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Wann geht es bergauf....

Verfasst: 23. Jun 2008, 04:26
von legac/
Hallo!

Bin erst seit etwa einenhalb Monaten in Therapie, mit Antidepressiva (Tresleen, Trittico) habe ich auch erst vor etwas mehr als 3 Wochen begonnen.
Mir ging es relativ schlecht als ich mich "endlich" dazu aufgerafft hatte zu einem Arzt zu gehen - nun frage ich mich aber gerade, was mir die ganze Sache eigentlich gebracht hat?
Seitdem ich in Therapie bin, laufen mir ständig die Gedanken im Kopf herum, ob ich eigentlich überhaupt richtig von mir erzähle - ob ich wirklich die Person bin, die ich während den Gesprächen beschreibe, oder ob ich mir eigentlich alles nur einbilde. Schuldgefühle kommen hinzu, dass ich schließlich, sollte ich mir alles nur vorstellen, jemanden, der die Therapie eventuell nötiger hätte einen Platz weg nehme.
Andererseits zerfresse ich mich innerlich, wenn ich an Tagen wie heute selbst einfach nicht weiß, wie und warum ich während Therapiestunden lächeln kann und es einfach nicht fertig zu bringen scheine, wirklich anzubringen, dass es mir an den meisten Tagen eigentlich richtig scheisse geht.

Selbes bei Terminen bei meinem Psychiater. Ich weiß für mich selbst nicht, ob die Medikamente anschlagen - ich habe keine Ahnung, wann ich mich das letzte Mal gut gefühlt oder Lebensfreude verspührt habe. Vielleicht sogar heute, vielleicht in dieser Woche? Vielleicht schaffe ich es einfach nicht meine Gefühle richtig zu interpretieren - ich weiß es nicht. Das einzige, was ich für mich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich weitaus "schlapper" bin als vor dem AD-Start.

Einerseits toll, endlich kann ich wieder halbwegs schlafen, andererseits trifft es mich sonst nun mit voller Breitseite. Ich schaffe es nicht mehr Telefonate zu führen, komme am Morgen überhaupt nicht aus dem Bett, bin völlig arbeits- und lernunfähig (und das obwohl nun Uniprüfungswochen anstehen). Es geht einfach gar nichts mehr - genau wie vor den Medikamenten auch, bloß mit dem Unterschied, dass ich in der Regel vor 1-2 Uhr einschlafen kann.

Vor der Therapie hatte ich mir an Tagen wie heute immer gesagt, dass ich noch die Möglichkeit offen habe, zu einem Arzt zu gehen. Heute fühle ich mich schlicht und ergreifend leer - ausweglos gefangen.

Ich will endlich wieder "funktionieren", jeder Tag an dem das nicht der Fall ist steigt die Belastung. Ich frage mich nur gerade wie.
Musste mir das gerade einfach von der Seele schreiben...

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 23. Jun 2008, 12:06
von cybolon
Hallo legac,

die AD's brauchen oft viel länger, als "nur" drei Wochen, bis sie überhaupt zu wirken beginnen. (Bei mir dauerte es 9!)

Die Depression ist keine Einbildung. Sie gehört zu den schwersten Krankheiten überhaupt und fordert einiges an Opfern.
Wenn DU einen Therapieplatz hast, ist es Deiner und Du nimmst ihn auch niemandem weg. Wenn Du depressiv bist, hat es niemand nötiger, als Du! Okay?

Eine Unsicherheit, zu Beginn der Therapie, ist nix Außergewöhnliches. Gib dem Therapeuten und Dir Zeit, Dich und Deine Situation kennenzulernen und einzuschätzen.
Die "richtigen" Fragen kommen dann schon von selbst. Auch das kann ne Ecke dauern.

Verurteile Dich nicht dafür, dass Du erschöpft bist! Depressive verbringen Höchstleistungen im Denken, Gesundwerden ist eine schwere und fordernde Disziplin.
Erlaube Dir selbst, weniger zu tun, Dich mit Dir selbst und Deinen Gedanken auseinanderzusetzen und Du wirst lernen, erstmal zu akzeptieren. Auf die Akzeptanz folgt die Änderung einiger Blickwinkel, die Selbstachtung, das bewusste Freimachen und schließlich die gestärkte Selbstliebe. Das sind die Pflastersteine auf dem Weg aus der Depression.

Ganz viel Kraft und aber auch Geduld
wünscht Dir
cybolon

"Endlich wieder funktionieren"

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 24. Jun 2008, 14:54
von Antoinette
@Horst
>>Erlaube Dir selbst, weniger zu tun, Dich mit Dir selbst und Deinen Gedanken auseinanderzusetzen und Du wirst lernen, erstmal zu akzeptieren. Auf die Akzeptanz folgt die Änderung einiger Blickwinkel, die Selbstachtung, das bewusste Freimachen und schließlich die gestärkte Selbstliebe. Das sind die Pflastersteine auf dem Weg aus der Depression.<<
Sehr wahre, schöne Worte!

Hallo Legac!

Wie mein Vorgänger schon so schön geschrieben hat, es ist sooooo wichtig in der Depression, dass man kürzer tritt! Mach Dich frei von dem Druck, funktionieren zu wollen. Das ganze funktionieren unter allen Umständen, 150% Leistung erbringen, Erwartungen von einem selbst und anderen zu erfüllen, das bringt einen ja erst in die Depression. Man kann nicht mit denselben Mustern wieder herausfinden.

Ich bin icn derselben Situation wie du, bald Prüfungsphase zu haben mit Depressionen. Da der ganze Druck mich immer weiter in die Depression hineintrieb, habe ich mich von einigen Prüfungen wieder abgemeldet. Ich lerne jetzt nur noch wenn ich wirklich Kraft und Lust dazu habe. Und wenn ich die Prüfungen deswegen nicht schaffe, tja dann ist das eben so!

Mit den ADs hatte ich übrigens ähnliche Probleme. Ich kam morgends nicht mehr hoch, mein Körper war völlig schlapp und ausgelaugt, auch das Gehirn fühlte isch irgendwie gelähmt und geschwollen an, zeimlich ätzend sowas. Ich habe deswegen die Medikamente abgesetzt, weil dadurch gehts einem ja nur noch schlechter.

>>Ich will endlich wieder "funktionieren", jeder Tag an dem das nicht der Fall ist steigt die Belastung<<

Die Depression bremst einen aus, und dafür ist sie anscheind auch da. Man soll endlich aufhören, sich auszubeuten. Mann soll seinen Lebensstil und seine Werte und Ziele überdenken.

Ich wünsche Dir Geduld und Mut dafür!

Greetz, Antoinette

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 25. Jun 2008, 01:16
von legac/
vielen dank für die antworten.
mir zu erlauben weniger zu tun fällt nur unheimlich schwer. leistungen in der schule haben mich jahrelang psychisch über wasser gehalten. das reine denken, dass ich auch dieses jahr nicht über das zweite semester hinauskomme, macht mich deshalb einfach wahnsinnig.
letztes jahr habe ich noch mit einer aufgabe abfinden können, jetzt fühlt es sich irgendwie so an, als würde DER eckpfeiler meines bisherigen lebens endgültig einstürzen.
vielen leuten geht es erheblich schlechter, aber ich komme scheinbar auch mit dieser lappalie nicht zurecht. würde ich nur wissen wo ansetzen, dann würde ich alles versuchen um mich zu verändern. aber ich weiß einfach nicht wo.

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 25. Jun 2008, 12:54
von cybolon
Hallo legac,

der Anfang ist immer der erste Schritt. (bla bla bla...)
Ich glaube aber, den gehst Du bereits, da Du immerhin schon nach der Lösung suchst und danach fragst.

Die ersten Maßnahmen, die mir wirklich auf den Weg halfen, waren folgende Übungen:

Ich achte auf mich. Ich höre meinem inneren Kind zu, wogegen es sich sträubt. Ich gestatte mir, unvollkommen zu sein. Ich gebe Anderen die Erlaubnis, anders zu denken, als ich. Jetzt komme ich zuerst, vor allen Anderen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, was die Leute mir hier im Forum sagen wollten: Nämlich, dass ich mich selbst wie ein Außenstehender beobachten soll.
Wie wirke ich auf mich selbst und was möchte ich wirklich.

Dann kam noch das mit den üblen Gedanken:
Zulassen, Annehmen, Verarbeiten, Loslassen.

Das sind zwar nur 4 Worte, aber jede einzelne dieser Brennstufen hat es gewaltig in sich und ist nicht von heute auf morgen erlernt.

Jeder muss für sich selbst herausfinden, welche Lektionen für ihn als Anfang geeignet sind.

Ich hoffe, Du kannst hiermit etwas ANFANG(!)en.

@Antionette
"Die Depression bremst einen aus, und dafür ist sie anscheind auch da. Man soll endlich aufhören, sich auszubeuten. Mann soll seinen Lebensstil und seine Werte und Ziele überdenken."

Stimmt schon, dass man das alles soll, um rauszukommen. Aber niemand ist lediglich und allein durch das Gegenteil hineingekommen.

Aaaaaber:
Dass sie dafür dazusein scheint, ist für mich nicht annehmbar. Diese Krankheit wollte mich töten! Auf nichts anderes lief sie von Anfang an hinaus. Ich bin ein überzeugter Gegner der "Gesunder Seelenschrei auf kranke Welt" - Theorie.

Die Tatsache, dass wir nur durch Lernen, Umdenken, Selbstachtung usw. da rauskommen, ist in meinen Augen keine Basis für einen vermeintlichen Nutzen, dieser niederträchtigen, hundsgemeinen und tödlichen Erkrankung.

Klar, wird es mir eines Tages Einiges genutzt haben, all' diese Dinge zu beherrschen. Aber keinesfalls werde ich meinen Enkeln jemals erzählen, sie sollten eine Depri durchmachen, um ihr Leben zu bereichern!

Hugh, ich habe gesprochen!
(Hoffe, es war nicht zu aggressiv *schluck*)

Liebe Grüße
vom
cybolon

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 26. Jun 2008, 22:34
von Antoinette
Hallo Horst!

>> Aber niemand ist lediglich und allein durch das Gegenteil hineingekommen. <<

Ja nee, es gibt ja ne Reihe depressiver Verhaltensweisen, nicht nur die oben genannten. Viele haben sie schon in der Kindheit gelernt, manche erst später.

Man sieht ja an vielen Menschen, dass schlimme Ereignisse und Erfahrungen, Schicksalsschläge und Belastungen nicht zu Depressionen führen müssen, sondern nur dann wenn man danach versärkt die depressiven Verhaltensmuster(natürlich in bester Absicht) anwendet.

Natürlich wünscht man seinen Enkeln keine Depressionen, ganz im Gegenteil. Nun muss ja auch im Idealfall der Gesunde Mensch nicht lernen sich antidepressiv zu verhalten, wenn er es denn eh schon tut.

Aber bei den Menschen die die depressiven Verhaltensmuster anwenden, ist doch die Erkrankung der Schrei der Seele " So bitte nicht!!! So geht es nicht!!! So will und kann ich nicht leben!!! Da bin ich lieber tot, auch wenn tot sein scheiße ist..."

Ich hatte zum Glück nie diese Sichtweise dass die Krankheit mich töten will, denn die Verantwortung lag bei mir. Es war die Seele, die sagte: "unter diesen schlimmen Umständen will und kann ich nicht mehr, entweder es ändert sich was oder ich werde Dich zum letzten Weg zwingen, damit ich nicht mehr gefoltert werde"

Übrigens fand ich Dein Post gar nicht aggresiv. Du hast eben Deine Sichtweise geäußert, das ist doch sympathisch!

Grüße, Antoinette

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 27. Jun 2008, 00:19
von cybolon
Hallo Antoinette,

jetzt hast Du mich um eine Sichtweise bereichert, die dem, was ich empfinde zwar nicht zu 100% entspricht, aber durchaus ihre Berechtigung hat!

Ja und nein:

Ja, die Seele leidet. Aber tut sie dies wirklich nur, weil wir uns irgendwie verhalten haben?

Nein, es gibt auch angeborene/vererbte depressogene Voraussetzungen, dies widerspricht der Theorie vom Seelenschrei.

Es ist möglich, Menschen in die Depression zu treiben: Sie werden eingesperrt, gefoltert o.ä., dabei wird so viel Stress aufgebaut, dass der Stoffwechsel im Hirn sich verändert. So gesehen, können wir uns durch Verhaltensweisen auch selbst reintreiben und das über Jahre, leicht ansteigend, bis es in der manifesten Episode gipgelt. Dem widerspreche ich nicht!

In meinen Augen ist die Depression aber keine "gesunde" oder "logische" Reaktion der Seele und des Körpers. Vielmehr ist es ein Zusammenbruch, der sich spätestens dann äußert, wenn die Botenstoffe nicht mehr richtig andocken oder es an ihnen mangelt.

Was mir gut gefällt, ist, wie Du die Reaktion der Seele beschreibst!
So ist wenigstens nicht das bewusste "Ich" derjenige, der den Sui als vermeintliche Lösung ins Spiel bringt. Und klar: Die Verantwortung lag ebenfalls bei mir.
Aber als ich merkte, dass die Angst vor einer Tat nachließ und ich über Vorgehensweisen nachzudenken begann, war es der richtige Zeitpunkt, die Verantwortung (die Kontrolle) abzugeben und in die Klinik zu gehen.

So entstand bei mir der Eindruck, dass diese Krankheit mich töten wollte. Naja, die Zahlen sprechen ja auch für sich: 7.500 Fälle in Deutschland im Jahr (Dunkelziffer 11.000) Wir wissen, dass das mehr sind, als Alkohol-, Drogen- und Verkehrstote zusammen.

Ich freue mich sehr, diese Diskussion mit Dir führen zu können. Ich bemerke, dass ich hier meine Blickwinkel überdenken kann und gewiss Positives daraus mitnehme.

Liebe Grüße
vom
cybolon

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 27. Jun 2008, 00:31
von steppenwolf1
Hallo legac,

mit einer krankheit ist es nicht so einfach heutzutage einen Abschluss zu machen. Das verstehen wenige, aber man muss ja trotzdem irgendwie klar kommen in der Welt.

Viele studis, machen dies und das nebenher, haben 2 Nebenjobs und schaffen auch alle Belege oder referate.
Hab mich auch immer gefragt, wie das geht.
(musste länger machen, war zwischenzeitlich in der Klinik, etc...)

Aber es gibt auch Menschen, die trotz längerer Studiendauer, späteren Abschluss und unterbrechungen die Füsse auf den Boden bekommen haben.

Was löst den Druck bei Dir aus ?
Dass du nun so schnell wie möglich einen Abschluss machen musst ? Um vllt. unabhängig zu werden ?
Oder weil Du es so gut wie möglich hinbekommen willst ?

Wenn man in einer Depression steckt, ist es sehr sehr schwer, da alles auf die reihe zu bekommen.

Vllt. ist eine auszeit oder pause eine Option für Dich ? Urlaubssemester oder auch eine Krankschreibung ? Dann kannst DU dich erstmal um dich kümmern und versuchen, die tücken des Leistungsdrucks in den Griff zu bekommen ?

(aber ich kann dich da sehr gut verstehen ...*kenn*)

Viele Grüsse und alles Gute,
s.wölfin

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 27. Jun 2008, 04:30
von Antoinette
Hallo Horst! (Achtung! Sorry für das lange Posting!)

Also ich finde es alles so wahnsinnig interessant. Mit Dir kann man sich auch echt gut austauschen.

>> Nein, es gibt auch angeborene/vererbte depressogene Voraussetzungen, dies widerspricht der Theorie vom Seelenschrei. <<
Dies wurde von der Wissenschaft noch nicht bewiesen, aber gehen wir mal davon aus dass es so ist, so ist das natürlich nochmal extra fies. Natürlich weiß niemand von uns ob er denn depessive Gene geerebt hat. Komischerweise gehe ich aber immer noch nicht davon aus, dass es bei mir so ist, und das obwohl Depressionen bei uns in der Verwandtschaft verbreitet sind.

Aber man wird eben soo viel schon in der Kindheit geprägt, und auch während der Schwangerschaft kann ja der Embryo schon Srtesshormone von der Mutter abkriegen. Bei uns in der Familie wundert mich da auch gar nix mehr an psychischen Krankheiten, wenn man sich die jeweilige Kindheit von jedem ansieht, und wie die Eltern ihre Kinder Belasteten weil sie selbst nicht klar kamen.

>> Es ist möglich, Menschen in die Depression zu treiben: Sie werden eingesperrt, gefoltert o.ä., dabei wird so viel Stress aufgebaut, dass der Stoffwechsel im Hirn sich verändert. So gesehen, können wir uns durch Verhaltensweisen auch selbst reintreiben und das über Jahre, leicht ansteigend, bis es in der manifesten Episode gipgelt. Dem widerspreche ich nicht! <<
Das sehe ich ja ganz genauso wie Du. Will gar nicht dran denken, was Menschen erleiden müssen die gefoltert werden. Es gibt Situationen da muss man Depressiv werden, besonders Situationen wo man machtlos/wehrlos ist.

Du kennst bestimmt den Versuch mit den Ratten. Eine Gruppe von Ratten wurden im Käfig gehalten, wo von Zeit zu Zeit verhältnismäßig starke Stromschläge durch das Bodengitter geschickt wurden. Nach kurzer Zeit wiesen die Ratten die Symptome einer Depression auf.
In einen anderen Käfig mit Ratten wurden auch stromschläge geschickt, in diesem Käfig gab es aber einen Knopf, mit dem man die stromschläge unterbrechen konnte. Das haben die Ratten schnell herausgefunden, sie haben keine Depressionen gekriegt, ganz im gegenteil sie wirkten lebendiger und gesünder als je zuvor.

Nun das wundert mich nicht. Sie haben die erfahrung gemacht, dass man gegen schlimme ereignisse etwas tun kann. Die anderen Ratten waren hilflos ausgeliefert, sie lernten dass man hilflos ist, nichts ändern kann, positive Gefühle waren für sie nun unerreichbar.

Klar kann der Mensch in schreckliche Situationen kommen, wo er völlig hilflos ist, und muss dann Depressionen bekommen. Zum Beispiel Menschen die Konzentrationslagern waren. Komischerweise gab es auch hier wieder welche, die keine Depressionen bekommen haben. Mal ganz davon abgesehen dass sie alle unvorstellbar gelitten haben , aber es gibt anscheinend Leid pur, und Leid mit Depressionen.

>> In meinen Augen ist die Depression aber keine "gesunde" oder "logische" Reaktion der Seele und des Körpers. Vielmehr ist es ein Zusammenbruch, der sich spätestens dann äußert, wenn die Botenstoffe nicht mehr richtig andocken oder es an ihnen mangelt. <<
Auch das sehe ich genau so, wollte auch gar nicht mit meiner Aussage dem widersprechen, vielleicht habe ich es missverständlich ausgedrückt.

Keine positiven Emotionen, keine positiven Botenstoffe -> Depression. Nun ist ja der Mensch normalerweise Meister darin sich positive Gefühle zu verschaffen(ich meine jetzt nicht die, die in die Depression "gezwungen werden durch folter etc.), man braucht ja nur die vielen glücklichen Arschlöcher anschauen die auf der Welt so rumlaufen, da können denen noch so schlimme Sachen passieren, das stecken die alles weg.

Der depressionsanfällige Mensch hingegen hat nicht in ausreichendem Maße gelernt, sich positive Gefühle zu verschaffen. Er ist da auf die Gunst der anderen angewiesen, oder auf glück. Bleibt beides aus, steht er schlecht da. Dann versucht er alles wieder zum guten zu wenden, indem er verstärkt die depressiven Verhaltensmuster anwendet. Er muss es NOCH MEHR den anderen Recht machen, damit sie ihm ja wieder gut sind. Er muss NOCH MEHR Leistung erbringen, NOCH MEHR erwartungen erfüllen, perfektere Arbeit machen, MEHR arbeiten. Systematisch übergeht er sich selbst, hört nicht auf seine Gefühle und Bedürfnisse, verlässt sich selbst, ist immer mehr bei dem MÜSSEN als bei seinem wollen. In der Regel werden dadurch die außeren Umstände dann auch nicht besser, nun ist dem Depressiven klar, er ist machtlos, da kann er sich noch so anstrengen, es wird ja alles nur schlimmer. An die naheliegende Möglichkeit sich positive Gefühle zu verschaffen denkt er im Traum nicht. Er kommt eben nicht darauf etwas für sich zu tun, für sich einzustehen, sich sein recht zu nehmen, seine gefühle für wichtig zu nehmen. Und an diesem Punkt würde ich eben es doch gerne so formulieren, dass es nun eine logische Konsequenz ist, dass keine positiven Botenstoffe mehr ausgeschüttet werden und eben Depression eintritt.

Er hat ja nicht das gemacht, was positive Gefühle bringt, er hat das gemacht, was MAN idelaerweise TUN SOLLTE. Er hat das gemacht was er denkt, was MAN TUN MUSS. Man MUSS doch für andere da sein, sonst ist man egoistisch, man MUSS doch Überstunden machen, sonst verliert man den Job, man MUSS sich doch so uns so verhalten, dann kriegt man vielleicht endlich Liebe.

Naja ich meine jetzt nicht dass es immer diese speziellen Fälle sind, da gibt es wohl die verschiedensten abwandlungen.

Deswegen tut es dem Depressiven so gut, wenn er langsam lernt auf seine Gefühle und Bedürfnisse zu hören. Die wurden ja lange missachtet. Es ist wichtig genau wahrzunehmen z.B. "Das will ich nicht" "Das tut mir nicht gut", "Das ist mir zuviel", "Das ist verletzend".

Alleine dadurch dass ich in den letzten paar TAgen endlich mal meine Gefühle und Bedürfnisse respektiert und geachtet habe, geht es mir so wahnsinnig viel besser.

Legac, vielleicht könnte Dir das auch helfen.

Achso Horst übrigens, ich finde ja unsere Aussagen widersprechen sich beim näheren Hinsehen nicht wirklich, vielmehr betrachtet vielleicht jeder von dem großen Elefanten einen anderen Körperteil, und kommt dann auch zu einer anderen Berschreibung.

Viele Liebe Grüße und gute Nacht, ups ich meine guten morgen! Antoinette

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 27. Jun 2008, 11:58
von cybolon
Hallo Antoinette,

da hast Du Recht, wir rennen uns zum Teil offene Türen ein. Ich finde es aber toll, die andere Seite des Elephanten gezeigt zu bekommen. Wir erarbeiten uns jetzt das volle 3D Objekt, okay?

Zu den glücklichen Arschlöchern gehörte ich zeitlebens, bis zum Mai 2007. Sicher, traurige Ereignisse und Phasen hatte ich in meinem Leben bestimmt genauso oft, wie jeder "normale" Mensch. Dass ich überhaupt zur Depression fähig sein könnte, lag mir sowas von fern.

Ganz, wie Du es beschreibst, reihten sich Geschehnisse und Umstände aneinander, sodass ich an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen musste. Überlastung pur.
Hier lenke ich nun ein und folge Deiner Auffassung, dass es (neben erblicher) die erworbene Depression gibt. Mein Stoffwechsel-Gesülze ist zwar nicht falsch, aber Deine Sicht auf die Ursachen dafür ebenso richtig.

Fest überzeugt bin ich davon, NICHT falsch gelebt oder gedacht zu haben, in meinem Leben. Aber das mit den Menschen, die es nicht anders gelernt haben und wenn das Leid kommt, dann nicht wissen, wie sie reagieren sollen, ist ein Hammer-Argument von Dir.
Ja, meine Depression, auch genannt "reaktive Anpassungsstörung", resultiert genau aus diesen Mustern.

Der immer lustige, hilfsbereite und einfühlsame Horsti, den kann nix erschüttern.
Zu mir sagte mal eine liebe Freundin: "Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der so ausgeglichen in sich ruht, wie Du!"
Das traf ja damals auch zu. Meine Harmoniesucht ließ mich jeden aufkommenden Streit unter Kumpels im Keim ersticken.
Was ich dabei aber entbehrte, war das Erkennen körperlicher und seelischer Signale und die Vorbereitung oder das Training, mit Verlusten, Rückschlägen und Überforderungen umgehen zu können.

Mein Dad erlitt einen Schlaganfall, saß im Rollstuhl und konnte nicht mehr sprechen. 16 Monate pflegten wir ihn, bis er endlich sterben durfte. Meine Mom bekam gleichzeitig, wen wundert's, Depris.
Mein Onkel begann die Situation auszunutzen und beschiss seine eigene Schwester um viel Geld, aus einem gemeinsamen Hausbesitz. Prozessdauer: 4 Jahre (Nachweise, Beweise, Wiederspruch, Anträge etc.)
Im Job passierten auch noch ein paar Auslöser. Dann das Problem, mich nicht mehr als vollwertiger Mann zu fühlen, aufgrund jahrelanger Zurückweisung...
Dieses Jammertal zu verlassen, verliebte ich mich in eine Andere und die Konflikte eines treuen und liebenden(!) Ehemannes waren es schließlich, was mich endgültig schachmatt setzte.

Einem Menschen mit einer gesunden Psycho-Hygiene, wäre das nicht passiert. Er hätte die Signale beachtet und zu manchen Dingen einfach "nein" gesagt.
Mein Flower-Powser-Reggea-Rock Dasein und mein permanentes Streben nach Fröhlichkeit, bewirkten, dass ich dem Stress unvorbereitet und hilflos gegenüberstand.

Ja, und vollgestopft mit Imperativen (muss, soll...) hat mein Gehirn irgendwann seine Botenstoffe reservelos abgefrühstückt. Basta! Depri! Kopfkino mit 101 tpm (thoughts per minute), Hirnfriteuse, Mindfucking.
Im vollen Besitz unserer geistigen Fähigkeiten, leiden wir am Verlust der positiven Gefühle, Erwartungen und Sichtweisen.

Die Depression ist also tatsächlich eine logische Reaktion unserer Seele. Einverstanden, Antoinette!
Logischer Seelenschrei.

Aber nicht "gesunder" Seelenschrei! Ich sehe die BlackLady immernoch als tödliche Krankheit an. *Arme verschränk*

Unsere Aussagen widersprechen sich jetzt NOCH weniger, weil Du sagenhaft gut argumentiert hast und ich eine Überzeugung dazugewonnen habe. Danke dafür, liebe Antoinette!

Magst Du von Dir und den Ursachen Deiner Depri näheres erzählen?

Liebe Grüße
vom
cybolon

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 29. Jun 2008, 14:44
von Antoinette
Huhu Horst, da bin ich wieder!

War mal nen paar Tage abgetaucht. Bin offensichtlich gerade in ner wichtigen Genesungsphase wo sich in mir viel tut, und brauchte dafür meine Ruhe. Du wirst es mir hoffentlich nicht übel nehmen, auch wenn ich Dich hier einfach so "stehen" ließ.

Horst, Dein Depressionsverlauf liest sich ja wie ein Bilderbuchbeispiel eines einst glücklichen Menschen, der dann im Kampf gegen das die Schicksalhaften Belastungen doch noch in Depressionen verfiel.

Ich habe auch mal im Stern in der Stress-Serie über eine Frau gelesen die ihre Mutter pflegen musste, und da haben sie gemessen, dass bei bei ihr den gnazen Tag über wahnsinnig viel vom Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wurde und so schnell gar nicht mehr abgebaut werden konnte. Und Cortisol ist ja auch in Depri-hinsicht sehr gefährlich.

Ich stelle mir das auch sehr belastend vor, den eigenen Vater hilflos zu sehen, ihn leiden zu sehen, ihn pflegen müssen und wahrscheinlich auch noch nen Wahnsinnig schlechtes Gewissen haben dass man es nicht gern tut. Mutter mit Depris habe ich auch mal miterleben müssen, hat Deine die ihren denn inzwischen überwunden?

Dann noch die ganzen anderen Belastungen, und der Weg für die Depris war gebahnt... Was mich mal interessieren würde, arbeitest Du eigentlich bei der gleichen Arbeit wie vor den Depris, oder jetzt woanders?

>>Fest überzeugt bin ich davon, NICHT falsch gelebt oder gedacht zu haben, in meinem Leben.<<
Nee, davon kann gar nicht die Rede sein, Du hast ja so gehandelt, gerade weil Du dachtest, dass es das Beste und Richtigste ist, was möglich war.

Ich fand es ja auch stets richtig und toll, mich NOCH MEHR anzustrengen, mir NOCH MEHR Kampfgeist zu beweisen, NOCH MEHR Durchhaltevermögen, in schlimmen Situationen drin zu bleiben und NICHT wegzulaufen, alles zu ertragen... Aber im Endeffekt hat mir das geschadet, obwohl ich dacht, so komme ich da raus. Ich hätte auch einfach mal sagen können:"Äh nee, ich WILL das eigentlich NICHT. ICH will mich nicht kaputt machen, ich MUSS mir NICHT beweisen, wie wahnsinnig viel ich doch ertragen kann!", aber auf mein Herz habe ich eben schon lange nicht mehr gehört, der Kopf war viel stärker, und außerdem dachte ich dass das genau das richtige ist. Leider haben mich die damaligen Therapeuten in dieser Ansicht noch unterstützt...

>>Mein Stoffwechsel-Gesülze ist zwar nicht falsch, aber Deine Sicht auf die Ursachen dafür ebenso richtig.<<
Nee ich finde das "Stoffwechsel-Gesülze" eben so wichtig und richtig, ich glaube eben nur nicht dass einfach so aus heiterem Himmel ne Stoffwechselstörung auftritt, sondern dass man vorher schon irgendwelche belastungen hatte(nicht immer bewusst) die den Stoffwechsel überfordern. Ich habe mich viel mit der modernen Hirnforschung beschäftigt und lese da ab und zu die neuesten veröffentlichungen.

Jetzt kommt mal meinerseits ein "Gesülze":
Es ist echt super interessant zu wissen, dass das Limbische System (das emotionale Gehirn, das ich gerne mal "Seele" nenne ), relativ unabhängig vom Nerokortex (dem analytischen, rationalen Verstand) agiert. Grob gesagt werden da Situationen abgespeichert, die heftige Gefühle auslösten. Bei ähnlichen Situationen oder Erinnerungen daran werden die heftigen Gefühle wieder ausgelöst, sozusagen als warnung. Und es ist dem Limbischen System sehr wichtig, gehört und wichtig genommen zu werden, denn es will vor Überlastung oder Lebnsgefahr warnen, es weiß ja dass es nur begrenzt mit Leid, Stress und Belastung umgehen kann.

Offensichtilich hat aber der Verstand oft keinen Bock auf die Warnungen zu hören, so tut man sich denn immer Mehr Belastung und Stress an, hat nix posittives mehr zum Abbauen, und dann erkrankt an dem ganzen Stress das Limbische System, funktioniert überhaupt nicht mehr gut(Stoffwechsel-Störung!), geht in den Streik, Dunkelheit, Qual, Schmerz, Depression. Insofern gebe ich Dir Recht, man kann es als Krankheit betrachten, aber eben auch als "Seelenschrei", denn es hatte doch bescheid gesagt! Warum wollte denn keiner hören?! Es zieht zwangsweise mal die Notbremse, kann eben nicht mehr.

Deswegen finde ich Deine 18:30 Uhr-Methode sehr gut. So weiß Dein Limbisches System "Alles klar, der liebe Horst, der kümmert sich um mich und nimmt mich ernst!"

Ich gehe jetzt auch wieder mehr auf meine Gefühle ein, erkenne sie als Gefühle(unterscheide sie also von Tatsachen), sage "Ich FÜHLE mich so uns so, aber dass heißt nicht dass ich auch so BIN", höre dem Gefühl zu, gebe ihm Erlaubnis da zu sein, fühle es zu Ende... Und ich muss sagen das tut mir sehr sehr gut, klar gibt es immer wieder Einbrüche, aber doch merke ich wie ich deutlich auf den Pfad der Genesung gelange, so langsam langsam ehohlt sich mein Limbisches System

>>Magst Du von Dir und den Ursachen Deiner Depri näheres erzählen?<<
Ja, mag ich, freu mich über Dein Interesse, aber das mache ich dann wohl im nächsten Postig, hier wirds sonst wieder allzu lang

Tschüßi, die Atoinette

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 29. Jun 2008, 15:01
von steppenwolf1
Hi legac,

liest Du noch mit ? Hab das Gefühl du bist etwas untergangen ?

Viele Grüsse, s.wölfin

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 30. Jun 2008, 07:36
von legac/
Hallo!

Ja, ich lese noch mit, habe allerdings das Wochenenede über nicht in das Forum gesehen und deshalb erst jetzt bemerkt, dass ihr noch etwas geschrieben habt.
Auch wenn das eigentliche Thema etwas untergegangen ist, finde ich die hier stattfindende Diskussion auch interessant und lese gerne mit.

Die Sache mit einer Auszeit hätte ich mir durchaus auch schon überlegt, allerdings habe ich die Idee bisher immer verworfen, da ich Angst vor den dann mit Sicherheit noch einmal verstärkten Schuldgefühlen habe.

Nunja. Mit einem Weiterführen des Studiums gibt es natürlich Stress und Leistungsdruck, trotzdem ist zumindest das Gefühl da zumindest etwas zu arbeiten. Wenn ich allerdings den aktuellen Verlauf dieses Semesters ansehe, dann war das im Prinzip nur ein pausenloses Hinterherhinken mit Hausübungen, ein Fürchten vor Prüfungen und eine Zeit mit durchaus viel sozialem Stress.
Was mir die Entscheidung für das Studium und gegen eine Pause gebracht hat? Schuldgefühle sind trotzdem verstärkt da, weil ich nichts weiterbringe. Mit Kindergeld ist nun auch absolut Sense, da ich dieses Semester wohl nicht einmal mehr über die dafür nötigen Pflichtstunden komme.

Das einzige, was mir das aktuelle Weiterführen des Studiums bringt oder gebracht hat, ist zumindest der Gedanke, nach wie vor zu versuchen den Leistungsweg zu beschreiten, der mir auch in der Schulzeit, während welcher ich praktisch durchgehend gemobbt wurde, viel geholfen hat.

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 30. Jun 2008, 10:38
von cybolon
Hallo legac,

sorry, dass Antionette und ich vom Ursprungsthema abgeglitten sind.
Naja, die Frage "wann geht es bergauf..." ist die sehnsüchtigste und drängendste in der Depression. Löst damit unweigerlich einen Austausch über die Entstehung und Bewältigung von Konflikten, bishin zur Depression, aus.

All dies zu (er)kennen, soll uns schließlich helfen, genau diese Leistungsüberforderungen in den Griff zu bekommen.
Ich hoffe, Du kannst einiges daraus für Dich gebrauchen und wünsche Dir, dass Du mit Gelassenheit, Geduld und Zuversicht, ein schönes und selbstbewusstes Studium durchziehen kannst.

@Antoinette
Seele zum Menschen: "Wollte Dir nur sagen, dass es Dir leid tut, wie Du mit mir umgesprungen bist!"

More soon!
(Evtl. Extra-Thread...)

Liebe Grüße
vom
cybolon

Re: Wann geht es bergauf....

Verfasst: 30. Jun 2008, 10:53
von cybolon