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Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 12. Jul 2008, 18:18
von Pauline-Sophie
Hallo zusammen,

bin in Google auf dieses Forum gestoßen und hab lange einfach nur gelesen. Und jetzt ist es soweit, ich möchte mich outen. Ich fands ja schon wahnsinnig schwierig, mich einfach nur zu registrieren, weil das bedeutet, dass ich tatsächlich ein Problem hab. Ich möchte kurz meine Geschichte erzählen:
Ich bin 26 und seit ein paar Wochen verheiratet. Ich habe einen guten Job, einen Mann, den ich über alles liebe und komme aus einer ganz normalen Familie. Und ich habe seit ein paar Wochen Depressionen bzw. das von dem ich glaube, dass es Depressionen sind. Denn ich war noch bei keinem Arzt. Keiner weiß von davon. Es ist auch nicht so schlimm, dass ich es nicht aushalten würde. Angefangen hat es schon vor ein paar Jahren. Da hatte ich mal ein paar Panikattacken. Das ging aber vorüber und jahrelang war alles gut. Zwei Tage nach meiner Hochzeit, wir waren grad auf dem Weg in die Flitterwochen, bekam ich eine ganz schlimme Depression. Ich war unfähig, meinen Koffer zu packen, hatte plötzlich die Lust an allem verloren und alles war komplett sinnlos. Ich hab mich dann zum Packen gezwungen und wahllos alles in den Koffer hineingesteckt, was mir grad in den Sinn kam. Das hatte die Folge, dass ich in meinen Flitterwochen ziemlich komisch gekleidet war, weil schlussendlich nichts zusammengepasst hat. Durch die Aktivitäten im Urlaub wurde es auch Tag für Tag wieder besser und nach einer Woche sah ich mich als geheilt an. Zwei Wochen lang war auch alles normal bis es wieder los ging. Ich hatte abends eine Panikattacke, wo mich ein Gefühl tiefster Sinnlosigkeit überkam. Sowas hab ich noch nie gespürt. Es ist, als ob ich nur noch die Zeit bis zu meinem Tod überbrücken müsste, alles was dazwischen passiert, ist sowieso nur warten auf den Tod. Dazu muss ich sagen, dass ich schon seit meiner Kindheit große Angst vor dem Sterben habe und manchmal, vor allem nachts, Angstanfälle bekomme, wenn mir bewusst wird, dass mein Leben zwangsläufig im Tod endet. Diese Ausweglosigkeit treibt mich dann fast in den Wahnsinn. Der Anfall dauert nur ein paar Sekunden und hinterher kommt bei mir nur große Erleichterung, dass es wieder vorüber ist. Das ist ein anderes Gefühl, als das bei einer depressiven Panikattacke. Kennt jemand solche Gefühle? Würd mich total interessieren, ob jemand schon mal sowas erlebt hat.
Aber noch kurz weiter zu meiner Geschichte. Seitdem hab ich gute und schlechte Tage (heute ist ein schlechter). An guten Tagen ist alles ok. Ich kann dann gar nicht mehr nachvollziehen, was ich eigentlich für ein Problem hab. An schlechte Tagen ist alles etwas schwieriger. Da quäl ich mich den ganzen Tag nur rum. Schaff meine Arbeit nicht richtig, weder zuhause noch im Büro. Aber es ist noch nicht so schlimm, dass ich jemandem was erzählen würde. Es geht ja schließlich noch und irgendwie werd ich schon fertig damit. Allerdings hab ich total Angst davor, dass es schlimmer werden könnte. Oder dass mir einfach nicht geholfen werden kann. Oder dass mein Mann mich verlässt, weil ich jetzt verrückt bin. Am meisten zu schaffen macht mir, dass ich nicht weiß, warum es mich getroffen hat. Es ist doch eigentlich alles in Ordnung in meinem Leben. Es könnte ja eigentlich gar nicht besser laufen. Warum bin ich dann depressiv? Viele im Forum haben echt schlimme Sachen erlebt. Da hat man einen Grund depressiv zu sein. Bei mir hab ich den Eindruck, das ist nur eine Laune! Aber die Symptome sind so erdrückend real! Ich weiß jetzt auch, dass Depression nicht einfach bedeutet, traurig zu sein. Für mich ist es, als ob sich plötzlich die Sonne verdunkelt. Alles was mir normalerweise Freude bereitet, heitert mich nicht mehr auf. Vieles wird einfach nur zur Last. Manches macht mir richtig Angst. Aber das brauch ich ja hier nicht zu erzählen.
Mich würde interessieren, ob jemand eine ähnliche Geschichte hat?
Was meint Ihr, soll ich doch zu einem Arzt gehen? Oder kann man allein damit klar kommen? Hilft Johanniskraut?
Ich hab übrigens vor kurzem mein Blut auf alles mögliche untersuchen lassen. Ich bin so gesund wie nur irgendwie möglich! Die Untersuchung hab ich vor allem machen lassen, weil wir planen, ein Kind zu bekommen. Das ist ja eigentlich ein weiterer positiver Aspekt. Manchmal denke ich, vielleicht ist einfach alles ein bisschen viel zur Zeit. Erst die stressige Zeit rund um die Hochzeit, jetzt fangen wir an zu bauen, evtl. Kind...
Ich hoffe, jemand liest den ganzen Müll hier überhaupt. Es ist jetzt soviel geworden, dass ich verstehen würde, wenn keiner Lust hat, das zu lesen. Aber ehrlich gesagt hat mir das jetzt geholfen. Endlich mal alles zu erzählen und wenns in der Anonymität eines Forums ist. Würd mich freuen, wenn ich Gleichgesinnte treffen würde. Vielen Dank fürs Zuhören!!!

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 12. Jul 2008, 18:25
von hwextrem
Hallo Pauline,
ich bin zwar auch hier ganz neu ,aber ich leide schon seit längerem an Depressionen.Ich kann nach Deiner Schilderung Dir nur raten gehe zu einem guten Arzt um so früher Du Hilfe bekommst um so schneller ist es vorbei.Ich wünsche Dir das beste und wünsche Dir alles gute Du bist nicht alleine aber hole Dir Hilfe. Beste Grüße Hans

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 12. Jul 2008, 18:59
von FönX
Pauline schrieb:
> Was meint Ihr, soll ich doch zu einem Arzt gehen? Oder kann man allein damit klar kommen? Hilft Johanniskraut?
Liebe Pauline,

das klingt alles so, dass ein Gang zum Arzt sehr, sehr ratsam erscheint. Was auch wichtig ist: Offener Gedankenaustausch mit deinem Mann. Wenn er dich liebt, verträgt er auch solche beängstigenden Gedanken und versteht dich besser. Offenheit ist hier viel wert. Verschweigen verschlimmert die Sache. Für dein Umfeld und - besonders - für dich.

Alles Gute und liebe Grüße

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 14. Jul 2008, 23:01
von hhhd
Hallo Pauline, was für eine nette Namensähnlichkeit..

Es kann mit Deinen Gefühlen, denen Du durchaus trauen solltest, verschiedene Auslöser haben:

Sowohl Dein Partner, den Du liebst, achtest, bewunderst, scätzt...
Aber auch Deine Situation:
Du bist nun verheiratet, gebunden, abhängig (?), auf eine/n Partner/in ausgerichtet...
Oder "alter" Kram: wie waren Deine Eltern/großeltern verheiratet?

Das es nur "anderen" passiert habe ich auch gedacht. Ach die "depris, die immer jammern" aber nun?

Viel Kraft wünscht Dir

Paulus

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 18. Jul 2008, 08:56
von Pauline-Sophie
Hallo Paulus, Du hast schon irgendwie recht, dass es wohl damit zusammenhängen kann. Ich kann irgendwie nicht mit veränderten Lebenssituationen umgehen. Als ich das erste Mal Probleme hatte, war ich grad mit dem Studium fertig und es war der Abend, bevor ich wieder nach Hause umgezogen bin. Da hatte ich meine ersten Panikattacken. Und ein paar Tage nachdem ich meinen wunderschönen Heiratsantrag bekommen habe. Das sind alles schöne Erlebnisse, aber irgendwie kann ich es nicht verarbeiten, wenn was außergewöhnliches passiert.
Und jetzt macht mir wohl unterschwellig zu schaffen, dass ich jetzt gebunden bin und dass ich verantwortlich bin, dass die Ehe klappt. In meinem Umfeld sind alle glücklich verheiratet. So etwas wie Scheidung ist bei uns auf dem Land verpönt. Und wahrscheinlich macht mir das irgendwie Angst.

Seit meinem letzten Beitrag ist es jeden Tag schlimmer geworden. Ich kann nicht mehr schlafen, nichts mehr essen, morgens kaum aufstehen. Ich weiß, dass ich mir jetzt Hilfe holen muss. Aber der erste Schritt fällt mir so wahnsinnig schwer. Ich weiß auch nicht, wo ich anfangen soll. Ich weiß nicht, wie ich meinem Mann das erklären soll, was in mir vorgeht. Danach ist doch alles anders. Wobei er schon mitbekommt, dass es mir nicht so gut geht. Er meint aber, ich bin irgendwie körperlich krank oder so. Das stimmt ja zum Teil auch, da mir ständig schwindlich ist und ich Kopfschmerzen hab.
Oder soll ich zuerst mal zu meinem Hausarzt gehen? Oder gleich bei einem Psychologen anrufen?
Was habt Ihr für Erfahrungen gemacht? Wie habt Ihr das geschafft?

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 18. Jul 2008, 14:51
von carina
Hallo Pauline,

ich kann Dir nur raten baldmöglichst einen Arzt aufzusuchen.

Ich habe mich viel zu lange alleine mit Schlaf- und Appetitlosigkeit etc. herumgeschlagen, weil ich immer dachte, dass es nur mir so geht.

Aber so ist es nicht und meine Hausärztin hat mich sofort verstanden. Alle Laborwerte waren in Ordnung und trotzdem war ich krank. Langsam geht es mir besser, nehme ADs und mache eine Psychotherapie.

Meine Erklärung für Depression ist, dass ich mich selbst überfordert habe. Wenn ich müde war, habe ich mich noch mehr angestrengt. Wohl verdiente Erholungspausen waren für mich ein Fremdwort.

Wenn ich dann Deinen ersten Beitrag lese, dann fällt mir auf, dass Du wirklich viel geleistet hast. Eine Hochzeit ist schön, aber auch anstrengend! Und dann noch Hausbau und Familienplanung. Ich habe das schon hinter mir und weiß, dass das Kraft und Nerven kostet.

Bitte sorge für Dich und geh zum Hausarzt oder Psychiater. Denke daran, dass Du nicht allein bist mit Deinen Beschwerden.

Alle Gute und liebe Grüße

Carina

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 18. Jul 2008, 14:58
von Xayide1
Hallo Pauline,

bitte wende Dich baldmöglichst an einen Arzt.
Am Besten gehst Du direkt zu einem Psychiater, der Dir weiter helfen kann, z.B. Überweisung zu einem Therapeuten.
Oder zu Deinem Hausarzt, wenn Du einen hast dem Du vertraust.

Oder ruf die Telefonseelsorge an:
0800 111 0 111 / 0800 111 0 222 www.telefonseelsorge.org

Österreich: Tel. 142 www.telefonseelsorge.at
Schweiz: Tel. 143 www.tel-143.ch

Infos findest Du auch hier:
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... _hilfe.htm

Laß es nicht auf sich beruhen und denke es werde von alleine weggehen. Eine Depression ist kein Schnupfen.

Alles Liebe,
Sonja

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 19. Jul 2008, 14:39
von Xayide1
Hallo Pauline,

wie geht es Dir heute?

Hast Du schon etwas unternommen?

Viele Grüße
Sonja

Re: Ich dachte, sowas passiert nur anderen!

Verfasst: 20. Jul 2008, 12:02
von serefina
Hallo Pauline,
mich hat das, was du beschrieben hast, sehr an mein Leben erinnert. Auch bei mir gibt es gute und schlechte Tage und ich finde du hast das alles sehr treffend beschrieben. Du sprichst mir aus der Seele!!!!!
Auch ich war bei noch keinem Arzt und stecke in der gleichen Situation wie du, auch wenn ich anmerken muss, dass ich 8 Jahre jünger bin als du.
Auf jeden Fall wünsche ich dir den Mut, dich jemandem anzuvertrauen und zu versuchen etwas an deiner Situation zu ändern, denn glaube mir, sonst wird es immer wieder kommen. Bei mir geht es jetzt seit ca. 1,5 Jahren so und ich bin am Ende meiner Kräfte, denn ich weiß inzwischen nicht mehr, wofür ich noch all die schlechten Tage durchstehen soll, für ein Lächeln, dass mal über meine Lippen huscht?
Kämpfe und gewinne!
Du schafft es!!!!