte, wenn ich Alkohol getrunken hätte ).
Apropos, an Alkohol habe ich mich auch schon wieder gewagt, habe einige wenige male eine geringe Menge (z.B. ein Glas Wein oder zwei Gläse Weinschorle) getrunken, ohne dass es mich in irgendeiner weise umgehauen hätte. Ansonsten sehe ich es positiv, nun eben weitgehend auf Alkohol verzichten zu müssen: Auch das hält den Kopf bekanntlich klarer!

Viele haben geschrieben, dass sie durch die Einnahme von Mirtazapin so stark zugenommen haben, das ist bei mir (bislang) nicht der Fall, aber ich kontrolliere sowieso gerade sehr stark meine Ernährung. Maßloses Naschen wegen Heißhunger verbiete ich mir, nicht zuletzt aufgrund der Angst vor einer solchen Megazunahme!

Als einzige wirklich unangenehme Nebenwirkung kann ich von Mundtrockenheit, besonders am frühen Morgen, berichten. Ich muss mir nun angewöhnen, nachts IMMER ein Glas Wasser neben dem Bett stehen zu haben.

Alles in allem bin ich also ganz zufrieden. Meine Therapie (tiefenpsychologisch fundiert) habe ich wieder aufgenommen und mir den Druck, alle Impulse gleich bis zur nächsten woche umsetzen zu müssen, genommen.
Außerdem habe ich mich endlich zum Yoga angemeldet und hoffe, auch da ein wenig Entspannung zu finden.
kartoffelsalat
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von kartoffelsalat »

Hallo Schnuck,

ich finde es gut deinen Erfahrungsbericht zu lesen. Habe Mirtazapin auch schon empfohlen bekommen, war mir aber nicht so sichern....

Gruß kasa
FönX
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von FönX »

Hallo Schnuck,

ich nehme zwar momentan und schon sehr lange Trimipramin (seit 2/08 nur noch das), fand deinen Bericht aber sehr interessant. Danke!

Lieben Gruß
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Schnuck77
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Schnuck77 »

Aktualisierung (für Brad) :
Es wird immer besser. Außer ein paar Anlaufschwierigkeiten (komme morgens schlecht aus dem Bett, brauche erst eine heiße Dusche, dann gehts) komme ich mit dem Medikament sehr gut zurecht. Überdies habe ich meinen Gewichtsstreß verringert (dank des Buches "Eßt endlich normal" von U.Pollmer), habe ca. 2-3 Kilo zugenommen, aber vertraue auf die Weissagung meiner Freundin, die das Medikament ein 3/4 Jahr genommen hat und insg. 8 Kilo zugenommen hat - sie sagte, das geht alles wieder runter, wenn man damit "durch" ist.

Meine Therapie geht auch weiter - die Qualität hat sich aber geändert. Ich bin den blinden Aktionismus los, der mich jedesmal befiel, wenn ich mit Impulsen vollgepumpt nach Hause kam. Die Tränen laufen mir manchmal nur so die Wangen herab, lautlos, aber ich kann klarer denken und besser fühlen - bin also auch nicht abgestumpft oder so. Die Therapeutin lobt mich auch, sie meint, in der Wahrnehmung zu stehen ist viel besser, als in Aktion vor den eigentlichen unangenehmen Dingen davonzulaufen.

Es läuft also. Und einen großen Teil verdanke ich sicher den Tabletten.
Schnuck77
Beiträge: 97
Registriert: 26. Jun 2009, 14:01

Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Schnuck77 »

Inzwischen kann ich den Erfahrungsbericht wieder erweitern.

Es ist mir nun zweimal passiert, dass ich die Tabletten vergessen habe. Einmal waren wir übers Wochenende weg und ich habe die Tabletten zuhause liegenlassen. Hatte große Sorge, ob ich die viel beschworenen "Entzugserscheinungen" bekomme, es heißt ja immer, man soll ausschleichen und nicht einfach absetzen. Aber: Nix. Und auch, als ich sie dann wieder in der normalen Dosis genommen habe (30 mg), habe ich nicht etwa wieder erneut die Anfangsnebenwirkungen bekommen.
Dann habe ich sie mal an zwei Tagen hintereinander zuhause vergessen, weil soviel los war. Das einzige, was ich da bemerken konnte: Ich war morgens etwas schneller wach als sonst und fühlte mich auch so den ganzen Tag ganz gut. Vielleicht kann man sagen, dass die stimmungsaufhellende Wirkung durch das allgemein bessere Wachgefühl ersetzt wird, und man es so gar nicht merkt (sofern es nur zwei Tage sind, an denen man die Tabletten vergisst).

Ich habe dann kurz nachgedacht, ob ich sie nicht einfach weglassen soll, weil es mir auch gerade wieder ganz gut geht, und dann aber beschlossen, ich nehme sie weiter und spreche dann mit meiner Therapeutin oder meinem Arzt und schleiche irgendwann gescheit aus.

Ich muss dazu sagen, dass ich glaube, dass es bei mir die KOMBINATION von Therapie und Tabletten ist, die so gut hilft. Ich habe die Sitzungen nun auf alle zwei Wochen gesetzt, um die Therapie ein bißchen strecken zu können, merke aber, dass ich, im Gegensatz zum wöchentlichen Rhythmus, nach zwei Wochen auch wirklich Redebedarf habe. Es ist gut, dann jemanden zu haben, der sich die Stunde für mich Zeit nimmt und darüber hinaus differenziert ist.

Die Tabletten allein würden mir nicht helfen.
Lioness
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Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Lioness »

Ich habe dieselben Erfahrungen gemacht, was das kurzzeitige Weglassen / Vergessen von einzelnen Tabletten Mirtazapin betrifft.

Dies liegt meines Wissens daran, dass Mirtazapin eine relativ hohe Halbwertzeit hat. Es wird vom Körper nur langsam abgebaut. Hat man es bereits längerfristig eingenommen, hat man im Blutserum einen bestimmten Spiegel aufgebaut, der sich auch nur langsam wieder abbaut. Ein Tag ohne Mirta hat daher eigentlich keine Konsequenzen - wenn es nicht öfters vorkommt.

Gruß
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
Pampfi
Beiträge: 173
Registriert: 16. Jul 2005, 12:29

Re: Mirtazapin Erfahrungsbericht

Beitrag von Pampfi »

Ich habe den Eindruck daß es ein wenig hilft sich zu konzentrieren und mehr auf die Reihe zu bringen - am Anfang sollte man sich allerdings aufgrund der massiven Müdigkeit in einer stress/beanspruchungsfreien Situation befinden. Mit Cipralex alleine bin ich einer Sackgasse gelandet.
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