Meine Kinder leiden unter mir

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alive_no_more
Beiträge: 3
Registriert: 7. Jun 2008, 09:50

Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von alive_no_more »

Ich habe mittelschwere und z.T. schwere Depressionen seit Jahren.

Nachdem ich immer ein recht vernünftiges und fröhliches Leben geführt habe, brach nach und nach alles zusammen: Meine Ehe, meine Arbeit, meine Perspektiven, mein Selbstwertgefühl, meine wirtschaftliche Situation, meine Gesundheit, mein Glauben, meine Hoffnung auf Besserung.

Meine Kinder zeigten immer mehr Verhaltensstörungen, das Leben wurde immer anstrengender und schwieriger. Ich habe inzischen ein paar mal über Monate Medikamente genommen (Citalopram, Sertralin, Bromazanil), es hat sich rein garnichts verändert: Alles, was diese Tabletten bewirkten, war ein diffuses, belastendes Gefühl.
Im Übrigen bin ich der Ansicht, daß es keine pharmakologische Behandlung gibt, die die angefallenen Schwierigkeiten weniger drastisch machen könnten. Nun, - werdet ihr sagen, - sie können dabei helfen, einen besseren Umgang mit den Problemen zu ermöglichen, aber das haben sie in meinem Falle nicht vermocht. Ich bin wirklich der Ansicht, daß es Probleme gibt, wo sie das nicht mehr können: Wenn z.B. bodenlose Traurigkeit nicht etwa auf Stimmungstiefs zurückzuführen sind, deren Herkunft sich evtl. nicht auf Anhieb ergründen läßt, sondern anhand bestimmter definierter Schwierigkeiten im Leben entstanden sind, von denen man ganz genau weiß, daß man, wären diese nicht existent (gewesen), ganz anders empfinden würde.

Einmal in einem Stadium angekommen, wo Probleme sich derart verdichten, daß man weiß, dass man wird dort nicht mehr herauskommen wird und zu einer bestimmten Lebensführung verdammt ist, kann man nur noch marginal an der Intensität dieser Probleme arbeiten, indem man die unumgänglichen Dinge tut, um nicht gänzlich am Leben zu zerbrechen.

Heute empfinde ich mich als innerlich tot, wie ein Wesen, das einen nach dem anderen mehr oder minder qualvollen Tag hinter sich bringt.
Die Geschehnisse haben - sagen wir - ihre affektive Farbe verloren, jegliche Zuversicht in die Zukunft ist weg, ich bin konstant erschöpft,
alles ist unendlich mühselig geworden.
Ich fühle mich vereinsamt, mir selbst schon lange entfremdet.

Was mir den größten Kummer bereitet: Früher hatten meine Kinder eine fröhliche, optimistische Mutter, die nicht mehr da ist.
Es macht unendlich traurig, daß sie für immer mit den Erinnerungen an eine Kindheit leben müssen, in der irgendwann alles immer freud- und aussichtsloser wurde.
Wie seid Ihr damit umgegangen?
flocke
Beiträge: 3603
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von flocke »

Oh je, du klingst wirklich schlecht.

Nun bin ich keine Mutter, aber hier gibt es einige.

Dass du dich nun gänzlich gegen Medis entschieden hast ist denke ich nicht so toll. Es dauert halt lange bis man das richtige medikament in der richtigen Dosierung und Kombination gefunden hat. Das ist frustrierend, ja, aber nicht aussichtslos. Dennoch ist es deine Entscheidung und dein derzeitiges Empfinden.

Machst du denn Therapie? Das kann helfen, belastende Ereignisse zu verarbeien und mit ihnen umgehen zu lernen. Ebenso hilft es Denkmuster wieder zu verändern. Denn, nicht nur negative Ereignisse beeinfliussen, auch positive. Die Denkmuster die du nun hast werden nicht ein leben lang so sein, besonders, WENN die Depression sich "lediglich" auf belastende Ereignisse stützt. So etwas kann man ausgleichen, nur ist das nicht leicht.

Weißt du, deine Kinder merken zwar dass du nicht mehr fröhlich bist, aber ich denke sie merken dennoch und im besoneren, dass du sie liebst und für sie nur das Beste willst.


Flocke
Pessimisten sind Optimisten mit Erfahrung
parvus_

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von parvus_ »

manches ist bei mir ähnlich. medikamente helfen in manchen fällen, in manchen eben nicht, normal. mir helfen sie auch nicht. therapeutische hilfe sollte man sich trotzdem holen, das kann fast nie schaden und oft nutzen.

ich bin getrennt lebender vater von vier kindern. mir tut es weh, meinen kindern keine unbeschwerte heiterkeit bieten zu können. ich habe ein schlechtes gewissen den kindern gegenüber, nicht einfach so mit ihnen lachen und schwerzen zu können.
aber es gibt anderes, was ich ihnen bieten kann, und da gilt es dann geduldig zu warten. sonst nichts.

einen liben gruß
paul
Monas
Beiträge: 366
Registriert: 3. Apr 2008, 19:49

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von Monas »

Du klingst sehr traurig als hättest Du Dich schon selbst aufgegeben und jegliche Hoffnung verloren

Ich bin auch Mutter und kenne daher auch das schlechte Gewissen das man hat
meiner Meinung nach ist es auch sinnvoll den Kindern Hilfe zukommen zu lassen,
wir haben zb FamilienTherapie gemacht
und die Kinder und auch ich bekommen noch Einzeltherapie
denn das alles ist eine sehr belastende Situation


Ich glaube auch das Depressionen wohl nie ganz verschwinden können wenn Belastenden Situationen immer noch da sind
und auch wenn man immer noch das Leid aus der Vewrgangenheit mit sich trägt

das muss verbeitet werden, inform einer Therapie
nur Tabletten werden da eh nicht helfen

aber Tabletten können wirklich eine sehr gute Unterstüzung sein, wenigssten sich selber wieder zu fühlen die Umwelt wahrzunehmen aus der Hoffnungslosigkeit rauszukommen sich was wert zu fühlen
und so wieder Kraft zu bekommen
just
Beiträge: 352
Registriert: 21. Mär 2008, 18:59

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von just »

Liebe alive-no-more,
weil deine Ausführungen mich so angesprochen, möchte ich dir auch gleich antworten und die gleichzeitig in diesem Forum begrüßen. Bin hier auch noch (fast) Neuling. Lese aber schon länger mit.

Wenn auch auf anderer Ebene, da die Begleitumstände ja immer individuell verschieden sind, finde ich mich in deinen Aussagen wieder.
Auch bei mir haben, vereinfacht ausgedrückt, äusserst widrige Lebenserfahrungen und harte Schicksalsschläge einen tiefen Sturz in die Depression ausgelöst. Bin mir aber nicht ganz sicher, ob Depression mit einigen ihrer Komorbiditäten nicht schon immer inhärent in mir 'geschlummert' haben, um dann nach unumgänglichen Anlässen mit aller Brutalität zuzuschlagen. Es gibt Dinge im Leben, die nicht mehr zu ändern sind. Das ist ein harter und steiniger Weg. Tote können nicht mehr zum Leben erweckt werden, Trennungen sind (normalerweise) nicht rückgängig zu machen etc.pp
Was Kinder anbelangt, so hat mein Sohn nicht 'unter' mir gelitten, sondern wir haben untereinander gelitten.
Wege aus der Depression in Form von Therapien und AD´s haben bisher nichts genutzt. Jedes Hirn dockt anders an und die unumgäglichen Aufgaben, die im Alltag bewältigt werdem müssen, bleiben.
Nach der letzten Einnahme eines damals noch neuen AD´s fiel ich immer tiefer und verlor zeitweise meine Würde. Unfassbar für mich, die beruflich immer top sein musste und wollte. Das Bett zu verlassen, wurde zur Qual.
Fast neu zugezogen, stand ich mit all meinen Problemen vor einem Riesenberg und fühlte mich wie Sisyphus, dem immer größere Steine und Felsbrocken entgegenrollten.
Ambulant war mir nicht mehr zu helfen, also fuhr ich, denke noch heute mit Schrecken an diese Fahrt in diese psychosomatische Klinik,
wo alles schief ging, was nur schief gehen konnte. Nach der Rückkehr erwartete mich noch ein größeres Desaster, weil alles liegen geblieben war und wieder alles, auch (oder gerade deswegen)bedingt durch äußere Umstände über mir zusammenbrach.
Ich habe mich insofern mit dieser Krankheit arrangiert, das ich mir bei jedem erneuten Absturz denke, es geht auch anders. Denn ich konnte ja 'früher' fröhlich sein und das Leben genießen. Zumindest hilft mir dieser Gedanke dabei, das diese Qual, sich am liebsten nur im Bett zu verkriechen, schon länger vermieden wird, um notwendige Dinge zu erledigen. Meine vielen Hobbys sind dabei leider auf der Strecke geblieben, weil mich ein permanent schlechtes Gewissen begleitet bestimmte wichtige Aufgaben nicht erledigt zu haben. Leider ist mir das Empfinden von Freude völlig abhanden gekommen. Ich funktioniere nur noch. Längst nicht genug, da ich ungewollt immer vergleiche.
So nach dem Motto, das ist doch nur ein Klacks für dich. Du musst nicht nur wollen, sondern auch tun. Mein Kopf ist übervoll und dennoch will er sich nicht im positiven Sinne leeren.
Bei negativen Gedanken, die mich seit langer Zeit begleiten, versuche ich dem Grübelzwang und der dadurch erzeugten Lähmung mit einem inneren STOPP! zu begegnen, was natürlich nicht immer gelingt.
Kinder und Depressive haben sehr sensible Antennen für Leiden. Sie spüren, fühlen und empfinden sehr wohl, das dieses Leben mit Depression absolut nicht stimmig ist und reagieren völlig unterschiedlich.
Der Kopf weiss, zumindest ist das bei mir so,
sehr wohl, was ich tun könnte, müsste und wollte.
Nur hindert mich die Depression an der Umsetzung.
Weiss deine Familie über deine Empfindungen?
Gleich muss/werde ich selbstbewusst (nach aussen gelingt mir das schon länger wieder) einkaufen fahren.
Habe jetzt völlig unsortiert einfach drauf los geschrieben und dir sicher nicht damit geholfen.
Werde es zu einem späteren Zeitpunkt strukturierter versuchen.

Alles Liebe dir
wünscht
delta
alive_no_more
Beiträge: 3
Registriert: 7. Jun 2008, 09:50

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von alive_no_more »

Vielen Dank, delta.

Ich denke, Du hast das gut verstanden, was ich auszudrücken versuchte.
Früher habe ich mich auf jeden neuen Tag irgendwie gefreut, hatte viele Beschäftigungen, die mir Spaß machten, das alles ist verlorengegangen, es gelingt mir einfach nicht mehr, den Dingen etwas abzugewinnen.
Ja, ich versuche meine Kindern zu erzählen, was in mir vorgeht, warum ich so traurig bin.
Theoretisch verstehen sie das sicher, aber
das ändert nichts an den Gefühlen, die sie damit haben. Und nichts an den Schuldgefühlen, die ich damit habe.
flocke
Beiträge: 3603
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von flocke »

Nun, wie wäre es denn dann wirklich eine Familientherapie zu machen?

Flocke
Pessimisten sind Optimisten mit Erfahrung
black49
Beiträge: 132
Registriert: 21. Dez 2007, 11:02

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von black49 »

hallo liebe a....(wie magst du denn angeredet werden),

ich kann dich sehr sehr gut verstehen, wie alt sind denn deine kinder? wenn sie noch sehr klein sind, brauchen sie dich um so mehr und du mußt dich ganz doll zusammenreißen, du mußt einfach funktionieren. du kannst/darst jetzt nicht versagen und an dich denken, deine kinder brauchen dich dringender als je, sie können einfach noch nicht so viel verarbeiten. sie spüren es, aber können es nicht richtig zuordnen. dieser lernprozeß ist auch für uns erwachsene nicht ganz einfach, und wir haben schon einiges erlebt, oder? du darfst nie vergessen, für unsere kinder sind wir "die eltern" das große vorbild. sie müssen von uns einen grundstein gelegt bekommen, wenn es auch schwer fällt, aber du kannst es schaffen liebe a......

entschuldige bitte meine "harten worte", es fällt sicherlich sehr schwer, aber ich spreche aus eigenener erfahrung, habe es selber durcherlebt und für mich persönlich waren, nach dem tode meines mannes, die kinder in jeder hinsicht das wichtigste.

weine wenn dir danach ist, jammere oder schreie, so laut du willst, vielleicht nicht unbedingt vor den kindern, weinen erleichert und tut gut, du mußt es nur zulassen und dabei denken, deine kinder brauchen dich, und du kannst kämpfen.

wenn die dunkelheit und leere auch mich fast aufgefressen hat, keine signale von meiner seele oben ankamen......und ich nicht mehr weiter wußte......(vielleicht brauchte ich einfach nur mal eine umarmung, einpaar töstene worte, mitgefühl oder anerkennung)......haja, dann habe ich auf dem heimweg vom büro nach hause im auto geweint, tief tief tief geschluchzt, vor mich hin geredet, warum und wieso......manchmal habe ich ganz laut.....(nicht lachen) die emotionalen songs von andrea berg gehört, da kann man sich so schön reinsteigern und weinen. du bist alleine und es hört dich keiner. ich weiß es ist gefährlich, weil die straße einbischen schwimmt oder sind es deine tränen? das radio kannst du so laut stellen wie du willst, das liegt in deiner hand.....und man kann dabei einbischen vergessen. verstehst du/ihr was ich meine?

klingt jetzt vielleicht einbischen kaotisch, aber ich glaube, wenn man es auch nicht wahrhaben will, braucht jeder mensch einbischen mitleid oder wie man so schön sagt...streicheleinheiten....auch wenn man nach außen noch so stark erscheint.

und solange die kinder klein sind, ist es noch viel wichtiger zu funktionieren, vorausgesetzt sie haben nur dich. meine kinder waren damals 13 und 18 jahre als ihr papa plötzlich und unerwartet (umgefallen und tot) war.

das ist natürlich nur meine meinung, und persönliche einstellung. ich habe alles andere aus meinem leben gestrichen, aber nicht bewußt, es war einfach so. das ist sicherlich auch nicht das beste, weiß ich, aber ich bereue nichts, die kinder sind jetzt 25 und 30 jahre.

vielleicht ist es einbischen anders bei dir, will dich auf keinen fall zurechtweisen, möchte dir nur ganz viel kraft und mut schicken.

in der hoffnung, dass du mein geschriebenes bitte nicht falsch verstehst sende ich dir eine dicke umarmung
lg von eva
akopelle
Beiträge: 10
Registriert: 22. Jul 2007, 11:14

Re: Meine Kinder leiden unter mir

Beitrag von akopelle »

Was Du schreibst ist sehr eindrücklich, ich kann Dir nachfühlen, wie es Dir geht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich ähnliches erlebt oder gefühlt habe. Allerdings denke ich dass bei mir auch die hormonelle Umstellung (Wechseljahre mit 45) eine Rolle spielten. Lange Zeit war ich strikt gegen ein Einnahme von AD. Genau so lange, bis ich dieses innerliche „Totsein“ nicht mehr ertragen habe, keine Freude mehr, keine Interessen, Rückzug von Freunden, Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen, Schuldgefühle ohne Ende, vor allem meinem Sohn gegenüber, völlige Gleichgültigkeit… die Aufzählung ließe sich noch eine Weile fortsetzen. Nach einigen Versuchen fand ich dank einer sehr guten Psychiaterin das richtige Medikament für mich und heute sehe ich die Welt tatsächlich wieder mit anderen Augen. Ich glaube, das Heimtückische an einer Depression ist auch die veränderte Wahrnehmung und dass Du Dich selbst nicht mehr spürst… und das Wichtigste bei einer Depression ist, nicht aufzugeben und ein guter Therapeut. Erst wenn Du medikamentös richtig eingestellt bist, kann eine Besserung eintreten, vorher bist Du möglicherweise nicht in der Lage für Gespräche u.a. therp. Maßnahmen. Ich weiß wie schwer es fällt, alle Symptome als vorübergehend zu betrachten, tatsächlich aber fühlst Du Dich mit den richtigen Medikamenten und einem guten Arzt irgendwann besser. Gib Dich nicht auf und schau weiter nach Möglichkeiten und kompetenter Betreuung.

Liebe Grüße

Morgaine
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