Minderwertigkeitsgefühl und die Folgen

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Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Minderwertigkeitsgefühl und die Folgen

Beitrag von Walli83 »

Hallo Ihr lieben Leute, die Ihr mir immer wieder gute Ratschläge gebt...

Ich hoffe, dass mein Text nicht allzu lang wird, weil ich eigentlich gar keine Zeit habe, zu schreiben.

So langsam habe ich das Gefühl, ein hoffnungsloser Fall zu sein. Mittlerweile habe ich wenigstens herausgefunden, was mein Hauptproblem ist und welche Nebenerscheinungen es mit sich bringt.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass ich der Überzeugung bin, an einem Minderwertigkeitskomplex zu leiden (oder wie auch immer man das ausdrückt), denn auch mein Vater hatte häufig beklagt, er würde daran leiden. Möglicherweise wird die Bereitschaft dazu vererbt und/oder ich habe es mir von ihm abgeschaut.

Ich fühle mich in jeder Situation einfach minderwertig, extrem klein, den Aufgaben des Lebens nicht gewachsen etc.
Sucht man bei Wikipedia nach "Minderwertigkeitskomplex", findet man eigentlich ein genaues Abbild meiner selbst.

Als Beispiel seien die Opferrolle (innerlich u. äußerlich) als Kompensationsverhalten genannt, die Flucht in Statussymbole (selbstverständlich nur soweit es mir meine finanziellen Mittel in meiner Jugend erlaubten; mittlerweile interessieren mich Statussymbole nicht mehr, oder ich habe diese Fluch "aufgegeben".) und auch mein teilweise sehr arrogantes Verhalten anderen gegenüber (glücklich bin ich damit natürlich nicht), was wohl meine eingebildete/ersehnte/fiktive Überlegenheit zum Ausdruck bringt, die mein Minderwertigkeitsgefühl vermutlich kompensieren soll.
Als weitere Folgen sind soziale Phobie, Depressionen, Angst, etwas falsch zu machen, und Prokrastination zu nennen.

Durch die Schule bin ich mehr tot als lebendig "durchgeschwommen" (eher getrieben, wie ein toter Fisch), nun stehe ich aber seit beinahe fünf Jahren (!) im Studium still und komme nicht voran. Ich analysiere mich selbst, will herausfinden, woran es liegt, warte auf den Tag X, an dem alles perfekt ist, um dann richtig durchzustarten.

Leider kommt mit dem Minderwertigkeitskomplex daher, dass ich mir absolut nichts zutraue. Ich habe wahnsinnige Angst (seltsam, so innerlich leer, wie ich mich immer fühle, kommt es mir eigentlich so vor, als hätte ich vor nichts Angst) vor dem Studium, vor dem vielen Stoff, der Komplexität, dem nötigen Umgang mit den anderen Studenten (wobei ich gerne einen großen Freundeskreis hätte - Ansprüche, die mich belasten, weil für mich irgendwie schwer erreichbar), davor "es" einfach nicht zu schaffen.

All das lähmt mich unglaublich stark und zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass ich wohl ein sehr bequemer Mensch bin. Ja, depressiven Leuten und solchen mit Problemen soll man nicht nachsagen, sie seien faul. Aber wenn es nun doch so ist? Ich weiß es leider nicht. Ich habe mich in meiner Haut vermutlich noch nie wohl gefühlt und deshalb kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob ich einfach nur faul bin oder schon immer kraft- und motivationslos war. Aber ich mache leider einfach nichts, was mich voranbringt, anstatt mich irgendwie im Strom des Lebens treiben zu lassen, wie damals schon zu Schulzeiten. Im Studium bzw. im Berufsleben geht das natürlich nicht. Allerdings habe ich - wie alle, die prokrastinieren (aufschieben) - ständig etwas zu tun, ständig mache ich etwas (meist sinnvolles), um mich abzulenken. Ich habe auch einen Nebenjob, der mir das Studium finanziert. Aber ich trete auf der Stelle - und nach elenden fünf Jahren, in denen ich mir das auch jeden einzelnen Tag vorgeworfen habe, werden die Selbstzweifel auch nicht besser.

Mein akutes Problem: ich schreibe morgen eine Klausur. Mein zweiter Versuch, nachdem ich beim ersten nicht teilgenommen hatte. Damals dachte ich mir: "Du hast wieder nicht genug gelernt, nicht früh genug angefangen, hast das Wichtige vor dir her geschoben. Es bringt nichts, jetzt zur Klausur zu erscheinen. Lerne stattdessen weiter, hör nicht damit auf, dann wird der zweite Versuch super." - natürlich habe ich mit dem Lernen aufgehört, ich war einfach erleichtert, dass die Klausur "vorüber" war. Jetzt stehe ich im Prinzip vor der gleichen Situation, nur dass ich nicht jünger werde und die Klausur endlich bestehen will. Ja, ich habe wieder zu wenig gelernt, weil ich möglicherweise zu bequem war, frühzeitig anzufangen, weil ich es mir sowieso nicht zugetraut habe (obwohl ich eigentlich schon wissen sollte, dass ich es kann und eigentlich besser sein könnte, als so manche meiner Kommilitonen [hoffentlich ist das keine ersehnte/eingebildete/fiktive Überlegenheit]) und vielleicht vor dem Scheitern, der Angst und all dem davongelaufen bin, indem ich mich mit anderen Dingen abgelenkt habe.

Leider komme ich so nicht weiter und ich werde von Tag zu Tag unglücklicher über meine Verhaltensweisen. Ich will, dass es mir besser geht und ich weiß, dass das nur gelingt, wenn ich endlich etwas anpacke und durchziehe. Aber warum mach ich es dann nicht?

Momentan habe ich eine riesen Angst davor, dass ich morgen scheitere und dass alles genauso elend weitergeht, wie bisher. Deshalb drücke ich mich hier im Forum herum, anstatt zu lernen (was ich aber hoffentlich gleich machen werde!). Möglicherweise reichts dann zumindest zum Bestehen mit einer schlechten Note. Aber bringt mich das weiter? - Irgendwann mit 32 (ich bin 25) (m)ein Studium mit schlechten Noten beendet zu haben?

Meine jetzige Hoffnung ist es, meine Minderwertigkeitsgefühle in den Griff zu kriegen, damit ich dann besser durchstarten kann. Keine Angst vor Klausuren, die Gewissheit, dass ich es schaffen kann etc.
Wieder so ein Warten auf den Tag X, an dem alles besser wird...

Wie bekommt man Minderwertigkeitsgefühle in den Griff bzw. beseitigt sie? Selbstbewusstsein/-wertgefühl ist wohl der Gegenpol dazu. Aber wie baut man das auf? Durch Erfolgserlebnisse? Das wird ein harter Weg...

So, ich werde jetzt lernen. Wäre echt schön, wenn Ihr mir irgendwelche Ratschläge geben könntet.

Gruß
Walli
parvus_

Re: Minderwertigkeitsgefühl und die Folgen

Beitrag von parvus_ »

ganz kurze antwort: du schwankst also zwischen minderwertigkeitsgefühl und überlegenheitsdünkel. eine böse falle, die mir nicht unbekannt ist.

wenn ich das was du schreibst nicht völlig falsch verstehe vermute ich, daß es dir helfen könnte deinen eigenen WERT anzuerkennen. ich habe dafür hilfe von aussen gebraucht. damit ist für mich noch lange nicht alles wunderbar (wird es wahrscheinlich auch nie) aber das ist auf alle fälle ein fortschritt für mich gewesen.

könnte sein, daß das auch für dich interessant sein könnte.

viel glück und erfolg bei der klausur!
Zephirina
Beiträge: 26
Registriert: 23. Apr 2008, 12:32

Re: Minderwertigkeitsgefühl und die Folgen

Beitrag von Zephirina »

Kommt mir auch nur zu bekannt vor, was du schreibst...

Interessant fand ich den Satz:

„obwohl ich eigentlich schon wissen sollte, dass ich es kann und eigentlich besser sein könnte, als so manche meiner Kommilitonen [hoffentlich ist das keine ersehnte/eingebildete/fiktive Überlegenheit])“

Das hat mich an etwas Spannendes erinnert, was ich in einem tollen Buch zum Thema Prokrastination über den Zusammenhang von Minderwertigkeits- und Überlegenheitsgefühlen gelesen habe. Durch das Aufschieben schützen sich manche nämlich unbewusst vor der Enttäuschung, vielleicht doch nur „Durchschnitt“ zu sein (und wenn, wäre das wirklich sooo schlimm?).
Wenn es zum eigenen Selbstbild nicht passt, dass man gewisse Leistungen nicht bringen kann oder eben nicht besser als andere erbringen kann, dann schiebt man eben auf, denn so kann man sich selbst immer noch der Illusion hingeben „Wenn ich rechtzeitig angefangen hätte, hätte ich wer-weiß-was für Ergebnisse erbracht.“ Dadurch, dass man sich unbewusste selbst sabotiert, bewahrt man sich vor dem Test der Realität. Ein Scheitern in einer schlecht vorbereiteten Prüfung oder eine Kündigung wegen überzogener Fristen sagt nämlich noch nichts über das „eigentliche Potential“ aus, was vielleicht in einem steckt. In dem Buch wurde das in einem schönen Bild ausgedrückt: Lieber spektakulär aus der Kurve fliegen, statt in einem ganz normalen Rennen schnöde überholt zu werden.

Fragen sollte man sich daher, warum man sich vor dem Test der Realität schützen möchte. Gerade bei Menschen mit schwach entwickeltem Selbstwertgefühl, die sich sehr stark anhand ihrer Leistungen bewerten, passiert sowas, denke ich oft (geht dann oft einher mit Perfektionismus. Wenn ich nur super Leistungen von mir erwarte, setze ich mich natürlich immens unter Druck).

Kann sein, dass ich jetzt total an deinem Thema vorbeigeredet habe, aber diese Assoziation hatte ich sofort, als ich deinen Beitrag las (wenn ich komplett daneben lag, dann überlies meine Antwort einfach).


Was man dagegen machen kann, weiß ich leider auch nicht genau – sonst hätte ich mein eigenes Problem schon längst behoben. Aber ich denke, ein wichtiger Schlüsselpunkt dafür könnte sein, sich erstmal selbst annehmen zu lernen ohne den perfektionistischen Druck dahinter – dann erscheinen einem Prüfungen und ähnliches vielleicht nicht mehr so bedrohlich...?
Ich weiß, leichter gesagt, als getan – der Weg dahin ist leider schwierig und lang. :/

Ansonsten als ganz praktischer Tipp: Könntest du vielleicht mit Kommilitonen eine Lerngruppe gründen? Wenn du feste Termine mit anderen hast, dann schaffst du es vielleicht eher dranzubleiben? Bei mir ist es zumindest so, dass ich Absprachen mit anderen besser einhalten kann, als wenn ich etwas „nur“ mit mir selber abmache...
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Minderwertigkeitsgefühl und die Folgen

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Walli,

da gibts anscheinend eine Menge Dinge, die dich an Dir stören und die Du einzuordnen versuchst. Manches kann man aber allein nur schwer verstehen oder lösen, deshalb würde ich Dir eigentlich raten, dir professionelle Hilfe zu suchen.
Für Studenten geht das ziemlich unproblematisch über die psychologische Beratungsstelle für Studierende, die Mitarbeiter dort kennen sich gerade im Bereich Arbeitsstörungen oft gut aus und es gibt neben der Einzelberatung meist noch verschiedene Gruppenangebote. Vielleicht machst Du einfach mal einen Termin aus?

LG, Wolke
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