Abgrenzen

Knöpfchen
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Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

Hab da jetzt mal ne Frage, die mich schon lange beschäftigt und ich keine wirkliche Antwort darauf finde.

Es wird immer wieder erklärt - auch hier von vielen, die versuchen das umzusetzen - dass es einem hilft, sich abzugrenzen.

Dabei habe habe ich jetzt ein Problem. Wie soll das denn nun wirklich funktionieren?

Wenn ich mich zuviel für andere einsetze, zu viel für andere denke oder mir zuviel Sorgen um die Probleme anderer mache, wird mir das zuviel und/oder es zieht mich runter. Soweit, sogut. Nun wird mir empfohlen mich abzugrenzen, d.h. die Sorgen und Probleme anderer nicht mehr an mich ran zu lassen, mich auf mich selbst zu konzentrieren, mir etwas Gutes tun und das mit gutem Gewissen.

So. Nun setze ich das um, mir geht es dadurch besser, weil ich mich von den Sorgen der anderen "befreit" habe. Aber für mich ist das gleichzusetzen mt Egoismus. Es bin nur noch ich interessant und die anderen haben damit klar zu kommen, dass sie mir nun einfach egal sind. Dass es mich nicht (mehr) interessiert wie es ihnen geht, denn ich muss mich ja von ihnen abgrenzen, damit es MIR gut geht.

Ich finde das nicht fair. Damit erwarte ich doch von den anderen, dass alle damit klar kommen, dass es schließlich MIR gut gehen muss. Wie es ihnen geht, ist ja ihr Problem.

In Zeiten in denen es mir schlecht ging, war ich doch auch froh darüber, dass es Leute gab, die dafür Verständnis hatten und sich für mich interssierten, für mich da waren. Wenn die sich auch abgegrenzt hätten, was dann? Wie hätte ich mich dann gefühlt? Wen hätte ich dann gehabt? Ich habe dabei das Gefühl als würde ich sagen: War schön, dass ihr da wart als es mir schlecht ging, aber jetzt geht es mir besser und ich habe festgestellt, dass ich mich von euch abgrenzen muss, damit es auch so bleibt. Tut mir also leid, dass ihr mir jetzt egal seid wenn es euch schlecht geht, aber ich muss das tun, damit es MIR gut geht und das ist mir wichtig, denn es ging mir ja lange genug schlecht.

Versteht jemand meine verdrehten Gedanken? Ich finde es einfach unfair - eben egoistisch - und deshalb kann ich es nicht. Okay. Mich nicht ZU viel einhängen ist ja klar, denn daran gehe ich kaputt. Aber nicht mehr an mich ran lassen? Ich kann doch nicht von anderen etwas erwarten, wozu ist selbst nicht bereit bin es zu tun?

Ich versteh es einfach nicht!

LG Knöpfchen
ndskp01
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Re: Abgrenzen

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Knöpfchen,

ich finde, dass sich abzugrenzen überhaupt gar nix mit Egoismus zu tun hat. Beim Shiatskurs war das ein wichtiges Thema: Wir haben erst eine Meditationsübung gemacht, um ganz zu uns selbst zu kommen, bevor wir uns dem Partner zugewendet haben. Wenn ich mich nicht abgrenzen kann, spüre ich auch nicht, was der andere braucht.
Es ist ja nicht gemeint, dass du dich in deine Monade zurückziehen sollst (Philosophiestudenten wissen: Monaden haben keine Fenster, durch die etwas hinein oder hinauskommen könnte...). Vielmehr geht es darum, bei sich zu sein, bevor man sich bewusst wieder der Umwelt zuwendet. Achtsamkeit erfordert als ersten Schritt die Achtsamkeit gegenüber sich selbst.
In diesem Sinne,
mach dir ein gutes Gewissen: Wenn du dir etwas Gutes tust nützt das auch deiner Umwelt.
Puk
BeAk

Re: Abgrenzen

Beitrag von BeAk »

Liebe Knöpfchen,

wer ist denn für die Lösung Deiner Problem zuständig, Du oder andere die Dir zuhören?

Man kann einen Menschen zuhören, wie er seine Probleme schildert, ihm Anteilnahme zeigen und trotzdem die Probleme bei dem lassen, dem Sie gehören.
chrigu
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Re: Abgrenzen

Beitrag von chrigu »

Hallo Knöpfchen,

in genau diesem Dilemma habe ich auch lange gesteckt! Mittlerweile sehe ich das etwas anders, aber da steht ein langer Entwicklungsprozess dahinter.

Vielleicht hilft Dir für den Anfang der Vorschlag, den PUK auch schon gemacht hat. Stell Dir folgendes vor: Wenn Du gut zu Dir bist, dann geht es Dir gut. Dann kannst Du auch für andere da sein.

Außerdem kannst Du für Dich an der Definition von "abgrenzen" feilen, das finde ich sehr wichtig. Abgrenzen heißt für mich nicht gleich, dicht zu machen und für niemanden mehr da zu sein. Man kann durchaus helfen, zuhören und unterstützen und sich trotzdem abgrenzen. Man kann sich auch in jemanden hineinversetzen und mitleiden, aber sich trotzdem abgrenzen.

Ich glaube, die anderen haben Dir damals deshalb gut helfen und zuhören können, eben weil sie sich abgrenzen konnten!

Abgrenzen könnte doch für Dich erstmal heißen, dass Du innerhalb Deiner Möglichkeiten für andere da bist. Dich also nicht aufopferst, bis Du zusammenbrichst (davon hat nämlich niemand etwas), sondern so weit hilfst, wie es Deine Energie und Deine Kräfte zulassen.

Eigentlich hast Du des Rätsels Lösung ja auch schon selbst geschrieben: Sich nicht ZU viel reinhängen. Das ist schon genau das, was Abgrenzung ausmacht! Es heißt nämlich, dass Du Deine Grenzen kennst und weißt, wo das "zu viel" beginnt. Was darüber hinausgeht, ist schädlich für Dich und somit keine Hilfe für den anderen.

Ich habe mich auch lange damit schwer getan, "egoistisch" zu sein und auch mal nur an mich zu denken. Das lag aber ebenfalls an der Definition. Mittlerweile habe ich egoistisch für mich selbst neu und anders definiert und weiß auch, dass es Dinge gibt, bei denen ich primär an mich denken MUSS. Das fällt mir auch oft noch schwer, aber andererseits merke ich auch, dass es mir gut tut.

Probiere es einfach aus und nenne es dabei nicht "egoistisch", sondern "für mich".


Chrigu
Dendrit
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Dendrit »

Hallo Knöpchen,

mir fällt auch noch ein, dass manche es auch "gesunden Egoismus" nennen. Weißt Du, wer durch und durch egoistisch ist und lautstark das auch wissen lässt? Säuglinge bzw. Babys. Sie sind hilflos und brauchen jemanden, der ihre Grenzen bestätigend erfüllt. (Ich vermut, es gibt hier so manchen Vater und manche Mutter, die darüber ein Liedchen singen kann.) Wir sind erwachsen und können (sollten) für uns selbst eintreten. Aber manchmal braucht man/wir Hilfe, das überhaupt zu sehen. Innerlich kann schon alles schreien, aber man/wir nehmen das nicht war, verdrängen es womöglich.

Diese Veranschaulichung einer Bekannten (also nicht meine Idee!), die in einer Psychiatrie arbeitet (Sekretärin), half mir, das Wort "Egoismus" akzeptabel zu machen - mit dem Wörtchen "gesund" davor.

LG, Manuela
Knöpfchen
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

Danke für eure Antworten!

@ Chrigu
Es beruhigt mich schon mal, dass es mir nicht allein so geht!

@ All
Trotzdem krieg ich das alles zusammen immer noch nicht unter einen Hut.

Eines meiner Probleme dabei ist, dass ich die Angewohnheit habe - auch in allen andern Dingen, nicht nur in dieser Hinsicht - mich in die Lage des anderen zu versetzen. Ich stelle mir vor wie ich empfinden würde, wenn die Situarion umgedreht wäre. Dann bemühe ich mich, mich so zu verhalten, wie ich es auch gerne hätte. Da ich damit bisher immer gut gefahren bin, möchte ich diese Angewohnheit auch nicht ändern.

Ich will mal das Beispiel von Manuela aufgreifen. Okay.
Zuerst die Situation des Kindes:
Ich bin ich kleines Kind und fordere lautstark Hilfe. Diese bekomme ich auch was mir gut tut und mir auch mit hilft größer - erwachsen - zu werden. Dessen bin ich mir allerdings in diesem "Stadium" nicht bewußt. Nun bin ich der Teenie, der erwachsen ist/wird, also auf eigenen Füßen steht und die Hilfe nicht mehr braucht. Dadurch wird mir bewußt, dass auch die Mutter manchmal nach Hilfe "schreit". Vorher - als Kind - habe ich das nicht gesehen und hätte ihr auch nicht helfen können, denn es hätte meine Fähigkeiten und Kräfte überstiegen. Jetzt kann ich es, denn ich bin ja erwachsen. Aber ich bin ja viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt um das zu tun, denn ich muss ja auf mich selbst achten und mir Gutes tun. Genießen, dass ich endlich erwachsen bin.

Nun die Sicht der Mutter:
Es hat mir Freude gemacht, für mein Kind da zu sein, mich zu bemühen ihm zu helfen erwachsen zu werden. Nun ist es soweit, es steht auf eigenen Füßen. Ich freue mich mit ihm, denn das war ja das Ziel, das wir gemeinsam angestrebt haben. Da mein Kind jetzt erwachsen ist wird es bestimmt erkennen, dass ich auch Bedürfnisse habe und ist mir sicher auch gerne dabei behilflich. Darauf freue ich mich, denn wir können endlich beide füreinander da sein. Es ist kein einseitiges Verhältnis mehr, sondern ein Miteinander. Aber nein, es ist so, wie fast alle jungen Leute heute - es ist nur noch mit sich selbst beschäftigt und vergisst, dass es da auch mal ne Mutter gab...

Genau da liegt mein Problem. Ich selbst habe zwar keine Kinder, kenne aber viele Eltern und weiß deshalb, dass es genau das ist, was ihnen weh tut. Deshalb will ich nicht so sein!

LG Knöpfchen
feuerfisch
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Re: Abgrenzen

Beitrag von feuerfisch »

Hai Knöpfchen

Du willst also geben....und immer nur geben?

Nein, du möchtest auch nehmen!
Aber du möchtest nur das nehmen was auch freiwillig gegeben wird.

Gut, das kenne ich auch.

Aber inzwischen habe ich auch noch etwas anderes erkannt:

Zum Einen muss doch erst einmal ICH wissen was ICH gerne möchte - und muss das den Anderen auch mitteilen

Und zum Anderen gibt es auch schlicht und einfach Menschen die über die Bedürfnisse von anderen hinweg gehen - diese muss man dann daran erinnern das es auch noch andere Menschen auf der Welt gibt

Stimmst du mit mir darin überein das das noch nichts mit Egoismus zu tun hat?

OK, dann machen wir einmal weiter....
Ich habe ein Bedürfnis; sagen wir einmal das ich mir dein Bügeleisen ausleihen möchte.
Du hattest aber geplant das du ausgerechnet heute auch büglen mußt.

Da haben wir nun zwei (zugegebenermassen recht schlichte) Bedürfnisse die einander widersprechen.
Klar, nun wäre eine Möglichkeit das du verzichtest und mir das Bügeleisen leihst.....
Oder ich verzichte.....

Oder aber wir reden miteinander und versuchen unsere Bedürfnisse aufeinander abzustimmen.
Siehe da, ich brauche das Bügeleisen nur um eine Bluse zu bügeln, die ich für ein Vorstellungsgespräch anziehen möchte.
Du hingegen hast einen ganzen Berg voll Wäsche!
Ganz einfach: ich schnapp meine Bluse und bügel sie kurz bei dir.

Zugegeben, das war ein sehr einfaches Beispiel das auch eine einfache Lösung hat.
Aber trotzdem zeigt es doch etwas auf: auch wenn wir unsere eigenen Interessen vertreten heißt es noch lange nicht das wir Egoisten sein müssen.

Die Zwischenmenschliche Sache, die du da ansprichst ist natürlich wesentlich schwieriger.

>>>So. Nun setze ich das um, mir geht es dadurch besser, weil ich mich von den Sorgen der anderen "befreit" habe. Aber für mich ist das gleichzusetzen mt Egoismus. Es bin nur noch ich interessant und die anderen haben damit klar zu kommen, dass sie mir nun einfach egal sind. Dass es mich nicht (mehr) interessiert wie es ihnen geht, denn ich muss mich ja von ihnen abgrenzen, damit es MIR gut geht.<<<

Ich glaube da sprichst du an dass du dich nicht gut von den Problemen anderer abgrenzen kannst - und dementsprechend sie zurückweist wenn sie dir zu viel zumuten.

Ich glaube das hier das Mass der Dinge entscheidend ist. Wenn dein Einfühlungsvermögen so groß ist das du die Probleme anderer übernimmst, so ist diese Zurückweisung eine sehr gesunde Sache. Und das nicht nur für dich!
Wenn ich merke das ich jemand anderen überfordere mit meinen Problemen, so bin ich still, bzw lenke das Gespräch auf andere Dinge. Denn ich fühle mich nicht wohl dabei jemand anderen über dessen Grenzen zu belasten....selbst wenn der-/diejenige seine eigenen Grenzen nicht wahrnimmt.
Spüre ich dessen Grenzen jedoch nicht und es geht demjenigen dann durch mich schlecht, so mache ich mir Vorwürfe......und wäre verflixt dankbar dafür gewesen, wenn derjenige mir ein eindeutiges STOPP gezeigt hätte.

Du siehst, es ist nicht nur Schutz für dich, sondern auch Schutz für andere.

Allerdings muss ich nun auch ganz ehrlich zugeben das ich meine eigenen Grenzen nicht kenne - und dadurch auch viel zu oft darüber weg gehe. Das sieht bei mir nur ein wenig anders aus als bei dir, bei mir resultiert das in Überforderung hinsichtlich Leistung, vor allem beruflicher.
Was hat es gebracht?
Nun, anstatt noch meinen Beitrag zur Arbeit zu leisten bin ich für ein Jahr in EU-Rente.....
Also eine Last für meine Kollegen, durch den Ausfall.

Was wäre besser?
Meine Grenzen zu achten, auch mal etwas zurück zu weisen und weiterhin leistungsfähig zu sein - oder über jede Grenze hinweg zu gehen und dafür dann auszufallen?

Aber ich finde es schon sehr gut wenn du deine Grenzen wenigstens kennst und dich entscheiden kannst was du noch erträgst und was nicht. Da bin ich noch lange nicht angelangt.

Liebe Grüße

feuerfisch
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
Knöpfchen
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo Feuerfisch!

Du sprichst viele Gedanken an, mit denen ich völlig einig gehe, in denen ich mich wieder erkenne.

Falls dir aber manche Gedanken von mir etwas „verwirrt“ erscheinen, möchte ich erst noch kurz was erklären. Ein ganz lieber Mensch der mir sehr nahe steht hat (für mich von heute auf morgen) erkannt, dass er sich abgrenzen muss und mich deshalb dieses Thema auch von der „anderen Seite“ selbst (be)trifft. Da das ganz frisch ist, ist das auch mit der Grund, warum ich Probleme habe, das Chaos an Gefühlen und Fragen in die richtigen Worte zu kleiden. Was aber auch nicht heißt, dass sich alles auf meine momentane Situation bezieht!!

Jedenfalls möchte ich zum einen verstehen, warum „man“ mit mir so umgeht und zum anderen wissen, ob ich das auch tun müsste/sollte bzw. könnte. Obwohl mir das von fachlicher Seite aus noch nicht nahe gelegt worden ist.

Wenn ich nun darauf eingehe, wie „man“ mit mir umgeht, passt genau dein Beispiel mit dem Bügeleisen. Genau so – bilde ich mir ein – müsste man diese Sache angehen. Miteinander darüber reden, so dass eine Lösung gefunden werden kann, mit der beide Seiten klar kommen. Dass beide Verständnis für den anderen haben können, weil sie jeweils wissen, was in dem anderen vorgeht. Ist das zu blauäugig gedacht?

Vllt habe ich ja auch eine falsche Vorstellung davon, was Abgrenzung bedeutet oder wann sie nötig ist.

>>Wenn dein Einfühlungsvermögen so groß ist das du die Probleme anderer übernimmst, so ist diese Zurückweisung eine sehr gesunde Sache<<

Dass es nicht gut tut, wenn ich die Probleme anderer übernehme und deshalb Zurückweisung eine Lösung ist, ist klar. Aber ist das fair? Da bin ich wieder an meinem Punkt: Wie würde ich denn empfinden, wenn ich mich an eine Person meines Vertrauens wende und diese mich abweist, weil sie zuviel Einfühlungsvermögen hat? Da ich selbst ein Mensch bin, dem es sehr schwer fällt, sich jemand anzuvertrauen weiß ich, dass mich selbst das sehr verletzen würde. Ich würde mich verstoßen fühlen, denn das Vertrauensverhältnis ist ja nicht über Nacht entstanden. Also bringe ich es nicht fertig, selbst so zu handeln. Wäre es denn dann nicht eher an mir zu lernen, die Probleme anderer nicht zu übernehmen, als den anderen vor den Kopf zu stoßen und damit mein Problem zu seinem zu machen?

>>Denn ich fühle mich nicht wohl dabei jemand anderen über dessen Grenzen zu belasten....selbst wenn der-/diejenige seine eigenen Grenzen nicht wahrnimmt. Spüre ich dessen Grenzen jedoch nicht und es geht demjenigen dann durch mich schlecht, so mache ich mir Vorwürfe......und wäre verflixt dankbar dafür gewesen, wenn derjenige mir ein eindeutiges STOPP gezeigt hätte.<<

Genau so bin ich auch. Um zu verhindern, dass es dem anderen schlecht geht, muss ich eben wissen, ob und wenn ja womit ich dafür verantwortlich bin. Das geht aber nur, wenn er mir das sagt damit ich mein Verhalten ändern kann, bevor es zu spät ist! Denn dadurch würden wir uns wiederum beide gegenseitig helfen.

>>Das sieht bei mir nur ein wenig anders aus als bei dir, bei mir resultiert das in Überforderung hinsichtlich Leistung, vor allem beruflicher. Also eine Last für meine Kollegen, durch den Ausfall.<<

Damit sind wir bei dem Punkt, der mir einfach nicht klar ist. Wie gesagt, von fachlicher Seite aus ist mir noch nie nahe gelegt worden, mich abzugrenzen. Allerdings von dem Menschen, der es nun selbst tut. Bei mir entsteht dadurch eine Frage: Sieht er es nur so, weil er selbst in dieser Lage ist, oder ist es so? Gut. Ich bin ein Mensch der sich gern und viel einsetzt. Aber eben gern, ich empfinde es nicht als Belastung. Das ist sowohl in der Arbeit so, als auch im zwischenmenschlichen Bereich. Ich nehme die Probleme der anderen nicht „mit heim“, mache sie also nicht zu meinen. Natürlich kommt es vor, dass es mir zuviel wird, denn ich bin ja „nur“ ein Mensch. Aber es ist nicht so, dass dieses Zuviel-Werden anhält. Es sind halt Zeiten, in denen zu viel zusammen kommt. Folglich sehe ich keinen Grund, mich abzugrenzen. Darunter verstehe ich nämlich, mich nicht mehr einzusetzen. Den Leuten nicht mehr zuzuhören. In Kur zu gehen, oder 3 Wochen am Stück in Urlaub und die Arbeit liegen lassen – zu Lasten des Chefs, denn Kollegen gibt es nicht. Dabei hätte ich aber ein total schlechtes Gewissen, weil ich es unbegründet finde. Ist es das wert? Warum soll ich es an anderen auslassen, wenn es doch nur vorübergehend ist? Wenn eine Woche Urlaub auch reicht? Habe ich eine falsche Vorstellung von Abgrenzung? Wann muss sie wirklich sein??

*Grübel*

LG, Knöpfchen
eligeo71
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Re: Abgrenzen

Beitrag von eligeo71 »

Knöpfchen


"Ein ganz lieber Mensch der mir sehr nahe steht hat (für mich von heute auf morgen) erkannt, dass er sich abgrenzen muss und mich deshalb dieses Thema auch von der „anderen Seite“ selbst (be)trifft."

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es durchaus anstrengend sein kann mit jemandem der meint, sich immer in den anderen einfühlen zu müssen/können. Das kann für mich grenzüberschreitenden Charakter annehmen, weil niemand genau wissen kann, was ich in einer bestimmten Situation denke und fühle.
Wenn nun jemand so tut als wüsste er genau was in mir vorginge und versucht mir Worte in den Mund zu legen (wenn auch unbewusst oder aus reinem 'helfen wollen' heraus), dann hat er meine Grenze überschritten.


"Ich bin ein Mensch der sich gern und viel einsetzt."

Warum? Nicht dass ich darüber urteilen wollte, aber woher dieses Bedürfnis?

Und wenn sich jemand gern und viel einsetzt, dann nimmt er bewusst das Risiko in Kauf, dass sein Einsatz auch mal als Einmischung in 'Das geht dich nichts an!' - Angelegenheiten gesehen wird. Auch gibt es viele Menschen, die nur schlecht Hilfe annehmen können. In beiden Fällen können die Reaktionen ernüchternd ausfallen.

Ich plädiere nicht für 'wilden' Egoismus, aber eine gesunde Portion davon darf und sollte es schon sein. Wenn ich gut für mich sorge, dann kann ich auch meinen Mitmenschen Gutes tun (so sie es denn wollen).

LG, Rainer
Ich bin der Mensch, welcher mein Leben entscheidet!
Knöpfchen
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo Rainer!

>>Und wenn sich jemand gern und viel einsetzt, dann nimmt er bewusst das Risiko in Kauf, dass sein Einsatz auch mal als Einmischung in 'Das geht dich nichts an!'<<

Da hast du Recht und es ist auch gut gemeint von dir, mich darauf aufmerksam zu machen. Die Sache ist die, dass ich mich nicht unaufgefordert einsetze, sondern wenn ich um etwas gebeten werde. Z.B. Ausfüllen von Formularen; Fahrten, wenn kein Auto vorhanden ist; Übersetzungshilfe, da ich eine Fremdsprache spreche; im Beruf etc.

Mich unaufgefordert anzubieten versuche ich tunlichst zu vermeiden, weil ich das selbst nicht mag und wie gesagt, ich bemühe mich so zu handeln, wie ich behandelt werden möchte. Falls ich den Eindruck habe, dass sich mein Gegenüber nur nicht fragen traut, biete ich ihm die Möglichkeit (m)einer Hilfe an, warte dann aber die Reaktion ab. Aufdrängen tu ich mich nicht.

Bei dem ersten Teil deines Beitrages versteh ich leider nicht ganz, was du damit sagen willst.

LG Knöpfchen
Knöpfchen
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

Also ich hatte heute Gelegenheit, mit meinem Thera das Thema zu besprechen. Das hat mir ganz gut getan denn es hat mir gezeigt, dass ich mit meiner Meinung gar nicht so falsch liege.

Abgrenzen heißt nicht, den Kontakt einzuschränken oder gar abzubrechen. Es heißt auch nicht, mit anderen nicht über deren Probleme zu reden. Es heißt, die Probleme nicht zu den eigenen zu machen. Sich also gegenüber der Probleme anderer abzugrenzen.

Sicher ist das für jemand, der damit ein Problem hat, nicht gerade einfach. Stelle ich mir jedenfalls nicht einfach vor.

Bis jetzt bin ich selbst, was mich betrifft, immer noch der Meinung, dass ich das nicht tue, mich also nicht abgrenzen muss. Werde das aber wohl die nächste Zeit etwas genauer beobachten.

LG, Knöpfchen
Charlie66
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Charlie66 »

Hallo Knöpfchen,

eingangs schreibst du,

„Wenn ich mich zuviel für andere einsetze, zu viel für andere denke oder mir zuviel Sorgen um die Probleme anderer mache, wird mir das zuviel und/oder es zieht mich runter.“

In diesen Zeilen liegt doch schon „ein zuviel“ an Energie von dir einzubringen, die du sicherlich dringend für dich benötigst.

In der Vergangenheit habe ich genau das getan, mir zuviel Sorgen gemacht, mir zu häufig zuviel Gedanken um Probleme anderer gemacht. Heute weiß ich, dass die meisten Menschen davon Energiestaubsauger waren.

Das heißt ja nicht, dass ich kein Ohr mehr für ihre Probleme habe. Aber ich habe festgestellt, dass diese Menschen (auch im familiären Bereich) an einer Problemlösung nicht wirklich interessiert waren. Sie wollten sich einfach nur bei mir ausko…..

Davor versuche ich mich heute zu schützen und abzugrenzen.

Auch in meinem Umfeld gibt es einen mir ganz nahe stehenden Menschen, welcher mich die letzten 2 Jahre wahnsinnig in der Bekämpfung meiner Krankheit unterstützt hat.

Nun ist dieser Mensch aber vor einigen Wochen selber in eine schwierige Situation geraten. Brauchte Ruhe und die eigenen Kraftreserven für sich selbst. Dieser Mensch hat mir mitgeteilt, „ich hab jetzt keine Lust mehr, mit dir zu reden“

Ich wusste um dessen Situation, also hab ich mich nicht verletzt oder zurückgewiesen gefühlt. Ich musste eher über die Wortwahl lachen, weil dieser ziemlich missglückt war, mir mitzuteilen, „ich kann nicht mehr“.

Mit den Worten „ruf mich an, wenn du mich brauchst“ bin ich gegangen. Diese Sensibilisierung im Umgang mit Anderen hilft mir, die Grenzen anderer klar zu erkennen und zu respektieren.

Aber genauso kann man vom Anderen das selbe erwarten – nämlich die eigenen Grenzen zu respektieren. (so viel zu den zwischenmenschlichen Beziehungen aus meiner Perspektive)

Also reden ist eine ganz tolle Sache, wenn man das Kind mal beim Namen nennt.

Leider habe ich das in anderen Dingen wie im Arbeitsleben in der Vergangenheit auch nicht geschafft, den anderen Grenzen zu setzen. Das hatte zur Folge, dass ich heute genau dort bin, wo sich Feuerfisch befindet.

Die meisten Menschen in meiner Umwelt haben nur allzu gern Belastungen abgegeben. Und die meisten davon hatten ein unheimliches Talent, mein Helfersyndrom in mir zu wecken. Also immer rauf auf meine Schultern…..

Mittlerweile bin auch ich pensioniert (hoffentlich nur kurzfristig) und meine Leistungsgrenze liegt derzeit bei max. 2 h. Diese Erkenntnis kann mich schon mal heftig zur Verzweiflung bringen und mich in eine depressive Phase stürzen.

Heute versuche ich mich jedes Mal zu hinterfragen, - hab ich genug Kraft, dies oder das zu übernehmen? – (Gelingt mir nicht immer und überschätze mich da noch häufig) Aber ich kann heute schon gelegentlich eingestehen (auch vor mir selbst) „dass schaffe ich heute nicht“ und dies dann auch den Menschen mitzuteilen, die gerade fordernd oder hilfesuchend vor mir stehen.

Fazit: Kein Egoismus (lediglich ein gesunder) sonder Selbstschutz, um wieder in´s gesunde Leben zurück zu finden. Aus meiner Sicht geht da kein Weg dran vorbei und auch ich hab diesbezüglich noch einen langen Entwicklungsprozess vor mir.

Liebe Grüße

Charlie
Wenn der Tag nicht dein Freund ist, so ist er dein Lehrer
Cookie
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Cookie »

Hallo Metze,
hast du schon mal darüber nachgedacht, warum du es so gut findest, so zu sein, wie du bist?
also, ich nehm mal die Beispiele, die du genannt hast: Wenn jemand niemanden findet, der ihn irgendwohin fährt, nimmt er den Bus...oder er nimmt es als Ansporn, endlich den Führerschein zu machen und sich ein Auto zu kaufen. Das steigert sein Selbstbewusstsein und er kann seinerseits jemanden irgendwo hin fahren.
Jemand kann seine Anträge nicht ausfüllen. Er hängt sich rein und lernt es, fragt dich vielleicht, aber du tust es nicht für ihn, also lernst er es, gewinnt ein Stück Selbstständigkeit und kann sich in einer späteren Situation selbst helfen.
Dein Chef lässt dich drei Wochen am Stück in Urlaub, du kommst erholt und aufgetankt zurück und kannst viel mehr leisten und bist viel kreativer als wenn du nur ein einwöchiges Päuschen gemacht hättest. Merkst du was?

Ich habe bei mir und auch bei meiner ebenfalls depressiven Freundin festgestellt, dass wir uns liebend gerne um die Probleme anderer kümmern, um
1)keine Zeit für unsere eigenen zu haben
2)uns gebraucht vorkommen, damit wir uns nicht so nutzlos fühlen
3)endlich geliebt zu werden

Also ich finde, klar ist es ok, jemandem mal zu helfen, aber bitte in Maßen und versuch mal herauszufinden, woher es kommt, dass du diese Tugend so hochhältst.
Bei mir ist es so, dass ich als Kind immer von meiner Mutter gehört habe, mein Vater sei egoistisch und ich wollte NIE so sein wie er, also war egoistich für mich immer sehr negativ belegt. Inzwischen ist es für mich ein neutrales Wort so wie essen und trinken. Gehört dazu, muss man sein, wenn man überleben will. Ist jeder und darf man auch. Nur nicht übertreiben.
Grüße
luna
Knöpfchen
Beiträge: 192
Registriert: 22. Jul 2007, 21:55

Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

>In der Vergangenheit habe ich genau das getan, mir zuviel Sorgen gemacht, mir zu häufig zuviel Gedanken um Probleme anderer gemacht. Heute weiß ich, dass die meisten Menschen davon Energiestaubsauger waren. ... Aber ich habe festgestellt, dass diese Menschen an einer Problemlösung nicht wirklich interessiert waren. Sie wollten sich einfach nur bei mir ausko….. Davor versuche ich mich heute zu schützen und abzugrenzen.<

Darf ich fragen, wovor du dich versuchst abzugrenzen? Davor, dass man dir seine Sorgen erzählt, oder davor, dass du dir darüber zuviel Gedanken machst, bzw. Problemlösungen anbietest? Kann es nicht sein, dass sie gar nichts davon wussten dass du dir so viele Gedanken und Sorgen machst um eine Problemlösung zu finden, weil sie tatsächlich gar keine wollten? Vllt hätten sie sich ganz anders verhalten, wenn sie es gewusst hätten, dass es dich belastet? Hätten sich vllt anders ausgedrückt, oder dir manches lieber gar nicht erzählt?

>hast du schon mal darüber nachgedacht, warum du es so gut findest, so zu sein, wie du bist?<

Die Beispiele dafür, was ich für andere tue habe ich deshalb aufgeführt, weil sie mir gegenüber als Grund genannt wurden, warum ich mich abgrenzen sollte. Lernen sollte, „nein“ zu sagen.

Ist das das Gleiche?? Abgrenzen und „nein“ sagen?

>Dein Chef lässt dich drei Wochen am Stück in Urlaub, du kommst erholt und aufgetankt zurück und kannst viel mehr leisten und bist viel kreativer als wenn du nur ein einwöchiges Päuschen gemacht hättest. Merkst du was?<

Mein Chef würde mich jederzeit 3 Wochen in Urlaub gehen lassen. Das Problem ist nur, dass es keine Vertretung gibt und viele Termine von Papa Staat vorgeschrieben werden, die man genau einhalten muss (Steuer, Kassenbeiträge etc.) Eine Vertretung extra dafür einzuarbeiten, damit ich in Urlaub gehen kann macht aber auch keinen Sinn. Was tut sie wenn ich da bin? Für 2 ist nicht genug Arbeit da, ich arbeite ja schon nur halbtags. Bis sie dann wieder zum Einsatz käme, hat sie zum einen wieder die Hälfte vergessen und zum anderen haben sich die Vorschriften und Gesetze wieder geändert.

>2)uns gebraucht vorkommen, damit wir uns nicht so nutzlos fühlen 3)endlich geliebt zu werden<

Genau das trifft den Nagel auf den Kopf!!
Dieses Problem verfolgt mich von Kindesbeinen auf, denn schon meine Mutter hat mir laufend zu verstehen gegeben, dass ich unmöglich bin und alles falsch mache. Da ich aber eben seit dem auch auf niemand getroffen bin, der mich wirklich von etwas anderem überzeugt hätte, scheint es wohl zu stimmen. Folglich komme ich zu dem Schluss, dass ich es einfach nicht wert bin, gemocht/geliebt zu werden. Nur meine Taten – die sind super...

LG Knöpfchen
Knöpfchen
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Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

Sorry, dass ich schon wieder da bin, aber ich werde noch verrückt. Es dreht sich immer und immer wieder im Kreis die gleiche Frage:

Da ist jemand der erkennt, dass er sich abgrenzen muss, um sich selbst zu schützen und um aus seiner Depression raus zu kommen, sein Leben in den Griff zu kriegen und zieht das durch. Gut.

Was ist mit dem/denen, von dem/denen er sich abgrenzt? Wie werden die damit fertig? Was ist, wenn sie genau dadurch, dass sich der andere von ihm/ihnen abgrenzt, (noch tiefer) in die Depression gestürzt wird/werden? Was ist dann gewonnen?

Und was ist, wenn es ihn selbst, vllt genau deshalb weil er sieht, dass es dem/den anderen dadurch schlecht(er) geht, eher runter zieht als hoch?? Wem ist dann geholfen?

Ich versteh es einfach nicht!

LG Knöpfchen
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Abgrenzen

Beitrag von Chiron »

Hallo Knöpfchen,

<<Genau das trifft den Nagel auf den Kopf!!
Dieses Problem verfolgt mich von Kindesbeinen auf, denn schon meine Mutter hat mir laufend zu verstehen gegeben, dass ich unmöglich bin und alles falsch mache. Da ich aber eben seit dem auch auf niemand getroffen bin, der mich wirklich von etwas anderem überzeugt hätte, scheint es wohl zu stimmen. Folglich komme ich zu dem Schluss, dass ich es einfach nicht wert bin, gemocht/geliebt zu werden. Nur meine Taten – die sind super...>>

Willkommen im Club.
Genau diese, Deine Erkenntnis trifft auch auf mich zu.
Warum hätte Dich jemals jemand vom Gegenteil überzeugen sollen?
Es ist doch schön umsorgt und gehegt zu werden, jemanden zu haben der alles für einen tut.
Na, erkennst Du Dich in dieser Rolle des Versorgers wieder?

Ändern kannst Du dieses Muster nur, indem Du loslässt und mal nicht für andere jederzeit parat stehst sobald mal jemand um Hilfe ruft.
Loslassen ist schwer, weil wir Angst vor Veränderung haben, Angst vor dem Unbekannten das da kommen wird.
Aber es lohnt sich.

Liebe Grüße,
schon wieder Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
BeAk

Re: Abgrenzen

Beitrag von BeAk »

Liebe Metze,

ein jeder, auch der andere von dem sich abgegrenzt wurde, ist für sich selber verantwortlich.
Er wird solange schwer depressiv bleiben, bis er sich selber seiner Problme erfolgreich angenommen hat.
Und daran kann auch die Fürsorge anderer nichts ändern.

Deshalb, liebe Metze, sorge Du für Dich und der anderer für sich, dann ist jedem geholfen.
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Abgrenzen

Beitrag von Liber »

Liebe Knöpfchen,

du fragst: ist Nein-Sagen dasselbe wie Abgrenzen?

Ich bin der Ansicht, dass es nicht dasselbe ist.

Mich-Abgrenzen bedeutet nicht unbedingt Nein-Sagen, sondern, dass ich ENTSCHEIDEN kann, ob ich ja oder nein sage.

Und zwar frei und aus mir heraus.

Vielleicht sage ich, wenn ich mich abgrenze, genauso oft "Ja" wie "Nein". Aber ich tue es dann, weil ich es so will, weil es mir entspricht. Und nicht aus den o.g. Gründen (wie z.B. aus dem Bedürfnis heraus, gebraucht und gemocht zu werden, unersetzlich zu sein usw. - kenne ich selbst auch allzu gut!)

In der ersten Phase, in der ein depressiver Mensch vielleicht zum ersten Mal erkennt, dass er sich abgrenzen "darf", wird das Abgrenzen oft mit dem Nein-Sagen gleichgesetzt. Das ging auch mir selbst so.

Anfangs war ich geneigt, jegliche Bitte oder Anforderung an mich erst mal als Überschreiten meiner Grenzen zu betrachten und reagierte ablehnend - besonders auf diejenigen Menschen bezogen, von denen ich mich vorher überhaupt nicht hatte abgrenzen können.

Später dann erkannte ich allmählich, dass die Abgrenzung darin besteht, dass ich über Ja oder Nein entscheiden kann.

Voraussetzung für diese Entscheidungsmöglichkeit ist, von den Reaktionen der anderen und auch meinen eigenen (!) nicht mehr in so starkem Maße abhängig zu sein.

Reaktionen der anderen beim "Nein" können in Gekränktsein, Rückzug, Vorwürfen usw. bestehen.

Beim "Ja" bekommen wir dagegen von den anderen Dankbarkeit, Zuwendung, das Gefühl, gebraucht und unersetzlich zu sein usw.



Und meine eigenen Reaktionen sind beim "Nein" diese verflixten Schuldgefühle, die alles dransetzen, um mich in altes Verhalten zurückkippen zu lassen. Beim "Ja" ist es das Gefühl, sich das Dasein dadurch irgendwie zu "verdienen" und ähnliches.


Von all diesen Reaktionen müssen wir unabhängiger werden, um frei über Ja oder Nein entscheiden zu können.

Da fällt mir gerade ein: vielleicht ist die Abgrenzung ja in Wirklichkeit die innere Unabhängigkeit?

Und wenn ich die habe, dann kann ich Ja oder Nein sagen - beides, wie es der Situation und mir selbst entspricht, ohne die Abgrenzung zu verlieren!

Viele Grüße

Brittka
Ilka
Beiträge: 400
Registriert: 29. Nov 2005, 21:07

Re: Abgrenzen

Beitrag von Ilka »

Liebe Brittka,

Deine Zeilen zum Thema gefallen mir sehr gut.
Danke dafür!!!!
Weiß nicht so genau, wie ich meine weiteren Gedanken dazu beschreiben soll.....

Lieben Gruß
ILka
Knöpfchen
Beiträge: 192
Registriert: 22. Jul 2007, 21:55

Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

@ Chiron

>Warum hätte Dich jemals jemand vom Gegenteil überzeugen sollen? Es ist doch schön umsorgt und gehegt zu werden, jemanden zu haben der alles für einen tut. Na, erkennst Du Dich in dieser Rolle des Versorgers wieder?<

Ja, in der Rolle des Versorgers erkenne ich mich schon wieder.

Nur war das mit dem „vom Gegenteil überzeugen“ darauf bezogen, dass ich alles falsch mache. Der Umstand, dass mir klar gemacht wurde, dass ich alles falsch mache, hat mich offensichtlich dazu gebracht, durch mein Versorgen zu beweisen, dass ich doch was (richtig?) kann. Aber dieses Gefühl – alles falsch zu machen – ist geblieben, denn ich kann nicht glauben, dass das Lob, das mir entgegengebracht wird, ernst gemeint ist.

@ Beatrix

>Deshalb, liebe Metze, sorge Du für Dich und der anderer für sich, dann ist jedem geholfen.<

Was verstehst du unter „für sich sorgen“? Würde das dann nicht bedeuten, dass es ein „miteinander“ nicht mehr gibt/geben kann? Muss dann eine Partnerschaft nicht zwangsweise aufgelöst werden?

@ Brittka

Ich muss mich der Anwort von Ilka anschließen. Du hast das wirklich sehr gut erklärt. Muss das noch ein paar mal lesen...

LG Knöpfchen
Charlie66
Beiträge: 21
Registriert: 27. Okt 2008, 21:22

Re: Abgrenzen

Beitrag von Charlie66 »

Hallo Metze,

für mich ist ein Mensch dann ein Energiestaubsauger, wenn er dreimal mit dem gleichen Problem bei mir auftaucht und nichts tut, um dieses Problem zu lösen.

Vielleicht hilft dir folgendes Beispiel:

Meine Schwester hat ein sehr schlecht bezahlten Job und weiß nicht, wie sie finanziell über die Runden kommen soll. Also riet ich ihr, sich einen anderen Job zu suchen.

Sie teilte mir mit, dass sie keinen finden würde, weil es keine geben würde.

Obwohl ich die Woche über 250 km von meinem Wohnort arbeitete, selbst einen sehr anstrengenden Job hatte und noch meinen Sohn zu versorgen hatte, habe ich mich im Internet um eine Stelle für sie umgesehen.

Tatsächlich hatte ich im Umkreis von 10 km 3 Angebote gefunden.

Also hab ich sie gleich freudig angerufen. Ihre Antwort war, dass sie sich ja bewerben müsste.

Daraufhin habe ich ihr angeboten, sie soll mir ihre Daten zumailen, ich würde ihr die Bewerbung und den Lebenslauf schreiben.

Bis heute ist bei mir nichts davon angekommen auch auf mehrmaliges Nachfragen meinerseits nicht. Das ist jetzt mindestens 2 Jahre her. Diese Zeit und Energie hätte ich für mich nutzen können.

Derzeit bin ich so ausgepowert, dass mich bereits 2 - 3 Telefonate am Tag so lahm legen, dass ich mindestens 2 -3 Stunden benötige, um wieder auf die Beine zu kommen.Trotzdem bitte ich meine Schwester nicht um Hilfe, weil sie selber viel zu tun hat.

Tatsächlich heißt abgrenzen einfach nur, sich die Freiheit zu nehmen zwischen Ja und Nein zu entscheiden.

Wenn ich es heute nicht schaffe zu kochen, muss mein Sohn es eben selber tun, w e i l ich es nicht mehr schaffe. Was nicht geht, geht nicht, auch wenn ich es noch so gerne tun würde. Deswegen liebt er mich trotzdem.

Gerade weil man in der Vergangenheit nichts anderes gehört und gespürt hat, als dass man unzulänglich ist, alles falsch macht, nichts kann usw. werden wir zu Perfektionisten und/oder gnadenlose Arbeitstieren.

Für mich bedeutet für sich zu sorgen, meine Kraft in erster Linie für die Genesung meines Körpers und Seele einzusetzen.


Wenn dann noch Kraft übrig bleibt, spricht nichts dagegen sie für andere zu nutzen. Nach dem Motto: "Regle deine Angelegenheiten, als würdest du sie für andere tun!"

Auch mir fällt es immer noch sehr schwer, mich diesbezüglich umzupolen und dieses Motto umzusetzen.

Man fühlt sich nur wertvoll, wenn man die Anerkennung von anderen bekommt. Dabei ist jeder Mensch einzigartig und wertvoll. Dessen sollte sich jeder bewusst werden.

Aber auch das ist sehr schwer und auch ich stehe dem Bewusstwerden meines eigenen Wertes noch ganz am Anfang.

Ich versuch es jeden Tag auf´s Neue und geb nicht auf, das sollte niemand.

Liebe Grüße und viel Kraft
wünscht dir
Charlie
Wenn der Tag nicht dein Freund ist, so ist er dein Lehrer
BeAk

Re: Abgrenzen

Beitrag von BeAk »

Liebe Metze,

doch, es gibt sehr viel miteinander. Und der Umgang miteinander ist viel gelassener und spannungsfreier als früher, da niemand versucht die eigene Verantwortung einem anderen aufzudrängen. Und Forderungen von anderen abgelehnt werden können, ohne schlechts Gewissen.
Knöpfchen
Beiträge: 192
Registriert: 22. Jul 2007, 21:55

Re: Abgrenzen

Beitrag von Knöpfchen »

Hallo!

@ Charlie

Deine beschriebene Situation kann ich sehr gut nachvollziehen und mich darin sehen!

Es hat ne ganze Weile gedauert, bis ich verstanden und akzeptiert habe, dass ich Depressionen habe. Durch die Anregungen eines lieben Menschen mit Erfahrung und meiner Verfassung habe ich ganz gut gelernt zuzugeben, dass ich eben meine Grenzen habe und nicht kann! Mir geht es in diesem Fall ja besser als Dir, da ich alleine lebe und niemand wirklich von mir abhängig ist. Meine Arbeit hab ich immer noch geschafft.

>Man fühlt sich nur wertvoll, wenn man die Anerkennung von anderen bekommt.<
Das stimmt, aber durch meine Erfahrungen fällt es mir sehr schwer einen Menschen zu finden, dem ich wirklich glauben kann, dass er mir Anerkennung gibt und es nicht nur anstandshalber sagt oder zum Ausdruck bringt. Wenn ich dann diesen Menschen verlieren würde, wäre das noch schlimmer, als hätte ich ihn gar nicht gefunden. Aber dann habe ich wieder das Gefühl, dass es ein falscher Wunsch ist – zuviel verlangt/erwartet - so jemand zu finden bzw. zu haben. Obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche.

>Deswegen liebt er mich trotzdem.<
Woher nimmst Du diese Gewissheit? Bei mir kommen da sofort Zweifel auf, weil so jemand noch nie da war…



@ Beatrix

>da niemand versucht die eigene Verantwortung einem anderen aufzudrängen.<
Kann es nicht sein, dass man (manchmal) nur meint, der andere würde einem seine Verantwortung aufdrängen, obwohl er das in Wirklichkeit gar nicht will? Wir ihm unsere Hilfe soz. unnötig anbieten?

Also so wie Charlie in dem Beispiel beschreibt – Hilfe anbieten oder gar leisten, obwohl es von der anderen Seite – offensichtlich - gar nicht erwartet wird?

LG und auch viel Kraft und Erfolg weiterhin!
Knöpfchen
BeAk

Re: Abgrenzen

Beitrag von BeAk »

Liebes Knöpfchen,

kann auch sein, das man immer versucht für andere tätig zu sein, um sich nicht um seine eigenen Sachen/Wohlbefinden kümmern zu müssen.
Die anderen müssen dafür herhalten, das es dem Tätigen gut geht.
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Abgrenzen

Beitrag von Chiron »

Guten Morgen Charlie,

Dein Beitrag erinnert mich sehr an meine eigenen Verhaltensmuster.
Bei mir kommen noch übersteigerte Kraftgefühle wegen einer bipolar affektiven Störung dazu.
Dadurch habe ich derzeit das Gefühl aus der Erschöpfungsfalle nicht mehr rauszukommen.
Da hilft nur bewusstmachen, Zwangspausen einlegen, Tagesstruktur beachten, auf die richtige Schlafhygiene achten...
Dein Beispiel mit Deiner Schwester hat mir sehr geholfen, da ich auch ständig das Gefühl habe, ich müsse mich um meine kümmern, trotz derzeit eigenem Tiefpunkt.

Bewunderung möchte ich Dir zollen für Deine Kraft, die neu gewonnenen Erkenntnisse auch umzusetzten.

Du bist auf einem guten Weg und es hilft mir zu erkennen, andere Depris haben mit ähnlichen Mustern wie ich zu kämpfen.

Liebe Grüße,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
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