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Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 13:39
von imagine
Hallo in die Runde,
ich hatte diesen Beitrag bei Uta reingestellt, aber ich möchte nicht, dass er dort untergeht, weil es ein Thema ist, dass mich zur Zeit sehr beschäftigt und auch belastet!
Es ging um die Grenzen, die nicht respektiert werden, allerdings musste ich feststellen, dass ich die Grenzen der anderen auch nicht respektiere.
Klar, und das meine ich noch nicht mal zynisch, ich meine es immer nur gut, will allen helfen, schieße dabei aber oft über das Ziel hinaus und bin baff und verletzt, wenn sich die Menschen abwenden.
Auf der anderen Seite spüre ich meine Grenzen natürlich auch nicht, aber ich reagiere dann nicht so, merke es mitunter vielleicht erst, wenn es viel zu spät ist.
Ich fühle mich im Moment auch sehr unsicher und verzagt und habe das Gefühl auf der Stelle zu treten

traurige Grüße

Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 13:48
von Keken
liebe imagine,

finde ich gut, dass du der essenz einen neuen thread gewidmet hast.

grenzen... sie zu kennen ist ein prozess. sie verschieben sich. darum ein kontinuierlicher lernprozess. geht mir auch häufig so, dass ich sie - nicht sehe... zu eng stecke... forsch übergehe.... - aber die anderen müssen einen auch darauf aufmerksam machen. in jeder situation gibt es andere.... selbst beim gleichen menschen variieren sie. darum: oftmals einfach probieren. und negative reaktionen nicht immer als existenzielle selbstkritik deuten.

ich finde es ok, wenn es aus dem helferinstinkt heraus geschieht. schlimmer finde ich, wie ich es bei mir oft empfinde, dass ich mit der tür ins haus falle, menschen durch meine spontane, lebhafte art überfalle und damit grenzen übergehe...

vieles von dem ist ohnehin subjektiv.... wir können nicht immer alles richtig machen. und - es stirbt ja keiner dabei.

ui, dieser beitrag ist herrlich unsortiert. tut mir leid, liebe imagine. zieh das für dich brauchbare raus, okay?

liebe grüße, nicht traurig sein...

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 14:17
von ANOVA
Hallo Imagine,

möchte meine Schreibtischpause nutzen, um Dir kurz zu antworten. Dieses Thema (eigene vs. fremde Grenzen beachten und respektieren) war lange auch ein wichtiges Thema für mich.

Die Quintessenz war und ist für mich, dass das eine nicht ohne das andere funktionieren kann. Denn in beiden Fällen, also wenn Du weder Deine eigenen Grenzen, noch die der anderen definierst, wahrnimmst, einhältst und respektierst, hast Du den Fokus nicht auf Dir. Wenn Du Deine Aufmerksamkeit auf Dich richtest (was mitunter ziemlich schwer ist), wirst Du zunächst einmal ein Gespür für Deine eigenen Grenzen bekommen. Und dieses Gespür ermöglicht es dann, die Grenzen der anderen besser wahrzunehmen und zu respektieren. Erst dann, wenn Du Dir wichtig bist, musst Du den anderen auch nicht mehr helfen, Dich für sie aufgeben, sondern kannst sie, wie auch Dich selbst, als "endliche" Person wahrnehmen, eine Person mit Grenzen.

Vermutlich ist das jetzt ein bisschen wirr, aber anders kann ich es gerade nicht formulieren...

Liebe Grüße

Xenia

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 14:38
von rm
>ich meine es immer nur gut, will allen helfen, schieße dabei aber oft über das Ziel hinaus<

Ja, da sehe ich mich auch wieder und frage mich bei MIR manchmal: wie spüre ich, wo die Grenzen ANDERER sind und: wo eigentlich meine eigenen sind.

Wie Keken schon sagte, sind diese Grenzen wohl wechselnd, aber dadurch wird' s ja gerade schwierig, diese zu erkennen.

Ich würd ja gerne oder auch manchmal ungerne die Grenzen respektieren, wenn mir nur einer mal KLAR sagen würde, wo diese sind, muß allerdings eingestehen, daß ICH diese Klarheit auch oft vermissen lasse, weil ich sie eben selbst nicht genau definieren kann.

In der Vergangenheit war ich nur zugern bereit, mein Innerstes nach Außen zu kehren und fiel damit ziemlich oft auf die Nase. Vertrauen wandelte sich in Mißtrauen.
Jetzt ist es oft so, daß ich unbewußt von anderen Vertrauen einfordere, enttäuscht bin, wenn sie es mir verweigern, bin aber im Gegenzug oft nicht mehr bereit - bis auf ganz wenige - 'grenzenlos' zu vertrauen..

Ihr Lieben, jetzt bin ich aber gedanklich schon wieder auf 'Abwegen', deshalb geh' ich besser etwas an die Luft.

Lieben Gruß und stimmt: Nicht traurig sein!
Reinhart

P.S. >(....)wirst Du zunächst einmal ein Gespür für Deine eigenen Grenzen bekommen.<

Habe eben erst den Beitrag von Xenia gelesen. Der obige Satz hilft mir weiter bzw. erinnert mich, was ich immer wieder üben will und doch immer wieder vergesse: die eigenen Grenzen spüren lernen, was will ich zulassen, was nicht...

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 14:40
von ANOVA
Oder in Kurzformen:

Behandle Deine Umgebung stets so, wie Du selbst von Deiner Umgebung behandelt werden möchtest (frei nach Kant).

Oder: liebe (= achte, nehme wahr, respektiere) Deinen Nächsten wie Dich selbst (frei nach Bibel ).

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 16:51
von imagine
Hallo ihr Lieben,
ja, ich denke, dass das die einzige Möglichkeit ist, Grenzen zu erkennen, nämlich sich um die eigenen zu kümmern.
Aber, wie bei vielen "einfachen" Dingen auch so unendlich schwierig!!
Auch hier war ich schon um so vieles weiter und das ist es auch, was mich so traurig macht, ich laufe so in Krebsform.
Wenn man nie auf die eigenen Grenzen geachtet hat, wie soll man die der anderen erkennen, das geht gar nicht und Keken, es stimmt nicht, auch die beste Absicht ist ja letztlich, wenn man es genauer betrachtet, nicht ohne Hintergedanken...
Auch, wenn sie mir nicht immer bewusst sind, da sind sie doch.
Etwas habe ich noch ausgelassen, aber auch das ist für mich ein wichtiger Prozess: zu erlauben, dass ICH NICHT die Kontrolle behalten kann
Es lebt sich so leicht nach dem Motto "Alles oder Nichts" und kaum etwas führt so sehr in die Irre und auch in die Einsamkeit.
Zu akzeptieren, dass es eben keine Kontrolle geben kann, hat sehr viel mit den eigenen Grenzen und auch mit denen der anderen Menschen zu tun.
Im übrigen fand ich keinen eurer Beiträge wirr, oder unverständlich - ganz im Gegenteil -

Alles Liebe

imagine

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 17:50
von Sunshine77
Hallo zusammen,

Grenzen sind ja ein weitläufiges Thema. Gabs denn einen bestimmten Anlaß oder ein Beispiel wo du denn das Gefühl hast die Grenzen eines Anderen nicht respektiert zu haben?

Meine Erfahrung ist, daß die meisten Menschen erst dann etwas zu ihren eigenen Grenzen sagen, wenn diese längst überschritten wurden. Ich kenn das von mir, deute oft an wenn mir etwas mißfällt und erwarte dann von meinem GEgenüber daß er meinen Hinweis versteht oder meine Signale die ich sende. Da fällt mir spontan die Geschichte mit einer ehemaligen Freundin ein. Sie war sehr einsam und kam gern und regelmäßig zu mir nach hause nach der Arbeit. War schön und gut, aber die Besuche häuften sich und sie blieb immer länger. Wenn ich dann müde war oder lieber alleine sein wollte, machte ich Andeutungen wie müde ich doch sei, oder oh, wie spät es doch schon ist. Denkst du sie ging? Nein! Sie war einfach nicht die Sorte Mensch die Signale verstehen konnten oder wollten bis ich sie eines Abends wirklich zu der Tür begleiten mußte. Meine Grenze war längst überschritten und erst dann waagte ich ihr klar zu sagen, daß ich sie gerne zu Besuch habe aber nicht jeden Abend und auch nicht bis zur Schlafenszeit. Mit meinen klaren Worten konnte sie dann was anfangen und sich auch danach richten, aber wie gesagt erfolgten diese deutlichen Worte/Abgrenzung meinerseits erst als meine persönliche Schmerzschwelle schon längst überschritten wurde.

LG,
Tini

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 19:33
von Keken
Liebe Imagine,

Stichwort Hintergedanken: die hat der Mensch als "egoistisches" Wesen immer. Selbst bei altruistischen Handlungen. Hat mich schon als 18-jährige schockiert. Auf der anderen Seite: Da alles ja nicht "selbstlos" gschieht, finde ich das Helfersyndrom unter all den 'Macken' noch die angenehmste und sozial verträglichste. Wer aufgrund dessen andere zurückweist, dem ist eben die Nähe nicht geheuer - oder der möchte einfach selbständig sein und werden. Das zu akzeptieren ist wiederum für den Helfer ein Prozess. Andererseits - "scaffolding" nach Vygotski ist wiederum ein produktiver Prozess, bei dem die Selbständigkeit des Individuums, also dessen Grenzen, bestehen bleiben und der Helfer (Erzieher, Freund o.ä.) nur dann eingreift, wenn der Lernende es nicht selber zu tun vermag. Er hilft ihm somit, über seine eigenen Grenzen hinaus zu wachsen.

So, ich hoffe, ich rede noch von der gleichen Sache wie Du, Imagine.

Mach Dir einen schönen Abend. Hier grillen sie am Fluss. Schön! (<- ich hoffe, die ein oder andere atmosphärische Schilderung ist ok)

Grüßle
Keken

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 20:13
von Regenwolke
Hallo Imagine und ihr anderen,

>Da alles ja nicht "selbstlos" gschieht, finde ich das Helfersyndrom unter all den 'Macken' noch die angenehmste und sozial verträglichste.

Keken, das sehe ich anders. Es ist doch viel einfacher, sich gegenüber jemandem abzugrenzen, der offensichtlich auf den eigenen Grenzen rumtrampelt, als gegenüber jemandem, der es ja eigentlich gut mit einem meint. Ich empfinde Helfer, die mir ihre Hilfe ungefragt aufdrängen, als ganz besonders unangenehm, weil ich die Grenzüberschreitung kaum wahrnehme, statt dessen das Gefühl habe, ich müßte dankbar sein. Mein Ärger kommt mir dann ungerechtfertigt vor und macht mir Schuldgefühle, ich fühle mich gedrängt, Dinge zu tun, die ich gar nicht will, nur weil ich den "guten" Helfer nicht enttäuschen möchte.

Ich glaube, das Bedürfnis zu helfen, hat sehr viel mit eigener Bedürftigkeit zu tun oder eben auch damit, die Kontrolle behalten zu wollen bzw. in einer starken, kompetenten Position zu sein.

Und ich gebe Xenia recht, indem man lernt, achtsam mit sich selbst umzugehen und die eigenen Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen, lernt man vielleicht auch, andere etwas mehr zu "lassen". Naja, ein langer Weg, mit dem ich auch gerade erst anfange...

Liebe Grüße,
Regenwolke

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 12. Aug 2007, 21:39
von ANOVA
Hallo Ihr,

nach dem heutigen Marathon-Lerntag will ich doch noch etwas zu dem Thema schreiben. Ich denke, dass das Thema „Grenzen“ ein ziemlich zentrales auf dem Weg zu einem lebenswerten oder gar schönen Leben ist.

>Wenn man nie auf die eigenen Grenzen geachtet hat, wie soll man die der anderen erkennen, das geht gar nicht (...) es stimmt nicht, auch die beste Absicht ist ja letztlich, wenn man es genauer betrachtet, nicht ohne Hintergedanken...

Das sehe ich ganz genauso, liebe Imagine. Es ist doch klar, dass man das nicht kann, wenn man es nicht gelernt hat bzw. wenn man nur gelernt hat, dass andere mit einem machen, was sie wollen. Weil man das dann als normal ansieht, wird man im Erwachsenenalter auch dazu neigen, die Wünsche und Grenzen des Gegenübers nicht wahrzunehmen. Und so kommt es auch, dass man immer und überall seine „Hilfe“ (die ja oftmals gar keine ist) anderen schon fast aufdrängt. Leider ist es dann aber auch oft so, dass man enttäuscht oder beleidigt ist, wenn das Gegenüber die gutgemeinte (!!) Hilfe nicht annimmt oder nicht annehmen will. Ich hatte des öfteren im Angehörigenforum das Gefühl, dass häufig genau dies der Fall ist. Die Hintergedanken müssen dabei gar keine bösen sein, oftmals ist es ja wirklich so, dass man genau weiß, was dem anderen helfen würde. Aber wie Regenwolke ja auch schreibt:

>“Ich glaube, das Bedürfnis zu helfen, hat sehr viel mit eigener Bedürftigkeit zu tun oder eben auch damit, die Kontrolle behalten zu wollen bzw. in einer starken, kompetenten Position zu sein.“

Genau so habe ich es im nachhinein auch empfunden. In meiner Beziehung (naja, so kann man das eigentlich nicht nennen...) zu meinem Ex-Mann war ich eine Märtyrerin, habe alles geregelt für ihn. In der Therapie bin ich dann darauf gekommen, dass Märtyrer im Grunde aus ziemlich narzisstischen oder eigennützigen Motiven heraus handeln. Bei mir war es so, dass ich mich unentbehrlich machen wollte. Ich wollte wichtig sein, wertvoll für jemanden. Da ich mich selbst nicht für einen wertvollen oder gar liebenswerten Menschen hielt, wollte ich wenigstens eine Art Abhängigkeit herstellen. Um nicht verlassen zu werden. Und es kam trotzdem zur Trennung irgendwann (glücklicherweise, wie ich im nachhinein feststellen durfte).

Diese Erkenntnis war eine der schmerzhaftesten in meinen tausend Therapiejahren. Aber auch eine sehr heilsame, weil sie mir geholfen hat, meine Grenzen kennen zu lernen. Und es ist richtig, Regenwolke, es wird dadurch möglich, dem anderen seine Freiheit zu lassen. Er kann selbst entscheiden, was er möchte und er darf sich auch gegen meine Hilfe entscheiden. Vor allem darf er sich auch dafür entscheiden, sich mir gegenüber rücksichtslos zu verhalten. Er (oder sie) ist nämlich ein „endlicher“ Mensch, der irgendwo anfängt, aber auch irgendwo aufhört. Und ich bin diejenige, die dann entscheidet, ob meine Grenze überschritten ist oder nicht.

Es kommt vielleicht auch darauf an, eine bestimmte Art von innerer Gelassenheit zu entwickeln, um sich von der vermeintlichen Bringschuld in Form von Hilfe zu befreien. Beziehungen jeglicher Art sind eben absolut keine Verträge, bei dem es um Leistung und Gegenleistung geht. Entweder ich werde gemocht oder eben nicht. Wobei das letztere natürlich schmerzhaft ist. Aber das darf es ja auch sein, finde ich. Eine innere Gelassenheit wird aber dazu führen, dass der Schmerz nicht mehr so überflutend ist.

Naja, spannendes Thema.

Grüße

Xenia

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 13. Aug 2007, 16:53
von imagine
Liebe Xenia, und all ihr anderen Lieben,
es muss wohl immer erst einen Anlass geben, damit Mensch merkt, dass er die Grenzen des anderen überschritten hat.
In meinem Fall war es so, dass ich im Ansehen einer Bekannten von einem hohen Podest gestürzt bin...
Das wäre an sich nicht weiter schlimm, denn ich mag diese Bekannte nicht so besonders und wenn ich durch ein "Fehlverhalten", dass ich zweifellos habe, aus ihrer Nähe vebannt werde, dann sollte ich das nicht weiter tragisch nehmen.
Und da ist er, der wunde Punkt!!
ICH sollte es nicht tragisch nehmen, ich habe ja noch nicht einmal wirklich jemanden verloren, um den ich seht trauere, aber es ist dieses Gefühl, des Versagens, des Ablehnens, dass ich nicht aushalten kann.
Mein Mann, der wieder andere Macken hat, zuckt mit den Schultern und das war es dann...
Ich aber grübele und grübele.
Nicht mal so sehr über meinen Fehler, der ja auch immer zwei Seiten hat, manchmal hat sich dieser Fehler auch als durchaus positiv herausgesstellt...
ICH kann eben nicht mit den Schultern zucken und das ist, so denke ich, ein depressives Denkverhalten!!!
Mein Verstand kann auch durchaus sagen "blöde Kuh", aber mein Gefühl ist tief verletzt, nicht zuletzt über die Tatsache, dass ich nicht mit ihr darüber reden kann, weil sie das ablehnt.
Das ist auch noch so ein Punkt, mit dem ich nicht leben kann, wenn jemand einfach nicht mehr reden will, meine Signatur ist ja auch nicht zufällig entstanden...
Aber, ich übe, mehr kann ich auch nicht tun, es ist auch nur zum Teil Resignation bei diesem Satz!!
Mitunter habe ich das Gefühl, dass sich im Moment die Spreu vom Weizen trennt, das tut natürlich weh, aber wenn dabei herauskäme, dass ich nur mehr Menschen Freunde nenne, die mich so mögen, wie ich nun mal bin, dann wäre ein großes Ziel erreicht.
Leider habe ich auch schon erfahren, dass man im ersten Überschwang, die Diplomatie außer Acht lässt und das geht eben auch nicht...
Die Axt im Wald lieben auch nur wenige.
Ja, es ist spannend und schwierig und manchmal nicht auszuhalten....
Aber und das ist das Positive, mit jedem Mal werden wir ein klein wenig klüger, wenn wir es denn zulassen
Und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, etwas zuzulassen, Fehler zuzugeben, zu lernen mit ihnen zu leben und sich trotzdem als wertvoll zu erachten.
Das ist eine verdammt schwere Aufgabe...

Alles Liebe euch, habt Dank für eure Gedanken, vielleicht fällt euch ja noch was dazu ein

eure imagine

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 13. Aug 2007, 18:53
von moonlight
Ich habe viele Jahre andere meine Grenzen übertreten lassen. Habe schweigend gelitten.
Irgendwann war es dann unerträglich und ich wurde krank.
Dann habe ich irgendwann mal angefangen leise auf meine Grenzen hinzuweisen. Ist nicht bei allen auf Verständnis gestoßen, um es mal milde auszudrücken.
Die gleichen Menschen, die laut ihre Grenzen einfordern, schütteln den Kopf über mich, wenn ich mal auf meine hinweise.

Oft bin ich auch unsicher.
Grenzen ziehen bedeutet für mich auch, mal sagen zu dürfen, wenn ich Ruhe brauche, mal nicht zuhören, nicht reden, auch keine Besuch haben möchte.
Aber ist das wirklich okay? Schließlich lebe ich nicht alleine. Wenn ich Ruhe haben möchte, ist meine Familie auch davon betroffen und die haben das gar nicht so gern.

Wie weit also darf ich mit meinen Grenzen gehen?
Mir geht es jetzt seit Monaten schlecht. Hin und wieder rappel ich mich auf. Und für Mann und Kind muss ich ohnehin täglich voll da sein.
Wie lange darf ich diese Grenze - also die Bitte um Ruhe - einfordern ohne dass ich andere damit beschneide.

Heute habe ich eine Entscheidung getroffen, bei einer wöchentlichen Aktion die nächste Zeit nicht mitzumachen.
Ich spüre das Unverständnis der anderen. Genau die Menschen, die mir sagen, ich solle mir mal etwas Gutes tun, mich nicht so unter Druck setzen. Das tut mir weh.
Ist es nun richtig, dass ich mich dort einige Zeit zurückziehe oder egoistisch?

Irgendwie hat alles mit Grenzen zu tun. Und irgendwie weiß ich nicht, was ich mir wert sein darf und wo Egoismus anfängt.

Liebe Grüße
Moonlight

PS: Bitte, entschuldigt, wenn mein Beitrag am Thema vorbeigeht oder wirr klingt. In mir herrscht zur Zeit ein ziemliches Gedankenchaos.

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 13. Aug 2007, 21:32
von rm
Das geht mir nicht mehr aus dem Kopf, was Regenwolke schrieb und macht mich zunehmend unsicher:

>Es ist doch viel einfacher, sich gegenüber jemandem abzugrenzen, der offensichtlich auf den eigenen Grenzen rumtrampelt, als gegenüber jemandem, der es ja eigentlich gut mit einem meint. Ich empfinde Helfer, die mir ihre Hilfe ungefragt aufdrängen, als ganz besonders unangenehm, weil ich die Grenzüberschreitung kaum wahrnehme, statt dessen das Gefühl habe, ich müßte dankbar sein. Mein Ärger kommt mir dann ungerechtfertigt vor und macht mir Schuldgefühle, ich fühle mich gedrängt, Dinge zu tun, die ich gar nicht will, nur weil ich den "guten" Helfer nicht enttäuschen möchte.<

Genau DAS kommt mir manchmal (leider oft erst im Nachhinein) als Gedanke: sagen mir die anderen, wenn sie mich als unangenehm empfinden? Störe ich? Bin ich überhaupt willkommen oder nur geduldet mit meinen 'Ansichten' /'Hilfen'???

Nicht nur fühlen/mehr nachdenken/ nicht mehr spontan zur Seite stehen/ Vorsichtig sein/ eher ruhig sein ?

Bei mir geht in dieser Hinsicht im Moment alles so ziemlich wirr durcheinander.. naja, vielleicht sieht morgen Vieles wieder anders aus - wenn ich hoffentlich mal wieder genug geschlafen habe.

Euch allen eine gute Nacht,
Reinhart

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 13. Aug 2007, 23:39
von Regenwolke
Lieber Reinhart,

ich will versuchen, mein Posting nochmal etwas klarer zu formulieren.

Mit "Hilfe ungefragt aufdrängen" meinte ich nicht generell Menschen, die ihre Hilfe oder ihren Rat anbieten. Die Betonung liegt vielmehr auf "aufdrängen". Das heißt, wenn mir jemand Hilfe anbietet, und es ist ok, wenn ich sie ablehne oder für mich einen anderen Weg wähle, finde ich das völlig in Ordnung.
Worauf ich allergisch reagiere, ist, wenn mit dem Ratschlag die (unbewußte) Forderung verbunden ist, ich möge entsprechend handeln und dem Helfer dankbar sein. Sowas zeigt sich oft auch darin, daß der Helfer sich zurückgewiesen fühlt oder wütend reagiert, wenn die Hilfe abgelehnt wird.

Allerdings bin ich wahrscheinlich kein guter Maßstab dafür, wie sowas allgemein empfunden wird, da ich an diesem Punkt - sicherlich auch aus meiner Lebensgeschichte heraus - besonders empfindlich bin. Ich empfinde es tatsächlich oft so, daß Menschen, die einen starken Helferwunsch haben, mir zu nahe treten und ich dann nicht mehr weiß, wie ich mich dagegen wehren kann - ich möchte ja niemanden enttäuschen oder vor den Kopf stoßen.

>Nicht nur fühlen/mehr nachdenken/ nicht mehr spontan zur Seite stehen/ Vorsichtig sein/ eher ruhig sein ?

Nein, das denke ich nicht. Vielleicht nur darauf achten, daß Angebote wirklich Angebote sind, und der "Bedürftige" auch die Möglichkeit hat, sich dagegen zu entscheiden.

Gute Nacht,
Regenwolke

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 00:06
von imagine
Hallo Wolke, lieber Reinhart,
mein Thera sagte mal zu mir "wer ist schon gerne dankbar?
Dieser Satz hat mich auch total erschreckt und ich wußte erst nicht, was er meinte und wie er das meinte.
Heute weiß ich es zwar, aber die eingefahrenenen Helferrituale sind so stark, dass ich mir sie ganz oft bewußt machen muss.
Reinhart, falls du das Buch "die hilflosen Helfer" von Wolfgang Schmidbauer noch nicht kennst, es ist eine sehr eindringliche Lektüre, die dir, wie mir, auch unter die Haut gehen wird.
Agatha Christie, deren Fan ich bin, äußerte einmal in einem ihrer Krimis, dass kein Satz so grausam sei, wie "ich habe es doch nur gut gemeint"
Auch den beginne ich erst langsam zu verstehen.
Es ist so unglaublich wichtig zu erkennen, dass man zwar helfen will, aber eher auf die Hilfe zur Selbsthilfe setzen sollte.
Die meisten Menschen reagieren auf die Dauer nicht positiv, wenn wir ihnen unsere Hilfe aufdrängen.
Und das Schlimme dabei ist ja, dass wir sehr oft recht haben, mit unserem Rat und das Gute wollen, es aber nicht gut für den anderen ist.
Am leichtesten ist es vielleicht mit einer Therapie zu erklären, sie kann nur gelingen, wenn der, der die Hilfe will und braucht, sich selbst darum bemüht.
Ich verstehe deine Unsicherheit so gut Reinhart, geschieht dieses Helfenwollen doch aus einem inneren Zwang heraus, gemocht, gebraucht und geliebt zu werden.
Wir wurden nicht um unserer selbst willen geliebt, als Kinder, sondern nur, wenn wir funktionierten....



Liebe Moonlight,
ich verstehe deine Schwierigkeit, ich finde es gut, wenn du erst mal klein anfangen kannst und willst (allerdings gilt es dann auch die Reaktionen darauf auszuhalten)
Es bringt nichts, es zu machen wie ich, das Kind mit dem Bade auszuschütten, um dann zurückrudern zu müssen

Alles Liebe und eine gute Nacht
von imagine

@Reinhart, fühl dich verstanden und gedrückt, ja?

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 10:06
von moonlight
Guten Morgen zusammen.

Lieber Reinhart, wie geht es dir heute? Hast du gut schlafen können?

Hab darüber nachgedacht, wann bzw. gegen wen ich mich leichter abgrenzen kann.
Fällt mir im Allgemeinen sehr schwer.

Bei mir ist es auch so, wenn es jemand gut meint, ich diese Person auch mag, dann schaffe ich es kaum, mich abzugrenzen.
Oft dauert es auch eine ganze Weile bis es mir überhaupt ganz bewusst wird, dass da wieder Grenzen überschritten wurden.

Im ersten Moment wollte ich sagen, dass ich mich leichter gegen Menschen abgrenzen kann, die wütend auf mich zustürmen oder Launen bei mir auslassen wollen. Aber das stimmt gar nicht.
Auch hier ist es wieder so, wenn ich diese Menschen mag, dann kann ich mich kaum abgrenzen. Dann frage ich mich, was ich falsch gemacht habe, komme mir wieder so nutzlos und winzig klein vor.

Manchmal frage ich mich auch, ob das mein Leben ist was ich lebe, meine Meinungen und Überzeugungen sind oder ob ich mein Leben so lebe, wie andere es haben wollen.
Vielleicht ist das auch mit ein Grund für meine Depressionen, dass ich nicht wirklich zu mir selbst stehe und auch meine Grenzen nicht klar zeige.

Und wieder ist da die Frage, wie weit ich mit meinen Grenzen gehen darf, ab wann ich andere zu sehr einschränke oder gar ihre Grenzen überschreite.

Ebenso wie du, Reinhart, frage ich mich auch oft, ob ich anderer Grenzen überschreite, sie verletze, es sich nur niemand traut mir zu sagen, ich vielleicht nur (mühsam) geduldet bin usw.
Bin immer auch irgendwie auf Abstand. Auch da weiß ich nicht, ob es richtig ist oder auch für andere verletzend.

Ich weiß, dass das alles aus meiner Kindheit kommt.
Meine Eltern haben mir gesagt und auch eingeschlagen, dass ich eine Last, dumm und nutzlos bin, besser meinen Mund halten soll, weil da eh nichts Gescheites heraus kommt. Ich sollte dankbar sein, dass sie mich überhaupt "behalten" haben.
All das zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben.

Fällt mir übrigens auch nicht leicht hier zu schreiben. Ich lese, nehme Anteil, schreibe, aber immer ist auch Angst dabei, lästig zu sein, dumm daher zu reden.

Ich fürchte, ist am Thema vorbei, aber ich lasse es jetzt mal so stehen.

Liebe Grüße
Moonlight

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 10:10
von moonlight
Liebe Imagine,
ich möchte klein anfangen, aber immer gelingt mir das auch nicht.

Es gab auch Situationen, da habe ich über Jahre angesammelt und dann ist alles aus mir herausgeplatzt.

Und in vielem bin ich mir auch unsicher, was ich darf und was nicht, was richtig ist und was nicht.

Inwiefern meinst du, dass du das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hast?
Kannst bzw. magst du konkrete Beispiele nennen?

Liebe Grüße
Moonlight

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 14:47
von chrigu
Hallo zusammen, liebe imagine,

mir ist durch eure Diskussion in den letzten Postings klar geworden, dass ich fast gar nicht in der Lage bin, Hilfe anzunehmen.

Für mich beinhaltet ein Hilfsangebot immer implizit auch eine Kritik, nach dem Motto: Der Helfer traut mir nicht zu, dass ich es alleine schaffe, deshalb bietet er Hilfe an.
Ich aber möchte so gerne stark und perfekt wirken, dass ich die Hilfe natürlich nicht möchte, weil sie für mich Schwäche zeigen bedeutet. Verrückt.
Außerdem habe ich auch manchmal den unterbewussten Gedanken, dass ich Hilfe nicht verdiene. Wenn ich mich in eine Situation selbst hineinmanövriert habe, in der ich Hilfe brauche, dann muss ich auch selbst herauskommen.

Dementsprechend schwer fällt es mir natürlich auch, um Hilfe zu bitten, wenn ich sie mal wirklich brauche. Das wirkt sich auch auf Therapie und Therapeutin aus.

Viele Grüße
Chrigu

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 22:16
von imagine
Liebe Moonlight,
ich meinte damit, als ich während meiner Therapie entdecken musste, wie sehr ich meine eigenen Grenzen nicht wahrnehme, da habe ich es total in der anderen Richtung übertrieben.
Ich habe mich den Menschen zugemutet, viele vor den Kopf gestossen und einfach überfordert.
Mein Thera sagte, das sei normal, stimmt ja wahrscheinlich auch.
Heute bemühe ich mich um Diplomatie, aber es fällt mir schwer...

Ich verstehe auch dich, liebe Chigru, ich sträubte mich auch gegen jede Kritik, alles habe ich als Einmischung empfunden...

Im Moment bin ich wieder auf einem ähnlichen Trip, ich merke die Depression an vielen Dingen, hoffe aber immer noch, dass sie durch eine schwere Bronchitis ausgelöst wurde und sich wieder verzieht.
Ich bin so saft- und kraftlos, habe auch regelrechte Angst vor Aktivitäten, aber das kennt ihr ja alle, aber ich hoffe halt immer noch, dass ich noch nicht ganz gesund bin...

Herzliche, ein wenig traurige Grüße

imagine

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 14. Aug 2007, 22:46
von rm
All denen, die mir auf mein gestriges Posting geantwortet haben, ganz herzlichen Dank.

Kann im Moment nicht einzeln darauf eingehen,bitte versteht es... die Mühle in meinem Kopf dreht sich eher rückwärts, statt vorwärts. Werd mich aber wieder fangen. Muß wahrscheinlich nur mal wieder anständig schlafen (gestern ging's ansatzweise mit Schlaftabletten).

Liebe Grüße und gute Nacht.
Danke fürs Verstanden sein.
Reinhart

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 15. Aug 2007, 09:04
von imagine
Lieber Reinhart

das ist schlimm und dann nicht schlafen zu können ist mies.
Hoffentlich ging es heute besser??
Alles Liebe und denk dran( auch wenn es schlau klingt )
Letzlich müssen wir immer nur diesen einen Tag überleben und dass so gut es uns möglich ist
Frei nach Scarlett: verschieben wir es auf morgen...

ganz liebe Grüße
imagine

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 15. Aug 2007, 10:55
von ANOVA
Hallo Imagine,

>Mein Verstand kann auch durchaus sagen "blöde Kuh", aber mein Gefühl ist tief verletzt, nicht zuletzt über die Tatsache, dass ich nicht mit ihr darüber reden kann, weil sie das ablehnt.
Das ist auch noch so ein Punkt, mit dem ich nicht leben kann, wenn jemand einfach nicht mehr reden will, meine Signatur ist ja auch nicht zufällig entstanden...

Das ist natürlich verständlich, denn ich denke, es gibt kaum jemanden, dem es wirklich nichts ausmacht, abgelehnt bzw. nicht gemocht zu werden. Natürlich schmerzt es mich auch, wenn ich Ablehnung erfahre. Auch wenn ich mitbekomme oder mir zugetragen wird, dass mich jemand nicht leiden kann, den ich selbst absolut nicht ausstehen kann, versetzt es mir einen Stich. Inzwischen habe ich aber gelernt, mich abzugrenzen. Denn ich weiß inzwischen, dass ich einfach ich bin, mit meinen persönlichen Stärken und Schwächen und mit meinem doch nicht gerade so pflegeleichten Wesen . Ich mache meinen Wert nicht mehr so davon abhängig, wie viel Punkte ich auf einer allgemeinen Beliebtheitsskala habe. Am Anfang des Studiums war das noch nicht so leicht für mich, da wollte ich von jedem gemocht werden oder wenigstens von jedem akzeptiert werden. Ich wollte auf jeden Fall Teil der Gruppe sein (in meinem Jahrgang sind wir insgesamt 72 Studierende, so dass man eigentlich nicht so in der Menge untergehen kann...). Aber ich habe eben irgendwann feststellen können, dass es zum einen gar nicht machbar ist, von jedem gemocht zu werden und zum anderen auch gar nicht wirklich wünschenswert ist. Denn man verbiegt sich sonst zu sehr, verliert einen Teil seiner Individualität. Und das müssen wir uns vermutlich immer mal wieder klarmachen.

Aber um auf Deinen Absatz zurückzukommen: Diese Person hat nun einmal die Freiheit zu entscheiden, ob sie mit Dir sprechen möchte oder nicht. Sie wird dafür ihre Gründe haben, vielleicht sind es sogar triftige Gründe. Du kannst gar nichts anderes machen, als ihre Entscheidung zu akzeptieren. Denn selbst wenn Du sie dazu bringen würdest, über die Sache zu diskutieren, wäre das Ergebnis dieser Diskussion stark geprägt von dem „Zwang“, mit Dir reden zu müssen.

>Aber, ich übe, mehr kann ich auch nicht tun, es ist auch nur zum Teil Resignation bei diesem Satz!!

Nun, ich denke, dass Du damit langfristig ans Ziel kommen wirst. Ist natürlich Ansichtssache, aber ich glaube, dass eine nachhaltige Verhaltens- oder Einstellungsänderung nur durch Übung entstehen kann. Ich glaube nicht, dass man eines Morgens mit der glücklichmachenden Erkenntnis aufwacht und fortan alles ganz anders macht. (Wäre ja auch langweilig ). Ich vergleiche die eingefahrenen Verhaltens- und Denkmuster gerne mit Straßen: sie sind breit und geteert wie eine Autobahn, keine Kurven und keine Berge. Also ist es für einen Gedanken ja extrem einfach, auf diese Autobahn abzubiegen. Ein neuer Gedanke oder ein noch zu erlernendes Verhalten sehe ich demgegenüber als kleinen, unwegsamen Pfad durch bergiges Gelände: man muss aufpassen, sich konzentrieren usw. Insgesamt braucht man mehr Aufmerksamkeit. Und da unsere Aufmerksamkeit halt begrenzt ist, „will“ unser Gehirn wenn möglich den einfachen Weg gehen. Erst wenn der neue Gedanke den unwegsamen Pfad viele Male gegangen ist, wird dieser Pfad langsam zum Weg und irgendwann vielleicht auch zu einer Autobahn, so dass das jetzt noch neue Verhalten irgendwann automatisiert ablaufen kann.

>Und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, etwas zuzulassen, Fehler zuzugeben, zu lernen mit ihnen zu leben und sich trotzdem als wertvoll zu erachten.

Tja, da hast Du so was von recht... . Fehler zugeben ist für jeden Menschen schwer und ich habe wirkliche Hochachtung vor jedem, der dazu in der Lage ist. Aber ist es nicht so, dass gerade die Dinge wertvoll sind, die nicht perfekt oder total symmetrisch sind? Ich glaube, wir streben in unserer Gesellschaft viel zu sehr nach Perfektion.

Ich habe vor langer Zeit (hatte eine heiße Diskussion über die Wichtigkeit von Schönheit bei Frauen) mal dieses Zitat von Charles Baudelaire gefunden: "Was nicht leicht entstellt ist, entgeht der Wahrnehmung; woraus folgt, dass die Unregelmäßigkeit, das heißt das Unerwartete, die Überraschung, das Erstaunen ein wesentlicher und charakteristischer Teil der Schönheit ist." Daran versuche ich mich zu halten.

Liebe Grüße

Xenia

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 15. Aug 2007, 18:24
von imagine
Liebe Xenia,
vielen Dank für deinen ausführlichen und hilfreichen Beitrag.
Wenn ich darf, gehe ich später darauf ein, im Moment fehlt mir ein wenig die Kraft

Liebe Grüße

imagine

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 15. Aug 2007, 20:27
von otterchen
Hallo Ihr Lieben!

Uff... ich habe gerade ein Mammut-Posting als Antwort formuliert, was ich jetzt umschreibe. Ich hatte nämlich das Pferd von hinten aufgezäumt... vielen Dank, dass Ihr mich zum Nachdenken gebracht habt!

Meine Gedankenkette ist im Moment nämlich folgende:

Achtsamkeit/Innehalten/Selbstkenntnis
-> eigene Grenzen erkennen und wahren
-> bewussterer Umgang mit sich
-> bewussterer Umgang mit anderen
-> nicht mehr reaktiv sondern pro-aktiv handeln
-> gezielte Einflussnahme auf Menschen und Umstände möglich
-> Verbesserung der Lebensqualität

Achtsamkeit/Innehalten/Selbstkenntnis
Als ersten Schritt finde ich es wichtig, dass man sich selbst, seinen Körper, sein Denken, seine Empfindungen/Gefühle etc gut kennenlernt und einschätzen kann.

-> eigene Grenzen erkennen und wahren
Ich möchte kurz ausholen:
Eines meiner Fehlverhalten war bislang, dass ich immer direkt reagiert habe.
a) unmittelbar, ohne Zeit nachzudenken
b) re-agiert
Davon komme ich etwas besser los im Moment, was mich sehr freut.

Beispiel:
mein Ex meldet sich per SMS bei mir. Normale, bisherige Reaktion meinerseits: sofort antworten, darauf eingehen.
Aber dies behagt mir jetzt nicht.
Ich überlege (bestimmt 2 Tage lang). Dann erst nehme ich wieder Kontakt zu ihm auf, mit einer wohlüberlegten SMS, die wiederum IHN in eine Situation bringt, reagieren zu müssen.
Ich habe also AGIERT statt nur REAGIERT.
Ich bin jetzt nicht mehr so "eingefahren" und impulsiv, sondern lasse mir mehr Zeit. Und damit wahre ICH SELBST meine Grenzen! und fühle mich nicht mehr wie ein Spielball.

-> bewussterer Umgang mit sich
Ich gehe also besser mit mir selbst um - und verweise andere damit quasi in ihre Schranken, ohne ihnen damit auf die Füße zu treten. Das funktioniert zwar nicht immer so einfach wie in meinem obigen Beispiel, aber es ist ein Anfang.
Und wenn der andere sich ärgert: bitte daran denken, dass das SEIN Ärger ist. Er KÖNNTE auch anders darauf reagieren!

-> bewussterer Umgang mit anderen
Wenn ich also bewusster mit mir umgehen kann, meine eigenen Grenzen besser wahrnehme und auch selbst auf diese Grenzen achten kann, dann legt sich diese Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen auch ein wenig:

Schauen die anderen genervt, weil ich zuviel rede? Ärgert man sich über mich, bin ich lästig, langweilig, rede ich Blödsinn? All das kann man aus Mimik, Gestik, Reaktion etc. herauslesen.
Und zum Schluss bleibt natürlich noch die Kommunikation, die Brücke zwischen zwei Menschen:
wenn man ein blödes Gefühl hat (ich frage mich z.B. manchmal, ob ich meine Kolleginnen nerve), kann man einfach offen fragen. Dies sollte man sich übrigens öfter mal trauen - es kommen mehr positive Einschätzungen als man glauben mag.

Und: man ist dann eher "bei sich selbst" (ich weiß leider im Moment nicht, wie ich das besser ausdrücken soll), und man kann sich sein Gegenüber in aller Ruhe und mit innerer Distanz ansehen... bzw. es ist dann auch nicht mehr so wichtig... man nimmt den anderen einfach wahr... spürt, wenn da gewisse Signale nicht zusammenpassen... man selbst wird ruhiger, ruht eher in sich selbst, wird von der Meinung des anderen unabhängiger.

-> nicht mehr reaktiv sondern pro-aktiv handeln
Habt Ihr schon einmal bewusst versucht, Menschen zu manipulieren?
Mein Beispiel:
Ich will abends länger Wäsche waschen können. Wie kriege ich das hin? Ich frage meine Nachbarn, schauspielere ein wenig: ob meine Waschmaschine sehr laut sei, sie steht nämlich leider nicht auf einer Schallschutzmatte. Antwort: "nein - wir kriegen davon gar nichts mit. Waschen Sie, wann Sie wollen!" (Wenn ich gefragt hätte, bis wieviel Uhr ich waschen darf, hätte man mir wahrscheinlich eine Uhrzeit genannt).
Ich habe jemanden in meinem Sinne manipuliert! Wahnsinn!

Aber: AGIEREN kann man natürlich nur, wenn man weiß, was man möchte. Dafür ist wieder Achtsamkeit/Innehalten/sich selbst kennenlernen erforderlich.

-> gezielte Einflussnahme auf Menschen und Umstände möglich
Wenn dies in so kleinen Alltagssituationen klappt, kann man es auch "in größerem Stil" hinbekommen - daran glaube ich zumindest und ich will es versuchen.

-> Verbesserung der Lebensqualität
Unsere Aufgabe ist es, unser Leben zu leben. Unseres. Wir können unser Drehbuch selber schreiben, führen Regie, sind der Hauptdarsteller, können auch die Kamera führen und mit den Scheinwerfern Akzente herausleuchten.




Nachsatz 1:
Erfahrung: gerade die Menschen, die sich selst immer gerne viel (heraus)nehmen, bezeichnen einen schnell mal als egoistisch!
Die, die einem "was Gutes gönnen", haben auf einmal eine ganz konkrete Vorstellung, dass dies irgendwie nur mit ihnen, mit ihrer Anwesenheit, mit ihrem Rat zu tun haben müsse... und werden bockig, wenn man sich dann was Gutes gönnt, was mit denen gar nichts zu tun hat.
Man könnte sich drüber ärgern... sehen wir es doch mal anders: sie bringen nur einen Teil von sich selbst zum Ausdruck, der mit uns eigentlich überhaupt nichts zu tun hat.

Nachsatz 2:
Wie wir unsere Grenzen setzen, ohne anderen dabei fest auf die Füße zu treten, erfordert sicher einige Übung, aber es gelingt mit der Zeit!

UFF!!! Immer noch ein Mammut-Posting - aber wenigstens nicht mehr so verworren! Ich hoffe, "meine 5 Cent" zu diesem Thema sind nicht allzu off-topic, aber mir war es im Moment sehr wichtig, diese Zusammenhänge herauszustellen... dieses Zusammengreifen von mehreren Aspekten haut mich immer wieder aus den Socken, und oft verliere ich den Überblick.

Ist da was dran, wie ich mir das so denke? Oder habe ich da Denkfehler eingebaut?

Re: Grenzen erkennen und respektieren

Verfasst: 15. Aug 2007, 20:28
von otterchen
grr... Posting kam doppelt