Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Antworten
Wycombe1
Beiträge: 278
Registriert: 7. Dez 2006, 15:22

Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Wycombe1 »

Hallo,

bei mir wurde seinerzeit eine schwere Angst- und Panikstörung diagnostiziert, dazu eine leichte bis mittelschwere Depression.

Ich habe damals (gut 2 Jahre her) Insidon verordnet bekommen, wegen der Panikattacken. Ob es mir was gebracht hat? Keine Ahnung, ehrlich. Ich habe das Medi fast 1 Jahr genommen, Panikattacken hatte ich trotzdem.... Als ich das Insidon dann absetzte, hatte ich richtig heftige Entzugserscheinungen; war also nichts von wegen "bei dem Medi gibts das nicht". Gab es.

Meine Angst und Panik habe ich dank einer sehr guten VT-Therapeutin im Griff, mir machen meine "Ausbrüche" in die Depression manchmal sehr zu schaffen. Ich rutsche nicht ganz ab, aber manchmal schon; schwer zu erklären.

Ich bin beruftstätig, allein erziehende Mutter (8 + 4), krieg meinen Alltag gut gebacken, auch das soziale Leben (Freunde treffen, Kino, Disco, Bar, Restaurant) klappt gut. Ist halt eher meine negative Gedankenspirale die mich manchmal "gut im Griff" hat.

Jetzt sagte meine Thera, ich sollte mal darüber nachdenken ein anderes Medi auszuprobieren; nicht weil sie denkt ich hänge in einer Depri "fest", sondern um diese negative Gedankenspirale besser in den Griff zu bekommen.

Ich bin sehr, sehr skeptisch. Ich war noch nie bei einem Psychiater (Insidon war damals vom Hausarzt), ich bin kein Mensch der einem Arzt gleich beim ersten Mal vertraut; ich brauche da meine Zeit zu.

Woher weiss ich, ob ich bei einem kompetenten Psychiater bin? Woher kann der/die nach 1 x sehen wissen was das richtige für mich ist? Kennt meine Lebensumstände nicht, weiss ja nicht was wirklich mit mir ist.

Hoffe ihr versteht was ich meine.

Ich habe keine Lust auf ein Medi was sich z. b. nicht mit meinen anderen Medis verträgt. Was müde macht, was "gaga" macht, was "leck mich am Ars**" macht, was mich dick werden lässt, was mir meinen normalen Tagesrythmus nimmt, hab keine Lust nachts wie eine "Tote" zu schlafen (ich habe keine Schlafprobleme, ich schlafe so sehr gut), ich habe Kinder und ein soziales Leben, ich möchte nicht "dank" Medi "neben mir stehen".

Fragen über Fragen, ich weiss, aber ich bin echt total skeptisch.

Wäre schön, ein paar Rückmeldungen zu erhalten.

Danke & Grüsse,
Wycombe1
Ich weiß freilich nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.

Aber soviel weiß ich sehr wohl, es muß anders werden,

wenn es besser werden soll.



(G. C. Lichtenberg)
912318798
Beiträge: 1590
Registriert: 28. Jul 2007, 13:39

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von 912318798 »

Guten Morgen!

Eine richtige Diagnose nach meinem wirklich gefährlich massiven Burn-Out habe ich nie bekommen,
allerdings war ich damals dem Strick wirklich sehr nahe.

Ich hatte schwerste Existenzängste, Panikattacken immer und übrall, Schlafstörungen, Albträume, das ganze Programm.
Der Bezug zu meiner Familie ging völlig verloren, mein gesamtes Umfeld zog sich vor mir zurück, die Kinder wurden mir fremd.

Mein Partner und ich wußten damals gar nicht, wohin wir uns wenden sollten,
aber wir wußten, daß wir bei einem Hausarzt bestimmt keine Hilfe suchen wollten.

Über Caritas und eine wahre Odysse durch unzählige "Stellen" haben wir schließlich zu einem hiesigen Psycho-Sozialen Dienst gefunden, der sehr im Verborgenen seinen Aufgaben folgte.

Dort bekam ich erstmal die Hilfe, von der ich annehme, daß sie mein Leben gerettet hat.

Ich hatte bis dahin mein Leben lang jedes Medikament verweigert, wenn ich nicht gerade eine Betäubung bekommen mußte oder ein - weil nötig - schweres Antibiotikum nehmen mußte, aus den entsprechend trifftigen Gründen.

Als mir die Psychiaterin damals das erste Antidepressivum verordnete,
war für mich klar:
"Bevor ich das Zeug nehme, gehe ich lieber vor die Hunde."
Aber es dauerte nicht lange und ich mußte einsehen, daß ich irgendetwas tun MUSSTE,
eben um NICHT vor "die Hunde zu gehen".

Nachdem ich also weitere vier oder fünf Wochen nach dem ersten Kontakt mit greifbarer Hilfe freiwillig weitergelitten hatte,
mit weiterhin schwersten Depressionen, Weinkrämpfen, Schweißausbrüchen, alles, alles, schleppte mich mein Partner wieder zu diesem Psychiatrie-Dienst, wo ich mich schließlich erweichen ließ und das mir angebotene Medikament annahm.

Es war damals ein sehr "sedierendes" Präparat, heißt, daß man nach oben und unten stark abstumpft, auch verlangsamt und irgendwie betäubt,
aber die Schlaflosigkeit wurde damit bekämpft und ich war wenigstens einigermassen ausgeruht.

Die Depressionen und auch die anderen Symptome allerdings waren nur unwesentlich gemildert.

Nach einem Jahr mit diesem Medikament und weiterhin ohne richtige Therapie wollte ich endlich einen Fortschritt machen und veranlasste den Wechsel des Medikamentes, in Richtung Therapie tat ich weiter nichts.

Das neue Medikament nahm mir zwar nicht meine Albträume, verlieh mir aber quasi Flügel, ich wurde tagsüber heiter und leichtfertig, verlor den Bezug zur Realität und begann meine berufliche Existenz vollends zu ruinieren,
während es mir allerdings psychisch ganz gut ging.
In dieser Zeit konnte ich meine Familie wieder erobern, gewann die Gunst meiner Kinder zurück, und ging wieder ein wenig nach draussen.
In manchen Augenblicken verspürte ich sogar erstmals nach vielen Jahren wieder so etwas wie ein Glücksgefühl.

Mein gesamtes Leben veränderte sich damals gewaltig.

Als ich also gesehen hatte, daß auch dieses Medikament und die Betreuung jener Psychiaterin (mit ständigen Apellen, Therapie in Anspruch zu nehmen und einem unglücklichen Versuch mit einer Gruppentherapie,..) mir nur das Leben erleichtert hatten, in Wahrheit aber keine Dauerlösung mit sich brachten, wechselte ich zu einem Neurologen mit psychiatrischem Bildungs-Nebenzweig.

Dort bekam ich wieder ein neues Medikament, das einen einigermaßen psychischen "Normalzustand" herstellte, und wieder den dringenden Anrat, mich zu einer Therapie bewegen zu lassen.
Das Medikament hatte also seine Arbeit getan, aber meine Sicht der Probleme, die unveränderte, aussichtslose und hoffnungslose Lebenssituation, die Komplexe und all der Schrott, der uns das Leben schwer macht, sind geblieben.

Schließlich ließ ich mich auf eine Warteliste für eine Therapie setzen (was hierzulande nötig ist, weil die "Branche" sehr rückständig ist), kümmerte mich aber nicht weiter um dessen Entwicklung.

Gestern Abend erhielt ich völlig unerwartet einen Anruf eines Therapeuten, worin ich informiert wurde, daß er durch irgendwelchen Zufall einen Therapie-Platz frei hätte, und er ihn mir anböte.

Das war ein sehr unerwarteter Impuls, der mich stante pede zur Entscheidung zwang, weiterhin auf unabsehbare Zeit dieses Hilfsangebot auszuschlagen,
oder es anzunehmen, und meine Bereitschaft aufzubringen, einem wildfremden Menschen meine geheimsten Geheimnisse zu verrraten, darauf zu vertrauen, daß er sein Handwerk versteht und mich nicht vollends verbiegt oder meine Zeit vergeudet oder mich zu irgendetwas mißbraucht..., alles Vorbehalte, die mich immer vor einer Therapie zurückschreckten.

Ja, jetzt ist es also im Laufen, ob ich will oder nicht und auf Gedeih und Verderben.
Eine Entscheidung, die ich hasse, mit der es aber zu sein scheint, wie mit der Staatsform "Republik":
Es ist die schlechteste Möglichkeit, aber die einzige mögliche.

Ich wünsche Dir guten Mut zu Deinen Entscheidungen und daß Du die richtigen triffst!

Liebe Grüße

Jojo
Elisa_K
Beiträge: 172
Registriert: 6. Feb 2008, 14:53

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Elisa_K »

Wycombe1
Beiträge: 278
Registriert: 7. Dez 2006, 15:22

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Wycombe1 »

Hallo ihr Zwei,

vielen lieben Dank für eure ausführlichen Antworten.

Es hat mich nicht wirklich "schlauer" gemacht, mir ist nur aufgefallen, das ich nicht (mehr oder eigentlich noch nie) in diesem Stadium war.... Ich hatte Angst- und Panikattacken und gegen die hab ich seinerzeit das Insidon genommen (was ich mir hätte schenken können, vom Ergebnis), aber seitdem ich dies sehr gut im Griff habe, hab ich keine Symtome mehr; ausser ab und an die negative Gedankenspirale....

Ich arbeite, ich schmeisse Haushalt, ich schlafe gut, ich unternehme viel (mit und ohne Kinder), mein Leben ist wieder in guten Bahnen - ausser, wie gesagt, wenn ich anfange negativ zu denken.....

Braucht man dazu/dafür wirklich Tabletten? Was sagt man da beim Arzt? Was für eine Diagnose wird da gestellt, wenn man negativ denkt?

Meine Therapeutin hat mir eine Psychiaterin empfohlen, wo wohl auch andere ihrer Patienten hingehen und sie sie auch persönlich kennt und ein gutes Gefühl bei ihr hat.....

Vielleicht sollte ich mal hingehen und der Ärztin sagen wie es grad um mich steht respektive nicht mehr steht....

Ich bin immer noch sehr, sehr unschlüssig, und tendiere weiterhin mehr zu Nein als zu Ja.

Meine Thera hab ich auf Empfehlung gefunden und ich habe sie das erste Mal gesehen und wusste vom Bauch einfach das es passt.

Vg, Wycombe
Ich weiß freilich nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.

Aber soviel weiß ich sehr wohl, es muß anders werden,

wenn es besser werden soll.



(G. C. Lichtenberg)
Reve
Beiträge: 754
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Reve »

Liebe Wycombe,

ich kann nur für mich sprechen, aber ich bin das Risiko eingegangen, nach längerer hochdosierter Tabletteneinnahme ein pflanzliches Präparat zu versuchen (unter ärztlicher Aufsicht).
Es zeigt Wirkung, ob Placebo oder nicht, beruhigt mich, hellt auf und mildert die Tiefs, die ich ja täglich habe, ab.
Jetzt liegt es an mir, gezielt auf die Auslöser zuzugehen,die mich immer wieder unter Druck setzen und alles aufflammen lassen.

Werde dir nicht sehr viel geholfen haben, alles Gute für dich

Carin

Zum Schlafen nehme ich n
steppenwolf1

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Wycombe,

denke, es ist immer so ein Abwägen zw. Wirkung und (möglichen) Nebenwirkungen. Ob und inwieweit ein (Fach-)Arzt kompetent ist, kann ich auch immer nicht so richtig einschätzen.

Habe bis vor Kurzem Lyrica genommen, was aber nicht (mehr ?) so gewirkt hat und Anspannung bis zu Panik ... nehme jetzt wieder Atosil und im Notfall Tavor. Wirkt zwar dämpfend, aber dann doch lieber so.

(Dachte eigentlich, dass ich über diesen Punkt weg war )

Ist dann wohl die Frage, was eher aushaltbar ist ? Symptome oder Nebenwirkungen.

Sorry, wenn ich Dir jetzt nicht unbedingt weiterhelfen konnte.

Viele Grüße, s.wölfin
CJ43
Beiträge: 466
Registriert: 12. Okt 2007, 10:38

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von CJ43 »

Hallo Wycombe!

Wenn deine Thera, der du vertraust, einen Psychiater empfiehlt, dann muss sie der Meinung sein, es könnte dir helfen. Vielleicht fragst du da noch mal genauer nach?

Wenn es dir eigentlich ganz gut geht und du nur ab und zu negative Gedanken hast, dann ist es ja die Frage, wo der Behandlungsbedarf ist?

Mir machen negative Gedankenspiralen sehr zu schaffen, ich finde es sehr quälend wenn es nicht mehr aufhört. Kann ich nicht so gut wegstecken, daher war es für mich richtig ein ADzu nehmen (Fluoxetin).

Liebe Grüße!
Constanze
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Wycombe,
dein Posting hat mich übers Wochenende beschäftigt, und ich bin sehr froh, dass ich es jetzt wiedergefunden habe. Du sagst lauter Sachen, die wahrscheinlich jeder hier schonmal irgendwie gedacht hat, und die für die Krankheit so typisch sind und daher den Umgang mit ihr so schwierig machen.

Es macht mich wütend, wenn ich sehe, mit wie viel negativen Vorstellungen so eine psychiatrische Praxis verknüpft ist. Ja, mag sein, dass Psychiater oft außergewöhnlich und schrill sind (das liegt vielleicht an den Dingen, mit denen sie sich den ganzen Tag beschäftigen). Aber sie sind diejenigen, die dir bei Depressionen wirklich helfen können. Wenn du Zahnweh hast und leidest, aber gehört hast, dass man bei Zahnärzten manchmal nicht perfekt behandelt wird, meidest du dann künftig jeden Zahnarzt und kämpfst lieber tapfer weiter mit dem Schmerz? Ich hatte zweimal Pech mit Augenärzten, die haben mir Brillen verschrieben, mit denen mein Astigmatismus nicht ausgeglichen wurde, das war scheiße, echt, und trotzdem gehe ich nicht davon aus, dass das die Regel ist, und vertraue bei jedem Umzug wieder darauf, einen guten kompetenten Facharzt aufzutun.

Beschäftigt hat mich deine Frage: Woran erkenne ich, dass der Psychiater gut ist. Und ich habe überlegt, ob ich dir Kriterien zusammenstellen könnte. Nach dem Motto: Meine hat beim Hausarzt mögliche andere Ursachen für die Erkrankung abklären lassen. Sie erklärt mir genau, was sie tut, und was die Krankheit mit mir macht. Sie hört mir zu. Nach dem Termin geht es mir besser (vielleicht nicht sofort, aber so ein zwei tage später schon), etc.

Jetzt lese ich, dass du sogar schon eine Empfehlung bekommen hast. Dann kann doch eigentlich fast nichts mehr schiefgehen, oder?

Liebe Grüße, deine Puk
BeAk

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von BeAk »

Mir ist noch kein schriller Psychiater begegnet.
Die sahen alle wie ganz normale Menschen aus.
gfb
Beiträge: 1864
Registriert: 20. Feb 2005, 21:30

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von gfb »

Hai Jojo,

...ich drück' mal sämtlche Daumen (sind leider nur deren zwei) in Richtung Cisdanubien!

Grüßle

Friedrich
------------

"Warum sind wir so kalt?

Warum? Das tut doch weh!"



Erika Mann, "Die Pfeffermühle"
Elisa_K
Beiträge: 172
Registriert: 6. Feb 2008, 14:53

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Elisa_K »

ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von ndskp01 »

Ohh, sorry, Liebe Elisa,

nein, ich wollte deine Postings nicht lächerlich machen (habe sie leider nicht in Erinnerung), sondern meinte den Absatz ziemlich ernst. edit: Ich war vielleicht wirklich etwas zu kurz angebunden. Aber ich finde es richtig, sich zu überlegen, woran man einen guten Arzt erkennen kann.

nochmal edit: Aber letztlich sind es ja nicht einzelne Kriterien, die die Antwort auf die Frage geben ob mein Psychiater für mich gut ist, sondern mein Gefühl - das ich aber dummerweise nicht so richtig wahrnehme, weil ich eine Depression habe. Also muss ich doch versuche, die Entscheidung zu rationalisieren. Ist verdammt schwierig.

Ärgern tue ich mich über die Vorurteile, und darüber, dass ich selbst zwanzig Jahre gebraucht habe, bis ich endlich endlich endlich zum Facharzt gegangen bin.
Elisa_K
Beiträge: 172
Registriert: 6. Feb 2008, 14:53

Re: Sehr, sehr unsicher wegen Medikament

Beitrag von Elisa_K »

Antworten