Ist Heilung möglich?

Sandkuchen
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Ist Heilung möglich?

Beitrag von Sandkuchen »

Wieder eine Nacht mit zu wenig Schlaf und zu vielen Tränen. Meine Stimmung ist grenzwertig. Alltagsaufgaben fallen mir schwerer. Einladungen schlage ich aus. Kein Interesse an Geselligkeit.

Aber ich will das so alles nicht mehr. Ich habe die Nase voll von diesen depressiven Schwankungen! Ich will gesund sein. Gesund und stabil!

Vor 1,5 Jahren bin ich nach einem Trauerfall schwer an Depression erkrankt. Im Grund glaube ich, dass es stetig bergauf geht. Dazwischen auch Behandlung mit Medikamenten und Therapie. Aber dann kommen wieder Tage und Nächte, die anders sind und ich kann es nicht verhindern.

Hört das irgendwann auch mal wieder ganz auf? Ist Heilung möglich?
DYS-
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von DYS- »

Hallo Sandkuchen

Du möchtest jetzt sicher gerne hören, dass es mal bessert. Fachmenschen sagen, Depressionen sind heilbar.
Ganz ehrlich, ich glaube nicht daran. Sorry.
Ich bin mir aber sicher, dass es Zeiten gibt, in denen es sich lohnt, nicht aufzugeben.
Gruß Dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Bernd2

Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Bernd2 »

Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Aus eigener leidvoller Erfahrung muß ich Dir leider sagen, daß unsere Erkrankung (Depression) derzeit nicht heilbar, allenfalls zeitweilig linderbar, ist.
Quentin
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Quentin »

Hallo Sandkuchen,

um ehrlich zu sein, ich bin mir auch nicht sicher, ob es eine 100%ige Heilung gibt. Vielleicht muß man sich auch einfach damit arrangieren. Ich muß auch sehr genau meine Kräfte einteilen. Es gibt Tage, da streng ich mich wirklich an um etwas zu erledigen. Bin danach zwar oft kaputt, aber auch glücklich, daß ich es geschafft habe. Es gibt aber auch Momente, da gönne ich mir selber Ruhepausen um mich wieder zu regenerieren. Da muß ich mich fast zwingen, nichts zu tun. Aber diese Ruhephasen tun mir auch sehr gut.

Als Kind haben sich meine Eltern scheiden lassen. Das hat damals auch sehr weh getan. Hatte immer das Gefühl, zwischen den Fronten zustehen und wußte nicht, wo ich hingehöre. Irgendwann mußte ich mich damit auch arrangieren. Hat aber auch seine Vorteile gehabt. Ich hatte mit Sicherheit mehr Freiheiten als manch anderer. Hab schon sehr früh angefangen wegzugehen oder war Nachmittags immer viel unterwegs. Hat mich ja niemand kontrolliert. Meine besten Freunde kamen eigentlich immer auch aus Scheidungsfamilien.

Manchmal denke ich mir, dieses ganze "Leid" hat auch etwas positives. Man ist gezwungen, seine Denkweise zu ändern. Das bringt einen mental ja auch weiter. Wenn man nie Probleme hat, bringt einen das ja auch nicht weiter. Wenn ich meinen Bruder so anschaue, frage ich mich manchmal, ob er sich wirklich weiterentwickelt hat. Ich finde, er redet noch den gleichen Schwachsinn wie vor 30 Jahren. Er ist der tollste, er ist der beste und alle anderen sind doof. Ob diese Einstellung wirklich so gut ist, wage ich ja mal zu bezweifeln.

Momentan geht es mir eigentlich ganz gut, vielleicht habe ich irgendwann aber auch wieder den totalen Einbruch. Ich weiß es nicht. Ich lasse es auf mich zukommen, mache mir aber momentan gar nicht soviele Gedanken. Ich versuche einfach, jeden Tag zu genießen.

Gruß

Quentin
Iris
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Iris »

Hallo Sandkuchen,

auch ich glaube nach sehr vielen Jahren Depressionen nicht mehr an Heilung.Immer wieder liest man von "guten Heilungschancen".
Im Laufe der Jahre habe ich viele Leute kennengelernt die an Depressionen oder Ängsten gelitten haben,bisher war noch niemand dabei der dauerhaft beschwerdefrei war.

Ich habe auch oft solche Tage an denen ich glaube das nicht mehr aushalten zu können,aber glaube mir es kommen wieder bessere Tage !

LG
Iris
Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.
ANOVA
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von ANOVA »

Hallo

>Aber dann kommen wieder Tage und Nächte, die anders sind und ich kann es nicht verhindern.
>Hört das irgendwann auch mal wieder ganz auf? Ist Heilung möglich?

Bei mir kommt da die Frage auf, was für Dich eigentlich Heilung bedeutet. Wenn man annimmt, gesund sei man nur bei vollständiger Abwesenheit von Beschwerden, dann dürfte wohl keiner auf dieser Welt gesund sein. Ich glaube, dass auch psychisch völlig Gesunde schlechte Tage und Nächte haben. Deshalb ist für mich Heilung auch dann möglich, wenn ich immer mal wieder kurze Einbrüche habe. Ich glaube, es ist eine Illusion zu denken, dass gesunde Menschen ständig glücklich, fit und unternehmungslustig sind.

Ich bin seit bald vier Jahren nicht mehr im klinischen Sinne depressiv gewesen. Natürlich habe ich Tage, an denen es mir nicht gut geht, manchmal auch eine Woche. Aber der Unterschied ist, dass ich trotzdem mein Leben gut auf die Reihe bringe, mich nicht zurückziehe oder gar in eine Klinik muss. Dass ich nach wie vor ADs nehme und hin und wieder ein Gespräch mit meiner Therapeutin in Anspruch nehme, steht für mich nicht im Widerspruch zum Gesundsein.

Aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis kann ich mittlerweile außer mir drei Leute als Beispiel für eine erfolgreiche Behandlung von psychischen Erkrankungen heranziehen. Alle haben ihr Leben gut im Griff und mussten schon sehr lang nicht mehr in eine Psychiatrie, zwei davon sind mittlerweile glücklich (!!!) verheiratet und haben ein Kind. Wir waren alle zusammen etwa zur gleichen Zeit in einem Therapieprogramm, das in erster Linie auf die Behandlung von BPS ausgerichtet war, aber wir alle hatten daneben noch mindestens die Diagnose Depression.

Für uns war es insgesamt wichtig, einen neuen Sinn, eine neue befriedigende Aufgabe für das eigene Leben zu finden und mit der Vergangenheit abzuschließen.

Was ich sagen will: Es ist möglich, einen Zustand zu erreichen, in dem irgendwelche Psychodiagnosen keine Rolle mehr spielen. Es ist nicht einfach, dauert in den meisten Fällen recht lang und es gibt auch keine Garantie dafür, dass es gelingt. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich jeder Kampfgeist sehr lohnt. Allerdings ist es wichtig, einen realistischen Gesundheitsbegriff zu entwickeln. Niemandem geht es immer gut.

Gruß

Xenia
BD
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von BD »

Hallo,

auch ich frage mich derzeit oft, ob Heilung möglich ist. Ich habe ebenfalls nach einem Trauerfall seit 1,5 Jahren mittelschwere Depressionen mit ständigen Aufs und Abs. Die guten Phasen dauerten immer nur ein paar Tage, dann kam wieder ein Tief. Den Sommer über dauerte das meist auch nur ein paar Tage. Zurzeit geht es mir aber wieder schlechter, so dass ich gestern auch nicht arbeiten war. Im Moment denke ich, ich muss das Auf und Ab akzeptieren, hoffe aber dass es noch etwas aufwärts geht, zumal ich vor 2 Jahren nach längerer Krankheit auch fast 1,5 Jahre fast beschwerdefrei war. Ich will daran glauben, dass auch jetzt so eine Zeit wiederkommt. Ich finde es nur sehr schwer die Spannung auszuhalten: Wie lange geht es mir noch schlecht? Bei einer Erkältung weiß man, dass nach 1, 2Wochen es wieder vorbei ist, aber eine Depression ist nicht einschätzbar. Das zu akzeptieren und unter die Füße zukriegen finde ich sehr schwer.
Ich wünsche uns allen die nötige Geduld!

Grüße
Waldsee
j1090vdg
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von j1090vdg »

Hallo

ich hätte lieber etwas anderes, aber nicht diesen grauenvollen Gegner, der mich offensichtlich vernichten möchte. Wie soll das nur weiter gehen?

Ich quäle mich zur Arbeit, weil ich nicht den ganzen Tag im Bett liegen möchte und mich nicht mit Atosil zupumpen möchte. Ja es gibt auch gute Tage, aber die Tiefs werden immer schlimmer. Eine derartige innere Unruhe kommt hinzu und die zeitweise nahezu schlaflosen Nächte. Dann wieder totale Müdigkeit und absolute Lähmung. Ich will schon seit 3 Stunden einen Einkaufszettel schreiben und Einkaufen gehen. Aber ich kann nicht. Ich will und kann nicht. Es wird immer abstruser.

Letzte Woche habe ich es auf der Arbeit nur durchgehalten, weil ich das Telefon abgeben durfte und ganz einfache Dinge gemacht habe. Und trotzdem hat es viel zu lange gedauert. Und ich halte derzeit nichtmal 8 Stunden durch. Vor Weihnachten waren 10-12 Stunden kein Problem. Die Überstunden sind nur so geflutscht und liesen sich nicht bremsen und jetzt?

Wenn es keine 100%ige Rückkehr zu dem Vorher gibt, dann bringt mich das schier zum Verzweifeln.

ICH WILL WIEDER SO SEIN WIE VOR EINEM JAHR. LEISTUNG BRINGEN UND NICHT SO JÄMMERLICH VERSAGEN.

Seit November nehme ich ein Medikament, dessen Wirksamkeit jetzt in Frage gestellt wird. Medikamentenspiegel heisst das Zauberwort und dann vielleicht ein anderes Medikament. Von Vorne nach bald 3 Monaten? Wie lange denn noch. Ich kann nicht mehr. Ich will doch nur funktionieren.

Vielleicht hätte ich diesen Thread besser nicht gelesen oder es liegt an meiner heutigen Verfassung. Verzeiht, ich will Euch nichts vorwerfen. Es ist mein Problem und Ihr habt das Recht ehrlich zu sein. Ich habe mir die ganze Zeit etwas vorgelogen und glaubte an die völlige Genesung.

Eigentlich muss ich Euch dankbar sein für die Desillusion.

Gruss
sd
RoadToNowhere
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von RoadToNowhere »

Gute Frage, vor allem eine die ich mir auch stelle.

Daß ich meine Schwierigkeiten überhaupt als Depression identifiziere ist noch gar nicht so lange. Ich bin zum Teil erschrocken in wievielen Dingen die hier von anderen geschildert werden die mir bei mir selber bisher einfach unverständlich waren, ich mich wiederfinde. Vielfach konnte ich mein eigenes Verhalten rational überhaupt nicht nachvollziehen - und hier finde ich plötzlich Schilderungen, die mir sagen: Du bist nicht allein mit diesem Mist! Es gibt noch mehr Leute die sich in ihrer Bude verbarrikadieren, mit sich selbst gedanklich im Kreis rennen, dahocken wie das Kaninchen vor der Schlange und selbst für die Entscheidung sich endlich zu duschen, den Abwasch zu machen und danach einen schönen Spaziergang drei Tage brauchen. Mir gibt allein das schon eine ganze Menge Auftrieb und den Mut, nach Verhaltensweisen zu suchen, die mir helfen können, nicht mehr so abzustürzen.

Ich finde Xenias Posting total wichtig: Auch Gesunden geht es nicht immer nur supergut - auch die haben ihre Frust- und Schrott-Tage an denen ihnen nichts gelingt, wo sie traurig sind oder zu platt sich selbst was gutes zu tun.

Heilung bedeutet für mich ähnlich wie Xenia es sagt, eher im Sinn von "Ganz sein", "heil sein", von allem etwas in einem ausgewogenen Verhältnis zu haben - und ich denke das ist möglich. Die vielen Jahre die ich nun ohne zu wissen wie ich es benennen sollte immer wieder in das gleiche dunkle Loch gestürzt bin waren immer wieder unterbrochen durch bessere Phasen - es geht also durchaus.

Und ich glaube, daß ich mit dem Moment wo ich für den Feind einen Namen habe und mehr über seine Taktik weiß, ihn auch besiegen kann. Nur wird es lange dauern all die vielen Dinge zu lernen die für diesen Sieg nötig sind - und lernen ist besonders dann schwierig wenn man sich schon lange das "falsche" oder "nicht wirksame" antrainiert hat.
CJ43
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von CJ43 »

Hallo!
Mir gefällt das auch sehr gut, was Xenia gesagt hat: das die Grenze zwischen gesund und krank sehr schwer zu ziehen ist. Und dass ein Leben, in dem Psychodiagnosen keine Rolle mehr spielen, erstrebenswert wäre.
Mir ist mittlerweile meine Diagnose egal, ob ich es nun Depression nenne oder nicht, das ändert nichts an meinem schwankenden Befinden.
Seit letztem Herbst glaube ich für mich persönlich nicht mehr an Heilung.
Aber inzwischen glaube ich wieder an gute Phasen! Das reicht mir völlig als Zukunfsaussicht. Ich habe allerdings auch das große Glück, immer wieder richtig gute, "normale" Lebensabschnitte zu haben, und die überwiegen bisher.
Bei allem was ich hier schon gelesen habe merke ich, das es viel schlimmer sein könnte. Da käme mir der Wunsch nach völliger Gesundheit gar nicht angemessen vor. (Wirklich nur für mich selbst gesprochen!)

Übel finde ich solche Symptome wie Versagensängste, Grübelzwang, Unruhe..., damit werde ich nicht gut fertig und wenn sich das nicht gebessert hätte, ich weiß nicht. Wenn ich da mitten drin stecke, denke ich : so ein Leben will ich nicht!

Ich finde, ich meistere mein Leben ganz gut. Meistens jedenfalls.
Und was heißt das überhaupt? Haus, Job, Kinder?
Ach, ich höre mal auf, komme sonst ins schwafeln!

Liebe Grüße!
Constanze
ANOVA
Beiträge: 1137
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von ANOVA »

Hallo Roadtonowhere,

>Und ich glaube, daß ich mit dem Moment wo ich für den Feind einen Namen habe und mehr über seine Taktik weiß, ihn auch besiegen kann. Nur wird es lange dauern all die vielen Dinge zu lernen die für diesen Sieg nötig sind - und lernen ist besonders dann schwierig wenn man sich schon lange das "falsche" oder "nicht wirksame" antrainiert hat.

Ich würde es für mich anders formulieren, obwohl es in eine ähnliche Richtung geht. Mir fiel es leichter, als ich den Kampf gegen die Erkrankung aufgegeben hatte und meinen Kampfgeist in den Kampf für ein lebbares Leben investiert hatte. Denn dann konnte ich mich mehr darauf konzentrieren, etwas zu verändern. Die Depression habe ich als zu mir gehörig akzeptiert und habe meine Aufmerksamkeit aber auf andere Dinge gerichtet. Dadurch wurde die Depression immer unwichtiger. Allerdings war das ein längerer Prozess.


Hallo Silbermond,

>LEISTUNG BRINGEN UND NICHT SO JÄMMERLICH VERSAGEN.

Ist das wirklich das, was Dein Leben ausmacht? Bewertest Du andere Menschen auch nach diesem Maßstab?

Gruß
Xenia
cybolon
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Registriert: 10. Dez 2007, 19:55
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von cybolon »

Hallo miteinander,

>ich hätte lieber etwas anderes, aber nicht diesen grauenvollen Gegner, der mich offensichtlich vernichten möchte<
Tja, genau das isses doch!!!
Der "Gegner" sind doch wir selbst.
Solange wir die Depression als Genger betrachten, schaffen wir uns einen unbesiegbaren Feind.
Er kämpft nämlich mit unserer eigenen Intelligenz.

Frieden schließen. Ja! Mit der Depression.
Annehmen, verarbeiten, loslassen. (Habe ich hier im Forum gelernt)
Den traurigen Teil von mir akzeptieren lernen.
Ohne zu erschrecken, ohne zu werten.
Sich selbst nicht mehr in gut und schlecht aufteilen.

Ich weiß, gesagt ist das schnell und einfach.
Natürlich sehne auch ich mich danach zurück, mich wieder so zu fühlen, wie davor.
Aber halt! Da ist doch nochwas:
Das Ich von davor, hat mich doch erst hierher gebracht. So SEIN, wie früher? Nein danke.
So FÜHLEN, gerne.

Liebe Grüße
vom
cybolon
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Holgi »

Hallo Sandkuchen und alle

- Ist Heilung möglich ? -

JA !

Depression ist für mich keine Krankheit mehr.
Es ist vielmehr für mich ein Lebenszustand / Gefühlszustand / Betrachtungszustand.

Ich kenne nur zu gut dieses Gefühl im Bett liegen zu bleiben, Beddecke über den Kopf ziehen und vergessen wollen.

Es ist dunkel, es ist warm und ich fühle mich beschützt.

Ich will zurück in die Phase vor meiner Geburt.

Ich habe mir selbst dieses Bild mal vor Augen geführt.
Jedes mal, wenn ich totale Angst oder Panik hatte.
Jedes mal, wenn ich der Meinung war, ich könne das nicht schaffen.
Jedes mal, wenn ein großer persönlicher Einschnitt in meinem Leben stattgefunden hat.

Es war immer das Gleiche.

Rückzug ! Und dann dieses Gefühl des Selbsthasses, weil ich eigentlich wusste, das es falsch war was ich tue.
Es gibt nun mal keinen Weg zurück.

Ich habe mir auch auf meine Fahne geschrieben, das nicht die Länge des Lebens wichtig ist, sondern die Qualität.

Und mit Qualität meine ich nicht, das was ich mir leisten kann, sondern wie ich glücklich leben kann.

Ich kann allein aus dem Zustand, das ich nicht bis 11 Uhr am Sonntag im Bett liege, Glück empfinden.
Weil ich mich bewege.

Kleine Dinge die man tut, können genauso wichtig sein wie Große.

Z.B. Wäsche waschen, saugen, einkaufen, einen Text schreiben ( hier im Forum ), am Arbeitsplatz nur 50 % schaffen ( aber was geschafft !! ) oder einfach nur spazieren gehen.

Egal was ich tue, ich bewege mich und verändere damit etwas und sei es nur, das ich eine Tasse abwasche.

Ich für meinen Teil war zu oft auf dem Weg zurück, aber das Leben fordert eigentlich nicht zuviel von mir.

Es fordert nur, das ich mich von meiner "Nabelschnur" löse und den Zustand außerhalb meines Embriodaseins akzeptiere.
Mit allen Konsequenzen die es gibt.

Nicht leicht, aber machbar.
Nicht angenehm, aber erfüllend.
Nicht gerecht, aber fordernd.

Viele Grüße

Holgi
-----------------
Regenwolke
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Regenwolke »

Hm, ich glaube nicht, das man die Frage nach "Heilung" einer Depression pauschal mit ja oder nein beantworten kann. Dazu sind die an Depression Leidenden viel zu unterschiedlich, und die depressiven Störungen selber auch.

Früher gab es die Unterscheidung zwischen "endogener" und "exogener" Depression. Man nahm an, daß bestimmte Depressionen ohne äußere Ursache sich von innen heraus entwickeln, während andere durch belastende Lebensumstände (reaktive Depression) oder durch kindheitsbedingte psychische Konflikte (neurotische Depression) ausgelöst würden. Diese Unterscheidung ist heute nicht mehr haltbar, weil man festgestellt hat, daß an der Entstehung einer Depression immer mehrere Faktoren beteiligt sind. Trotzdem halte ich die Unterscheidung für gar nicht so dumm, irgendwie ist da auch was dran.

Es gibt ganz "klassische" Depressionen, die in Schüben auftreten und meist durch völlige Antriebslosigkeit, Kraftlosigkeit, Interesselosigkeit und die Unfähigkeit, etwas zu fühlen gekennzeichnet sind. Wenn der Schub vorbei ist (durch Medikamente, Therapie oder ganz von selbst), geht es den Betroffenen oft so, wie vor der Depression, sie sind wieder "ganz der/die Alte" - allerdings können weitere Schübe auftreten (müssen aber nicht).

Mein Eindruck ist, daß hier im Forum eher Menschen schreiben, deren Depression in Richtung Dysthymie geht, das ist eine anhaltende Form der Depression mit nicht so schwer ausgeprägten Symptomen, wobei aber teilweise Phasen schwerer Depression hinzu kommen. Oft beginnen die Symptome schon in der Jugend und dauern dann ein Leben lang mehr oder minder ausgeprägt an. Ich weiß nicht, ob Heilung in dem Sinn, daß keine Symptome mehr da sind, möglich ist, aber man kann lernen, mit den Symptomen umzugehen, in bestimmten Bereichen sein Verhalten zu ändern und ein Leben zu führen, in dem die Erkrankung nicht mehr so im Vordergrund steht - so wie Xenia es oben beschrieben hat.

LG, Wolke
schatzi
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von schatzi »

Was Xenia und Regenwolke sehr trefflich beschreiben, ist die Sichtweise dieser Dinge.

Depressionen sind erlernte Denkweisen, die immer wieder versuchen den gleichen Trampelpfad im Gerhin zu benutzen. Wir haben uns den neurotischen Stil so zu Denken angewöhnt und schaffen es leider nicht von alleine, neue Bahnen oder Wege zu verknüpfen.

Deswegen bin ich der festen Überzeugung, eine geeignete Psychotherapie immer wieder ein Frontalangriff bedeutet, diesen neurotischen oder depressiven Denkstil zu überwinden und ganz abzulegen.
In Bezug auf meine Person kann ich mitteilen, dass mir das Verständnis, wie unser Hirn funktioniert, bei der Auswahl meiner neuen Gedanken sehr behilflich war.

Das Gehirn lernt ständig über neue Erfahrungen sich umzustrukturieren und neue Verknüpfungen zu bilden. Über diese Hirnprozesse ist es möglich diese Krankheit irrationaler Denkweisen einzudämmen.
Ich vergleiche es wie mit dem jonglieren von Gegenständen, Lernen von Instrumenten etc., wenn wir nicht lernen konnten anders mit den sehr belastenden früheren oder derzeitigen Erlebnissen umzugehen, müssen wir das eben später nachholen und ständig einüben. Weil durch Üben erfährt das Gehirn die nötigen Anreize sich zu verändern.

In meinem Erfahrungszusammenhang steht die oftmals als zu oberflächlich kritisierte kognitive Verhaltenstherapie, der ich viele neue Einsichten verdanke. Ich stehe sehr oft an den Toren meines frühen Traumas und erhalte direkte Hinweise diese Orte wieder verlassen zu können. Mir hat das sehr geholfen, warum zu bestimmten Gedanken immer wieder die gleichen Gefühle entstehen und sogar in Alpträumen, aus der 40 Jahre zurückliegenden Kindheit, immer noch Verarbeitungsimpulse auftauchen müssen.

Ich möchte vielen Menschen die krankheitsbedingt glauben, mit ihrem Hirn etwas nicht in Ordnung sei, was ja auch von unserer Gesellschaft so vermittelt wird, Hoffnung machen, weil es so reagiert, wie es reagieren muß.
Die daraus resultierende Depression hat eine Art Schutzfunktion, um uns vor größeren Schäden zu bewahren.

Damals als Kleinkinder, falls schwere Erlebnisse aus dieser Zeit eine Rolle spielen, hatten wir doch meistens gar keine andere Chance der Überwindung als es auszuhalten, um es mehr oder weniger schlecht zu überstehen. Heute aber, als erwachsene Menschen können wir neue Praktiken der Verarbeitung über Psychotherapie erlernen und im tag täglichen Gebrauch anwenden.

In meinem Fall war oder ist es vorrangig, eigentlich alles mit dem Kopf steuern zu wollen, um die alten oder neuen Gefühle nicht spüren zu müssen. Viele depressive Menschen haben daher manchmal die Ausstrahlung eines Steines oder sog. "Eisenofenmenschen"!

Ein Produkt der Therapie war die eigenständige Suche nach weiteren "Trainingsorten" z.B. in Form einer Selbsthilfegruppe, wo ich unausweichlich mit Gefühlen konfrontiert wurde, die ich früher am liebsten negiert hätte, z.B. Scham. Hierüber wurde ich förmlich gezwungen, mich mit neuen Erfahrungen abzugeben, die mein Gehirn anweisen sich anders zu "verdrahten"!

Deswegen nicht mutlos werden und im wahrsten Sinne des Wortes "Kopf hoch"!

bo.
sabsi
Beiträge: 2
Registriert: 12. Jan 2008, 21:01

Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von sabsi »

hallo,

ich bin hier neu zugestoßen und ihr macht einen ja echt grosse hoffnung. mir geht es zz. auf mal wieder sehr sehr mies... ich gebe dennoch nicht auf und glaube an heilung. man muss es nur wirklich wollen
maggy
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von maggy »

Hallo Sandkuchen,

Du fragst:
>Ist Heilung möglich?<

Jaaaaaaaaaaaa, für mich eindeutig JA !!!

Ich habe lange gebraucht um mir bewußt zu machen was denn Heilung für mich eigentlich bedeutet. Vor 28 Jahren dachte ich noch: wenn ich wieder "die Alte" bin, also so, wie vor meiner Depression, dann bin ich geheilt.

Allmählich spürte ich aber, dass dieses "so sein" wie vor der Depression, meine Depression ausgelöst hat.

Als ich mich mir zugewandt habe und mich erstmal kennenlernte und Lust auf MEIN Leben bekam, hatte Heilsein für mich eine ganz andere Bedeutung.

Am Besten kann ich das mit den Worten von Gese Roth wiedergeben, die geschrieben hat:

Heilwerden

Beim Heilwerden geht es darum,
unsere Herzen zu öffnen,
nicht sie zu verschließen.
Es geht darum, die Stellen in uns,
die die Liebe nicht einlassen wollen,
weich zu machen.
Heilung ist ein Prozess.
Beim Heilwerden schaukeln wir hin und her
zwischen dem Schweren der Vergangenheit
und der Fülle der Gegenwart
und bleiben immer öfter in der Gegenwart.
Es ist das Schaukeln,
das die Heilung bewirkt,
nicht das Stehen bleiben
an einer der beiden Stellen.
Der Sinn des Heilwerdens ist nicht,
für immer glücklich zu werden:
das ist unmöglich!
Der Sinn der Heilung ist,
wach zu sein und sein Leben zu leben
und nicht bei lebendigem Leibe zu sterben.
Heilung hängt damit zusammen,
gleichzeitig ganz und zerbrochen zu sein.

Und in diesem Sinne (gleichzeitig ganz und zerbrochen zu sein) fühle ich mich in einem guten Prozess des geheilt werdens und geheilt seins .

Alles Liebe
von
Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
kormoran
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von kormoran »

wollen erstmal können...

sorry, das ist jetzt sarkastisch und böse und unkonstruktiv.

ich muss mir den satz "ich will nicht" verbieten.

"wir müssen uns sisyphos als glücklichen menschen vorstellen"

in dem moment wo er aufsteht und den stein wieder anrollt.

ja, in dem moment wo ich wieder will, wo ich anpacke bin ich wieder ein mensch.
gegen den rest revoltiere ich.

tatsächlich bleibt auch mir nichts anderes übrig als brav weiter daran zu arbeiten. wissend, dass bessere zeiten kommen, länger oder kürzer, dass ich das zum teil sogar selbst gestalten kann.
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schatzi
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von schatzi »

Das Gehirn reagiert nicht auf Verbote, eine Umformulierung in "ich kann, ich werde, ich wünsche es" sind eher geeignet Strukturen zu verändern.

bo.
Holgi
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von Holgi »

Jeder von uns kann gesund werden.

Wir müssen nur zu uns stehen und uns akzeptieren, wie wir sind.

Und lernen, das das Leben uns fordert.

Eigentlich ein ganz normaler Vorgang, den jeder schaffen kann, wenn er bereit ist zu lernen und sich zu verändern.

Ich für meinen Teil möchte nicht mehr in Selbstaufgabe dahin laufen.

Es gibt zuviel Schönes im Leben.

Holgi
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nur den Glauben, sie nicht tragen zu können.
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von kormoran »

ich bin rationalen argumenten wohl erst wieder zugänglich wenn mein system wieder in dem betriebssystem startet, wo "ich wünsche" programmiert ist, wo "ich kann" mit angemessenen verben verknüpft ist, wo frustration, ablehnung durch andere, vertrauensbrüche, etc nicht zum systemabsturz führen ...

die resignation kommt mit sehr wenig aus um sich wieder fett und breit einzunisten. ihre fiese kleine schwester hoffnung springt lästig um sie rum und lässt mir keine ruhe.

es ist spät genug um ins bett zu gehen und würdelos einfach abzuwarten ob ich morgen wieder zugang zu all den konstruktiven lebensbejahenden konzepten kriege die ich doch gerade jetzt brauchen würde.

sorry.
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frettchen
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von frettchen »

hallo maggy,

das was du geschrieben hast, gefällt mir gut, weil es durch das zerbrochen sein auch zweifel und schwächen zuläßt.
ich habe mir das gedicht abgeschrieben und werde es wohl noch häufiger lesen müssen, um es richtig verstehen und danach handeln zu können.

aber was ist, wenn jemand so tief verletzt und zerrissen ist, dass er sagt, dass er sein herz nicht mehr öffnen kann. einfach nicht kann! es geht ihm viel schlechter als mir und ich würde ihm dieses gedicht gerne zeigen, aber ich hätte angst, dass es sein herz nur noch mehr verschließt, weil er es als druck empfinden würde.

er lehnt auch jegliche hilfe von außen ab - schlechte erfahrungen - und hofft auf selbstheilung durch rückzug von der welt.
so schlecht es mir selbst geht, würde ich ihm gerne helfen, weiß aber nicht wie.
schatzi
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von schatzi »

Hallo Holgi,

kurz und knapp, hat jeder schon mal gehört, aber schwierig zu lernen und entsprechend zu verankern.

Es ist nicht eine Frage der Motivation, sondern eher die der richtigen Botschaften zu wiederholen und zu trainieren.

Klingt schwierig und unüberwindbar, ist aber einfach, da unser Gehirn auch einfach reagiert.

bo.
kormoran
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Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von kormoran »

irgendwo anders heut hat jemand geschrieben dass veränderung erst stattfinden kann wenn sich im menschen auch emotional was tut.

die botschaften müssen halt auch wirklich ankommen. mit erfahrungen verknüpft werden im hirn, oder?

dazu braucht es einerseits sicher viel übung und geduld. andererseits wohl auch positive erfahrungen.

ich tu mir so verdammt schwer mich selbst anzunehmen so wie ich bin und überhaupt mal rauszufinden was ich bin und was ich in der welt überhaupt soll, wenn von rundum nix kommt (und ich halt auch schwer etwas annehmen kann, vertrauend dass nichts hinterhältiges damit verbunden ist).

aber wie hier ebenfalls schon oft festgestellt, es geht nur in die richtung. sich selbst finden, annehmen.

ach schxxxx mensch.
ich wünschte gerade weniger denken weniger spüren weniger wünschen weniger fürchten zu müssen und eine dicke haut und einen unbeirrbar starken motor zu haben...
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schatzi
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Re: Ist Heilung möglich?

Beitrag von schatzi »

Hallo Kormoranin,

das verstehe ich vollkommen. Aber Dein Prozess den Du beschreibst, befindet sich extern, es geht darum ihn nach intern zu verlegen.

Du Dich ablehnst, wenn du Dich betrachtest und den Eindruck vermittelst von außen nix kommt, können leider keine neuen Impulse Dich erreichen und zu Dir fließen.

Vergleichbar mit einem durchgeschnittenen Stromkabel, erst die Lüsterklemme gewährsleistet, die Lampe wieder zum Leuchten zu bringen.

bo.
Antworten