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sich unter Druck setzen

Verfasst: 13. Jul 2008, 09:43
von Shantja1970
Hallo Ihr,

in der letzten Zeit ging es mir ziemlich mies. Ich bin mit den Medis runtergegangen, vielleicht lags daran, weiss nicht. Gestern hab ich jedoch gemerkt, womit es auch zu tun hat. Ich setze mich zu stark unter Druck. Ich habe gestern einen Bekannten auf nem Festival getroffen, mit dem ich zusammen Körpertherapie gemacht habe. Ich habe ihm erzählt, dass es mir schlecht geht und konnte ein bischen weinen in seinem Arm. Das hat mir gut getan. Die Spannung hat sich ein wenig gelöst.
Ich hatte während des Festivals die ganze Zeit versucht, gut drauf zu kommen, da hab ich mich schon unter Druck gesetzt. Außerdem setze ich mich mit allem möglichen unter Druck: ich versuche oft lustig oder schlagfertig zu sein, obwohl ichs manchmal dann gar nicht bin, reisse mich in Bezug auf Essen zusammen, denke, ich muss eine ordentliche Wohnung haben und kriege das nicht auf die Reihe und versuche es dann mit aller Kraft.., will im Job nicht langweilig rüberkommen, gut aussehen usw.

Macht ihr das auch? Setzt ihr euch auch so gewaltig unter Druck? Ich will mich nicht mehr ständig zusammen reissen, das tut mir nicht gut, glaub ich. Ich weiss zwar noch nicht genau, wie ich es schaffen kann, aber ich möchte mal etwas lockerer lassen. Es ist sicher gut, überhaupt etwas zu tun, damit man in der Depression nicht nur zu hause versumpft, aber ohne sich so einen Druck zu machen.

Ich versuchs mal. Bin mal gespannt, ob es euch auch so geht.

Liebe Grüße, Annette

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 13. Jul 2008, 10:00
von otterchen
Guten Morgen Annette,

Dir sagt doch sicher der Begriff "Achtsamkeit" etwas, oder?

Also: achtsam sein, so oft wie möglich am Tag. Und dann erst einmal bewusst wahrnehmen, was da so innen drin los ist. Was nehme ich wahr, was fühle ich, wie reagiert mein Körper.
Wahrnehmen und zulassen.

Danach könnte man die Impulskontrolle üben: einfach mal nicht reagieren. Nicht schlagfertig sein, nicht auf alles eine Antwort geben. Mal nicht sofort etwas machen, sondern innehalten.

Und dann, was natürlich auch ganz wichtig ist, das Soll und Muss durch ein Darf und Will ersetzen.

WILLST Du denn gut aussehend und schlagfertig und attraktiv sein? Oder meinst Du so sein zu müssen, damit die anderen Dich in ihren Reihen akzeptieren und Du eine "Daseinsberechtigung" hast?
Willst Du vielleicht lieber auch mal ungeschminkt und mit schlecht sitzender Frisur herumlaufen, und "Deine Leute" mögen Dich immer noch? Möchtest Du vielleicht lieber auch mal die Langweilige (???!!) sein, die nicht sofort einen tollen Spruch auf den Lippen hat?

Schau Dir mal an, warum Du Dich so unter Druck setzt: was, wenn Du all das nicht machst - was passiert dann? Wo liegen da die Ängste? Und würde das dann tatsächlich eintreten? Wenn Deine Wohnung nicht aufgeräumt ist, und es kommen Freundinnen: würden die dann über Dich herziehen?

Wie würden denn wirkliche Freundinnen reagieren? Wie würden Menschen reagieren, die Dir gegenüber positiv eingestellt sind? Würden die den Staub suchen? Entsetzt die unordentlichen Ecken betrachten?
Würden die nicht eher DICH besuchen?
Oder, wenn sie merken, dass es Dir nicht gut damit geht, die Ärmel hochkrempeln, Dich aufmuntern und tatkräftig mit anpacken?

Vielleicht liegt es an Deinen zu hohen Erwartungen an Dich selbst, an (unbegründeten?) Ängsten oder schlechten Erfahrungen - vielleicht tust Du Dir das aber auch alles nur an, weil Du die falschen Leute beeindrucken willst?


So, das waren meine ersten Gedanken zu dem Thema...


Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 17. Jul 2008, 19:42
von kormoran
hallo annette,

meine antwort kommt etwas spät.

mir kommt das irgendwie bekannt vor, und beim drüber nachdenken ist meine erfahrung die:

depression hat bei mir - u.a. - damit zu tun (gehabt) dass ich den kontakt zu mir selbst verloren hatte. was dann auch passiert - ich setze mich unter druck, gebe mir ziele, setze standards, etc., die ich gar nicht erreichen kann.

ich habe wohl jahrelang so gelebt, das vorgenommene nicht geschafft und mich dafür abgewertet.

jetzt wo ich dein posting lese wird mir bewusst, dass ich offenbar schon ein wenig gelernt habe, das zu ändern: indem ich nämlich immer wieder bewusst frage: hallo, wessen vorgaben, standards, ziele, normen, leistungsansprüche sind das eigentlich, denen ich da nachhetze?

WILL ICH das? (da sind gleich zwei fragen drin! erstens nach dem wollen, und zweitens nach dem ich, womit ich wieder beim kontakt mit mir selbst bin)

sehr häufig stellt sich heraus, dass das, was ich da verfolge - und dazu mich unter druck setze, weil es natürlich doppelt schwer fällt - alte verinnerlichte erwartungen der eltern, aus der schule, der allgemeinen absurden leistungsnormen der berufswelt, etc., sind. oder dinge, die ich tue, um geliebt zu werden, aber das ist dann wohl ein anderes kapitel.

mit doppelt schwer fallen, oben, meine ich: wenn man sowas tut, fällt es zum einen schwer, weil es nicht meine innerste eigene entscheidung ist, weil ICH es eigentlich nicht WILL. und dazu fällt es noch schwer, weil es mir eben einfach nicht liegt.

wirr?
oder ist das für dich ganz anders?
liebe grüße, kormoranin

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 18. Jul 2008, 08:55
von Shantja1970
Hallo Ihr beiden, danke für eure Antworten. Es sind viele wertvolle Anregungen dabei. So ganz hab ich grad nicht den Kopf dazu, mich damit weiter auseinanderzusezten,möchte das aber noch tun. Also, in den nächsten Tagen, ich setz mich jetzt mal nicht unter Druck ;-. LG Annette

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 18. Jul 2008, 16:16
von conny123
Liebe kormoranin,

...Du beschreibst genau mein Innenleben...meine,mich krankmachende Welt...Ich habe den Zugang zu mir selbst verloren...das ist so ziemlich noch die einzige Wahrheit,die ich habe...-manchmal gepaart mit dem Gefühl:War ich überhaupt jemals "ICH SELBST"???-Wer bin Ich-Was will Ich-Was kann Ich...Wo soll Ich hin...Fragen über Fragen,auf die ich keine Antworten mehr-obwohl ich seit Jahren Tag und Nacht darüber grüble....Ich bin so unendlich weit davon entfernt einmal 'glücklich' zu sein....glaube ich weiß nicht was das ist....
Gibt es nicht irgendeine Möglichkeit an mich ran zu kommen....ich glaube nur Psychotherapie hilft mir nicht...
Ich bin nur immer müde und erschöpft...sehe kein Licht am Ende des Tunnels-Mein größtes Problem sind meine Kinder....ich hab oft keinen Nerv mehr für sie ... will immer nur meine Ruhe...das geht jetzt schon so lange....sie tun mir leid so eine Mutter zu haben...ich hab die Verantwortung für sie ....und kann die Verantwortung immer weniger tragen-sie erdrückt mich jeden Tag mehr(sind beides ADHS-Kinder...brauchen soviel Unterstützung und Förderung....ich kann nicht mehr....(bin alleinerziehend) und selber auch noch Erzieherin...den ganzen Tag KIDS....ich schaff das alles nicht mehr....

Danke fürs Zuhören....Lesen
conny

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 18. Jul 2008, 16:21
von kormoran
liebe conny,

wie du schreibst klingt es nahezu zum davonlaufen ...

hast du unterstützung, von der psychotherapie abgesehen?

für mich (als laiin!) klingt es so, als ob es dir unter diesen bedingungen (extreme dauerbelastung, die auch für eine gesunde zu viel wäre) einfach nicht möglich ist, dich zu finden, dich selbst überhaupt wahrzunehmen.

gibt es eine chance auf eine kur, sei es mit den kindern, oder dass die kinder während dessen bei verwandten o.ä. gut untergebracht würden?

liebe grüße
kormoranin

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 18. Jul 2008, 16:59
von conny123
Nochmal Hallo...

Sicher kann ich eine Kur beantragen....aber:Ich schäm mich so....meine Kinder will ich da nicht dabei haben....sonst bin ich wieder'Verantwortlich'-weißt Du...ich kann davon einfach nicht loslassen...es macht mich krank und erschöpft mich,aber es ist auch mein einziger Lebensinhalt-mich verantwortlich-fühlen(der Vater fällt flach-zahlt zwar brav...das ist schon alles)

Und noch schlimmer - habe mich vor 3 Jahren entschieden zu meinem Freund,mit meinen Kindern (350 km von meiner Heimat entfernt zu ziehen) und leide seither unter Heimweh...habe hier nicht die Kraft mir Freunde zu suchen - weil ich mich hier nicht wohl fühle ... Mit meinem Freund lebe ich so dahin.Das grosse Gefühl vom Anfang ist weg.Bin sogar der Meinung,daß ich ihn gar nicht liebe...doch wie kann man/frau lieben,wenn sie sich selbst nicht liebt???? Im Gegenteil,habe nur das Gefühl,daß jetzt noch einer an mir zerrt...ABER.Seine Eltern sind für mich die jenigen,die mir ermöglichen wieder arbeiten zu gehen,da sie auf meine Kinder aufpassen(früher hatte ich niemanden),somit kann ich unseren Lebensunterhalt finazieren...es reicht gut zum Überleben(aber auch nicht zu mehr...kein Urlaub oder ä.)-mein Freund hilft mit bei der Erziehung,obwohl vieles nicht in meinem Sinne läuft und mein Sohn hält grosse Stücke auf ihn....ein paar kleine Freiräume habe ich seither,die ich aber gar nicht für mich nutze,weil ich hier nicht sein will...Ich sollte mich wieder trennen und nach Hause zurückkehren aber ich habe so eine Scheiß-Angst,dann wieder gänzlich für alles verantwortlich zu sein....diese Angst lämt mich so sehr - Außerdem ist das ja auch total unfair und feige gegenüber den Menschen hier-Sie helfen mir und möchte am liebsten weg-Mein schlechtes Gewissen gegenüber all diesen Menschen läßt mich beinahe verrückt werden...Ich bleibe und werde immer unglücklicher und trauriger und isoliere mich selbst...
Ich krieg es nicht hin,dieses Leben-mein Leben....und möchte trotzdem meinen Kinden ein gute Mutter sein...????????

Sorry für das Gejammer-heute ist nur wieder ein ganz schlimmer Tag....

Alles Liebe für Dich
conny

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 18. Jul 2008, 20:27
von kormoran
liebe conny,

mit dem kopf weißt du es doch selbst: schämen ist da ein völlig unnützes vokabel!

verdammt nochmal, du bist krank, überfordert, du brauchst unterstützung. du tust alles für deine kinder. wenn du dich unter druck setzt, einen halbwegs schönen äußeren schein zu wahren (nicht in die kur) und NUR für die anderen lebst, dann gehst du vielleicht irgendwann schleichend selbst ganz drauf.

bist du denn jetzt in therapie? und gibt es jemand, mit dem du drüber sprechen könntest, zum beispiel eine familienberatungsstelle?

ich wage es nicht zu raten, ob es nun besser wäre in die heimat zurückzugehen oder die nicht-ganz-familie noch zu "nutzen". mit sicherheit möchte ich dir sagen: nein, du musst nicht alles alleine schaffen, bitte schau dich um professionelle unterstützung um. du bist sicherlich sehr zäh, und wirst es schaffen, auch wenn die lösung nicht von heute auf morgen da steht. aber eine lösung - eine verbesserung der gesamten situation - gibt es bestimmt.

lass wieder von dir hören!
kormoranin

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 19. Jul 2008, 09:44
von conny123
Guten Morgen liebe Kormoranin!

Lieben Dank für Deine Antwort!!!
Ja,ich bin in Therapie....Mein Therapeut hat mit mir schon herausgearbeitet,dass es die Angst ist,die mich lähmt....Er ist der Meinung ...ich schaff den Absprung (denn ich bin ein starker Mensch!)und es ist nur noch eine Frage der Zeit,bis ich geh....aber er verkennt,dass ich zwei Seelen in der Brust habe....ich bin unheimlich mutig und unheimlich feige (geworden)....Wieder in wirtschaftl.Not zu fallen und durch die erneute Trennung (diesmal würde ICH aus der Beziehung gehen...)meinen Kindern psych. Schäden zuzufügen läßt mich im Mauseloch (=Depression) verschwinden....Alle meine wirklichen Freunde(von früher) raten mir zurückzukommen...und ich schaff es nicht....diese Zwickmühle macht mich mürbe.Ich bin feige und das laste ich mir an....keine Ahnung....
nochmal Danke und wünsch Dir von Herzen einen schönen TAg
conny

Re: sich unter Druck setzen

Verfasst: 5. Aug 2008, 13:41
von traumgarten
liebe Conny,
ich kann da mitfühlen und war auch schon in einer Klemme mein Leben ändern zu wollen und auf zwei Kinder (eins schwerbehindert)Rücksicht nehmen zu wollen.Letztendlich muss man seine Kräfte selbst einschätzen und die Hilfe aus dem Umfeld.Wenn in Deiner Situation im alten Freundeskreis keine Hilfe zu erwarten ist, speziell auch bei der Mitbetreuung bei Deinen Kindern, wäre ich sehr skeptisch, zumal eine schlechtere finanzielle Lage eine enorme Zusatzbelastung ist und das Fass zum überlaufen bringen kann.Könnte es nicht beruflich eine Änderung geben, damit Du nicht immer mit Kindern zu tun hast? Ich bin auch von Sozialpädagogik in Handwerk bzw. Verkauf gewechselt.Eine Umschulung zu bekommen ist nicht ganz leicht.Bei mir hat es erst geklappt, nachdem ich heulend beim Arbeitsamt rausgelaufen bin, als sie mir weiss machen wollten, ich könne wieder in den alten Beruf(nach 2 Jahren Psychatrie)Ich frage mich heute immer erst, ob es zu erwarten ist, das eine Änderung auch eine Verbesserung bedeutet.Im Laufe der Jahre bin ich auch bescheidener geworden mit meinen Erwartungen,zwischendurch war ich mal verzweifelt und hätte meine Familie am liebsten verlassen.Inzwischen sind die Kinder erwachsen, werden in den nächsten Jahren das Haus verlassen.Ihnen geht es gut.Das ist auch ein schönes und beruhigendes Gefühl, wenigstens das geschafft zu haben.Denn meine grösste Sorge war immer,diese Seuche Depression an sie weiter zu geben.
Viele liebe Grüsse von Libelle