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Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 15:57
von feuerfisch
Hai Allerseits

Wie einige schon mitbekommen haben, war ich für 5 1/2 Monate in der Klinik Tiefenbrunn bei Göttingen.

(Vorab: es ist mir lieber wenn ihr ein paar Fragen stellt, damit ich weiß was euch interessiert.)

Diese Klinik hat einen sehr guten Ruf, den ich nur bestätigen kann. Sicher, auch hier gibt es Leute denen dort nicht geholfen werden kann, aber die gibts überall und es waren auch nicht so viele.
Hart ist die Therapie dort, klar, es geht ja auch ins `Eingemachte´.

Aber erst einmal zum Gelände: die Klinik liegt wunderschön in einem Park mit altem Baumbestand, auch eine Quelle ist dort. Viele Möglichkeiten laden ein zum Verweilen und in Abgeschiedenheit Ruhe und Kraft zu tanken.
Es werden dort alle möglichen Krankheiten behandelt, die auf verschiedene Häuser verteilt sind.

Die Gebäude:
- Verwaltung
- Haupthaus mit Speisesaal, Schule, Physiotherapie, Gestaltung
- Sozialzentrum mit Aula, Sporthalle, Cafeteria und kleineren Räumen wie z.B. Videoraum
- Bäderabteilung mit Mini-Schwimmbad, Massage, Labor, ect.
- Teichhaus mit Ergotherapie, Töpfern

- Schwidderhaus (vorwiegend Angst und Panik)
- Villa 1 + Villa 2 (Kurzzeittherapie und Privatpatienten)
- Birke A + Birke B (Birke A hängt mit dem Wiesenhaus zusammen)
- Wiesenhaus (Kindheitsgeschädigte)
- Sonnenhaus (Psychosen, Neurosen)
- Waldhaus (Jugendliche)
- Rosenvilla (Kinder)

Bitte beachten: was da in Klammern steht sind nur Sachen die ich so nebenbei mitbekommen habe, das muss so nicht richtig sein, obendrein sind auch verschiedene Krankheitsbilder auf ganz unterschiedlichen Häusern, wie man z.B. Multible in fast jedem Haus finden kann.

So, nun mach ich erst einmal Pause, bis später dann!

feuerfisch

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 16:05
von rajo1
Schwidderhaus?

Benannt nach Werner Schwidder?

Oder?

rajo1

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 16:19
von Radlerin
vielen dank für die infos.

was mich noch interessieren würde:

- was macht man so den ganzen tag?
- kann man sport machen?
- wie sind die zimmer so (ich habe ein doppelzimmer genommen)?
- und wie sieht es aus mit den ärzten und pflegern? sin sie immer da, oder nur zu bestimmten zeiten?

so- das waren erstmal die wichtigsten fragen, die mich zur zeit beschäftigen.

vielen dank für deine mühe.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 16:48
von feuerfisch
Hai Rajo

mit der Geschichte von Tiefenbrunn hab ich mich nicht beschäftigt, es waren mir andere Sachen wichtiger - aber dort liegt ein großer und dicker, fetter Ordner bereit für jeden der das Interesse aufbringt

FG

feuerfisch

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Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 16:50
von BeAk
Lieber Feuerfisch,

mich interessiert eigendlich mehr Deine Geschichte in Tiefenbrunn?

Was war das Besondere dort? Was hat Dir therapeutisch weiter geholfen?

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 17:24
von feuerfisch
Hai Radlerin

Danke für die Fragen, das machts einfacher!

>>>- was macht man so den ganzen tag? <<<

Vorab - ich war im Wiesenhaus, kann dir also nur erzählen wie es dort zugeht und wie ich behandelt wurde. Doch vieles wird sich ähneln, auch wenn du in eines der anderen Häuser gehst.

Die ersten 2 Wochen dienen dem Eingewöhnen. Nach den verschiedenen Begrüßungsgesprächen und den ersten körperlichen Untersuchungen ist daher erst einmal der `Spargang´ eingelegt. In dieser Zeit hast man nur Basisgruppen, die vor allem dazu dienen dir einen Eindruck zu vermitteln was man dort machen kann. Allerdings wird nicht alles vorgestellt, manche der Therapien finden in geschlossenen Gruppen statt und sind nicht geeignet um nur mal so kurz reinzuschnuppern. Von daher ist es angebracht dass man sich bei anderen Patienten und einem Info-Ordner schlau macht.
Des Weiteren hat man in den ersten beiden Wochen Anamnesegespräche.
Diese Zeit dient also dazu dass du ankommst, dich schon ein wenig vertraut machst mit der Umgebung, abschaltest von Zuhause, dich vielleicht schon ein wenig auf dich einläßt und dir darüber klar wirst in welche Richtung dein Aufenthalt gehen soll und welche Therapieangebote dir dabei helfen können.
Für die Behandler ist es wichtig dass sie dich in dieser Zeit ein wenig kennen lernen und auch von ihrer Seite her überlegen wie sie dir helfen können.
Übrigens wird auch ein `Pate´ oder eine `Patin´ für dich da sein um dir den Einstieg zu erleichtern. Das sind andere Patienten die sich freiwillig dazu bereit erklären - wie gut oder schlecht sie diese Aufgabe erfüllen hängt von jedem einzelnen ab

Danach folgt die `Zweitsicht´. An dieser nimmst du teil, der Chefarzt, dein Therapeut und noch jemand vom Pflegeteam. Und ihr alle ZUSAMMEN entscheidet über die Therapien die du dort machen wirst. Nix geschieht über deinen Kopf hinweg. Meist ist es nur ein Gespräch zwischen dem Patienten und dem Chefarzt, aber es kommt auch vor dass sich alle beteiligen (in meinem Fall habe ich meinen Therapeuten abgelehnt und mich dementsprechend auch mit ihm unterhalten). Es werden Ziele definiert und die Theras dementsprechend ausgewählt. Klar aber auch: nicht alles was einem gut tut gefällt einem auch.

Bis hierhin gleicht es sich bei den Patienten.
Wichtig und wertvoll finde ich das dort wirklich jeder individuell behandelt wird. Und das bezieht sich nicht nur auf die Therapien sondern auch auf das gemeinsame leben im Haus.

Was du den Tag über machst hängt von unterschiedlichen Faktoren ab - deiner Person und der Anzahl der Therapien. Manche sind an einigen Tagen der Woche sehr eingespannt (ich musste mich hin und wieder zum `spät Essen´ anmelden, weil mir die Theras keine Zeit gelassen haben um zu den offiziellen Zeiten, die immerhin Mittags von 11.30 bis 13.15 Uhr gehen, zu essen. Aber andere haben manchmal ein oder zwei Tage in der Woche zu denen sie fast keine Termine haben).

Allgemein kann man sagen dass man um 8.30 Uhr an der `Morgenrunde´ teilzunehmen hat, anschliessend Therapien, zwischendurch Essen, wieder Therapien. Aber man schafft es doch immer wieder zwischendurch ins nahe Rosdorf zum einkaufen zu gehen oder auch mal einen Nachmittag nach Göttingen zu fahren und bummeln zu gehen.

So, nun lad ich das erst mal hoch bevor es weg ist , dann gehts weiter mit den anderen Fragen

feuerfisch

.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 17:42
von Radlerin
habe vielen lieben dank feuerfisch für deine so ausführliche antwort.

jetzt kann ich ja eine sorge abhaken. ich hatte etwas bedenken, dass ich mir da an manchen tagen nur die zeit totschlage.ich hatte das beim erstgespräch so verstanden, dass nur 2-3 mal in der woche therapien sind. und somit kam ich auf die idee mit der langeweile.

und was ist denn am wochenende? hat man da "frei" oder wird durchgehend therapeiert?

jetzt hab ich so viele fragen gestellt. meine güte. lass dir bitte zeit mit dem antworten. ich schaue hier immer wieder rein. also musst du dich zu nichts verpflichtet fühlen *zwinker*

vieln dank noch mal

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 17:59
von feuerfisch
Und noch einmal: Hai Radlerin

(@Bea - auch dir antworte ich noch, aber eins nach dem anderen.......muss ich machen, auch etwas auf das bei mir Wert gelegt wurde. Ich weiß nur nicht ob ich das heute noch schaffe, aber ich versuche es)

>>>- kann man sport machen?<<<

Jede Menge! Vor allem im Sommer.
- Volleyball - Anfänger und Fortgeschrittene, als Therapie oder in der Freizeit.
- Tischtennis
- Die Turnhalle steht abends zu vielen Zeiten bereit für alle die sich dort betätigen wollen
- viel Gelände zum Laufen oder spazieren gehen
und im Sommer:
- Fußballplatz
- Volleyballplatz
- Tennis
- Schwimmbad (auch wenns nur klein ist)

und bei mir im Haus gab es sogar eine die für sich das Reiten ausserhalb bewerkstelligt hat, gegen Pflege der Tiere.


>>>- wie sind die zimmer so (ich habe ein doppelzimmer genommen)?<<<

Im Wiesenhaus gibt es nur Einzel- und Doppelzimmer. Die Größe und Ausstattung hängen davon ab in welchem Haus du untergebracht bist (das Wiesenhaus erfährt gerade eine Renovierung, da gibt es also neue und alte Räume)
Ich hatte ein Einzelzimmer und auch noch das Glück das es das größte im Wiesenhaus ist. Darüber bin ich recht froh gewesen, vor allem ja länger ich da war.

Wie wohl du dich da fühlst hängt natürlich stark davon ab wie gut du mit deinem Zimmernachbarn zurecht kommst. Bei manchen funktioniert es sehr gut, bei anderen nicht so gut. Verlegung ist so eine Sache.....da wird auch oft geschaut wie es mit deiner Persönlichkeit aussieht. Manche dürfen wechseln und sich mit anderen zusammen tun, andere hingegen nicht, selten, aber kommt vor, in dieser Zeit hatten wir einmal Zimmergefährten die nicht miteinander klar kamen, aber die beiden wurden mit Absicht so lange zusammen gelassen bis sie es geschafft hatten. Aber auch das waar ein Teil der Thera: eine von beiden war sehr extrovertiert und hat keine Rücksicht auf andere genommen, die Andere hingegen war sehr zurückhaltend und konnte ihre Rechte nicht durchsetzten.....Sie haben beide (verständlicherweise) ordentlich geschimpft das sie nicht wechseln durften, aber am Ende haben beide gesagt das es gut für sie war - - - beide haben gelernt.
Aber das war nur ein etwas krasses Beispiel, wie gesagt: normalerweise darf man wechseln.

Weißt du denn schon in welches Haus du kommst? Kannst dort auch anrufen und nachfragen, ich könnte dir dann mehr erzählen.


>>>- und wie sieht es aus mit den ärzten und pflegern? sin sie immer da, oder nur zu bestimmten zeiten?<<<

Pfleger sind immer dort, ausser manchmal, wenn zu wenig Personal da ist, dann gibt es `halbe Nächte´. Aber auch dann wird das Haus von einem anderem betreut, soll heißen: auf Klingelruf kommt jemand von einem anderen Haus. So gesehen ist also immer jemand da.

Die Ärzte und Therapeuten sind tagsüber da, am Wochenende und Abends gibts den Notdienst.
Auch da gibts keine Hemmungen seitens des Pflegepersonals diesen auch zu rufen (in meiner Zeit dort war fast täglich irgendetwas weshalb der Notdienst gerufen wurde - und sei es auch nur das jemand Schnupfen hatte).

Ich habe mich dort immer ernst genommen gefühlt, ob es wegen meiner Psyche war oder wegen irgendetwas körperlichem. Man wird im wiesenhaus auch sehr dazu aufgefordert für sich zu sorgen, oder sich Hilfe zu holen. Immer ist jemand da, der zuhört. Für viele ist das wichtig und viele können das auch nicht und müssen das auch erst lernen. Mich haben sie immer sanft geschubbst, damit ich auch ja zum Stationszimmer komme wenn etwas ist.

Die Jüngeren (bis 28J) erfahren auch eine zusätzliche Geschichte dort: zum Einen die Freizeitgruppe, die sich einmal wöchentlich trifft um eine Freizeitaktivität zu planen und zum Zweiten haben sie abendliches melden, bei dem sie ansagen was sie den Tag über gemacht haben und was Besonderes los war (von uns scherzhaft Abendandacht genannt)

So, ich denke nun mal das ich deine Fragen etwas beantworten konnte, aber das wohl auch Neue aufgetaucht sind - nur her damit, so weit ich kann beantworte ich sie dir.

Liebe Grüße

feuerfisch


.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 18:06
von feuerfisch
Nur noch kurz zur Radlerin:

>>>und was ist denn am wochenende? hat man da "frei" oder wird durchgehend therapeiert?<<<

Eine Begrüßung findet am Samstag statt und dann noch die Gruppen visite für Neuankömmlinge. aber das findet sich nur in den ersten zwei Wochen. Danch gibt es dann nur noch die Morgenrunde am Samstagmorgen um 9.00 Uhr.

Aber ich bitte dich wirklich zu beachten das ich dir nur vom Wiesenhaus erzälen kann - in anderen Häusern wird anders gearbeitet. Nur die Birke A ist ähnlich strukturiert.

*wink*

.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 19:49
von Radlerin
ich danke dir nochmal ganz lieb für deine antworten.

ich bin 20. also kann es noch passieren, dass ich zu den jugendlichen zähl. aber so genau weiß ich es nicht.

ich habe immer im hinterkopf, dass es bei dir so ist. danke *zwinker*

das mit der hilfe ist auch gut. ich bin recht einsam und bräuchte einen "mutterschoß" wie es meine ärztin so schön formuliert hat. aber es trifft den nagel auf den kopf. das kann also schon mal stimmen.

un dich darf die abendandacht mitmachen. juhu. *augen roll*. naja.

und wie sieht es mit der sicherheit aus? kann man die zimmer abschließen oder so? ich wäre nämlich nicht ganz so begeistert, wenn meine sachen geklaut werden. ich werde nichts wahnsinniges wertvolles mitnehmen- muss aber auch nicht sein, dass es wegkommt. und es wird ja keine haftung übernommen.

nur noch mal so am rande. sonst sind erstmal alle fragen restlos geklärt. danke nochmal

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 19:57
von feuerfisch
Hai Bea

>>>mich interessiert eigendlich mehr Deine Geschichte in Tiefenbrunn?<<<

>>>Was war das Besondere dort? Was hat Dir therapeutisch weiter geholfen?<<<

Uff! So eine kurze Frage - aber ich müsste Romane dazu schreiben! Ich hoffe mal dir reicht die Kurzfassung
Das ganze Formelle kannst du ja den anderen Beiträgen entnehmen.

Als ich dort ankam war der erste Tag natürlich voll. Aufnahmegespräche, ect.
Von meiner Patin erfuhr ich so im Zwischendurch - irgendjemand nahm mich mit zum Essen und erzählt mir das meine Patin voll sei mit Terminen, aber wenn ich jemand träfe der irgendetwas orangenes trüge, so sei sie das, sie hat immer irgendetwas mit orange an *lach* Das stimmte auch. So chaosmässig begrüßte sie mich später dann und weil sie gerade Zeit hatte führte sie mich über das Gelände.
Aber die Aufnahme dort war sehr freundlich, nach und nach stellte sich jeder einzelne Patient bei mir vor und ich wuchs so auf meine Art mit in die Gemeinschaft ein.

Gleich zu Anfang, beim `Erstgespräch´ mit dem Chefarzt stellte ich klar wie es bei mir mit meiner `Todessehnsucht´ aussieht und das ich eine Möglichkeit brauchte um zu basteln. Nicht leicht, wegen dem Specksteinstaub, aber das ganze wurde in der Teamsitzung besprochen und ich erhielt die Erlaubnis auf meinem Zimmer und auf der Terrasse damit zu arbeiten - für mich sehr wichtig. (andere Basteleien kann man aber locker im Aufenthaltsraum machen, keine Bange, da gibts nur wenig Einschränkungen)

In den ersten zwei Wochen war ich natürlich sozusagen `ausgehungert´, zu wenig zu tun für mich. Aber damit hatte ich schon gerechnet, kam also einigermassen damit klar.
Dann gingen die Therapien los und sie waren zum größten Teil schon hart für mich, aber auch ungeheuer wertvoll.

Ich hatte zwei Therapieziele: 1. Grenzen setzen und 2. an meine Emotionen kommen.

Darauf waren die Theras ausgerichtet und ich kann eigentlich gar nicht richtig trennen was wo geschah, denn die Kommunikation zwischen den einzelnen Behandlern (was auch die Station miteinschließt) ist so gut, das ich nur sagen kann das die Themen, mein Verhalten, meine Bedürfnisse, zu jeder Zeit jedem davon präsent waren, so dass Hand in Hand gearbeitet wurde.
Schwer zu erklären, ich versuche es mal an einem Beispiel:
wir hatten im Wiesenhaus auch eine Mitpatientin mit der keiner von uns so richtig klar kam. Gegenüber dem Pflegepersonal sprach ich es einmal an das ich mit ihr auch nicht klar käme, ich mich zurückziehe. Auf die Frage was genau mich hemmte konnte ich nicht wirklich antworten, nur halt ihre aggressive Art.
Dies Thema wurde vorläufig nicht wieder angesprochen, aber - wie ich später mitbekam - auch nicht aus den Augen verloren.
In den einzelnen Theras wird das Grenzen setzen häufig behandelt, anscheinend können das viele nicht, oder nicht nicht angemessen. Ich für meinen Fall merkte recht bald das es für mich eine Thema für spätere Zeit sein wird, denn ich nehme meine Grenzen überhaupt nicht wahr. Also wurde das Ganze abgeändert, ich besprach das mit meiner Einzeltherapeutin. Schon bald merkte ich das es mir in den Körpertherapien möglich ist vereinzelt etwas davon zu spüren - und zwar jedesmal wenn ich es schaffte `ganz bei mir zu sein´. Unglaublich für mich, denn zuvor dachte ich das wäre ich! Ich rede immer nur von mir aus, aber nun begann ich zu spüren wie das sich WIRKLICH anfühlt! Das man dabei auch den anderen richtig wahrnimmt. Das ist etwas ganz anderes! Ich kann mich leicht in andere einfühlen, aber das ich mich dabei dermassen selbst verleugne spürte ich nun erst.

Und damit begann auch ein sachtes Heranführen an eben diese andere Patientin. Ich sollte versuchen mich selbst im Umgang mit ihr wahrzunehmen.
Einmal knallte sie die Tür dermassen das alle Scheiben im Aufenthaltsraum wackelten. Einer der Betreuer von der Station kam kurz darauf in den Raum und ich sagte ihm das ich regelrecht Angst habe bei diesem Verhalten. Er meinte ich solle sie darauf ansprechen - das hatte ich zuvor schon getan und ihr auch gesagt das ich nichts mit ihr zu tun haben möchte. Das respektierte sie jedoch nicht. Er daraufhin: da kann ich jetzt nichts machen. Ich fühlte mich abgewiesen.
Aber! 15 min später hatte ich Pantomime (das ist eine Therapieform die nichts oder nur extrem wenig mit der landläufigen Pantomime zu tun hat, auch eine der geschlossenen Gruppen). In dieser war auch die andere Patientin. Anscheinend hat der Betreuer die Therapeutin über den Vorfall informiert. Die Patientin und ich wurden über den Zeitraum der Pantomime so aufeinander zugeführt das uns am Schluß nichts anderes übrig blieb als unter kontrollierten Bedingungen uns miteinander auseinander zu setzen.
Es war heftig! Für uns beide!
Ich kann gar nicht richtig beschreiben was da vorging, aber als Fazit davon wurde ich - ICH - aggressiv! Ich schrie sie an und war extrem verbal aggressiv.

Es war für mich der helle Wahnsinn! Zwar schämte ich mich, aber diese Gefühle waren im Hintergrund. In erster Linie empfand ich ein reines Gefühl, eines das nur mir gehörte, das unbeeinflußt war von irgendjemand oder irgendetwas. Bald darauf durchströmte mich eine positive Energie - für bald 2h dauerte das an und zum ersten Mal in meinem Leben verspürte ich diese Todessehnsucht nicht.
Ein tolles Gefühl!

Im Nachhinein kann ich diese positive Energie als Glücksgefühl bezeichnen, ich glaube das war es was andere Menschen damit meinen.
Und zu meiner Aggression....... *grins*
Ich fragte die anderen, die dabei waren danach. Laut ihnen habe ich nicht rumgeschrieen, ich kam auch nicht aggressiv rüber, ich sei nur sehr bestimmt gewesen.
Aber für mich war es das - und es war gut!

Das Alles geschah aber über Wochen hinweg in verschiedenen Therapien und auch auf Station. Es war ein langsames Werden, das höchstens einzelne Abschnitte hatte und nicht allein auf eine Thera reduziert werden kann.

Aber dennoch kann ich sagen das ich wohl am meisten von der Pantomime, der Tanztherapie und der Frauenkleingruppe profitiert habe. Weder Pantomime noch Tanztherapie lassen sich so einfach beschreiben, es sind Mischungen aus verschiedenen Therapien und vor allem die Therapeutin (in beidem dieselbe) ist so wertvoll. Eine Frau mit einem unglaublichen Einfühlungsvermögen, die aber dabei gleichzeitig eine Frau ist die `fest geerdet´ ist, eine sehr eindrucksvolle Frau.
Die Frauengruppe besteht wie der Name schon sagt nur aus Frauen, aber auch die Therapeutin ist eine Frau. In dieser Gruppe gibt es keine Tabuthemen, alles, aber auch alles kann dort besprochen werden. Diese Gruppe geht unter die Haut, die Themen sind hart, aber es rührt sich etwas, es tut sich etwas. dort habe ich das erste Mal Trauer empfunden um das kleine Kind das ich einmal war.

Ich könnt noch so viel erzählen was dort war und mit mir geschah, doch auch schon dieser Bericht ist mangelhaft, es fehlen die Worte, es fehlen - allein zu diesem Stück - schon mindestens hundert Seiten...

Ich hoffe ich konnte einen groben Eindruck vermitteln, was für mich dort so wertvoll und wichtig war.

Ich habe dreimal reine Gefühle empfunden.
Ich habe einige wenige Male meine Grenzen gespürt.

Und das sagt mir Eines: Was einmal geschah kann auch immer wieder geschehen!

Und so setze ich meinen Weg fort.

Alles Liebe und Gute auch dir, Bea


feuerfisch

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Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:01
von Regenwolke
Hallo Feuerfisch,

schön, daß Dir der Aufenthalt was gebracht hat, und es klingt, interessant, was Du über die Klinik schreibst.

Ich hab auch noch ein paar Fragen:

- Wie wurde entschieden, in welches der Häuser Du kommst - und was ist konkret mit "kindheitsgeschädigt" gemeint (betrifft das bestimmte Störungsbilder?)
- Was für Therapien (Einzel, Gruppe, Kreativtherapien) hast Du gemacht bzw. wurden in Deinem Haus angeboten, und wie oft in der Woche fanden die Therapie statt?
- Gab es spezielle Angebote für Traumapatienten?
- Bist Du ungewöhnlich lange geblieben, oder waren die Aufenthaltszeiten in deinem Haus generell so lang?

LG, Wolke

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:02
von Regenwolke
Hab jetzt gerade gesehen, daß Du einen langen Beitrag geschrieben hast, der sich mit meinem überschnitten hat. Also falls da schon einiges beantwortet ist, hat sich das natürlich erledigt.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:02
von Regenwolke
gelöscht, weil doppelt

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:27
von Radlerin
ich habe mit staunen und interesse dein bericht gelsen. das ist ja toll, was sich alles bei dir verändert hat.

dabei nin ich etwas in sgrübeln gekommen. über meine eigenen smptome und ziele. auf der einen seite hätte ich vieles, was ich gerne verändern möchte. aber die symptome? ich weiß nicht.
da ist jetzt gerade so ein riesiger haufen entstanden, den ich erstmal wieder neu sortieren muss. (obwohl ich eigentlich recht sicher bin-komisch). naja.

das wollte ich auch nur mitteilen. (war das jetzt wirklich wichtig?)..

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:35
von steppenwolf1
Hallo Feuerfisch,

ich finde Deinen Bericht richtig gut und macht auch Hoffnung.
Wie sah es mit Medikamenten aus ? Oder ist das einzigste was half, die Therapie ?
Gab es sozialtherapeutische Unterstützung für nach der Klinik ?
Ich wünsche Dir auf Deinem Weg weiterhin alles Gute und immer wieder viele kleine Erfolge !

Gruss, s.wölfin

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 20:55
von feuerfisch
Huh, da ist ja reges Interesse!

Also wieder nacheinander....

@ Radlerin

>>>ich bin 20. also kann es noch passieren, dass ich zu den jugendlichen zähl. aber so genau weiß ich es nicht.<<<

Kann ich dir auch nicht sagen, nach welchen Kriterien man ins Waldhaus (Jugendliche) kommt oder in die Erwachsenenstationen.
Ich weiß von einem 20-jährigen der im Waldhaus war, aber wir hatten in der Zeit einige 18-, 19-jährige im Wiesenhaus.
(Waldhaus und Rosenvilla sind streng getrennt vom Rest der Häuser)

>>>ich habe immer im hinterkopf, dass es bei dir so ist. danke *zwinker*<<<

ääähm, was meinst du damit? Das kapier ich nicht so ganz.....*kopfkratz*

>>>und wie sieht es mit der sicherheit aus? kann man die zimmer abschließen oder so? ich wäre nämlich nicht ganz so begeistert, wenn meine sachen geklaut werden.<<<

Die Zimmer kann man nicht abschliessen, mit der Begründung das es ja auch eine Klinik ist. Allerdings habe ich in der ganzen Zeit auch nicht erlebt das aus den Zimmern etwas weggekommen wäre. Nur halt aus der Patientenküche.....Zucker, Cappu, Kaffee...
(Tip am Rande: nimm dir eine Tasse mit)

*wink*

feuerfisch
- kein Dank nötig, ich wäre auch froh gewesen wenn mir zuvor jemand etwas über die Klinik erzählt hätte

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 21:17
von feuerfisch
Hai Wölkchen

>>>- Wie wurde entschieden, in welches der Häuser Du kommst - und was ist konkret mit "kindheitsgeschädigt" gemeint (betrifft das bestimmte Störungsbilder?)<<<

Darüber wie entschieden wird in welches Haus man kommt kann ich dir leider nichts sagen, ich denk mir halt mal dass es auf den Bericht des einweisenden Arztes ankommt. Viele haben auch Vorgespräche, ich gehöre zu denen die kein Vorgespräch hatten. Warum, wieso, weshalb? Keine Ahnung!

Kindheitsgeschädigte - naja, das sind halt Leute die ihr Problem schon seit der Kindheit mit sich herumschleppen. Sei es als `Dauererlebnis´, wie z.B. schlechtes Elternhaus, oder Heimkinder; oder als `einmalige Sache´, wie z.B. Vergewaltigung

>>>Was für Therapien (Einzel, Gruppe, Kreativtherapien) hast Du gemacht bzw. wurden in Deinem Haus angeboten, und wie oft in der Woche fanden die Therapie statt?<<<

Puh, ich hoffe ich vergess jetzt nichts...
Pantomime 2x/Woche, Tanztherapie 1x/Woche, Einzeltherapie 1x/Woche, Kleingruppe Frauen, Körperwahrnehmung 2x/Woche, Selbstbehauptung Frauen 2x/Woche, Imagination 2x/Woche (nur kurz, hab ich nicht vertragen und in Folge bekam ich die Möglichkeit das für mich alleine zu machen), Partnergymnastik 2x/Woche (konnt ich auch nicht - körperlich), Pysiotherapie 1-2x/Woche, Massage 1-2x/Woche, Stangerbad 1x/Woche, Unterwassermassage 1x/Woche, Großgruppe 1x/Woche
dazu hatte ich einen Bezugspfleger 1-2x/Woche + jederzeit von mir ansprechbar

Aber es gibt noch andere Therapien, auch gibt es viele die auch als Einzeltherapie anstatt nur in der Gruppe angeboten werden.

>>>Gab es spezielle Angebote für Traumapatienten?<<<

*grins* Tiefenbrunn ist eine Klinik die sich auch auf Trauma spezialisiert hat. Du kannst dort auch EMDR machen, aber das ist nicht für jedermann angesagt.
Zudem gibt es dort auch die Möglichkeit eine Intervall-Therapie zu machen.

>>>Bist Du ungewöhnlich lange geblieben, oder waren die Aufenthaltszeiten in deinem Haus generell so lang?<<<

Für mein Haus war das schon sehr lange - der durchschnittliche Aufenthalt sind etwa 3 Monate

Liebe Grüße

feuerfisch

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Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 21:29
von Regenwolke
Danke für die ausführlichen Antworten, Feuerfischin
Es klingt wirklich alles sehr gut - vor allem in deinem Bericht oben, der hat mich eben richtig berührt.
Und falls nochmal ein Klinikaufenthalt fällig sein sollte, kann es ja nicht schaden, eine gute Adresse zu wissen.

Lieben Gruß,
das Wölkchen

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 21:33
von feuerfisch
Hai Wölfchen

Danke für deine lobenden Worte *rotwerd*

>>>Wie sah es mit Medikamenten aus ?<<<

Ich nahm dort weiterhin die Medis, auf die ich auch zuvor schon eingestellt war. Dazu kamen dann allerdings noch Tavor, die ich dann freiwillig genommen habe (puh, bin froh das das auf Dauer nicht nötig ist, aber stellenweise schmeißt einen die Thera schon so weit um, das es doch manchmal sinnvoll ist)

>>>Oder ist das einzigste was half, die Therapie ?<<<

Für mich war dort nur die Thera hilfreich, ich glaube da liegt auch die Betonung des Wiesenhauses drauf. Medis können unterstützen aber nicht heilen.
Aber ich glaube das ist nicht in jedem der Häuser so. Und sicher auch nicht in jedem Fall.

>>>Gab es sozialtherapeutische Unterstützung für nach der Klinik ?<<<

Ja, auch eine Sozialpädagogin war dort. Es gab Unterstützung in vielen Bereichen. Aber - ganz ehrlich gesagt - ich fand die Dame nicht besonders gut, habe auch von keinem anderen gehört der sie gut fand.....
Dennoch, sie gab Hinweise was es zu tun gab. Machen mußte man dann selber, Pech für den der es nicht konnte... Gut war es auch sich noch an anderen Stellen zu erkundigen.

Ich selbst habe von der Klinik aus einen Antrag gestellt beantragt. Sie ging (auf Druck) unterstützend mit zur Antragsstellung.
Sehr viel mehr Hilfe habe ich von meiner Einzeltherapeutin, dem Chefarzt und dem Stationspersonal bekommen, so das ich abschliessend sagen kann das auch dahingehend Unterstützung vorhanden ist.

Danke auch noch für deine lieben Wünsche, die ich dir nur zu gerne auch gebe!

feuerfisch

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Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 21:45
von feuerfisch
Und zum letzten Mal für heute (Hände beschweren sich schon, wollen Feierabend)

Hai Radlerin

>>>dabei nin ich etwas in sgrübeln gekommen. über meine eigenen smptome und ziele. auf der einen seite hätte ich vieles, was ich gerne verändern möchte. aber die symptome? ich weiß nicht.
da ist jetzt gerade so ein riesiger haufen entstanden, den ich erstmal wieder neu sortieren muss. (obwohl ich eigentlich recht sicher bin-komisch). naja.

das wollte ich auch nur mitteilen. (war das jetzt wirklich wichtig?)..<<<

Tja, für mich klingts so als ob du noch recht unsicher bist was du dort erwarten kannst, mitbringen darfst.....
Lass es doch mal auf dich zukommen. Du wirst, wie gesagt, erst einmal Zeit haben um anzukommen, Zeit haben die du für dich nutzen kannst und sollst.
Einiges wird für dich dann wohl klarer aussehen.

Und hab keine Bange, du kannst nur gewinnen. Und nichts und niemand wird dich dort zu etwas zwingen was du nicht willst. Was du dort tust ist deine Entscheidung, selbst ein Abbruch liegt in deinem Ermessen.

Gönn dir die Freiheit an dich denken zu dürfen

Alles Gute

feuerfisch

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 21:49
von Radlerin
ich danke dir noch mal für deine lieben worte.

ich werde deine ratschläge gerne annehmen und umsetzten. ich lasse alles auf mich zukommen. sobald ich mich sicher nd aufgehoben fühle, sprudelt auch viel aus mir heraus.

also ich denke es wird schon werden.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 22:42
von BeAk
Lieber Freuerfisch,

schreib nicht so viel, sonst brauchst Du gleich wieder Urlaub.

Es freut mich riesig, das Du so große Fortschritte gemacht hast.

Weißt Du schon, wie Du jetzt weiter therapeutisch an Dir arbeiten willst?

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 23:00
von feuerfisch
Hai Bea

*grins* Urlaub - das war wohl eher ironisch gemeint, oder?

Weiter therapeutisch will und werde ich an mir arbeiten, aber das wie hängt noch stark von der Entscheidung über einen Antrag ab den ich gestellt habe. Der Ausgang darüber entscheidet auch noch über eine Menge mehr ------

Ansonsten habe ich für mich schon etliche Sachen begriffen und - zum Glück - auch dort in der Klinik einige Ansatzpunkte gefunden WIE ich an mir arbeiten kann. Gerade das `mich spüren´ ist einer davon. Schwierig das ohne Hilfe zu erarbeiten, aber es wird wohl irgendwie gehen, ich weiß ja jetzt zumindest DAS es geht und werde dran bleiben. Wenn ich es schaffe aus der Hektik draussen zu bleiben und all diesen Zwängen, so bin ich zuversichtlich das ich es schaffe mir näher zu kommen.
Auch anderes hat mir Ansatzpunkte geboten.
Aber wie gesagt, das hängt noch etwas von einer Entscheidung ab die nicht in meiner Macht stehen.

Drück mir mal die Daumen

*liebwink*

feuerfisch

.

Re: Tiefenbrunn - Eindrücke dieser Klinik

Verfasst: 2. Mär 2008, 23:25
von steppenwolf1
hi Feuerfischin,

danke für Deine ausführlichen Antworten und die Wünsche. Schlaf mal gut und träum von der Karibik - oder wo kommt der Feuerfisch her ?

s.wölfin