(zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

roboter
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(zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von roboter »

Hallo,

beim letzten Besuch meines Therapeuten sagte er irgendwann "Sie haben sehr hohe Moralvorstellungen, oder?" Da war ich etwas überrascht, würde diese Aussage inzwischen bestätigen. An folgenden Dingen mache ich es bei mir fest:
1. kein Alkohol - einmal probiert und für schlecht befunden
2. keine Zigaretten - einmal probiert und für schlecht befunden
3. keine Drogen - nie probiert
4. One-Night-Stand - nie gehabt (trotz eindeutiger Möglichkeiten)
5. immer treu - in Beziehungen bin ich nie fremd gegangen
6. Ehe - man(n) muss für seinen Partner da sein und alles tun, damit er zufrieden ist
7. Scheidung - Ist für mich immer noch mit einem Makel behaftet. Verlassen könnte ich meine Frau nicht, obwohl ich sie momentan nicht mehr liebe.
8. Arbeit - Arbeiten bis zum Umfallen, damit man. Das gehört sich so für einen guten Mitarbeiter.


Durch all diese Punkte habe ich mit den Jahren leider verlernt das Leben zu genießen.
Und nun stehe da.

Hierzu fällt mir noch eine Geschichte zu meiner Musterung ein:

Arzt: nehmen sie Drogen?
Ich: nein
Arzt: rauchen sie?
Ich: nein
Arzt: trinken sie Alkohol?
Ich: nein
Arzt: haben sie eine Freundin?
Ich: nein
Arzt: Haben sie Spaß am Leben?
Ich: ja

Würde man mich heute fragen würde ich am Schluss "nein" sagen. Alles andere ist bis heute geblieben. Ich bin ja verheiratet, da hat man keine Freundin.

Ansonsten fühle ich mich wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Allerdings verhindere ich diesen immer wieder selber, damit die Menschen um mich herum keinen Schaden nehmen.

Irgendwas ist in mir, dass nach Veränderung schreit, aber ich weiß nicht was. Vielleicht will ich es auch nicht zulassen, da ich Angst habe gegen meine eigenen Moralvorstellungen zu verstoßen. Daran verzweifele ich zurzeit und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Was mein ihr dazu?

Dazu fällt mir noch, dass ich eigentlich fast alles gemacht habe um es allen anderen recht zu machen.
Dohle
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Dohle »

Nein, glaube ich nicht, dass diese Dinge Auslöser einer Depression sind, vielmer dürfte das miteinander verzahnt sein.
Mit "korrektem" und "moralischem" Verhalten beruflich und privat gibt es nach außen am wenigsten Ärger, nur, wo bleibst Du dann? Irgendwann muckt die Psyche auf, es ist einfach nicht schön, nur noch als Automat zu funktionieren, ohne sich selbst wahrnehmen zu können, und die anderen nehmen einen schon gar nicht wahr.
Guinevere
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Guinevere »

>Irgendwas ist in mir, dass nach Veränderung schreit, aber ich weiß nicht was. Vielleicht will ich es auch nicht zulassen, da ich Angst habe gegen meine eigenen Moralvorstellungen zu verstoßen. Daran verzweifele ich zurzeit und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Hallo ,
ich weiß nicht, ich war nie so "brav" - bin zwar auch gerne ein "wenig" der Perfektionist, aber solange ich nur mir dadurch Schaden zufüge. Das ganze hat halt was Starres, es hemmt die Spontanität (übertreibs wohl auch manchmal mit dieser) sehr und so gesehen auch mich, ja, irgendwie ne Art Energieblockade (Depri?)... vielleicht, wohl sinds ja Deine unterdrückten Wünsche, die da in Dir brodeln. Kommt halt dann drauf an, wie Du mit Deinem "schlechten Gewissen" klarkommst (?), wenn Du Dir mal was gestattest. Aber , wäre wohl auf jeden Fall zu probieren (?), auch weil der Verzicht dann nimma so schmerzt - nur meine Sicht dazu, aber das weißt ja eh schon !

Lieben Gruß,
manu
tomroerich
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von tomroerich »

Hi Roboter,

dein Nick dürfte ja auch nicht von ungefähr sein, hm?
Natürlich können Moralvorstellungen einen wichtigen Baustein im Depressionsgebäude darstellen. Aber ich halte sie eher für für die äußere Erscheinungsform einer inneren Einstellung - sie sind also etwas Sekundäres. Aber solange man gerade nicht an das Primäre herankommt, ist es ganz sicher nützlich, sich zu fragen, wozu denn Moralsvorstellungen dir persönlich dienen? Vielleicht dämmert es dann langsam, was da eigentlich für ein Bedürfnis dahintersteckt.

Ich sag mal, was ich mit Moral verbinde:

Sicherheit. Ich brauche nicht selbst herauszufinden, was richtig ist, ich habe ja die Moral.

Angst vor Sündhaftigkeit. Die Vorstellung, dass ich "gut" sein könnte, wenn ich moralisch bin und "schlecht", wenn ich unmoralisch bin. Mündet wieder in Punkt1.

Schutz. Moral schützt mich vor dem Ausprobieren, dem Stolpern, Nase anschlagen und mit Narben weitergehen.

Einengung. Moral gibt mir Sicherheit aber sie nimmt mir Spielraum. Ich entfalte nicht mich selbst sondern mein Ziel ist es, einem Anspruch zu genügen. Und der kann auch noch fremdbestimmt sein.

Moral ist ein Prinzip. Prinzip heißt, dass das, was gut ist, vorausgenommen wird. Eine solche Vorstellung geht nicht von einem freien Menschsein aus sondern von einem konstruierten.

Ja, das ist glaube ich, das Wichtigste.

Von allen Punkten, die du aufzählst, finde ich rauchen und trinken aus Prinzip oK. Das ist für mich ein Bsp. dafür, dass ein prinzip auch vernünftig sein kann, wenn es denn daraum geht, die Gesundheit zu schützen. Was schützt du aber, wenn du dir Fremdgehen verbietest? Was soll da verhindert werden und wie würdest du dich fühlen, wenn du es tätest? Wenn du es dir plastisch vorstellst, was würde passieren?

Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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GeorgeOrwell
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von GeorgeOrwell »

An roboter,

Hallo,
Ich sehe "Tugenden", die du aufgezählz hast sehr positiv, sehr gut. Heutzutage und in dieser Gesellschaft wnige Menschen haben sie. DAS, zeichnet dich doch aus, oder siehst du es nicht mehr so? Ich glaube jeder Mensch (von oberflächlichen Menschen rede ich gar nicht) seht sich - vielleicht ins Gehime - nach solchen Freunden. Warum du sie als "Last" empfindest, ist mir nicht ganz klar. Als Vermutung kann ich mir nur denken, dass in deinem Milieu wenig solche Menschen gibt, oder diese Tugend - eben weil sie in dieser Gesellschft und in dieser Zeit selten sind - nicht als Solche anerkannt werden.
Niemand behauptet "Mensch" sein ist einfach. Nein, das kann anstrengend sein. Man sollte nur lernen, aus diese Anstrengendsein "Freude" zu machen; Freude weil man eben ein "Mensch" ist.
Joy

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Joy »

Hallo Roboter,

ein guter Freund von mir hat mal gesagt, er möchte mit einem Lächeln "ins Gras beissen".

Meinst du nicht, es wäre Zeit ein paar Punkte aus deiner "Liste" zu streichen ?
Fang an zu Leben.
Es muss ja nicht extrem werden. Aber fang an etwas zu tun, was nicht Schema "F" entspricht.

Viele Grüsse
von Joy
kormoran
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von kormoran »

hallo roboter,

ich denke schon dass es einen menschen geben kann der all diese ersten fragen mit "NEIN" und dann die letzte - die nach der lebensfreude - aus vollem herzen mit "JA" beantwortet.

der springende punkt für mich ist: hältst du dies ein, weil du aus innerer überzeugung damit gut lebst, oder weil es von außen diktierte starre Normen sind, die mit dir selbst nichts zu tun haben? der begriff moral klingt für mich mehr sauer - mehr nach dem, das wir ungefragt übernehmen, aufgezwungen bekommen, nicht hinterfragen dürfen. das hat in der gesellschaft auch so seine funktionen.

aber gesund und glücklich leben kann ja nur ein mensch dessen handeln im einklang mit sich selbst ist. (kann man das so sagen?).

gehts du nicht fremd "weil es sich nicht gehört, was würden denn die leute sagen, gott verbietet es, etc."? oder deshalb nicht, weil du im grunde deines herzens deine frau liebst und jedenfalls auch dann wenn du die liebe gerade nicht spürst, doch sie auf keinen fall verletzen möchtest? das ist doch ein unterschied!

ist das zu banal?
wie weit bist du das selbst was du lebst?
geht es um veränderung um biegen und brechen, plötzlich bisher verbotenes tun? oder geht es nur um ein achtsames abgleichen von den von außen vorgegebenen, stark in dein eigenes denken übergegangenen normen, mit dem was du wirklich bist?

kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
roboter
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von roboter »

@Georg Orwell: Mir ist schon bewusst, das ich ich irgendwie stolz darauf sein sollte. Ich glaube ich war in meinem bisherigen Leben bei den meisten so beliebt, da sie wussten sie können sich auf mich verlassen. Ich bin halt immer der Liebe/Nette. Meistens habe ich es auch genossen. Nur jetzt habe ich darauf keinen Bock mehr und haben gleichzeitig Angst vor der Veränderung.

@Joy: Ich würde gern einfach anfangen zu leben, aber ich dabei total gehemmt. Ich habe schon einige Änderungsfantasien, bei denen ich anderen Menschen weh tun würde. Und das kann ich (noch) nicht.
roboter
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von roboter »

>gehts du nicht fremd "weil es sich nicht gehört, was würden denn die leute sagen, gott verbietet es, etc."? oder deshalb nicht, weil du im grunde deines herzens deine frau liebst und jedenfalls auch dann wenn du die liebe gerade nicht spürst, doch sie auf keinen fall verletzen möchtest? das ist doch ein unterschied!


Irgendwie ist es zurzeit eine Mischung aus beidem. Ich bin in einer Familie aufgewachsen in der es nur Gutes gab. Über Probleme und Schwierigkeiten wurde nicht gesprochen.


>ist das zu banal?
wie weit bist du das selbst was du lebst?
geht es um veränderung um biegen und brechen, plötzlich bisher verbotenes tun? oder geht es nur um ein achtsames abgleichen von den von außen vorgegebenen, stark in dein eigenes denken übergegangenen normen, mit dem was du wirklich bist?


Das versuche ich ja gerade herauszufinden. Auch mit Hilfe meiner Therapie. Ich habe das Gefühl ich stehe auf Kreuzung, drehe mich im Kreis und weiß nicht welche Straße ich gehen soll.
Ich glaube auf der Suche nach dem richtigen Weg stelle ich gerade mein ganzes leben in Frage, um eine Lösung zu finden. Ich muss nur aufpassen, dass ich dabei die guten Dinge nicht kaputt mache.
GeorgeOrwell
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von GeorgeOrwell »

An roboter

Hallo roboter,

ich habe dich angeschrieben, weil ich in deinem Beitrag mich selbst erkannt habe. Die Eigenschaften, die du erzählt hast, habe ich genauso. Ich bin auch der Nette Liebe korrekte und und und.
Ich hatte dann auch irgendwann (fast so wie du) eine art Kriese, wo ich etwas "harter", etwas "fester", etwas "schlechter" sein wollte.

Ich habe mir dann folgendes überlegt:
Die Eigenschaften, die mir sehr wichtig sind, die Teile meines Charakters sind, die Prinzipien sind, die mich auszeichnen, behalte ich; und die Eigenschaften, die MÖGLICHERWEISE aus einem Selbstvertauensmangel entstammen, die "reduziere" ich. (auf Beispiele verzichte ich hier, weil es sonst sehr lang wird).

Ich konnte nicht NEIN sagen, jetzt sage ich aber höflich NEIN. Ich konnte nicht ablehnen, jetzt lehne ich aber freundlich und begründet ab. usw.

Ich hoffe, dass du auch einen Weg für dich findest.

Grüße
roboter
Beiträge: 20
Registriert: 26. Feb 2008, 12:45

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von roboter »

Ich habe mir gerade überlegt, dass "Moralverstellungen" vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen ist. Ich denke, dass ich einfach immer sehr vernünftig im Leben war.
Sunshine77
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Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Sunshine77 »

Hi,

Ich würde wohl auch nicht sagen "Moralvorstellungen" sondern du hast gewisse Wertvorstellungen - so wie jeder Mensch diese hat nur eben selber definiert.

Ich würde von mir behaupten, dass auch ich die gleichen sehr hohen Wertvorstellungen habe wie du und diese innere Einstellung zu vielem was meine Mitmenschen betrifft mir das Leben sehr schwer macht bei Zeiten, denn wie so manch Anderer hier schon gesagt hat, haben heutzutage die Wenigsten Menschen ausgeprägte Wertvorstellungen (zumindest meine Erfahrung). Natürlich kenn auch ich den Effekt, dass Fremde Menschen einen schnell sympathisch finden, dass man gut ins Gespräch kommt aber auf Dauer werden dann auch häufiger diese Eigenschaften die zuvor als ach so positiv von den Leuten eingeschätzt wurden als "belastend" empfunden - denn wenn jemand hohe Wertvorstellungen hat, dann heißt das zwangsläufig für die Mitmenschen, dass sie auch an diesen gemessen werden Und das kann auf dauer sehr anstrengend für Andere werden - uns so wird sich auch mal abgewendet. Es ist ein Teufelskreis, denn man selber freut sich über seine vermeintlich "positiven" Eigenschaften und dennoch stehen genau diese einem langfristig häufig im Weg!

Aber was bedeutet das für einen? Soll man seine eher "konservative" Haltung zu vielem aufgeben und wenn ja (zumal diese ja häufig einem in der Kindheit eingestanzt wurden)welche Alternativen gäbe es? Ausbrechen - das könnte man sicherlich und auch diese Art der "Rebellion" habe ich in meiner "Jugend" hinter mich gebracht und bin fröhlich damit gefahren.... weitergebracht hat mich das aber kein Stück und so ein Leben ist auch meineserachtens nur für gewisse Phasen machbar. Langfristig ist das "Verbindliche Wesen" alltagstauglicher (und das Leben evtl. auch Lebenswerter?).

Heute verstell ich mich nicht mehr - ich bin wie ich bin aber versuche trotz meiner hohen Erwartungen an mich und mein direktes Umfeld nachsichtig zu sein, Enttäuschungen zu akzeptieren und auch dass Andere Menschen anders Leben wollen als wie ich es evtl. für richtig halten würde. Leben und Leben lassen. Manchmal lass ich mich einfach mal treiben - tu Dinge die keinem schaden aber mir das Gefühl geben zu "rebellieren" - denke wie bei allem - die Mischung machts und ich glaube das ist der Schlüssel, dass die Depressionen einen loslassen und einen zumindest auch immer wieder phasenweise gut bis sehr gut leben lassen.

LG,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

912318798
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von 912318798 »

Grüße Euch, Ihr Lieben!

an robi:
Also diese Sicht gefällt mir schon viel besser.

"Es war einmal..." so könnte ich es erzählen;
und: alles zu seiner Zeit.

Wir müssen alle erstmal unsere Erfahrungen machen, unsere "Hörner" abstoßen und somanches Ei an die Schiene nageln.

Doch wenn wir dabei unsere Grundethik verlieren, und nicht im zunehmenden Alter diese wieder vermehrt leben, um sie den Unseren weiterzugeben,
welche Welt hinterlassen wir da?

Deshalb sollten wir nicht im Bußgewand durch die Zeiten hinken aber auch nicht die permanente Schampusflasche schwingen, sondern der jeweiligen Zeit ihre Aufgaben schenken.

Wir tragen immerhin Verantwortung.


an Tini:
Tolles Statement!
Gratuliere und vielen Dank!

Liebe Grüße und bleibt stark!

Jojo
Liber
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Liber »

Hallo Roboter,

hohe Moralvorstellungen, oh ja, das ist mir sehr bekannt.

Moralvorstellungen sind meist etwas von außen Aufgedrücktes, das aber mit der Zeit verinnerlicht wurde.

Wie gehe ich also mit einem Wunsch, einen Impuls, einem Verlangen um:

- kommt es für mich deshalb nicht in Frage weil diese Moralvorstellungen in mir es mir verbieten und weil ein Verstoß dagegen in mir Schuldgefühle auslösen würde

- oder verzichte ich bewusst darauf, dem Impuls nachzugeben, aufgrund von eigener Erkenntnis (und oft auch Erfahrung).

Ein Verzicht aus moralischen Gründen ist kein Verzicht aus Überzeugung, sondern ein "aufgezwungener" - die Wünsche bleiben trotzdem im Innern da und stauen sich auf (Vulkan kurz vorm Ausbruch!).

Bei deiner Liste könnte man die Punkte 1-4 als Verzicht aus Überzeugung bzw. aus Vernunft für durchaus gut halten.

Die Punkte 6-8 dagegen sind unbedingt zu hinterfragen, da ist der moralische Druck anscheinend besonders hoch, weil die Punkte in sich nicht mehr sinnvoll sind.

Wer sagt, dass man für einen Partner "alles tun muss, damit er zufrieden ist"? Das würde bedeuten, dass man in einer Beziehung sich selbst völlig verleugnen muss.
Wer sagt, dass eine Scheidung "ein Makel" ist? Könnte es nicht auch ein "Makel" sein, gezwungenermaßen mit jemandem zusammenzubleiben, den man nicht mehr liebt? Könnten beide in einer solche Beziehung nicht viel unglücklicher sein als evtl. in einer Trennung?
Und wer sagt, dass man bis zum Umfallen arbeiten muss? Könnte es nicht auch Pflicht für einen Mitarbeiter sein, gut für sich zu sorgen, um seine Arbeitskraft zu erhalten?

Schau dir diese Vorstellungen mal von allen Seiten an - wieviel Sinn haben sie dann noch?

Viele Grüße
Brittka
cybolon
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von cybolon »

Hallo @all,

auch ich habe schon einiges an Balast über Bord geworfen. Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn man sich gestattet, Anderen auch mal zu zeigen, dass man keinen Bock hat oder dass einem was gegen den Strich geht. Am liebsten natürlich nach dem "Win-Win" Prinzip. Jeder soll sein Gesicht wahren. Das erfordert etwas Diplomatie. Aber wenn's einer ums Verrecken nicht raffen will, bekommt er es auch schonmal mit der Dampfhupe rübergedrückt.

Das ist er, der "neue" Horst, bei dem nicht mehr so viele Blätter vor dem Mund kleben.

Ich hab gesoffen, rauche immernoch, (weiche) Drogen- das ist lange her, bin auch mal fremdgegangen... Manches davon habe ich bereut, manches aber auch nicht. Meine ehernen Wertvorstellungen von Freundschaft und Zusammenhalt haben sich durch die Depression verändert. Liberalisiert, möchte ich beinahe sagen. Der nächste aus meinem Bekanntenkreis der umzieht und mich fragt ob ich helfe, bekommt gesagt, dass mir ganz plötzlich mein Tennisarm weh tut. Jetzt lerne ich, meinen Kern zu schützen. Keiner kann es jedem Recht machen, klar. Aber ich mir!

Und, wie oben schon erwähnt: "Leben und leben lassen" @Manu

Liebe Grüße
vom
cybolon
TearsforFears
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von TearsforFears »

Lieber Roboter,
Also ich denke Du hast nicht unbedingt viel verpasst. Leider weiß ich wovon ich spreche *seufz*
Alkohol: früher dauernd, besonders zur Depri-Bekämpfung (bringt nichts, macht alles nur schlimmer)
Drogen: Dito
ONS: Vergiß es. Wie oft kommt es vor, dass zwei Menschen, die sich kaum kennen und fast nichts voneinander wissen und zusätzlich noch gewaltig einen sitzen haben guten Sex miteinander haben? Vielleicht in 1% der Fälle, bei mir nie. Und dann all die Gefahren: Schwangerschaft, Syphillis, AIDS...
Rauchen: Macht Falten und gelbe Finger (und irgendwann Krebs), mach ich nur noch gaaanz selten.

Ich glaube, man sollte Überlegungen ob man im Leben was verpasst hat nicht an Sex&Drugs festmachen, sondern sich fragen: "Welche Träume hatte ich?" "Habe ich sie ausgelebt und wenn nicht, warum nicht?"

Lass Dir mal nicht einreden Du hättest irgendwie zu strenge Werte und Moralvorstellungen, Du hast einfach nur mehr im Hirn als viele (mich eingeschlossen
Guinevere
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Guinevere »

Hey Horst !

Doch, das ist ein gutes Motto, goi ?!

>Der nächste aus meinem Bekanntenkreis der umzieht und mich fragt ob ich helfe, bekommt gesagt, dass mir ganz plötzlich mein Tennisarm weh tut. Jetzt lerne ich, meinen Kern zu schützen. Keiner kann es jedem Recht machen, klar. Aber ich mir!

Ja? Du kennst das auch? *schmunzel* bei mir wars eher Fahrzeug bedingt (Chrysler Voyager - war ne echte Karre - Kopfdichtung 2 mal kaputt). Da kamen zeitweise "Bekannte" ("ahm grübel , woher kenn ich den nochmal gschwind, mir fällts gerade nicht ein " ) und fragten, ob ich vielleicht deshalb beim Umzug helfen könne. Wo ich mir erst mal dachte, also mir wäre das zu "blöd", ich würde ja nie einfach so jemanden, den ich nicht mal richtig kenne fragen... dann aber doch schon auch trotz voller Termine ja gesagt hab und es dann im Nachhinein bereut hab. Irgendwie gab mir das nicht so unbedingt das Gefühl von Wertschätzung meinerseits, ich kam mir benutzt vor...

Lieben Gruß allen ,
manu
rajo1
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von rajo1 »

Oh, weia...wem frage ich da das nächste Mal?
Traue mich ja sowieso fast nie zu fragen.

Am Besten ich helfe mir selber, solange ich kann.


rajo
Guinevere
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Guinevere »

Hallo Rajo,

ich würd wohl eh zu weit weg wohnen . Zudem fahr ich jetzt Twingo .
Hab mich früher auch sehr wenig fragen getraut, und helf mir jetzt auch noch so gut es geht lieber selber. Du weißt ja, selbst ist die Frau! Zumindest finde ich das sinnvoller. Zuerst schaun, dass ich selber klar komm, und das was dann noch an Energie übrig bleibt...irgendwann stößt man da heftig an seine Grenzen, aber das wirst eh´wissen.

Hmm, bei Ämtern, KH´s und dergleichen schauts wieder anders aus. Die sind ja dafür zuständig . Aber ich bin nicht für das Glück dieser Welt gänzlich zuständig, ein bisserl kann man ja dazu beitragen...

Lieben Gruß Dir,
manu
Guinevere
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Guinevere »

Na ja es ist ein bisserl komplexer, das Thema. Vielleicht rührts auch daher, dass ich wohl scheinbar den Eindruck mache mit vielem locker klar zu kommen (?). Da gab´s zum Beispiel auch so Situationen, die sich oft in Gesprächen ergaben. Wie: "Was, Du hast Friseur gelernt, dann kannst Du mir ja meine Haare schneiden, dann brauch ich nicht zum Friseur gehn". Irgendwie war ich halt "Trottel für alles"

Es fühlt sich halt dann irgendwann so

"This life gets lonely when everybody wants
something..."

http://de.youtube.com/watch?v=5Up2q4LJI3Q&NR=1

an

ANOVA
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von ANOVA »

Hallo Jojo,

> (...) sondern der jeweiligen Zeit ihre Aufgaben schenken.

Danke für den Hinweis. Das sollten wir in unserer heutigen Leistungsgesellschaft immer wieder vergegenwärtigen, finde ich. Ich werde es für mich jedenfalls versuchen.

Gruß
Xenia
cybolon
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Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von cybolon »

Hallo Manu,

"Irgendwie gab mir das nicht so unbedingt das Gefühl von Wertschätzung meinerseits, ich kam mir benutzt vor..."

Siehste!!!

Beim Umzug helfe ich zukünftig "nur noch" dem besten Freund und der Familie.
Bekannte? Nöö, nie, nie, nie mehr!

Auch den Jammerern, die sich in der Kneipe immer an meine Schulter gehängt haben, habe ich einem nach dem anderen gezeigt, "wo der Karl den Most hinträgt".

Manchmal gehe ich dabei etwas offensiv vor, ich merke aber, dass diese direkte Art, die ich früher nie verwendet hatte, besser für MICH ist. Keine Ausreden mehr. Einfach sagen:
"Nein, das mache ich nicht."
Ein guter (echter) Freund akzeptiert auch mal ein "Kein Bock", ohne sauer zu sein.

Liebe Grüße
vom
cybolon
*der seinen Kern schützt*
Guinevere
Beiträge: 4779
Registriert: 8. Nov 2007, 22:08

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von Guinevere »

Hey Horst,

>Beim Umzug helfe ich zukünftig "nur noch" dem besten Freund und der Familie.

*wow* - da gehts uns ziemlich ähnlich!!! Was mich auch störte war, dass diese ohnehin nicht so schnell fragten und so ein wenig auf der Strecke blieben. Ja - family (beloved kids and sistas) und eine beste Freundin und noch ein paar, die mein Herz berühren, mehr braucht man eigentlich nicht zum glücklich sein.
"Ausreden" erfind ich auch schon länger nicht mehr. Bei mir (Gastgewerbe) ist es ja so, dass ich des Öfteren auf nen Drink eingeladen würde. Weiß nicht, ob Du das kennst, aber es interessiert mich nicht mehr so etwas aus Gefälligkeit in der Art zu tun, mich dann ständig kritisieren, an mir rumzunörgeln und blöd anreden zu lassen. Dafür bin ich mir zu wertvoll geworden.
Ja, mag ja sein, dass ich vielleicht diesbezüglich keinen Spaß(?) mehr verstehe, das hat auch nix mit harmoniesüchtig zu tun aber das ist mir zu blöd geworden und meine Zeit zu kostbar, es gibt "Schöneres" und noch dazu sehr viel . Es ist zudem ein echt gutes Gefühl, das was man tut zum größten Teil gerne zu machen...

Wünsch Dir ne sehr gute Nacht, liabn Gruaß,
schlaf guad , manu
912318798
Beiträge: 1590
Registriert: 28. Jul 2007, 13:39

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von 912318798 »

Wartet's noch ein bischen, manu und Horst!

Das habe ich auch schon zum Modus gemacht.
Den Leuten zu sagen, da kann ich nicht, das mache ich nicht,
ich Dir nix borgen, Du böse,
ich Dir borgen, Du immer wieder kommen,
ich böse,
besser Du böse!

Aber die Folge war, dass ich langsam aber sicher eine gewisse Ausgrenzung registrierte.
Gut, vielleicht hing das auch mit der damals schon beginnenden, latenten Vorstufe allen Übels zusammen, aber zumindest wurde meine Verweigerung von meinem Umfeld instrumentalisiert.

Irgendwann begann ich, dieses "Eigentor" zu einem Teil der Ursachen meiner Depressionen zu machen.
Hängt Vereinsamung mit alledem doch so zusammen.

Seltsam, wie eine Farbe doch von jedem anders gesehen wird, nicht wahr?

So; zuerst antworten, dann schlafen gehen!

Liebe Grüße und bleibt stark

Jojo
912318798
Beiträge: 1590
Registriert: 28. Jul 2007, 13:39

Re: (zu) hohe Moralvorstellungen als Auslöser von Depressionen?

Beitrag von 912318798 »

....und ich möcht außerdem hier und jetzt wissen, was ein "cybolon" ist!
Antworten