"Absturz" nach gutem Tag - Was kann man tun?

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Sittich
Beiträge: 44
Registriert: 9. Sep 2008, 20:59

"Absturz" nach gutem Tag - Was kann man tun?

Beitrag von Sittich »

Hi!

Ich habe gerade erst die Therapie begonnen, aber eines ist mir jetzt schon aufgefallen: Ich bin nach der Therapie immer relativ aufgedreht, fühle mich konstruktiv und kann teilweise sogar wieder etwas aus mir heraus und z.B. mal einen Witz machen oder so. Das hält etwa für eine Stunde an. Neulich hat mir die Therapeutin eine Technik namens "Runterzählen" beschrieben, bei der man versuchen soll, sich mehrfach vorzuzählen, was die einzelnen Sinne wahrnehmen. Also z.B. "Ich rieche die ersten Spuren welken Laubs". Das soll ich z.B. auf dem Weg zur Uni machen (als "Zeit nur für mich"), um mich ins "Jetzt" zurückzuholen und wieder mehr in Kontakt mit meinen Empfindungen zu kommen. Als ich direkt nach der Therapie wieder so "geöffnet" und "gelöst" war, hab ich es natürlich probiert - und hat es sofort voll durchgeschlagen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, tatsächlich wieder kurzzeitig etwas zu spüren, statt sonst nur vom Verstand diktierte Dinge zu "empfinden". Es war diffus, aber ich dachte nur "WOW! Du bist irgendwo da drin noch vorhanden!". Kurz darauf habe ich einfach nur unkontrolliert und erleichtert gelacht. Gleichzeitig ist es mir aber wieder entglitten... Um es zu halten, habe ich versucht über Reflektion meiner guten Stimmung durch andere zu verstärken oder zumindest zurückzukriegen. Das hat soweit geklappt, ich war an dem Tag zum ersten Mal seit langem wieder fast wie ich selbst und hab mich abends sogar mit ein paar Freunden getroffen um eine DVD zu gucken. Bereits auf dem Heimweg hab ich aber gemerkt, dass diese gute Stimmung sehr fragil ist.

Dann kam der nächste Morgen. Es war, als hätte man ein Handy mit leerem Akku noch 20x angeschaltet um zu versuchen eine SMS zu schreiben. So zerschlagen und auch körperlich völlig am Ende war ich morgens bisher selten, hauptsächlich während Prüfungsphasen. Nach dem Rausch kommt also der Kater. Leider erlebe ich das auch bei nur ein wenig besseren Tagen. Als ob mich das einfach Kraft kosten würde, die ich nicht habe. Es ist, als ob man körperlich und seelisch die letzten Reserven verballert hätte.

Kennt ihr Techniken um das abzuwenden oder sich zu wappnen? Ich bin seitdem ziemlich enttäuscht und verunsichert, weil der Fortschritt mich so gefreut hat. Ich hab jetzt Angst, dass ich zwar zurück zu mir finde, aber keine Kraft finde, dann auch so zu sein...

Ich werde definitiv mit der Therapeutin darüber sprechen, aber eure Erfahrungen interessieren mich auch!!

Liebe Grüße

Sittich
lt.cable
Beiträge: 562
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Re: "Absturz" nach gutem Tag - Was kann man tun?

Beitrag von lt.cable »

Lieber Sittich !

Fortschritt ist bei niemandem eine Kurve, die nur aufwärts geht. Wichtig ist es, zu lernen, dass man von Abwärtsbewegungen nicht so furchtbar enttäuscht sein muss, denn sie gehören - wie die Aufwärtsbewegungen - zu einem selbst dazu.

Es grüßt
lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
MorgenSonne
Beiträge: 47
Registriert: 13. Jul 2008, 13:01

Re: "Absturz" nach gutem Tag - Was kann man tun?

Beitrag von MorgenSonne »

hey sittich!

das kenn ich auch nur zu gut. ein kurzer moment, in dem man sich durch einen gedanken oder irgendetwas rausholt und kurz drauf liegt man wieder am boden...

...oder am abend ist es eigentlich ganz ok und am nächsten morgen ist alles so furchtbar, als wäre es einem nie irgendwie besser gegangen.

das ist völlig normal! und es gehört sogar zum gesunden dazu!!!
also nimm diese phasen an, sei "lieb" zu deinen tiefs, das hilft dir gesund zu werden.

vielleicht werden die schwankungen, die noch recht schnell verlaufen, nach und nach über den tag etwas stabiler.
dann vielleicht sogar über ein/zwei tage (das ist aber schon ziemlich gut).
und irgendwann dehnt sich das ganze aus und es wird nur einige einbrüche geben, aus denen man sich rausziehen kann.
so KÖNNTE es laufen.

die genesung verläuft wellenförmig.
auch wenn man denkt, es verläuft im sand, um was man sich bemüht...
--> NICHT LOCKER LASSEN, nur das ist weg!

hab heut einen echt schlechten tag. glaube ich werd auch noch halsweh bekommen. weiß jetzt gar nicht, wie ich die gliederschmerzen einordnen soll... (depression oder infekt?)
was ich weiß, ist das ich eigentlich immer mit nem grippalen infekt nach stresssituationen reagiere. ich bin schon ziemlich weit auf dem weg aus der depression raus und vielleicht ist das ein fester schub nach unten, bevor ich mich über den berg der depression bringe.
hoffe es zumindest.

ich grüß dich und wünsch dir immer wieder den mut dich erneut aufzubauen, auch wenn alles wieder hinunterfällt. es wird sich lohnen!

kleine kämpferin
Ina80
Beiträge: 151
Registriert: 24. Jul 2007, 16:17

Re: "Absturz" nach gutem Tag - Was kann man tun?

Beitrag von Ina80 »

Hallo Sittich,

ich finde es immer schön zu lesen, wenn ein posting so klingt, wie es mir auch geht;-) Naja, jedenfalls kenne ich die Situation, die Du beschreibst, nur zu gut. Zu Anfang geht es bergauf und dann wartet aber hinter dem Berg auch schon das tiefe, schwarze Loch. Hm, mir hilft in solchen Situationen in mir drinnen nachzusehen, was mir fehlt bzw. ich versuche zu merken, was ich mir selber nun gutes tun könnte. Also, wichtig ist für mich in solchen Situationen, dass ich unter Menschen gehe, und wenn ich mich allein mit einem Buch in ein Café setze. Hauptsache, ich fühle micht nicht allein. Denn alleinsein lässt mich meistens noch viel tiefer fallen...

Naja, das sind jetzt nur Sachen, die mir helfen bzw. von denen ich so bei mir ausgehe. Aber vielleicht ist da die ein oder andere Anregung dabei...Das wichtigste ist immer in solchen Situationen glaube ich, in sich hinein zu horchen und herauszufinden, was man nun braucht bzw. warum es einem grade jetzt schlecht geht. Aber manchmal gelingt auch das nicht....


Liebe Grüße
Ina
Bedenke: Ein Stück Deines Weges liegt hinter Dir, ein weiteres vor Dir. Wenn Du verweilst, dann nur, um Dich auszuruhen, nicht aber, um aufzugeben. (Augustinus)
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