Depression vs. normale Tiefs

Ninive
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Ninive »

Es geht mir gerade elend... Ich weiss, dass alle Menschen ab und zu Tiefs erleben - dennoch kann mich das nicht beruhigen. Wenn es mir mal nicht einigermassen ausgeglichen geht, bekomme ich sogleich gewaltige Angst, es könnte wieder eine monatelange Depression beginnen. Diese Angst lähmt mich gänzlich. Dazu bilde ich mir ein, dass zu viel Schwäche wirklich einer erneuten Phase Nährboden bieten könnte!! Das macht mich wahnsinnig! Im Sommer endete mein letztes Tief, das über ca. 8 Monate angehalten hatte. Ich war in Therapie - bin ich noch - und schaffte es endlich, auch unter Medikamenten, wieder raus zu kommen. Es war sehr schlimm. Seither hat es manchmal diese Tage gegeben, an denen ich mich erst nicht gut fühlte und dann vielleicht noch dies und das geschah - und schon kam die Angst. Gestern war ich bei einem Hautarzt - wegen den Ausschlägen, die ich seit einiger Zeit habe und die immer stärker wurden. Super! Jetzt habe ich auch noch Neurodermitis. Neben dem ganzen Stress, den ich immer wieder mit meiner Psyche habe und dem Asthma nun auch das noch! Ich fühle mich so hundeelend deswegen - auch weil ja gerade ND eine Krankheit ist, von der man sagt, sie komme bei psych. Geschwächten vor. Ich möchte nicht psych. schwach sein! Warum muss das jetzt beginnen, wo es mir "gut" geht? Ja, und dann war da gestern noch die Geschichte mit den Singvögeln, die sie in Rom gesichert haben. 12 Tonnen eingefrorene Singvögel! Für Spezialitätenrestaurants in Oberitalien bestimmt! Kann das sein? Das stand in einer Zeitung - habe denen jetzt ein Mail geschrieben, ob es sich nicht um einen Tipfehler handelt. Solche Sachen machen mich total fertig! Aber das ist ja keine Depression! Das ist nur Niedergeschlagenheit - eine für mich verständliche! Aber: dennoch habe ich eine gewaltige Wut auf mich - weil ich durch solche Zustände mir eine Schwäche erlaube, die ich mir nicht leisten kann. Oder einfach: weil ich Angst habe, selber schuld zu sein, wenn es wieder anhaltend wird. Dabei sind es doch nur zwei tiefe Tage!! Ich bin ja völlig hysterisch mit meiner Panik! Und irgendwie muss die jetzt raus und reden möchte ich darüber mit niemandem - möchte nicht schon wieder Probleme machen. Wie ergeht das anderen? Kommt das jemandem bekannt vor? Dass man normale, träge Tage nicht mehr annehmen kann, aus Angst, es sei eine beginnende, neue Depression? Liebe Grüsse, Ninive
Thomas Mueller Roerich

Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Liebe(r) Ninive, ich habe beim Lesen den Eindruck bekommen, dass du ziemlich unbarmherzig mit dir umgehst und dich in deinen Ansprüchen, wie du dich zu fühlen hast, einfach überforderst. Verstehen kann ich das allerdings, mir ging es mal so ähnlich. Wer mal eine ausgewachsene Depr. mitgemacht hat, hat wohl auch eine Weile Angst, sie könne zurückkommen und es ist sehr schwer, die "normalen" schlechten Tage von denen zu unterscheiden, die man z.B. zu Beginn einer Depression hat. Außerdem- wenn du erst im Sommer deine Depr. überwunden hast, finde ich es auch ganz normal, dass du hin und wieder noch einen Einbruch erlebst. Wundern tut mich eines: Wie kannst du dir die Schuld geben an deinen schlechten Tagen, gar Wut auf dich bekommen? Hast du denn eine Wahl, kannst du deine Gefühle ändern? Niemand kann das und jeder Mensch ist seinen Gefühlen zunächst ausgeliefert. Ich habe im Lauf der Zeit gelernt, innere Distanz zu schaffen zu meinen Gefühlen- nicht sie ablehnen sondern mal zu sagen: ich will nicht von Gefühlen beherrscht werden, weil sie auch manchmal unangemessen sind. Aus deiner Beschreibung klingt Agression gegen dich selbst an und ich glaube, das ist der wahre Feind und nicht die schlechten Tage. Mit sich selbst gut umgehen lernen und barmherzig sein mit sich ist in meinen Augen der Schlüssel zur Überwindung der Depression. Alles Gute! Thomas
titanic
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von titanic »

Hallo, Dein letzter Satz, Thomas, hat mich sehr berührt. Der trifft genau den Nagel auf den Kopf. Mein Arzt sagte einmal zu mir:"Sie waren in dem Moment (depr.Absturz) nicht in der Lage, gut für sich selbst zu sorgen!" Erst dachte ich, was soll der Spruch? Nach einigem Nachdenken wurde mir klar, man ist während der tiefsten Depression wirklich nicht fähig, gut mit sich selbst umzugehen und muß es in "guten Zeiten" üben, üben, üben. Viele Grüße Titanic
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Hallo Ninive,ich kenn das Gefühl verdammt gut,daß man sich total schuldig fühlt,weil man schlecht drauf ist.Daß man so fühlt,ist aber typisch für jemand,der depressiv veranlagt ist. Du kannst genausowenig dafür wie für dein Asthma (hab ich auch )und Du hast das gleiche Recht dir Hilfe zu holen,wenn es Dir schlecht geht wie wenn Du einen Asthmaanfall hast!Und Du bist nicht psychisch schwach,sondern hast einfach extrem sensible seelische Antennen! Das Asthma wirst Du vermutlich ganz nie loswerden,die ND weiß ich nicht,die Depression vielleicht weitgehend oder ganz,aber das einzige was du selbst dazutun kannst,daß es besser wird,ist es annehmen und damit leben lernen. Wenn du den richtigen Therapeuten findest,kannst du sicher für alle drei bereiche (Depr.,Asthma und ND) Hilfe finden. Und was Thomas und Titanic sagen,ist so goldrichtig:in guten Zeiten lernen,sich gut zu behandeln und vielleicht irgendwann auch zu mögen - mit allen körperlichen und seelischen Handicaps. Liebe Grüße
Ninive
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Ninive »

Allen nacheinander eine Antwort: Lieber Thomas! Ich bin ziemlich erschrocken, als ich gelesen habe, Du empfindest mich unbarmherzig im Umgang mit mir selber. Erschrocken deswegen, weil ich das selber gar nicht bemerkt habe - aber es ist wirklich so! Man sagt mir oft, ich sei zu streng mit mir - in allerlei Anforderungen gegen mich selber. Deswegen habe ich an und für sich in den letzten Monaten bewusst Sorge für mich getragen. Nun ist das irgendwie umgekippt: aus Sorge wurde wohl Kontrolle und ich bin wütend, wenn ich meine selber aufgestellten Kontrollinstanzen übertrete. Du fragst, ob ich denn die Wahl habe, meine Gefühle zu ändern - niemand könne das. Ich bin da anderer Meinung: ein bisschen, wenigstens. Wenn ich zurückdenke, so gab es in den Wochen bevor ich jeweils sank manchmal Momente, in denen ich wusste, dass es mir gut tun würde, raus zu gehen - und in denen ich auch noch die Kraft gehabt hätte, mir Gutes zu tun: aber ich wollte nicht mehr. Eine Art Hoffnungslosigkeit - sogar durchaus vermischt mit einer Selbstaufgabe. Mag sein, dass ich mir jetzt im Nachhinein einfach die Schuld gebe und es damals gar nicht so war. Oder dass ich heute einfach meine, es hätte anders laufen können. Jedenfalls habe ich mich jetzt auf vermehrtes Kämpfen eingestellt. Aber diese Verteidigungshaltung hat wahrscheinlich gar nicht so viel mit "auf sich selbst acht geben" zu tun. Das mit der Selbstagression ist auch tief in mir. Ich bin zu niemandem so streng wie zu mir. Und ich stelle niemanden so tief wie mich. Man sollte lernen, sich selber mit lieberen Augen anzuschauen. Hi Titanic! Wie übst Du denn? Worauf achtest Du? Und wo sind die Grenzen - zur Verweichlichung? Manchmal denke ich: das gönne ich mir jetzt mal - und dann gönne ich es mir, am Nachmittag ins Bett zu liegen und zu schlafen. Aber das tut mir gar nicht gut! (Manchmal kaufe ich mir auch Sushi, obschon ich mir die gar nicht leisten kann - was mir aber jedes Mal ausgesprochen gut tut:-) Und manchmal würden Dinge gut tun, die man gar nicht tun möchte - zu denen man sich überwinden muss! Heute abend gehe ich beispielsweise aus, obschon ich am liebsten einfach fernsehen würde. Die Frage ist vielleicht banal. Andererseits auch gar nicht mal so... Ich merke, dass es mir psychisch am besten geht, wenn ich mich mit Arbeit zudecke und gar nicht dazu komme, mir Gedanken über mich zu machen! Aber das ist auf die Dauer auch keine Lösung. So wird auch nur manches verdrängt. Jetzt habe ich beispielsweise das Gefühl, es breche wieder alles über mir zusammen... Vielleicht hast Du ja einen Übungstrick auf Lager. Ansonsten ist das meiste wohl subjektiv; ich meine - dem einen tut das gut, dem anderen was anderes. Aber auf einen Berg steigen und runterschauen kann niemandem schaden! Liebe Waltraut! Es gibt eben auch Leute, die geben einem das Gefühl, man sei selber Schuld, oder? Hm. Wenn ich nachdenke, kommt mir aber kein Mensch in den Sinn! Ja, es ist wohl eher so, dass man denkt, die Leute könnten denken, dass man selber Schuld ist. Man sollte überhaupt aufhören, zu grübeln, was andere von einem halten! Ich mache mir da viel zu viel Gedanken. Dieses Bedürfnis, genügen zu wollen und die Angst, es nicht zu können. Obschon ich bisher alles erreicht habe - mehr oder weniger gut - was ich wollte. Ich meine, Sachen wie Job und Studium. Im Zwischenmenschlichen habe ich viele Enttäuschungen erlebt. Anderes Thema. Warum fühlt man sich schuldig? Weil man Angst hat, dass Menschen, die zu dieser Veranlagung keinen Zugang haben - zu ihrem Glück! - meinen, man lasse sich gehen oder so. Man müsse sich den berühmten "Ruck" geben. Dieses Unverständnis eben. Und in meinem Fall: weil ich mir manchmal denselben Schmarren vorwerfe! Obschon ich, wenn es jemand anderes sagt, mittlerweile den Kopf schütteln kann. Also: wenn es jemand zu jemandem sagt - also nicht zu mir. Denn wenn er es zu mir sagt hat er natürlich recht: haha! Vielleicht sollte ich mal an meinem Selbstbewusstsein arbeiten - auch keine neue Erkenntnis. Ich habe einen sehr guten Therapeuten, bei dem ich seit bald einem Jahr bin. Fühle mich gut aufgehoben. Allerdings habe ich letztes Mal gesagt, ich würde jetzt gerne mal versuchen, nur noch alle 2 Wochen eine Sitzung zu machen. Toll! Das ist leicht rückgängig zu machen, das ist nicht das Prob. Das Problem ist, dass ich mich gerne "gesund" sehen würde und es nicht annehmen kann, dass ich damit leben muss. Und wie Du richtig sagst: ich muss mich mit diesen Handicaps sogar mögen. Ist es nicht schräg, dass man die seltsamsten Menschen gerne hat - Leute mit wirren Anschauungen, die vielleicht sogar recht ruppig sind im Umgang und weiss was - vielleicht auch manchmal ziemliche Ärsche? Dass man solche gerne hat, sich selber aber nicht? Dass man es bei sich selber "lernen" muss? Na ja. Allen lieben Dank für Eure Antworten! Es hat mir sehr gut getan, dass jemand auf mich eingegangen ist und zu sehen - dass ich nicht alleine bin! Alles Liebe, Ninive
Tina
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Beitrag von Tina »

Hallo an Euch alle! Mein Name ist Tina,22 Jahre alt und leide seit einem Jahr an einer schweren Depression.In der Zwischenzeit besuchte ich zwei Kliniken,die mir nicht nachhaltig helfen konnten,so dass nach einem Suizidversuch der nächste folgte und ich beinah gestorben wäre.Diese Todessehnsucht ist allgegenwärtig - sie entfernt mich immer mehr vom Diesseits ins Jenseits.Ich wünschte an einem Ort zu sein,an dem es kein Leid & seelische Grausamkeit gibt,an dem ich einfach nur das Recht habe zu Leben.Momentan studiere ich auf Lehramt,besser gesagt ich quäle mich dazu und habe zunehmend das starke Gefühl ohnmächtig zu werden vor lauter Trauer und Schmerz.Ich glaube an ein Leben nach dem Tod in Gottes Händen.Niemand ahnt,wie es in mir aussieht,welche tiefe Trauer mich zu ersticken vermag und wie drängend der Wunsch ist nach einem anderen Selbst.
Thomas Mueller Roerich

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Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Liebe Tina, es hat mich ziemlich erschüttert, das zu lesen, es muss dir ja sehr schlecht gehen. Hast du jetzt nach den Kliniken denn irgend eine Art von Hilfe, ich meine Therapeut od. Selbsthilfegruppe o.ä.? Ich glaube, du willst nicht sterben sondern nicht mehr SO leben und wonach du dich sehnst, ist verständlich und legitim, auch dein Todeswunsch. Aus eigener Erfahrung (2 Depressionen, je 15 Monate) weiß ich, dass man nicht fähig ist, sich in der Depression vorzustellen, dass das Leben überhaupt lebenswert sein kann. Aber das stimmt nicht, auch deine Depr. wird vorbeigehen und du wirst deine Rolle hier auf Erden wieder anders sehen können. Du schreibst, dass niemand ahnt, wie es in dir aussieht, da muss ich dir widersprechen. Ich kann nachvollziehen, wie es dir geht und weiß, dass es ganz furchtbar ist. Aber gerade deshalb kann ich dir versichern, dass es dir auch wieder besser gehen wird. Jetzt kommt es darauf an, diese Zeit zu überbrücken und da hilft nur eins: hol dir Hilfe! Wenn du dich dazu gerade nicht in der Lage fühlst, bitte Freunde, dir bei der Suche nach Hilfsmöglichkeiten zu helfen. Wie ist deine Lebenssituation, lebst du alleine, bei Eltern, mit einem Partner/Partnerin? Schreib wieder, damit wir wissen, wie es dir geht. Achte gut auf dich! Thomas
Tina
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Beitrag von Tina »

1ooo Dank,lieber Thomas für deinen so verständnisvollen und einfühlsamen Brief.Ich bin momentan in psychotherapeutischer Behandlung und werde von Familie & Freunde "überwacht",da sie Angst um mich haben und meine Eigenstärke anzweifeln.Ich wohne in einem Studentenwohnheim - man kann also nicht sagen,dass ich alleine wäre.Allein vielleicht nicht,aber EINSAM!!!... Meinen besten Freunden hier in Freiburg habe ich von meiner Krankheit erzählt.Sie versuchen leider vergebens sich in diese Gedanken-und Gefühlswelt einzufinden...und doch ist es eine gewisse Erleichterung,dass sie einfach nur da sind. Thomas,du hast Recht-wahrscheinlich kannst du sehr gut nachempfinden,wie ich leide.Doch nur deshalb,weil du selbst ein Teil davon bist,weisst wie es ist gefangen zu sein in einer (scheint mir) grausamen,irrealen Welt,die jegliche Wahrnehmung trübt.Ich treffe mich nun gleich mit einer Freundin,die auch von meinem Problem erfahren sollte.Schlimm genug,dass dieses Thema "Depression" in unserer Gesellschaft totgeschwiegen und tabuisiert wird.Es ist mein Ziel,dem entgegenzuwirken,zumindest so lange ich noch die Kraft dazu habe....Bis bald,pass auf dich auf! Tina.
Thomas Mueller Roerich

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Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Liebe Ninive, ich habe jetzt einfach entschieden, dass du ne Frau bist, falls ich mich täusche, sorry! Ich wollte noch was loswerden, es hat mit dem Üben zu tun, über das du dich mit Titanic austauscht. Ich will sagen, es hat was mit unserem (wir, die Depris)Selbstbild zu tun und was wir anderen Menschen vermitteln. Ich kenne inzwischen eine Menge depressiv veranlagte Menschen und für mich gibt es keinen Zweifel: Die meisten davon sind wunderbare Menschen mit wertvollen Eigenschaften, die sie meist ganz in den Dienst der anderen stellen: - Immer bereit, zuzuhören und sich in andere einzufühlen - Bei der Arbeit erledigen sie viel ohne großes Tamtam, Anerkennung bekommen aber die anderen, die nicht so bescheiden sind - Sie sind oft bereit, ihr letztes Hemd wegzugeben, ein Nein kommt nur selten über ihre Lippen - Sie sind sozial sehr kompetent und geben und geben und geben... Die Liste ließe sich noch fortführen aber ich denke du weißt, worauf ich hinaus will: Jeder weiß um ihre guten Eigenschaften und nutzt das nicht selten weidlich aus. Jeder, außer dem Depressiven. Der denkt nur daran, wie er noch mehr geben könnte und macht sich ein Gewissen aus allem, was er nimmt (Sushi, deine Angst vor "Verweichlichung") Die Melancholiker sind eine der 4 Säulen der Menschheit (ich meine die 4 Menschentypen) und der soziale Kitt, ohne den eine Gesellschaft auseinanderfliegt- unsere, in der es vorwiegend ums aufgeblasene Ego geht, ganz besonders. Aber leider stehen wir nicht hoch im Kurs, wir entsprechen nicht den Vorstellungen der Gesellschaft, die kräftige Ellenbogen anscheinend wichtiger findet, als das, was wir anbzubieten haben und das ist eine der Ursachen, warum aus der Melancholie eine Krankheit wurde. Es kann nicht darum gehen, diese guten wichtigen Eigenschaften abzulegen, im Gegenteil! Aber weil wir nicht selber stolz darauf sind, können wir die Früchte nicht ernten und geben so nur ständig Energie ab, ohne welche aufzunehmen. Dann macht der Körper irgendwann dicht und man fühlt, wie ausgebrannt man ist. Wenn ich lese, was und wie du, Waltraut, Titanic und die anderen denken, weiß ich genau, das sind alles Menschen, die sich erheblich mehr Gedanken übers Leben machen als der Durchschnitt. Du sagst es selber: Man sollte sich nicht so viele Gedanken darüber machen, was die anderen denken sondern sich selbst genügen, nur so bleiben deine Energien bei dir. Wenn man so gut zu sich selber ist wie zu den anderen, kann gar nichts mehr schief gehen. In diesem Sinne - üben! Lieber Gruß Thomas
Ninive
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Ninive »

Lieber Thomas! Ja, ich bin eine Frau - richtig geraten. Deine Antwort klingt wie eine richtige Lobeshymne an die Depressiven:-) Natürlich tut das ganz gut, nur bringt es auch etwas? Deswegen versuche ich mal, Dir in allem zu widersprechen. Also - so halb/halb! Nicht böse sein, ja? Ich gehe mal rational vor und weiss, dass ich etwas klugscheissern werde - also auch Dinge behaupten, die ich selber nicht packe. Also: Vielleicht machen die Depressiven ja auch einiges falsch? Ich gehe mal die Liste der Eigenschaften durch, die Du aufgezählt hast: - Immer bereit, zuzuhören und sich in andere einzufühlen Das trifft tatsächlich auf mich zu. Ich bin durch meine erste Ausbildung Krankenschwester und zog aus dieser Veranlagung auch da viel Nutzen - für mich und die Patienten. Es ist schön, wenn jemand zuhören kann und einen ernst nimmt! Sicherlich wird diese Eigenschaft auch geschätzt! Ich kann nur von mir sprechen: ich merke ziemlich oft, dass ich am Ende eines Abends, an dem ich unter Leuten war, viel über sie weiss - oft sehr Privates - aber ich von mir gar nichts gesagt habe. Kennst Du das? Jetzt meine Frage: warum ist das so? Wenn ich mich am Ende etwas leer fühle und irgendwie merke, dass mein eigenes Bedürfnis brach gelegen hat - dann ist das doch auch meine Schuld! Es ist nämlich auch eine Art falsche "Bescheidenheit", immer nur zuzuhören! Man dürfte dem anderen auch zutrauen, dass er auch etwas über einen erfahren möchte - dass er nur nicht so aufmerksam ist, zu bemerken, dass es immer nur um ihn geht! Man sollte nämlich nie davon ausgehen, dass die anderen gleich sensibel sind. Und man sollte auch davon ausgehen, dass der andere es auch für einen Vertrauensbeweis halten würde, wenn man sich ihm gegenüber etwas mehr öffnen würde. Ich habe gemerkt, dass ich durchs Schreiben mit Mailkontakten oder durch meine Therapie erst gelernt habe, über mich zu sprechen!! - Bei der Arbeit erledigen sie viel ohne großes Tamtam, Anerkennung bekommen aber die anderen, die nicht so bescheiden sind Bescheidenheit ist meiner Meinung nach aber kein Lorbeerkranz, auf dem man sich ausruhen soll. In unserer Gesellschaft gilt Bescheidenheit zwar als wertvoll, aber ist sie das? Klar: der bescheidene ist eher selbstkritisch - denkt eher über sein eigenes Tun und Lassen nach - ist also umsichtiger, verantwortungsbewusster usw. Aber: fühlt sich der "andere" nicht auch deswegen der Anerkennung berechtigt, weil man selber bescheiden ist? Es ist ja nicht so, dass ich "so" bin und jemand anders "so" - nicht, wenn wir voneinander abhängig sind. Gut - das mag eine extreme Ansicht sein und sie geht sicherlich nicht immer auf! Aber: vielleicht ist er laut, weil ich leise bin? - Sie sind oft bereit, ihr letztes Hemd wegzugeben, ein Nein kommt nur selten über ihre Lippen Das ist richtig, für meine Freunde und Familie bin ich immer da. Aber ich habe gelernt, dass wenig Menschen meine wirklichen Freunde sind. Man wird gewöhnlich oft enttäuscht und verletzt. Und warum? Weil man von jemandem erwartet, er habe gleiche oder ähnliche Masstäbe. Man meint, wenn man zusammen dies und jenes erlebt habe, so und so lange am Leben des anderen teilgenommen hat - dann könne man dies und jenes vom anderen "erwarten". Dass er einen nicht bescheisst, zum Beispiel. Oder dass er einen nicht sitzen lässt, wenn es einem mal nicht so gut geht. Warum? Weil man selber so nicht handeln würde. Aber: man sollte eigene Masstäbe nicht anderen aufsetzen! Einerseits natürlich, weil dies auch etwas mit Respekt zu tun hat - den anderen so respektieren, wie er ist. Aber in erster Linie zum Selbstschutz: ich habe letzten Frühling beinahe den Verstand verloren, als meine WG-Partnerin und "Freundin" Hals über Kopf ausgezogen ist, mich um 1000 Franken abzockte, die Monatsmiete nicht mehr zahlte und so weiter. Sie gab mir kein Wort der Erklärung und ich weiss heute noch nicht, was eigentlich war. Sie sagte mir Wochen später am Telefon einmal: "Ich habe Dich einfach nicht mehr ertragen". Dies an dem Tag, an dem ich gerade aus der Psychiatrie entlassen wurde. Der Gedanke und das Wissen darum, wie eng unsere Beziehung zuvor war, wie nahe wir uns waren und auch wie oft sie - das kam immer von ihrer Seite aus - mir sagte, wie lieb sie mich habe... der Gedanke konnte sich nie vereinen mit dem, was folgte. Für mich war es vollkommen absurd. Sie hat mich behandelt wie den allerletzten Menschen. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Aber: weswegen muss ich ihr Verhalten verstehen können? Und kann sie mich nicht auch hassen, obschon ich nichts getan habe? Oder vielleicht gerade deswegen? Muss immer jemand Schuld sein? Vielleicht konnte sie mit meiner Depression nicht umgehen und wurde deswegen wütend auf mich - vielleicht wuchs ihre Wut, weil sie wusste, dass sie nicht wütend sein dürfte! Vielleicht war sie dazu einfach auch noch eine egoistische Kuh, die gerne noch die ganze Kohle einsackte und hoffte, ich würde es nicht merken - vielleicht hat sie einfach kein Gewissen, weil sie sich selber sooo lieb hat! Egal: man tut sich selber einen grossen Gefallen, wenn man sich zugesteht, dass man "die anderen" nicht verstehen muss - man kann es nämlich nicht. Und wenn sie Dir eins reinbrennen: warum dann verzweifeln? Gedanken wie: wie konnte sie/er mir das antun, wo ich mein letztes Hemd für sie gegeben hätte - habe ich mich so in ihr/ihm getäuscht? Das mit dem Täuschen ist eben eine schwierige Sache: täuschen ist ein aktiver Vorgang. Man täuscht sich ja selber! Was ich sagen wollte - lange Rede kurzer Sinn - es ist schön, zu geben und zu helfen. Man tut es ja auch gerne, ist ja auch gerne da für andere: aber man darf in keiner Weise erwarten, dass etwas zurück kommt. Und man darf auch wütend sein, wenn nichts zurückkommt! Aber sich nicht selber leid tun. Man selber hat nichts Schlechtes getan und der andere auch nur nach seiner Art gehandelt. Diese "Schuldfrage" sollte man einfach ablegen. Die zermürbt nur. Man darf auch wütend sein, wenn niemand an etwas Schuld hat. Man muss wütend sein! Wut, Agression: die müssen raus. - Sie sind sozial sehr kompetent und geben und geben und geben... Und das ist schön und wichtig - wie Du ja auch sagst. Sie dürfen aber nicht erwarten! Man sollte nie irgendetwas erwarten: dann wird man auch nicht enttäuscht! Und: man freut sich umso mehr, wenn etwas zurückkommt. So, ich sollte ins Bett. Vielleicht habe ich ein paar Gedanken aufgewirbelt. Manchmal tut es gut, sich selber zu widersprechen: als Übung :-) Alles Liebe, Ninive
waltraut
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von waltraut »

Liebe Ninive, mit "es geht mir gerade elend" hast du diesen thread begonnen. Und dann dieser Brief von gestern abend!Er sollte in alle threads kopiert werden... Thomas hat mit seinen sehr tröstlichen Worten den Anstoß gegeben.Ich finde,Ihr habt beide recht.Vielleicht braucht es zuerst die warmen Worte von Thomas,damit man die eigene Kraft wieder spüren kann. Ich glaube,das ist sehr wichtig für uns auch in der Wahl der Menschen,denen wir vertrauen können,wenn es uns schlecht geht.Tina,dir geht es offenbar im Moment sehr schlecht,aber trotzdem willst du den Kampf gegen die Verständnislosigkeit der Umwelt auf dich nehmen. Und ich glaube,darin liegt für uns alle eine große Chance: dieses Forum ist ja eine Initiative dazu . Ich selbst habe verschiedene Grade des Verstehens und der Akzeptanz erlebt: am besten verstehen mich meine ehemaligen Mitpatienten,mit denen ich nach zwei Jahren immer noch in regem Kontakt bin, und das tut gut. Aber noch wichtiger ist für mich die Wärme,die ich von meiner Familie spüre (ich bin mir bewußt,daß das nicht jeder hat!). Sie verstehen es nicht wirklich,aber sie glauben mir und sie unterstützen mich voll. Dann gibt es noch ein paar Freunde,die es nicht so recht begreifen,die sich aber doch trauen,mich weiter für voll zu nehmen. Ich habe aber auch schon erlebt,daß Menschen,von denen ich es nie erwartet hätte,mir ihre eigenen Depressionen eingestanden. Unsere Arbeit muß vor allem bei denen anfangen,die uns mit dem berühmt-gehaßten "reiß dich zusammen" oder "ja mich deprimiert das Wetter auch" abspeisen wollen.Meinem Gefühl nach sind da sehr oft Ängste beteiligt (wie ja auch Krebs-oder Aidskranke oft gemieden werden aus Angst).Es gibt sicher kaum jemand,der die Ohnmacht,Schuldgefühle,Angst und Verzweiflung,die uns so hartnäckig begleiten,nicht irgendwann verspürt hat.Aber das wollen sie nicht wahrhaben. Manche von denen sterben dann am Herzinfarkt oder ähnlichem...Vielleicht können wir in Thomas' Sinn dazu beitragen,daß unsere Umgebung sensibler wird für den andern. Und vor allem die Erwartungshaltung anderen gegenüber aufgeben,du hast so recht,Ninive,und doch ist es so schwer... Also üben wir weiter,danke Euch allen,Tina Dir wünsche ich jetzt,daß deine Kraft weiter wächst,alles Liebe Waltraut
titanic
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von titanic »

Hallo Ninive, ich wollte noch einmal auf deine Frage zurückkommen:"Wie übst du denn?". Ich habe jetzt erst mal zwei Tage gebraucht, mich darin selbst zu beobachten, um dir eine Antwort zu geben.... Zusammenfassend kann ich sagen: Wenn es mir einigermaßen gut geht (richtig gut gibt's leider nicht), dann versuche ich, auf meine innere Stimme zu hören, was die mir sagt. Die sagt z.B.: "Jetzt tust du dir mal was Gutes und gehst hinaus in die Natur" oder sie sagt: "Heute fühlst du dich erschöpft - gönn' dir mal 'ne Ruheinsel". Ich glaube ganz fest, dass in uns allen etwas drin ist, was uns einen guten Rat gibt und was wir nicht überhören sollten (Intuition). Die Bedürfnisse, von denen ich spreche, habe ich eine Zeitlang gar nicht w a h r genommen, habe ständig meine Kraft-Grenzen überschritten und habe von meinem Umfeld meine persönlichen Grenzen überschreiten lassen. Mit dem bekannten Ergebnis. Diese Wahrnehmung wurde erst durch viele Gespräche mit Therapeuten und Ärzten, sowie das Lesen von Büchern etc. wieder geschult. Das meine ich mit "Üben" an guten Tagen. Die anderen Tage am besten aus dem Kalender streichen.... Wenn das nur ginge. Liebe Grüße Titanic
Ninive
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Beitrag von Ninive »

Liebe Waltraut! Ja, es steht wohl viel Wahres in meinem letzten Posting - aber wie Du sagst: es anzuwenden ist eine andere Sache. Aber manchmal hilft es auch nur schon, wenn man weiss, wie man es sehen "sollte". Von dieser ehemaligen "Freundin" träume ich jetzt noch alle paar Wochen schlecht und an gewissen Orten, an denen sie mir über den Weg laufen könnte - da steht mir manchmal fast das Herz still vor Angst. Das ist irrational - und dennoch meine Wirklichkeit. Und dann sage ich mir: egal was sie sagt oder tut - Du sollst es Dir nicht zu herzen nehmen. Man sollte sich Worte und Taten jener Menschen, die einem nicht wohlwollen, nie zu herzen nehmen! Nie! Familie oder Freunde, die kränken einen nicht mit Kritik, oder? Ich meine: ihre Kritik tut nicht weh, weil sie hilft oder ein Versuch zur Hilfe ist. Wenn jemand aber einen nicht mag, so schert es ihn nicht, ob seine Kritik Dich weiterbringt - vielleicht möchte er nur seine Agression rauslassen. Aber: man meint ja dann auch oft, jeder müsse einen mögen. Dieses ganze Harmoniebedürfnis, das einen am Ende an sich selber zweifeln lässt - nur weil man sich das Urteil falscher Leute zu nahe gehen lässt. Das Leben fordert Energie genug - daher sollte man mit der Energie sparsam umgehen. Du schreibst, man könnte vielleicht dazu beitragen, dass unsere Umgebung sensibler wird für den anderen. Das ist eine schöne Idee, aber die Umsetzung ist vermutlich sehr schwierig und mit manchen Verletzungen verbunden. Ich resigniere da ehrlich gesagt. Ich habe den Kontakt zu einigen Leuten abgebrochen, weil ich immer wieder erfahren habe, dass ich zu sensibel bin für den Umgang mit ihnen. Das hat nichts mit mögen oder nicht mögen zu tun - sondern mit ertragen und nicht ertragen. Mit "auf mich aufpassen". Ich danke Dir, Titanic, dass Du meiner Frage so ernsthaft nachgegangen bist! Ja, sich ganz bewusst Gutes tun. Sich Pausen gönnen, sich aber auch Zuspruch zu Antrieb geben. Die innere Stimme ist bei mir so eine Sache. Ich glaube, ich habe wirklich ziemlich viel Destruktives in mir, und das spricht, wenn es mir schlecht geht, leider sehr laut. An besseren Tagen höre ich es aber und nehme es dann auch wirklich ernst. Vielen Dank allen! Und Dir, Tina, wünsche ich viel Kraft! Alles Liebe, Ninive
Thomas Mueller Roerich

Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Liebe Ninive, deine Antwort ist beeindruckend differenziert, und Waltraut hat ganz Recht, das sollten möglichst alle lesen. Ich bin dir natürlich furchtbar böse, weil du gewagt hast, mir zu widersprechen.. Das hast du doch nicht ernst gemeint, oder? Ich will noch einmal kurz sagen, worum es mir ging in meiner Lobeshymne: Ich wollte ausdrücken, dass das, was andere bei depressiven Menschen als Schwäche wahrnehmen, in Wahrheit liebenswerte Empfindsamkeit ist und dass sich jeder Betroffene unbedingt damit auseiandersetzen sollte, was er eigentlich leistet und wieviel er gibt. Richtig, man kann und sollte nichts erwarten und Undank ist der Welt Lohn aber dir selber kannst du doch wenigstens die gebührende Anerkennung geben? Ich finde, das hat nichts zu tun mit Eigenlob oder sich selbst zu belohnen sondern nur damit, sich selbst so zu sehen, wie man ist anstatt das Licht unter den Scheffel zu stellen. Du hast sehr ehrenwerte Ideale, es sind auch meine aber sie stoßen vielleicht schon an die Grenzen von dem, was ein normaler Mensch noch zu leisten vermag, stellen eine Überforderung dar. So stark möchte ich auch sein- immer freundlich und hilfsbereit und wenn mir jemand ins Gesicht schlägt, dabei noch zu lächeln, wie es schon (so ähnlich) im Neuen Testament steht. Die Frage ist nun- können wir uns das wirklich leisten? Irgend etwas stimmt nicht, wenn wir Depressionen haben, was ist es? Ich habe schon bei mir selbst vermutet, dass ich beim Kümmern um andere über diesen Umweg versuche, mich selbst zu mögen aber so richtig passt das auch nicht. Ja, zweifellos, die Depressiven machen einiges falsch, daran habe ich keinen Zweifel aber es hat nichts mit Schuld zu tun, das sagst du ja auch. Es ist ein böses Dilemma, denn deine "Freundin" lebt zweifellos gesünder aber ich möchte nicht sein wie sie und du ja wohl auch nicht, da bleibe ich lieber depressiv. Du hast geschrieben: "Ich kann nur von mir sprechen: ich merke ziemlich oft, dass ich am Ende eines Abends, an dem ich unter Leuten war, viel über sie weiss - oft sehr Privates - aber ich von mir gar nichts gesagt habe. Kennst Du das?" Und ob ich das kenne. Es dauert nicht lange, bis die Mitmenschen herausgefunden haben, dass es da was zu holen gibt (ich bin jetzt absichtlich ein wenig krass). Und ich bin fast wehrlos dagegen, springe jedesmal wieder darauf an und höre zu, vergesse mich selbst völlig und gehe ganz im anderen auf. Warum vergesse ich mich selbst? Da sagst du- ".. dann ist das doch auch meine Schuld." Ich würde nicht Schuld sagen, aber es ist meine Verantwortung, mich da um Veränderung zu bemühen, ich stimme dir zu. Ich finde das einen sehr spannenden Gedankenaustausch aber jetzt geht mirs wie dir gestern, das Bett ruft. Gute Nacht, alles Liebe, Thomas
Thomas Mueller Roerich

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Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Liebe Tina, du gingst mir immer im Kopf herum heute, vermutlich mache ich mir Sorgen um dich. Schau dir doch mal folgende Seite an: www.ak-leben.de Der Verein bietet Hilfe bei Suizidgefährdung und Lebenskrisen in Form einer Begleitung an und ist auch in Freiburg tätig. Melde dich mal wieder! Lieber Gruß Thomas
Ninive
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Ninive »

Lieber Thomas! Ich finde, Du hast ganz recht. Depressive Menschen sind wirklich meist liebenswert. Wahrscheinlich deswegen, weil sie durch ihre feinere Sensibilität einfach kaum je an der Oberfläche treiben können. Meine engsten Freunde haben alle diese "Neigung", und ich denke, dass dies kein Zufall ist. Da fühlt man sich gegenseitig einfach viel mehr verstanden und gewisse Dinge müssen gar nicht erklärt werden, weil sie "selbstverständlich" sind. Ich finde selbstverständlich allerdings ein unschönes Wort - denn nichts ist selbstverständlich in dem Sinne, dass man sein Vorhandensein nicht schätzen sollte. Im Gegenteil. Wenn ihr meint, der Text jenes Beitrages würde manchen helfen, könnte man ihn vielleicht wirklich irgendwo hinkopieren, wo man ihn lesen würde - also nicht so weit unten in der Diskussion. Andererseits bringt er auch nichts, wenn er aus dem Kontext gezogen wird. Das mit dem Eigenlob... Man sagt ja, "Eigenlob stinkt"! Wer prägt eigentlich solche Ausdrücke? Irgendwo geht die Bescheidenheit doch einfach zu weit! Man müsste im Gegenteil, wie Du sagst, sich seiner Vorteile mehr bewusst sein! Und man darf sich doch seiner eigenen Vorteile freuen, warum nicht? Wenn Du oder Waltraut mir zu verstehen geben, dass ich einen guten Text geschrieben habe - dann freue ich mich und schäme mich zugleich dafür, dass ich mich freue! Was soll denn das? Wie kann man seine Minderwertigkeitsgefühle ablegen? Ein Schritt dazu ist sicher, sich selber für die berechtigten Dinge zu loben - und sich auch Lob anderer gönnen - und die Freude darüber.. Du sprichst meine Ideale an und nennst sie ehrenwert und vielleicht zu hoch gesteckt. Das denke ich auch: viel zu hoch. Es immer allen recht machen zu wollen - das geht so oder so nicht auf! Immer "lieb" sein! Wo bleibt denn da die Agression? Ich weiss es: sie bleibt in mir und wendet sich gegen mich. Das geht vermutlich vielen so. Ich habe mir einmal vorgenommen, das Böse in mir zuzulassen. Ich denke, wenn ich böse Gedanken akzeptiere, dann staut sich weniger Böses in mir an, das sich gegen mich wendet. Das klingt nun vielleicht etwas nach Firlefanz - aber ich stelle mir das Böse in mir als wirkliche Kraft vor, die ich - in Massen natürlich - ablassen muss. Ich habe einige ziemlich irre Sachen gemacht im letzten Frühling und denke, dass es sich um das unterdrückte Böse gehandelt hat, das da raus kam um mich selber fertig zu machen. Normalerweise zeigt es sich vielleicht nur in Minderwertigkeitsgedanken und Ängsten - aber es kann auch ganz anders. Übringens: "nur" Ängste. Ja, Depressive machen einiges falsch, das denke ich auch. Man sollte einmal eine Liste machen. Sollte man wirklich! Warum nicht hier? Du sagst, Du hast Dich dabei ertappt, Dich beim Kümmern um andere besser zu mögen - ich denke, dass kommt daher, weil man meint, man selber mache nur Sinn, wenn man für andere da ist: nicht für sich selber! Könnte da was dran sein? Sich selber zu genügen wäre demnach ein Ziel? Ich weiss nicht. Ja doch! Alles in allem sollte man jede Situation, in der das Wort "Schuld" vorkommt, überdenken. Denn eines ist meiner Erfahrung nach allen Depressiven eigen: sie fühlen sich einerseits übergangen und unverstanden und andererseits eigentlich als bessere Menschen als "die anderen". Wie geht das auf? Man wird verkannt? Übergangen, übervorteilt, ausgenutzt? Aber dazu braucht es immer zwei! Was macht der Depressive falsch? Und warum ist man besser? Weil man denkt, mehr zu sehen und zu empfinden. Aber die anderen haben einfach eine andere Perspektive - sie sehen nicht weniger, aber anderes. Meiner Meinung nach ist das "andere" aber oft wirklich weniger wesentlich: aber meist sehen sie eben einfach auch das Positive gefilterter - und das würde dem Depressiven zumindest ab und zu auch gut tun! Das Negative mehr zu sehen, zu empfinden kann natürlich dazu führen, dass man auch eher etwas dagegen unternimmt - aber meiner Erfahrung nach lähmt es oft einfach, nimmt Unmengen Energie und die "guten Taten" bleiben vielleicht sogar aus. Übringens: man muss auch nicht immer gut sein! Liebe Grüsse, Ninive
Thomas

Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Thomas »

Liebe Ninive, deine Gedanken sind wie immer sehr anregend und es macht Spaß, mit dir zu "sprechen", ganz ehrlich. Vermutlich schämst du dich jetzt wieder, tja, da musst du jetzt eben durch. Du ahnst es vielleicht schon, mir geht das nicht anders, ich kann auch Lob und Anerkennung nicht annehmen, ohne die aufkommende Freude gleich wieder durch ein Gefühl von Scham zu kompensieren. Einfach in der Freude zu sein und sie zu genießen, ist schwer für mich- so, als würde mir das einfach nicht zustehen. Und Sprüche wie "Eigenlob stinkt" zeigen einmal mehr, dass sie keine Allgemeingültigkeit haben können. Ich kenne durchaus Menschen, von denen ich denke, da passt der Spruch. Und ich kenne welche, da würde ich sagen, der Spruch ist kontraproduktiv und unsinnig. Und sich selbst zu loben, ist eine Übung, die so lange Sinn macht, bis aus diesen 2 Personen in einem (da ist eine die lobt, und eine, die gelobt wird) eine Person geworden ist die nun endlich weiß, wie sie ist und das auch fühlt. Dann ist man nicht mehr abhängig, weder von eigenen noch vom fremden Lob, man ist wie man ist und lebt es. Darum geht es in letzter Konsequenz und so stelle ich mir "ganze Menschen" vor. Es geht auch darum, das, wozu uns die Natur (der liebe Gott, was auch immer) gedacht hat, womit wir ausgestattet wurden, einzubringen in die Welt. Und jeder hat was anzubieten und hat seinen Wert für die Welt. Das zu spüren, fehlt uns einfach. Woher kommt das bloß? Nach meiner Analyse wusste ich zumindest sehr gut, wie ich aufgewachsen bin und geprägt wurde. Eigentlich hätte danach alles klar sein können- das Gefühl in dem ich aufwuchs, war verkürzt ausgedrückt: "Wenn du schon schon da bist und mir soviel Kummer machst, sei wenigstens lieb". Das ist sicher ein prima Nährboden für Depr., aber es erklärt nicht alles und diese Erkenntniss ändert zunächst auch nicht viel. Ich habe auf diese Umwelt eben auch so reagiert, wie es meinem Wesen entspricht, ein anderes Kind wäre vielleicht aggressiv geworden und später kriminell. Nein, es entspricht mir auch, melancholisch zu sein und seid ich das weiß und akzeptiere, bin ich mir selber sehr viel näher gekommen und es bedeutet keinesfalls, krank sein zu müssen! Das Kranke ist eher das eigene Nichtakzeptieren zum einen Teil und zum anderen .. Da fehlt noch etwas, was ich noch nicht verstehe, wie man das lösen kann, weil es ein Dilemma ist, es ist vielleicht das, was du mit dem Bösen meinst (wieso denn Firlefanz??): Wir haben eben auch unsere Wut, unsere Aggressionen und um uns wohl fühlen zu können, müssten wir auch mal "böse" sein dürfen und das erlauben wir uns nicht, weil es irgendwo unsere innersten Grundsätze verletzt. Also was tun? ich weiß es nicht, wie man diesen Spagat schaffen kann, weißt du es? Was hast du getan, als du dem Bösen in dir Raum geben wolltest und wie hat sich das angefühlt, aber vielleicht willst du das ja nicht erzählen? Ich glaube wirklich, wir leben in einem Dilemma und vielleicht müssen wir das eben einfach aushalten und uns entscheiden, ob wir uns das "Böse" erlauben, obwohl wir wissen, dass es "böse" ist oder wir laufen Gefahr, dass es sich gegen uns wendet. Ein schwieriges Thema und ich merke, da gleitet man auch leicht ins Philosophische ab und müsste dann das Forum wechseln. Mir würde noch jede Menge einfallen aber ich bin hier fürs Sonntagsessen zuständig und muss mich an die Arbeit machen. Dir und allen anderen einen schönen Sonntag! Thomas
Ninive
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von Ninive »

Lieber Thomas! Nicht abhängig sein von eigenem und fremden Lob ist ein guter Anspruch. Es wäre aber schon ein guter Anfang, wenn man sich Lob mindestens so zu Herzen nehmen würde wie die negative Kritik - die man sich im Übrigen oft ja selber interpretativ zusammenschustert. Ich meine: der Blick eines Passanten - von mir als abwertend interpretiert - kann als "Beiweis für meine Nichtsnutzigkeit" in der Intensität des Negativen das Positive eines lieben Gespräches mit einer Freundin überbieten: und das ist eine sehr unfruchtbare Eigentümlichkeit! Bevor man das Positive in den Vordergrund rückt würde es schon mal genügen, es als zumindest gleichwertig mit dem Negativen zu betrachten - und von dem Focus auf das Traurige usw. abzukommen. Das ist schon schwer genug. Dem Guten und Schönen mehr Raum geben. Ich weiss übrigens selber sehr gut, dass man ab einem Grad der Depression für Schönes absolut nicht mehr zugänglich ist. Meine Gedanken spielen daher mit dem Prophylaktischen: was kann man tun, damit es nicht so weit kommt. Damit meine ich nicht, dass man selber Schuld ist, wenn es passiert! Das Leben ist viel zu komplex für solche simplen Urteile. Es sind viele Faktoren, die sich beteiligen - und einer davon ist man selber. Und nur an dem kann man wirklich arbeiten. "Dann ist man nicht mehr abhängig, weder von eigenen noch vom fremden Lob, man ist wie man ist und lebt es. Darum geht es in letzter Konsequenz und so stelle ich mir "ganze Menschen" vor. " Du meinst den natürlichen Umgang mit sich und den anderen ohne die Verhältnisse dauernd abzuwägen - sich zu fragen, ob man akzeptiert ist oder nur geduldet - "geschätzt" kommt einem da selten in die Quere. Solche Sachen, oder? Ich glaube, wenn man erst einmal begonnen hat zu zweifeln kann man nicht mehr zurück. Die Frage muss sich allerdings nicht in den Vordergrund stellen wenn man mit Kritk an sich lebt - das ist mein Ziel. Ich glaube, man hat eine Naivität verloren - und die erlangt man nicht wieder. Aber: es geht mir nun um das Wort "akzeptieren". Es geht ja nicht um eine Akzeptanz die Stagnation bewirken könnte - darin sind wir uns sicherlich einig: Es geht darum, dass man Seiten an sich akzeptiert - auch wenn sie zu "verbessern" wären. Was ich damit meine: man hat einfach mehr Energie um an sich zu arbeiten, wenn man sie als "reparabel" akzeptiert. Der Mensch ist ja wandelbar. Perfekt muss man nicht sein und auch nicht werden- aber man kann Dinge ändern um sich dann besser zu fühlen: Sichtweisen zum Beispiel. Indem man lernt, auch aus anderen Winkeln zu schauen - neue Perspektiven werden so geöffnet. Darum geht es ja oft in den Gesprächstherapien. Man "ist" beispielsweise nicht ein Mensch mit Minderwertigkeitskomplexen. Man wurde dazu - aus Veranlagung und Geschichte - und kann sie auch wieder ablegen - hoffentlich. Oder die Akzeptanz des Bösen: Wenn ich sage, ich habe gelernt, das Böse in mir zu akzeptieren - so meine ich dies nicht in dem Sinn, dass ich morgens sage: "Hallo, ihr! Schön, Euch mal wieder zu sehen!" Ich akzeptiere sie insoweit, dass ich weiss, dass sie hier sind und daher dazu bereit bin, mit ihnen umzugehen. Ich akzeptiere ihr Hiersein als Voraussetzung dafür, mit ihnen umzugehen. Damit wären wir bei Deinen Worten: ".. es entspricht mir auch, melancholisch zu sein und seid ich das weiß und akzeptiere, bin ich mir selber sehr viel näher gekommen und es bedeutet keinesfalls, krank sein zu müssen! Das Kranke ist eher das eigene Nichtakzeptieren zum einen Teil und zum anderen .." Das Akzeptieren und zum anderen .. das damit umgehen - es als fliessend zu erkennen und nicht als starr - als wandelbar! Man ist nie mehr so jung wie heute! Und man ist nie in einem Alter, in dem man sich mit einer Sackgasse zufrieden geben müsste! Ein Freund von mir sagte einmal: "Man kann auch am Abgrund sehr tiefe Wurzeln schlagen". Wichtig ist, dass man sich kleine Ziele steckt. Das Nichtakzeptieren hat ja auch viel damit zu tun, dass man schon das Ende seiner Gedanken erreicht haben möchte und sich dann ewig den Kopf am eigentlichen Hindernis stösst - anstatt dieses zu bearbeiten. Eben habe ich mit einer meiner Freundinnen geredet. Es geht ihr gerade sehr schlecht und sie nahm sich eine Auszeit bei ihrer Mutter. Es sei schön für sie gewesen, sagte sie, dass ihre Eltern die Situation ernst genommen haben - auch ihr Vater. usw. sie hoffe, sie könne nächste Woche wieder arbeiten... Das ist es doch genau! Ich sagte ihr, es sei schön, dass ihre Eltern sie ernst nehmen - aber es wäre noch besser, wenn sie das selber auch tun würde. Drei Tage Auszeit bei einem Zusammenbruch, der seit vielen Monaten auf sich warten liess.. Aber das ist eine lange Geschichte und ich möchte hier nicht Persönliches "über andere" besprechen. Was ich meine: das Akzeptieren hat wirklich auch etwas damit zu tun, sich selber ernst zu nehmen. Ein Bauingenieur wird auch nicht ein Gebäude auf eine Ebene setzen, die dem Gewicht keine Basis bieten würde. Man kann natürlich irgendetwas darauf aufbauen - aber nur durch Akzeptanz und damit einhergehender Bearbeitung etwas Handfestes. "Ich glaube wirklich, wir leben in einem Dilemma und vielleicht müssen wir das eben einfach aushalten und uns entscheiden, ob wir uns das "Böse" erlauben, obwohl wir wissen, dass es "böse" ist oder wir laufen Gefahr, dass es sich gegen uns wendet. " Das Böse wird erst dann wirklich zum "Bösen" wenn es sich angestaut hat. Zuvor sind es Kleinigkeiten, die man mit Energieverlust auf sich nimmt. Beispielsweise mit Leuten zusammenkommen, die einem gar nichts bringen - wenn man sich selber gegenüber ehrlich ist. Die vielleicht "nett" sind, die aber aus ganz anderem Holz geschnitzt sind und einem nur Energie nehmen. Böse muss man da sein. Sich nicht mehr melden, absagen oder gleich ganz offen den Kontakt kündigen. Ich habe zwei solcher Kontakte gekündigt- und bin extrem froh! Oder: Zurückgeben, wenn man rücksichtslos angerempelt wird - und sich nicht noch dafür entschuldigen! Oder: nein sagen, wenn einem etwas aufgebrummt wird, für das man nun mal wirklich keine Zeit hat - oder auch wenn man Zeit hätte aber sie lieber anders verbringen würde, ja! Oder: offen nachfragen, wenn man etwas gehört hat, was einen verletzt - nachfragen, ob man richtig gehört und verstanden hat. Es sind viele Kleinigkeiten. Auch mal eine schlechte Tochter sein, weil man für sich selber Zeit haben will - oder seine eigenen Lebenspläne hat. Oft sind es Kleinigkeiten, die keinen Menschen scheren, wegen denen man sich aber früher Kummer und Stress bereitet hat. Weil man es allen "recht" machen wollte. Und man dann doch - durch die Negativfocusierung - überall sah, dass man "nicht genügte" - obschon man "besser ist als man eigentlich sein kann". Ich spreche ja hier von mir. Bei mir war das letztes Jahr sicher sogar extrem der Fall - steigernd. In den Monaten bevor der endgültige Fall kam habe ich sogar Situationen richtig gesucht, die gefährlich waren. Ich spreche vom Bösen, weil ich während einiger Tage - 3 Tage - das Böse in mir sich gegen mich wenden fühlte und erlebte. Ich spreche nicht von Suizidalität, obschon die zwanghaft vorhanden war. Das ist mir gut bekannt. Es war etwas anderes aber ich mag nicht darüber reden weil ich kotzen könnte beim blossen Gedanken daran. Eine schlimme Erfahrung aber eine gute Lehre. Das Böse laufend zulassen heisst nur, manchmal den Leuten links und rechts auf die Schuhe stehen, damit kein Stausee entstehen kann.
Nicht "gut sein" müssen. Nicht "genügen müssen" - und damit einher gehen soll die wirkliche Überzeugung, dass man einfach liebenswert ist! Auch wenn man nicht immer "bequem" ist - auch wenn man einmal unbequem ist, weil man seine Rechte auch geltend macht - und nicht nur seine "Pflichten". Nur schon deswegen, weil man andere Menschen die ebenso wenig perfekt sind wie man selber - weil man diese auch gerne hat!! Ich weiss nicht, ob es verständlich ist, was ich hier geschrieben habe. Aber ich lasse es mal so. Schönen Sonntagabend! Ninive
waltraut
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von waltraut »

Liebe Tina,wie geht es dir,bitte melde dich ,ich denke viel an dich! Hallo Ninive und Thomas,da habt Ihr ein interessantes Thema angefasst,das Böse. Ich finde Deinen Brief,Ninive,wieder sehr klar. Es geht uns bestimmt besser,wenn wir die bösen Gefühle in uns zulassen und uns nicht dafür verdammen.Das heißt ja nochlange nicht,daß wir auch böse handeln. Aber in dem Sinn,wie du es beschreibst,widerspenstig und mal nicht bis zur Selbstverleugnung entgegenkommend zu sein,tut uns - und den anderen - gut. Wenn wir nicht dauernd versuchen,Übermenschen zu sein,sind wir für uns und andere erträglicher. Und daß wir üben (das Wort hat Titanic in die Diskussion geworfen und ich find es sehr hilfreich!),den positiven Aspekten in unserem Leben mindestens genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie den negativen,ist ein wichtiger Hinweis. Im Augenblick beschäftige ich mich intensiv mit dem Gedanken,den Tina aufgeworfen hat: wie kann ich mehr Verständnis bei meiner Umgebung erreichen. Aber ich bin mir noch nicht ganz im Klaren. Euch allen eine gute Woche,Waltraut ist ein ganz wichtiges Argument.
Tina
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Beitrag von Tina »

Liebe waltraud! Es ist sehr lieb von dir,dass du nach mir fragst.Leider besitze ich momentan nicht die Kraft,mich konkret zu äußern.Wie durch einen Sog werde ich hinabgezogen in ein tiefes Loch,das all meine Sinne verschlingt.Dieses Leben ist einfach nicht mehr lebenswert für mich.Die Sehnsucht nach Frieden wächst von Tag zu Tag.Warum möchte man mich daran hindern von dieser Welt zu gehn,wenn ich doch glücklich sein könnte??? zwei lange Klinikaufenthalte und 5 verschiedene Medikationen haben nicht geholfen,ich quäle mich nur noch und bin unsagbar traurig......Ich wünsche dir alles Gute,Waltraud.
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Ninive, du hast wieder sehr viele interessante Gedanken übermittelt- so viele Ansätze, dass ich jetzt nicht recht weiß, wo ich einhaken soll. Ich habe beim Lesen auch gemerkt, dass der Begriff des "Bösen" so schwierig ist, weil wir beide sicherlich auch ganz verschiedene Vorstellungen damit verbinden. Aus dem Gelesenen glaube ich aber heraushören zu können, dass du unter dem "Bösen" alles Trennende verstehst, all das, was uns auf Distanz bringt. Das käme meiner eigenen Vorstellung ziemlich nahe und dann kann ich dir nur (wieder einmal) zustimmen: Wir müssen Distanz schaffen lernen und das auch nach außen deutlich zeigen, dass wir Distanz wollen. Früher hatte ich davor ziemliche Angst, Beispiel "Nein sagen" zu etwas, was man von uns will, was aber wir nicht wollen. Da gab es auch einfach verquere Befürchtungen in mir, was das für Konsequenzen haben könnte- so in der Art, ich würde den anderen dann verletzen. Aber das hat sich in den meisten Fällen als unbegründet erwiesen, die Leute verstehen das nämlich durchaus und Freunde sind nicht sauer, bloß weil ich mal keine Zeit hat, etwas für sie tun. Kurz und gut, man braucht nicht zu funktionieren wie ein Uhrwerk. Aber damit der Prozess des Umdenkens in die Gänge kommen konnte, musste ich erst einmal wieder lernen, meine eigenen Gefühle von Lust und Unlust überhaupt wahrzunehmen. Da war nämlich nicht mehr viel. Wenn eine Anforderung an mich gestellt wurde, war da zunächst ein dickes, fettes "JA ABER NATÜRLICH, GERNE DOCH!!!" und daneben ein kleiner, zarter Wunsch: ".. und du hast mich dann lieb dafür, gell?" Das war spürbar, aber das Gefühl, keine Lust zu haben, war nicht zu spüren. Ich halte das auch für einen zentralen Punkt, da ist Sehnsucht nach Liebe im Spiel. Aber den Spielgewinn bekommen wir so gut wie nie, den bekommt nämlich der andere, für den ich meine Energie gebe. Nur in guten Beziehungen fließt da was zurück. Sich von dieser Illusion zu trennen, dass man für die ganze Mühe Liebe bekommt, ist schwer aber absolut unvermeidlich. Das bedeutet Verzicht auf die Hoffnung, doch noch zu bekommen, was einem früher vorenthalten wurde und Anerkennen, dass das vorbei ist und nun ruhen kann. Das war bei mir der schmerzlichste Schritt. Ich habe es, glaube ich, schon mal irgendwo im Forum geschrieben, aber es gehört hier noch mal her: Meine Therapeutin sagte mal zu mir:"Sie hatten weder eine gute Mutter, noch einen guten Vater, daran ist nun nichts mehr zu ändern, wir können es nicht nachholen. Jetzt müssen Sie sich selber Vater und Mutter zugleich sein." Ich fand das damals absolut nicht akzeptabel und konnte mir auch nicht vorstellen, woher ich diese Gefühle nehmen sollte. Inzwischen habe ichs aber kapiert. Ich wollte noch mal auf die Idee von dir zurückkommen, hier mit einer Liste zu beginnen, was Depr. falsch machen. Ich finde das nämlich eine ziemlich gute Idee. Erstens hilft es einem selber und zweitens erkennen sich die anderen des Forums vielleicht darin wieder. Am besten mit einem neuen thread, oder? Wenn du willst, fang an damit, sonst mach ich es. Lieber Gruß an dich, Ninive. Thomas
waltraut
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Depression vs. normale Tiefs

Beitrag von waltraut »

Lieber Thomas,entschuldige,wenn ich mich da einschalte. Sag bitte,wenn es dir nicht paßt. ich hab so ein ungutes Gefühl bei dem Vorschlag,eine Liste zu machen mit dem,was der Depressive falsch macht. Denken wir nicht sowieso,daß wir alles falsch machen,sind wir nicht sowieso unsere schärfsten Kritiker?Vielleicht gäbe es eine Reihe von Eigenschaften oder Verhaltensweisen,die wir haben ,wie du sie ja selbst aufgezählt hast,die wir nur in die richtigen Bahnen lenken müßten,z.B.die Sensibilität gegenüber anderen auch auf uns selbst anwenden u.a.? Herzlichen gruß Waltraut Liebe Tina,ich wünsche dir ,daß du das kleine Fünkchen Lebensmut in dir wieder spüren kannst,das dir sagt,daß es so nicht bleiben wird,daß es wieder Tage geben wird,an denen du gerne lebst.Aber ich weiß auch,daß jetzt kein Wort wirklich helfen kann. Es muß und wird aus dir selbst wieder erwachsen. Ich denke an dich,Waltraut
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Waltraut, ja, mir war auch etwas mulmig, als ich die Worte "falsch machen" schrieb. Aber ich dachte, aus dem Kontext wäre klar, worum es geht. Nicht um Fehler, die wir machen sondern um Verhalten, mit dem wir die Depr. immer wieder nähren. Neben der inneren Arbeit auch außen daran mitzuwirken, dass uns die Mitmenschen irgendwann auch anders einschätzen lernen und z.B. nicht automatisch die unerledigte Arbeit auf den Schreibtisch knallen, weil sie wissen, der machts ja.. Ich meinte nicht Selbstkritik, ich meinte Selbstbe(ob)achtung. Wenn ich dich "schon mal dran habe", ich lese immer sehr gerne, was du schreibst! Dir einen lieben Gruß Thomas
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Tina, ein Gruß von mir an dich... Thomas
Tina
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Beitrag von Tina »

Ihr seid alle so unglaublich lieb... DANKE!!!!! Eure Tina. Ps:schlaft schön...
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