Ich stehe mir selbst im Weg

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Körni64
Beiträge: 4
Registriert: 13. Apr 2009, 09:55

Ich stehe mir selbst im Weg

Beitrag von Körni64 »

Hallo,
das ist mein erster Beitrag hier, ich habe auch eine ganze Menge mitzuteilen und hoffe nur, ich kann mich einigermaßen kurz fassen.

Ein Freund von mir hatte zu einer Feier mit vielen Freunden und Bekannten eingeladen. Ich bin aber seit einiger Zeit in einer Verfassung, da ich mich außerstande sehe in einer solchen Runde mich auch nur einigermaßen beisammenzuhalten. Ich befürchte, ich würde bloß noch einsamer sein.
Da nützen auch keine aufmunternden Worte wie "da musst Du nun erst recht unter andere Leute!" Man kann einsam sein auch unter vielen Leuten, auch wenn man einige davon kennt.

Ich bin männlich, 64 Jahre alt. Ich hiehlt mich seit nunmehr Mitte der 80er für einigermaßen stabil, keine so bodenlosen Tiefen mehr wie ich sie in den Jahren davor erlebte, das Leben lief einigermaßen glatt, verhältnismäßig unkompliziert und manchmal sogar ein bisschen erfolgreich (ich kam sogar zu einem eigenen Haus). Das Leben schien es doch nicht so übel zu meinen. Aber - und das betrachte ich als eine Art "Preis" dafür - es gab auch keine Höhen. Damit meine ich, keine Ereignisse, Erlebnisse, die das Leben so menschlich machen, das heißt keine Liebe, womit ich bei meinem eigentlichen Thema wäre.

Meine ganz große Liebe liegt nun schon Jahre zurück. Diese Liebe hatte aber keine Zukunft, wir hatten keine Chance sie auszufüllen und zu leben. Die Frau mit unserem Kind blieb bei ihrem bisherigen Ehemann aus Rücksicht auf ihr persönliches Umfeld (Eltern, Verwandtschaft usw). Sie hatte nicht den Mut und die Kraft zu einer Entscheidung für uns. So verlor ich also beide.
Nun gut, sowas kommt alle Tage vor, das ist traurig für die betroffenen aber daran muss man nicht unbedingt zerbrechen.
Ich aber doch.
Ich bin ein eher nachdenklicher Typ, zurückhaltend, manche meinen sogar reserviert. Ich finde Zugang zu anderen Menschen sehr sehr langsam und merke es manchmal erst recht spät, wenn daraus eine Zuneigung enstanden ist.
Ich weiß,das wichtigste im Leben ist eine Beziehung zu jemand anderem oder etwas pathetisch gefragt - kann man ein ganzes Leben verbringen oder eine lange Zeit davon, ohne jemals jemanden geliebt zu haben? Wenn man jemanden liebt, wie geht man damit um, wenn man eines Tages von einander getrennt wird?

Wenn ich jemanden mag, sehr mag, liebe, dann ganz und gar und total (vielleicht zu total) und immer in Furcht, ich könnte alles wieder verlieren. Und dadurch geht aber alles auch wieder kaputt. Ich scheue mich anderen näher zu kommen, es könnte ja sein zu nahe. Ich fürchte mich vor solchen Höhen (verliebt zu sein), der Absturz kommt ja bestimmt. An dieser Haltung haben auch viele Jahre Psychotherapie nichts geändert. Ich lernte, etwas besser damit umzugehen.
Ich wundere mich immer, wenn ich von anderen höhre, wie z. B. von einem Freund von mir, dessen Partnerschaft auseinanderging und der über eine Partnervermittlung eine neue Beziehung einging und nun glücklich ist (sagt er).
Für mich kann ich mir das leider überhaupt nicht vorstellen! Wie soll ich auf jemanden zugehen, den ich vorher noch gar nicht gekannt habe? Wie kann ich erwarten, dass mich jemand mag, ich mag mich ja selber nicht.
Jemanden zu lieben ist wie ein Stück Heimat. Liebe macht uns Menschen erst menschlich, ohne das sind wir unvollständig. Menschen ohne Liebe können nie glücklich sein. Ich bin davon überzeugt von ganzem Herzen und kann meine Situation doch nicht ändern.

Nach so langer Zeit scheinbarer Ausgeglichenheit (wie beschrieben, siehe oben), was bringt mich aber nun so aus der Balance?
Ich habe eine zeitliche Übereinstimmung bemerkt mit dem Beginn meiner jetzigen Verfassung und der Ausstrahlung eines Films im Fersehen Mitte Februar. Der Film hieß "Brokeback Mountain" und handelt von zwei Cowboys, die sich beim Vieh hüten in einsamer Bergwelt näher kommen, sich ineinander verlieben und letzten Endes daran zerbrechen. Deren Liebe hatte keine Zukunft, sie hatten keine Chance diese auszufüllen und zu leben (siehe oben...)

Statt des amerikanischen Gay-Movies hätte sicher auch ein anderes Ereignis der Auslöser sein können. Es war anscheinend so weit (oder überfällig). Verdrängung funktioniert nicht ewig.
Ich wache nachts auf, weil ich weine (huh, Männer weinen doch nicht!). Ich weine, weil ich keine Hoffnung habe (ach, ich tue mir ja selbst so sehr leid).
Was mache ich jetzt bloß, wie komme ich da raus?

Bernd
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Ich stehe mir selbst im Weg

Beitrag von kormoran »

hallo bernd,

nun, du hast den schlüssel schon selbst geschrieben:

Wie kann ich erwarten, dass mich jemand mag, ich mag mich ja selber nicht.


es klingt so einfach und abgedroschen; es ist einerseits "einfach" aber auch verdammt schwierig, dahin zu kommen, zu dir selbst, dich selbst anzunehmen, zu lieben. und von da aus den begriff der liebe (auch des "totalen", der angst vor dem verlust) noch einmal aus einer anderen perspektive zu betrachten.

als ich selbst noch gefangen war in gedanken und gefühlen ähnlich wie du sie schilderst, da konnte ich mit sowas auch nicht wirklich viel anfangen. ich kann dich nur ermutigen, dich auf den weg zu machen und offen zu sein dafür, dass es noch eine andere sicht auf die welt gibt, als die, in der du jetzt gefangen bist.

dafür wünsche ich dir geeignete therapeutische unterstützung, offenheit, vertrauen ins leben ...

liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
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