Versuch einer kurzen Vorstellung

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KT76
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Registriert: 26. Jan 2009, 01:23

Versuch einer kurzen Vorstellung

Beitrag von KT76 »

Hallo zusammen.

Ich bin nicht sicher, ob ich hier richtig bin - schließlich wurde bei mir nie so etwas wie eine Depression diagnostiziert. Nach der Lektüre einiger Beiträge hier, scheint mir zudem meine derzeitige Situation doch vergleichsweise belanglos und wenn man überhaupt von Problemen sprechen kann, so habe ich sie vermutlich mit einer Mischung aus Dummheit, mangelnder Lebenserfahrung und Fahrlässigkeit selbst heraufbeschworen.

Ich sehe schon, das "kurz" hätte ich mir sparen können.

Zu mir: Ich bin 32, habe Grafik-Design studiert (dazu gleich mehr) und bin auch beruflich in diesem Metier tätig. Mein Beruf macht mir (meistens) Spaß. Daneben habe ich Hobbys, denen ich regelmäßig zusammen mit Leuten nachgehe, die ich Freunde nennen kann. Ich lebe in einer festen Beziehung (dazu auch gleich mehr). Soweit so gut.

Hier nun also dieses "mehr" über Studium und Beziehung, beginnend mit "Beziehung": Seit meinem siebzehnten Lebensjahr war ich mit meiner Freundin zusammen. Fast 15 Jahre lang. Die letzten 7 Jahre waren mit einigen Problemen gespickt, die vor allem damit zusammenhingen, dass ich nicht aufrichtig war. Hier kommt der Punkt "Studium" ins Spiel. Wir haben gemeinsam Abitur gemacht. Kurz nacheinander zu studieren begonnen. Irgendwann hab ich den Anschluss verloren. Es nahm absurde Züge an. Ich glaubte, ihr nicht gestehen zu können, wie wenig mein Studium tatsächlich fortschritt und begann potemkinsche Dörfer zu errichten. Irgendwann spielte ich ihr, nachdem sie IHREN Abschluss bereits hatte, vor, auch mein Diplom zu beginnen. Reine Fantasie, natürlich. Aber ich hatte im Lauf der Zeit so gute schauspielerische Qualitäten und Vertuschungstechniken entwickelt, dass ich sie immer wieder überzeugen konnte. Das Bewusstsein, sie so dreist anzulügen, half mir nicht unbedingt, meine Arbeit zu machen. Irgendwann war ein Punkt erreicht, an dem mein konstruiertes Leben ein größerer Bestandteil von mir war als mein reales Leben. Ich wollte das so nicht mehr, war kurz davor, dem ganzen Spuk ein Ende zu machen. Das kam mir dann aber doch irgendwie feige vor. Ich habe mich nach porfessioneller Hilfe umgeschaut, meiner Freundin die Wahrheit gebeichtet und ein paar Sachen in Bewegung gebracht.

Das war im Herbst 2007. Ich hatte ein paar Gespräche mit einer Psychotherapeutin, die mir sehr geholfen haben, erstmal wieder Fuß zu fassen im Leben. Ich suchte mir einen Job. Das Studium wollte ich zwar zu Ende bringen, aber erstmal ein wenig Abstand gewinnen von der Obsession, dass an diesem Abschluss so viel liege, dass man seinetwegen sogar seine Liebsten belügen müsse.

Der Job war zu meinem Glück einer in meinem Metier. Das half mir, Vertrauen in meine Fähigkeiten zu fassen. Denn das war der Ausgangspunkt meiner Studienprobleme gewesen: ich konnte meine Fähigkeiten nicht einschätzen, hatte immer das Gefühl, alles seien besser als ich, überhörte Lob und ließ mich von Kritik völlig zerstören. In einer realen Arbeitssituation bekam ich seltsamerweise plötzlich eine realistischere Sicht der Dinge. Mein Selbstbewusstsein wuchs.

Im Frühjahr 2008 zogen meine Freundin und ich um, um näher an ihrem und meinem Arbeitsplatz zu wohnen. Die Wohnungssuche, der Umzug und das Renovieren der neuen Wohnung zogen sich hin. Über drei Monate.

Ich, der ich zuvor als Bummelstudent für den Haushalt hauptverantwortlich war, fühlte mich zunehmend überfordert. Wo ich ihr vorher aus schlechtem Gewissen gern den Hintern nachgetragen hatte, fühlte ich mich nun zuweilen ausgenutzt. Die Routinen waren sehr eingespielt. Das war mit meinem neu gefundenen Selbstbewusstsein nicht vereinbar.

Zudem lernte ich im Büro eine Frau kennen. Es entwickelte sich eine gute kollegiale, dann freundschaftliche Beziehung zu ihr. Letztlich auch mehr, ohne dass ich mir das eingestanden hätte. Meine Freundin merkte es wohl früher als ich. Irgendwann kam es deswegen zum großen Krach.

Um hier doch mal zu kürzen. Meine Freundin meinte ich müsse mich entscheiden. Ich zog aus. Ließ sie nach fast 15 Jahren zurück. Und ich zog mit der neuen Frau zusammen. Hauruck. Sehr kurz, sehr schmerzhaft.

Das ist jetzt ein dreiviertel Jahr her. Ich lebe mittlerweile mit meiner neuen Freundin in einer anderen Stadt. Und ich habe es sogar endlich geschafft, mein Studium abzuschließen. Es sollte eigentlich alles gut sein.

Meine langjährige Freundin hat auch jemanden gefunden. Er scheint ihr gut zu tun. Jedenfalls kam sie mir, wenn ich mit ihr sprach, irgendwie offener und lockerer vor.

Aber ich fange hier schon wieder an, mein Süppchen zu kochen. Ich bin nicht glücklich. Es ist schon seit einigen Wochen so eine Unruhe in mir. Heute sitze ich hier rum, ohne mich auf meine Arbeit konzentrieren zu können. Würde am liebsten bei meiner Ex-Freundin anrufen und sie fragen, ob wir es noch einmal probieren wollen. Ich tu's nicht, weil es falsch wäre. Ich will ihr nichts kaputt machen.

Hm. Jetzt hab ich eine Menge geschrieben, aber nicht das Gefühl, dass das Wesentliche rüber kommt. Ich will nur nicht wieder in so eine Heimlichtuerei verfallen. Nicht wieder jemanden so mies belügen. Was das mit Depressionen zu tun hat, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich beschissen fühle. Ich habe wieder permanent das Gefühl, in allem was ich tue, nicht zu genügen. Ich will nicht wieder so weit kommen, dass ich denken muss, alle wären besser dran ohne mich.

Nachtrag: Ich habs nachdem ich abgeschickt habe, noch mal überlesen. Und da ist sicher einiges unverständlich. Bei Interesse also bitte Fragen. Eins möchte ich gleich ergänzen: Mein akutes Problem ist, dass ich mich unfassbar stark zu meiner Ex-Freundin hingezogen fühle und ich Angst habe, wieder in genau so ein Lügending reinzurutschen. Es lähmt mich. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich verachte mich, dafür, meiner jetzigen Freundin diese Gefühle zu verschwiegen. Andererseits weiß ich nicht, wie ichs ihr sagen sollte. Und warum? Tut es irgendjemandem was Gutes? Wie kann ich diese Gefühle loswerden? Ich kann da keine Entscheidung treffen. Es ist ja nicht so, dass ich bewusst rumgrüble, aber jede verdammte Kleinigkeit ist irgendwie mit meiner Ex-Freundin verbunden. Ich kann all meine Urlaubsbilder wegschmeißen. Die Hälfte meiner Bücher. Es ist ja alles kontaminiert mit unserer gemeinsamen Geschichte. Herrgott, wir waren praktisch Kinder, als wir uns kennenlernten. Sind zusammen groß geworden. Wir teilen die Hälfte unserer Biografien. Ich weiß, dass meine neue Freundin das nicht verstehen kann. Sie hat so etwas nie erlebt, meint auch, Distanz sei das Beste und ich solle nach vorn sehen. Aber je länger ich die Distanz aufrecht erhalte, desto schmerzhafter wird es. Das Bewusstsein, einen großen Teil meines Lebens einfach so abgeschnitten zu haben. Ich glaube nicht, dass jemand sie so gut kennt wie ich. Und umgekehrt. Trotz der ganzen Lügen. Und auch ihre Familie war mir fast näher als meine.
Ich will ja nicht in der Vergangenheit leben, will nach vorn sehen. Aber wo ist vorn?
Clown
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Registriert: 8. Nov 2004, 18:22
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Re: Versuch einer kurzen Vorstellung

Beitrag von Clown »

Hallo Zwitscherlöwe - was für ein Name! Schon allein davon könnte man(n) depressiv werden!

«Ich bin nicht sicher, ob ich hier richtig bin - schließlich wurde bei mir nie so etwas wie eine Depression diagnostiziert.»

Heute ist mir diese Definition über den Weg gelaufen ( Bea!), vielleicht kann sie dir etwas klar machen:

http://www.psychotherapie-prof-bauer.de/ (Siehe Menü-Punkt Informationen zur Depression)

Und: Willkommen im Forum, möge der Austausch hier dich weiterbringen - nach vorn? - nach innen zu dir selbst?

Grüße,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
KT76
Beiträge: 3
Registriert: 26. Jan 2009, 01:23

Re: Versuch einer kurzen Vorstellung

Beitrag von KT76 »

Hallo Clown,

und Danke schon einmal für den Link. Werd ich mir nachher genauer durchlesen.

Hm, vermutlich ist genau dieses "Geliebtwerden ohne Bedingungen" aus dem ersten Absatz das Problem. Ich bin ständig damit beschäftigt, mich so zu verhalten, dass ich anderen gefalle. Definiere mich eigentlich immer über meine Wirkung auf andere.

Wie soll man also wissen, wo vorn ist, wenn man nicht mal weiß, wo man selbst ist.

Ich werde mich jetzt definitiv mal um nen Therapeuten kümmern. Wollte ich eh noch mal, aber dann ging ja doch alles irgendwie gut... und man hat ja doch auch immer irgendwas anderes wichtiges zu tun.

Freue mich dennoch über jeglichen Austausch hier.

Gemischtes Gefühl, als ich unter dem obigen Link über den Begriff der "narzisstischen Persönlichkeitsstörung" stolpere. Teils würde ich sofort unterschreiben müssen ("mangelndes Selbstbewusstsein und Ablehnung der eigenen Person nach innen", "auffällige Empfindlichkeit gegenüber Kritik, die sie nicht selten global verstehen, was in ihnen Gefühle der Wut, Scham oder Demütigung hervorruft"). Weigere mich zwar, mir den Schuh anzuziehen, es mangele mir an Empathie, kann aber wohl nicht leugnen, dass ich faktisch immer wieder Situationen provoziere, die mich in den Mittelpunkt stellen... Dennoch: genau das WILL ich nicht. Scheißgehirn...
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