Rausgehn

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Tina0510
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Rausgehn

Beitrag von Tina0510 »

... bereitet mir unsagbare Probleme!

Einkaufen, Spazieren, Arzt- oder Therabesuche sind der absolute Horror derzeit für mich und ich "drück" mich davor wo ich nur kann...

Habe nun seit 1,5 Wochen mein Haus nicht einen Schritt verlassen, ausser zur Mülltonne zu gehn.
Heute ist Theratermin und ich zittere seit heute morgen schon vor Panik.
Völlig irrrational, da es ja nichts Schlimmes ist.
Aber: ich begegne Menschen.

Wenn ich einkaufen gehe, dann gleich auf vorrat für mindestens 1 Woche, damit ich nicht "gleich schon wieder raus muss".

Thera meint ich solle regelmässig spazieren gehn... mag ich eigentlich auch gerne, aber... derzeit nicht... tagsüber könnte mich "jemand sehn" und nachts trau ich mich nicht raus, da ich am Waldrand wohne.

Diese Angst wird immer stärker.
Klar, ich setzte mich selber unter Druck, aber Einkaufen ist schlicht ein MUSS... ebenso Arzt/Theratermine.

Ich bekomm auch schon Medi gegen Angstzustände...

Kennt von Euch auch jemand diese Angst?
Wie geht ihr damit um?
Grüßle

Tina
Shay
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Re: Rausgehn

Beitrag von Shay »

Dieses "Partout-Nicht-Rausgehen-Können" kommt mir nicht unbekannt vor. Ich hab es eine Zeitlang damit hinbekommen, indem ich mich vorher richtig aufgebretzelt habe, mit schicken Klamotten, Haare frisch gewaschen usw., damit man mir nicht ansehen kann, wie es in mir drin aussieht. Nach dem Motto: "Jung - dynamisch - erfolglos...". Ich wollte halt nicht aussehen wie ein total vermüllter, völlig erfolgloser und dazu noch depressiver Student (auch wenn ich damals noch nicht begriff, dass ich depressiv war)

Nichts desto trotz habe ich mich (bis auf wenige Ausnahmen) furchtbar beeilt, um ja schnell wieder zuhause zu sein.
Gruß: Martin





„A ship is safe in harbour - but this is not what a ship is made for."
Tina0510
Beiträge: 97
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Re: Rausgehn

Beitrag von Tina0510 »

Ja beeilen tu ich mich dann auch.
Sozusagen "Extremeinkaufing".
Einkaufsliste in Reihenfolge des Ladens notieren, alles zackzack in Wagen und möglichst schnell durch die Kasse und ab nach Hause... dort ratzfatz Auto ausladen, und HAUSTÜRE ZUMACHEN... und mir gehts wieder gut.

WENN ich rausgehe bin ich auch frisch geduscht und zumindest etwas zurechtgemacht.

Ich fühl mich ausserhalb meiner 4 Wände einfach beobachtet... obwohl ich weis, das dem nicht so ist und die Leute mir auch nicht ansehen können wie es mir geht.
Grüßle

Tina
AN
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Re: Rausgehn

Beitrag von AN »

Hallo Tina,

das Problem habe ich zur Zeit auch. Es hat sich soweit schon ausgeweitet, das ich auch innerhalb der 4 Wände Alleine sein möchte - da ich mich auch hier mittlerweile beobachtet und kontrolliert fühle.
Hat auch was mit meiner "Geschichte" und Hintergründe zu tun.

Mir wurde folgendes dazu gesagt (Therapie):
Ich muss diese "schlechten" Gefühle zulassen und aushalten- wenn ich rausgehe, wenn ich zuhause bin und mich nicht zurückziehe.
Immer öfter - immer mehr.
Je öfter ich das mache - irgendwann werden diese weniger und es wird mir wieder gelingen öfter rauszugehen.

Ob es klappt - weiß ich nicht - aber es ist verdammt schwer, gegen die geschlossene Wohnungstür anzukämpfen - diese zu öffnen und rauszugehen.
Aber es muss wohl sein - und ich mache es.
Es klappt noch nicht oft - da ich grade erst damit angefangen habe - aber in meinem Kopf ist es drin...das ich es machen muss.

Gruß
Anke
Tina0510
Beiträge: 97
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Re: Rausgehn

Beitrag von Tina0510 »

@ Anke

Danke für deine Worte.

Meine Thera meint das auch so... und wie von dir beschrieben WEIS ich es zwar, kann es aber nur sehr sehr schwer umsetzten.

War heute ab 15:30 ausser Haus.. Thera und Einkaufen bis 19 Uhr hab nun Kopfschmerzen und bin völlig platt und vorallem gottfroh die nächsten Tage nicht raus zu müssen.

Selbst meine Lebensmittel suche ich schon "deprimässig" aus, also Sachen die lange halten oder Tiefgekühltes auf Vorrat für ca na Woche. So kann ich möglichst bis zum nächsten Thera- oder Arzttermin warten bis ich wieder einkaufen muss... denn dann muss ich ja eh raus...

Diese schlechten Gefühle sind grausam, ich empfinde sie und weis doch das ich mir eigentlich alles nur einbilde... mich beobachtet schliesslich niemand...
Zuhause bin ich eh allein somit brauch ich mich da nicht zurückziehen, (wobei mein Schlafzimmer/Bett zu verlassen trotzdem oft ein Problem darstellt aber das hat eher was mit Antreibslosigkeit zu tun)
Grüßle

Tina
RoadToNowhere
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Re: Rausgehn

Beitrag von RoadToNowhere »

Ich neige auch zu solchen Aktionen, "dummerweise" hab ich für einen Singlehaushalt eine recht gute Vorratshaltung, Reis, Konserven, Nudeln, teilweise auch Fertiggerichte der Sorte Tüte auf, ins kochende Wasser, umrühren, fertig - Ergebnis war in meinen schlimmsten Zeiten daß ich maximal einmal die Woche, teilweise noch seltener raus bin. Je schlechter es mir ging desto eher war es mir egal was ich gegessen habe, wozu braucht man Obst, Nudeln kann man auch mit Ketchup übergießen wenn nix anderes da ist, wozu muß ich überhaupt was essen, bin doch sowieso zu fett und beweg mich nicht...

Irgendwer hat hier mal gepostet daß es sein persönlicher "Trick" sei eben gezielt nicht für so lange einzukaufen um regelmäßig unter Leute zu müssen. Vielleicht sollte man dann zusätzlich sich nur ganz wenig Geld einstecken um zu verhindern daß man doch wieder die Hamsterkauftaktik benutzt.

Im Augenblick passe ich da wieder mehr auf mich auf, ich freue mich wenn auf meinem geschützten Balkon ein paar Büschel Petersilie wachsen und verpasse damit dem Tomaten-Schafskäsesalat eine besondere Note...und ich merke wie solche sorgfältig zubereiteten Mahlzeiten für die ich mich richtig an den Tisch setze, schönes Geschirr benutze und nicht nebenher die Glotze oder das Laptop laufen habe für mich auch etwas positives sind.

Die Einkaufs- und sonstigen Rausgeh-Zwänge sind zwar für mich auch recht schwierig, und mit dem Narrenvolk das einem schon vormittags betrunken in der Bahn entgegenfällt wollte ich dieses Jahr gar nichts zu tun haben - obwohl ich durchaus schon recht aktiv in Sachen Karneval unterwegs war und das auch genossen habe.

Ich habe mir aber fest vorgenommen daß dieses Verbarrikadieren ein Ende haben muß, und ein Teil der Gegenmaßnahmen wird wohl auch bei mir sein daß ich das Horten von haltbaren Lebensmitteln beschränke und mit wenig Geld einkaufen gehe. Irgendwie muß ich mir da selbst einige kräftige Schubser verpassen, und die Tatsache daß ich derzeit nicht regelmäßig arbeite läßt da leider auch eine ganze Menge Freiräume.
s-ch
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Re: Rausgehn

Beitrag von s-ch »

hallo zusammen,

ich kenne das leider auch. Ich kann nur rausgehen zur Arbeit, dort fällt es mir nicht allzuschwer. Doch am Wochenende verlasse ich das abgedunkelte Zimmer nicht, egal ob Regenwetter (macht mir nichts aus), Schnee (mag ich) oder strahlende Sonne (macht mich traurig). Ich kann auch nicht spazierengehen, mal um den Block, es geht einfach nicht. Ich weiß nicht, bin ich nur selbstmitleidig oder faul?

Ich lebe alleine, bin auch froh, wenn man mich in Ruhe läßt und doch ist es auch ein mehr oder wilder Haß auf mich selbst, sich dem Leben freiwillig so zu entziehen.

Einkaufen kann ich auch nur direkt nach der Arbeit, niemals würde ich an einem Samstag mich ins Gewühl stürzen oder gar noch auf einen Markt gehen.

Essen bedeutet mir leider gar nichts, ich kann gar nicht kochen, ich esse am Wochenende sehr wenig oder nur Obst, Brot etc.

Viele Grüße S.
AN
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Re: Rausgehn

Beitrag von AN »

Liebe Tina,

es ist auch sehr schwer. Und mir gelingt es ja auch noch nicht so, wie ich das gerne hätte.

Heute z.b habe ich mir vorgenommen mit meinen Kindern nach Mc. D. zu fahren und auch rein zu gehen.

Meine Kinder haben sich natürlich riesig gefreut. Wir sind auch losgefahren.
Nunja...das Ende davon..wir sind nicht reingegangen..sondern Mc drive ...es ging wieder nicht.

Aber ich stand mit dem Auto auf dem Parkplatz...und ich werde das nächste mal wieder mit dem Auto auf dem Parkplatz stehen..und irgendwann...da steige ich aus..und gehe rein!!!

Es gibt viele Dinge zur Zeit an denen ich grade Verzweifel...und ich selbst nichts dran ändern kann...
aber ich denke..grade das gibt mir grade die Kraft wenigstens diese Dinge..wie das obere Beispiel...daran zu arbeiten...das ich das wieder in den Griff bekomme.
Denn das sind Sachen, die in meiner Hand liegen, die mir keiner abnehmen kann.

Andere, die mich ständig verletzten..dadurch - das sie Dinge tun obwohl sie wissen, das sie mich dadurch tiefer in meine Depression drücken - daran kann ich selbst nichts ändern.

Hm...ich hoffe du verstehst ein bisschen..was ich meine.

Lieben Gruß an Dich
Anke
Tina0510
Beiträge: 97
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Re: Rausgehn

Beitrag von Tina0510 »

Es tut so gut zu lesen, das Andere auch solch ein Problem haben und ich nicht alleine bin.

Hab gestern nen Banktermin abgesagt... es ging nicht obwohl ich da mal dringend hin sollte.

Meine Komunikation begrenzt sich eigentlich auf Telefonate oder eben wenn jamand zu Besuch kommt.

Der Tipp mit dem Essen schön zuzubereichten und den Esstisch schön zu decken find ich gut. Mal sehn ob ich da hinbekomme.
Derzeit esse ich meist vor der Glotze.
Grüßle

Tina
Poolshark
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Depressive Quarantäne

Beitrag von Poolshark »

Das ist eben das Heimtückische an der Depression.
Man fühlt sich der Welt und dem Leben nicht gewachsen und schließt sich zu Haus ein.
Man ruft seine Freunde nicht zurück, man drückt sich vor Terminen, irgendwann schafft man 's nicht einmal mehr in den Supermarkt.
Man hat immer das Gefühl man schafft es nicht, aus dem Haus zu gehen, so als hätte man einen tiefen Abgrund zu überqueren sobald man die Tür aufschließt.
Und dann bleibt man eben auch zu Hause, in der falschen Geborgenheit seines Zimmers, hinter zugezogenen Jalousien und tut so, als würde es einen nicht geben.
Und dann redet man sich ein "Nicht heute, lieber morgen, heut geht 's einfach nicht."
Das schlimme daran ist nur, dass es jeden Tag schwerer wird und man sich mit dieser Schonkur überhaupt nichts Gutes tut.
Die Hemmschwelle wird größer, Schuld und Scham gedeihen.
Man entscheidet sich dafür, niemanden zu sehen, mit niemandem zu sprechen und fühlt sich dennoch einsam und fragt sich ratlos, warum man sich das alles antut ...

Wenn man das aus diesem Teufelskreis rausschaffen will, muss man als Depressiver lernen, wie wertvoll jeder Tag ist, an dem man es vor die Tür schafft.
Hier geht es nicht darum, einzukaufen, Dinge zu erledigen oder Termine wahrzunehmen - jeder Schritt außerhalb der Wohnung ist ein Schritt weg von der Depression. Jede Kleinigkeit, die man für sich und sein Wohlbefinden tut, ist ein Erfolg.

Ich denke, dass jeder Depressive auch soziale Ängste und Vermeidungsverhalten kennt, deshalb finde ich es besonders wichtig, dass man sich nicht auch noch eine ernsthafte Angsterkrankung antrainiert, indem man sich total aus dem Leben ausklinkt. :/
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