Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

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Dr Faust
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Dr Faust »

Hallo, ich bin neu in diesem Forum. Mein Nick ist von der Realitaet nicht zu weit entfernt. Ich bin promovierter Naturwissenschaftler und ich lebe derzeit im europaeischen Ausland - in einem Land mit eher schlechter medizinischer Versorgung, wo man nur schlecht an Therapie denken kann. Ich bin 32, habe einiges erreicht --- von der Hauptschule zur Postdocstelle --- aber das ganze Leben lang haben mich Depressionen begleitet. In meiner Jugendzeit brachen diese aus, als ich zum Aussenseiter wurde. Ich fuehlte mich von keinem verstanden. Als ich deswegen vom Gymnasium auf die Hauptschule kam, bekam ich von einem Lehrer mehr Selbstvertrauen. Ausserdem installierte ich das Prinzip der Maschine. Ich sehe mich demnach eher als eine Maschine, die perfekt das macht wozu sie gebaut ist und sich den Teufel darum schert was andere ueber sie denken. Das Prinzip fruchtete, Erfolge stellten sich ein und ich machte mein Abitur. In meiner Jugendzeit erstmalig bemerkt, wurden die depressiven Phasen im Studium aufgrund von Ueberlastung, Lernkraempfen, Muedigkeit und verringertem Selbstwertgefuehl so stark, dass ich mich in eine Gespraechstherapie begab. Diese dauerte ca. 2 1/2 Jahre, bis ich zur Doktorarbeit den Studienort wechselte und versuchte, auf eigenen Fuessen zu stehen. Das wichtigste, was ich in der Therapie gelernt habe, ist das "Prinzip der gestoerten Wahrnehmung", das mir vorgaukelt dass alle gegen mich sind. Mit dem Wissen ueber dieses Wahrnehmungsartefakt laesst es sich schon viel leichter leben. Waehrend meiner Doktorzeit bekam ich Migraeneanfaelle und Sehstoerungen. Nachdem ich dies lange auf Psychosomatik schob, stellte sich durch eine Untersuchung ein Herzfehler (Sinusbradykadie) heraus. Ein Schrittmacher wurde installiert. Aber Depression und haeufige Muedigkeit persistieren. Die depressiven Verstimmungen sind inzwischen permanent unterschwellig vorhanden und meine Depression nicht in dem Sinne "geheilt", dass sie nicht mehr auftraeten. Heute, als Postdoc im Ausland, habe ich fachlich so einige Bestaetigung und auch privat kann ich mich in meinem Hobby ziemlich ausleben. Aber die Depressionen dauern an. Ich fuehle mich staendig einsam, die meisten Freunde kenne ich ueber mein Hobby im Internet. Inzwischen werde ich depressiv wenn ich durch eine Fussgaengerzone gehe, da ich mit den vielen Menschen nicht zurechtkomme. (i) Die wollen mir alle was, lachen ueber mich etc. (ii) Ich sehe Paerchen die gluecklich zu sein scheinen aber mein einziger Versuch einer Partnerschaft wurde einvernehmlich in eine gute Freundschaft zurueckgestuft, da ich offenbar Schwierigkeiten mit Partnerschaften habe. Also haenge ich oft allein rum, fertige im Kaemmerlein wissenschaftliche Apparate fuer mein Hobby und halte mich damit beschaeftigt, damit ich nicht in Depressionen verfalle. Einerseits ist auf diese Weise das Feuer unter Kontrolle. Andererseits ist die Frage, ob das fuer alle Zeiten so sein kann oder der Brand unterm Teppich weiter schwelt. Was wuerdet Ihr in einer solchen Situation machen ?
Dr Faust
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Dr Faust »

Herrjeh, Titel falsch ! Sollte natuerlich _MIT_ Selbstbehandlung heissen. Sorry ...
Gini
Beiträge: 30
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Gini »

Hallo DR. Faust Die Situation kommt mir sehr bekannt vor. Ich kenne das Gefühl der Einsamkeit zu gut. Dann suche ich Nähe auch mal beim Tanz und hinterher bin ich noch frustrierter. Mit Menschen wird zum Problem ohne aber auch. Raten kann man wohl kaum etwas. Man sollte doch nicht nur im Kämmerlein " Basteln" . Ich glaube, da vereinsamt man noch mehr. Mir hat man empfohlen mir Hobbys zu suchen mit anderen Persönlichkeiten. Ich mag Tiere . Manchmal gehe ich reiten. Dort kann ich gut Energie tanken. Alleine oder auch in der Gruppe kann schon mal Spass machen. Wird dir sicher nicht viel helfen , aber du biest nicht allein auf der Welt mit deinem Problem. Wenn du eine Lösung gefunden hast, dann kannst du mir vielleicht einen Tip geben . Würde mich freuen. Sei lieb gegrüßt Gini
Dr Faust
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Dr Faust »

Hallo Gini, vielen Dank fuer Dein nettes Posting. In der Tat ist es mir ein Problem, den Wirkungsquerschnitt zu anderne Menschen zu erhoehen. Als Naturwissenschaftler hat man es da nicht leicht, insbesondere was Partnerschaften betrifft, wegen der maskulinen Dominanz. Auch ist mein Hobby (welches ich ja zum Beruf machte) eines was man eher in Stille und Einsamkeit auslebt (obwohl ich schon Leute interessieren kann wenn ich sie daran teilhaben lasse). Irgendwo ist das ein Produkt aus Wirkungsquerschnitt und Akzeptanz. In der Fussgaengerzone ist der Wirkungsquerschnitt hoch aber die Akzeptanz geht gegen Null (was mich deprimiert). Im Kaemmerlein sind die Depressionen weniger ausgepraegt da Akzeptanz nicht definiert werden kann waehrend allerdings der Wirkungsquerschnitt Null ist - in der eigenen Wohnung lernt man halt keine Leute kennen. Okay, sicher gibts auch soziale Events unter den Kollegen. Aber mit abnehmender Tendenz. Fuer studentische Dinge bin ich schon zu alt und Gleichaltrige haben sehr oft schon Familie und sind absorbiert. Irgendwie fuehle ich mich menschlich wie ein Ladenhueter, der halt nicht abgeholt wurde. Ich kann mir aber vorstellen, dass dieses Feeling fuer viele Menschen heutzutage normal ist. Einerseits sind Beziehungen viel oberflaechlicher geworden, andererseits wird von Seiten der Gesellschaft hohes Engagement und Flexibilitaet verlangt. So huepfen wir Wissenschaftler von einer Zeitstelle zur anderen. Tolle Projekte und man kommt rum. Aber fuer langfristige Freundschaften kaum noch Platz :*( ... Alles Gute und nochmals danke, Dr Faust
Gini
Beiträge: 30
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Gini »

Hallo Dr. Faust! Freundschaften erscheinen mir sehr wichtig in dieser Zeit , wo Beziehungen häufiger den Bach runtergehen. Man kann auch über Distanz Freundschaften aufrechterhalten. Meine beste Freundin wohnt Stück weg von hier und wir haben schon ewig Kontakt. Man muß nur daran arbeiten. Mein Vater beschäftigt sich auch sehr mit Naturwissenschaft. Er ist Einzelgänger , manchmal auch depressiv. (nicht als Krankheitsbild). Vielleicht gibt es das in dem Bereich häufiger. Was verstehst du unter maskuliner Dominanz? Was hat das mit Naturwissenschaft zu tun? Maskuline Dominanz muß doch nicht Beziehungskiller sein. Oder?? Meld dich mal wieder. Geht auch über mail. Man liest sich. Liebe Grüße Gini
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Faustus »

Hallo Gini, zunaechst was "Technisches": Ich habe gesehen dass in diesem Forum auch Therapeuten (Doktoren) verkehren. Um mit diesen nicht verwechselt zu werden aendere ich meinen Nick in FAUSTUS. Vielen Dank fuer Dein Posting ! Ich habe auch eine Fernbeziehung gehabt (meine einzige Beziehung bislang), die auf Basis einer guten Freundschaft andauert. Aber mehr ist nicht draus geworden, ich war beim Zusammentreffen eher "liebesunfaehig". Aber gute Freunde habe ich einige, gerade ueber mein Hobby und im Internet. Mit "maskuliner Dominanz" meine ich, dass in den Naturwissenschaftlern der Frauenanteil extrem gering ist. Das ist wirklich schade und ein Abbild unserer Gesellschaft. Offenbar wird den Maedchen immer noch eingepraegt dass Naturwissenschaft "Maennersache" ist. Was natuerlich Humbug ist. Im Studium hatte ich mal eine Quantenmechanikklausur geschrieben. Ich fiel durch, sie war allgemein als sehr schwer empfunden worden. Die mit Abstand beste Klausur schrieb eine StudentIN. Diese Dominanz ist insofern Beziehungskiller, dass man sehr wenig mit dem anderen Geschlecht zu tun bekommt. Sehr viele Beziehungen entstehen ja am Arbeitsplatz, aber da sieht es mau aus. Irgendwann praegt das auch die Leute. Ich kenne Kollegen, die schon 50 sind und immer noch allein. Die gewoehnen sich dran und ausserhalb des Jobs haben sie kein richtiges Leben. So moechte ich nicht werden. Okay, vom Ursprungsthread sind wir jetzt etwas abgeschweift. Klar, das Gefuehl der Einsamkeit und des Nichtgeliebtwerdens ist offenbar ein primaerer Ausloeser meiner Depressionen. Ist nur fraglich, wie sich damit leben laesst. Bleibt das unter Kontrolle oder werde ich mich zunehmend von meinem Umfeld entfremden ? Ich war mit einem Freund (ebenfalls Naturwissenschaftler) am Wochenende aus. Er meinte ich sollte immer lachen und grinsen dann klappt das schon. Mit der Miene eines Totengraebers waere man uninteressant. Ist nur die Frage, ob solch eine Schauspielerei der richtige Weg ist. Bei ihm klappts.
Gini
Beiträge: 30
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Gini »

Hallo Faustus! "Er meinte ich sollte immer lachen und grinsen dann klappt das schon. Mit der Miene eines Totengraebers waere man uninteressant. " Das ist gut. Das muß ich mir merken. Hab auch immer eine Trauermiene drauf.Aber ich kann nicht Schauspielern. Wahrscheinlich trifft man da auch nur Kurzzeitbeziehungen. Denn wenn man ja doch eigentlich ein trauriges Gesicht hat, lässt sich das sicher schwer abstellen. Ausstrahlung kommt von innen . Wenn aber das Innere sehr wüst aussieht... Und mit den Beziehungen am Arbeitsplatz ist das auch so eine Sache. Wahrscheinlich muß man doch woanders suchen. Hatte heut auch nicht so ein guten Tag. Hätte ständig heulen können. Hochs kenne ich gar nicht mehr. Ich bin "Dauertraurig". Mir wurde keine Depression nachgewiesen. Die Therapeutin meinte zwar , ich bräuchte Tiefenpsychologische Behandlung, Aber eine Depression bestätigte sie nicht.Bei mir legt sich der seelische Zustand auf körperliche Symptome. Richtig echt psychosomatisch. Weiß keinen Ausweg, aber geb die Hoffnung nicht auf. Liebe Grüße Gini
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Faustus »

Hallo Gini ! Tut mir leid, lesen zu muessen dass es Dir so schlecht geht. Wie aeussern sich die psychosomatischen Symptome ? Ich habe weiter unten eine Diskussion angefangen, inwiefern Herz- und Kreislaufprobleme mit psychischen Problemen wechselwirken - habe da so einen Verdacht. Herzschrittmacher mit 29 ist ja nicht so normal. Gestern abend hatte ich auch einen depressiven Outbreak. Hatte wenig auf der Arbeit geschafft, Dinge die ich in Auftrag gab wurden wieder mal mies ausgefuehrt. Dann war das Fahrrad auch noch platt und als ich den Schlauch geflickt hatte war das neue Loch auch schon wieder da ... alles so kleine "Freuden" des Alltags, die sich aufsummierten. Auf dem Weg in das Dorf wo ich wohne war ich so verstimmt dass ich wirklich Todesgedanken hatte und am liebsten geweint haette. So unten war ich lange nicht mehr, muss wohl daran liegen dass ich mich wieder mit dem Seelenzustand auseinandersetze. War dann noch schnell ein paar Kekse einkaufen gegangen um noch einmal unter Menschen zu sein bevor ich in meine Einzelzelle zurueckkehre ... im Briefkasten dann ein Brief an meine Vermieter. Ich zu ihnen hin, den Brief ausgehaendigt. Sie luden mich auf einen Tee ein und am Anfang fiel es mir schwer ein froehliches Gespraech anzufangen. Dann gelang dies aber doch und sie haben mich wieder aufgeheitert. Die Depressionen schienen wie fortgeblasen, kamen aber spaetabends wieder. Zum Glueck habe ich keine Schlafstoerungen, bin im Gegenteil immer muede. Ist schon komisch, in dem Moment wo man anfaengt sich darueber zu unterhalten flammt die Depression wieder auf. Offenbar schliesst die Beobachtung den Beobachter ein. Ich hoffe, Dir gehts heute wieder besser und Du hast ein Umfeld von Mitmenschen, denen Du Dich anvertrauen kannst. Das ist extrem wichtig. Ich merke das speziell hier im Ausland. Selbst wenn ich eine Gespraechstherapie machen wuerde, haette ich immer noch das Problem der Linguistik. Mein Wortschatz ist der eines Physikers. Gefuehle auszudruecken faellt mir da ziemlich schwer. Alles Gute ! Faustus
Dys
Beiträge: 61
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depressive Verstimmungen ohne Selbstbehandlung

Beitrag von Dys »

Hallo Faustus Irgendwie kommt mir bei deinen Beiträgen auch einiges recht bekannt vor. Wirst du Weihnachten auch im Ausland verbringen? Wünsche dir auf alle Fälle ein gesegnetes Fest. Gruß dys
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Faustus »

Hallo Dys, finde gerade Deinen Eintrag vor -- wuensche ein frohes Fest gehabt zu haben (war bis vorgestern offline). Vielen Dank fuer die Wuensche. Weihnachten war ich zuhause, aber Sylvester in Spanien. Der Urlaub war aber durch meine Depression gezeichnet, bin froh dass ich wieder arbeiten darf und beim Doc war ich auch schon zwecks Anleierung einer Therapie ... Alles Gute, Faustus !
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