Trauer aushalten...

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Sunshine77
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Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

Hallo Zusammen,

Seit einer Woche weiß ich daß meine Tante (die wie eine Mutter für mich ist)an einer ungewöhnlichen Form von Hautkrebs erkrankt ist. Gestern sollte die OP sein, doch diese wurde abgesagt: auffällige Leberwerte. Ultraschall folgte, dann CT. Gestern Abend bekam ich dann die schlechte Nachricht von meiner Schwester überbracht: die Leber ist voll mit Metastazen und Darmkrebs wird ebenfalls vermutet. Die Heilungschancen stehen sehr schlecht. OP ist nun erstmal ganz abgesagt, weitere Test sollen in den kommenden Tagen folgen. Sie kann für eine Woche nach hause oder in den ehemals geplanten Urlaub fahren wenn sie möchte und in einer Woche könnten sie es dann mit Chemo versuchen.

Ich steh/stand unter schock, denn ich hörte was mir gesagt wurde, wir sprachen darüber ganz sachlach, fast nüchtern wenn ich drüber nachdenke. Ich wunderte mich warum ich nichts fühle... Ich wollte daraufhin meine Tante im KH anrufen - schaffte es aber nicht. Was soll ich ihr sagen? Dachte mir selbst dann, warte lieber bis heute - gib ihr und auch dir Zeit das etwas zu verdauen.

Gestern Abend dann im Bett brachen die Tränen nur so aus mir raus. Ein Gedanke nach dem anderen schoß mir durch den Kopf und alles war wirr und ungemein schmerzlich. Nach mehrern Stunden hatte ich mich wohl regelrecht in den Schlaf geweint. Und heute Morgen als ich aufwachte, gings von vorne los. Unwillkürliche Gedanken gehen mir durch den Kopf - vergangenes aber auch die Sorgen um die Zukunft. Sie war schon immer diejenige die unsere kleine Familie zusammengehalten hat - wenn sie nicht mehr da ist, bricht dann der Rest der Familie komplett auseinander? Ich hab bisher noch garkeine richtigen Erfahrungen mit dem Tod von engen Familienmitgliedern. Tausend Gedanken und Gefühle von Trauer mit denen ich schlecht umgehen kann. Man soll hoffen, aber die nüchternen Fakten holen mich immer wieder ein. Ich weiß es ist schlecht um sie bestellt und ich fürchte mich vor dem was kommt. Ich fürchte mich bei ihr anzurufen, weil ich weiß, daß ich weinen werde. Ich möchte sie, die selber schwer depressiv ist seit Jahren, nicht noch zusätzlich belasten. ABer ich möchte ihr auch irgendwie beistehen in diesen schwierigen Zeiten. Wie soll ich bloß mit der Trauer umgehen ohne sie zusätzlich zu belasten? Wird mich all dieses wieder in ein ganz tiefes Loch ziehen?
Bleib dir selbst stets treu

Dendrit
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Dendrit »

Liebe Tini,

ich denk, ich kann dich voll und ganz verstehen. Bei mir war es ein 5jähriges Mädchen einer Bekannten. Die Mitteilung war so, als wenn sich die Welt weiter dreht nur selbst vor Starrheit und gelähmtsein stehen bleibt und irgendwie allein ist weil es "keiner" (außer den unmittelbaren Bekannten) verstand.

Ich hatte die Eltern einfach umarmt und gedrückt - weil ich auch nicht wusste, was ich sagen sollte. Nach meinen Möglichkeiten habe ich sie unterstützt, bis das Mädl gestorben ist.

Hätte zwar noch ein paar Gedanken, aber vllt. sollte ich die Dir lieber privat schicken.

Ich wünsch Dir viel Kraft!

Manuela
Clown
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Clown »

Hallo Tini,

«Bleib dir selbst stets treu»

sagst du uns bei jedem deiner Postings.

Was empfindest du denn als dein Selbst? Und welche Botschaft, welches Bedürfnis, Empfinden nimmt dein Selbst wahr?

Ich wünsche dir guten Kontakt und Vertrauen zu deinem Selbst, denn das ist dein allerallerbester Ratgeber.

Alles Gute,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
rm
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von rm »

Guten Morgen liebe Tini...

Nehmt Euch doch gegenseitig mal in den Arm, das tut gut, Euch beiden. Geh vielleicht zu ihr, ohne den Vorsatz, unbedingt etwas sagen zu 'müssen'.. Es ergibt sich einfach so.

Ich glaube, es ist wichtig in solchen Momenten auf den Menschen zuzugehen und ihm zu zeigen: ICH BIN DA, nicht mehr und nicht weniger..

>Sie war schon immer diejenige die unsere kleine Familie zusammengehalten hat - wenn sie nicht mehr da ist, bricht dann der Rest der Familie komplett auseinander?<

Das kann die Chance sein für einen komplett neuen Anfang, Deine kleine Familie auf NEUE, ungewohnte Beine zu stellen... Wie wär's, es mal so zu sehn?

Liebe Grüße, Reinhart + (die in Gedanken bei Dir sein will)
Sunshine77
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

Danke für eure lieben Antworten und Anteilnahme.

Manuela - Ich denke tatsächlich es wird mir kaum möglich sein mehr zu helfen als "nur da zu sein" für sie. Durch die räumliche Distanz (wohnen viele Zugstunden entfernt) wird auch dieses kaum machbar sein und das quält mich etwas. Ich würde gerne bei ihr sein, sie einfach nur in den Arm nehmen den ihr Umfeld vorort war hierzu noch nie in der Lage. Emotionen werden grundsätzlich innerhalb meiner Familie von den meisten verleugnet oder kaum wahrgenommen. Alles läuft stets auf einer sachlichen Ebene ab. Dank dir für dein Angebot über einen privaten Austausch an Infos. Bin ja bei dir im Forum registriert, vielleicht könnten wir das über PNs mal machen.

Clown - Gute Frage: Was empfinde ich? Vieles, aber nichts was mich weiterbringt. Ich bin wütend, daß es so einen lieben Menschen wiedermal "erwischt" hat. Irgendwie bekomme ich den subjektiven Eindruck, daß alle Menschen in meinem Umfeld die herzensgut sind von Leid geplagt sind und denen die wirklich sich einen Dreck um andere scheren, stets auf der Sonnenseite des Lebens stehen bzw. immer das Beste für sich rausholen aus dem Leben. Das Gefühl von "ungerechtigkeit" macht sich breit und dennoch ist man machtlos was diese Dinge betrifft. Furcht ist auch ein Thema. Furcht, daß mir dieses Schicksal irgendwan blüht, denn Krebs ist wie eine Epedemie in unserer Familie - ein Generationen Problem und ich sehe auch klar bei ihr und auch für mich einen Zusammenhang zwischen organischen Erkrankungen und die der kranken Seele. Ich habe Angst - Angst um sie, Angst um mich "Was mache ich ohne sie?". Angst, daß der Rest meiner ohnehin kleinen Familie nun auseinanderbricht. Und ich empfinde Scham: Scham daß ich nicht den Glauben an eine Rettung durch Chemo habe, weil die Fakten alle dagegen sprechen. Wie du siehst, nehme ich viele Empfindung wahr, aber bringen mich diese Erkentnisse weiter? Ich weiß es nicht. Derzeit zumindest nicht.

Ich hab mich vor kurzem dazu durchgerungen bei ihr anzurufen. Das Gespräch war emotional, aber ich hatte mich entschlossen einfach ehrlich zu ihr zu sein. Ich hab ihr meine Ohnmacht eingestanden, meine Sprachlosigkeit und auch daß ich unendlich traurig bin. Sie selbst scheint wie sie selber sagt noch unter Schock zu stehen. Sie konnte noch kein einziges Mal weinen, obwohl sie sich es sehr wünscht damit "etwas Druck rauskommt". Ein aufwühlendes Gespräch für uns beide. Sie weiß nicht ob sie stark genug für das ist was noch kommt - und ich frag mich ob ich stark genug sein werde das alles mit anzusehen. Andererseits weiß ich, mir wird nichts anderes übrig bleiben als zu hoffen.

Reinhart - Unsere Zeilen haben sich überschnitten. Es ist schön von dir zu hören und deine Worte trösten. Kann es ein NEuanfang sein wenn etwas anders, liebgewonnenes geht? Ein neuer Ansatzpunkt zu überdenken.Momentan bin ich aber noch nicht so weit...
Bleib dir selbst stets treu

Gabriele
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Gabriele »

Liebe Tini,
es tut mir leid, dass zu Deinen Sorgen noch eine hinzugekommen ist. Als ich’s las, hat’s mich sehr betroffen gemacht. Glaub nicht, Du hättest keine Kraft. Du hast sie doch angerufen und ihr genau das Richtige gesagt. Sie spürt, dass Du für sie da bist. Und sage nicht „nur für sie da sein“! Für jemand da zu sein, ist sehr viel. Wie wäre es, wenn Du vielleicht zu ihr fährst? Vielleicht tut das Euch beiden gut.
Ich glaube in so einer Situation ist es auch normal, dass man Angst hat. Clown hat so Recht, wenn sie sagt, Du sollst auf Dein Selbst vertrauen. Hör auf Deinen Bauch, der sagt Dir das Richtige.
Ich wünsche Dir viel Mut und Kraft, lass Dich umarmen und nimm Dir ein bisschen von mir.

Liebe Grüße Gitte
Sunshine77
Beiträge: 261
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

Liebe Gitte,
Dank dir für deine Zeilen.

Der Schock sitzt noch tief. Gestern waren die Abschlußuntersuchungen zuende. Meine Oma hat mir dann mitgeteilt, daß sie nun Krebs an der Haut, der Leber, der Lunge und bereits in den Knochen entdeckt haben. Es sieht also alles wirklich nicht gut aus. Heute ist sie nun entlassen worden und Dienstag beginnt bereits die ambulante Chemo.

Ich stelle innerhalb meiner Familie verschiedene Reaktionen fest: von Fassungslosigkeit bis "davon schieben".Kaum einer traut sich anscheinend Fragen zu stellen und ich hab mittlerweile auch das Gefühl, daß meine Tante selbst garnicht wirklich wissen will wie es um sie bestellt ist. Das ist schwer für mich, da ich doch so das Gegenteil bin. Egal was, möchte ich immer wissen was auf mich zukommt. So kann ich meistens besser mit allem umgehen. In diesem Fall werde ich aber wohl lernen müssen den Wunsch der Tante zu respektieren und "alles auf uns zukommen lassen". Das hängt wieder mit dem Thema Geduld zusammen, und das ist überhaupt nicht meine Stärke. Ich fühl mich hilflos.

Ja, längerfristig wäre es eine Möglichkeit zu ihr hinzufahren aber meine Kleine kommt in wenigen Wochen zur Schule - da bin ich dann an Ferien gebunden. Bis dahin bleibt also erstmal nur das Telefon. Nun muß ich versuchen herauszufinden wie viel Unterstützung sie sich eigentlich wünscht, denn ich will sie ja auch nicht mit meinen häufigen Anrufen belasten. Ich will ihr ja nur zeigen daß sie nicht ganz alleine ist.

LG,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

Gabriele
Beiträge: 663
Registriert: 11. Jul 2007, 22:18

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Gabriele »

Liebe Tini,
Warum glaubst Du eigentlich, dass Du hilflos, kraftlos und ungeduldig bist?
Was Du schreibst, klingt immer sehr vernünftig, logisch, liebevoll und besorgt. In so einer Situation haben ja schon „gesunde“ Menschen ein ganz großes Problem.
Als meine „Lieblingsoma“ starb, bin ich zusammengeklappt. Ihre Töchter kümmerten sich um alles, was mit Krankenpflege und mit späterem Tod zusammenhing. Ich stand nur am Rande und hatte Angst. Keiner klärte mich richtig auf. Es war zum verrückt werden. Da kippte ich das erste Mal um. Nur ganz langsam konnte ich diesen Tod verarbeiten! Ich vermisse sie heute noch. Wie gerne hätte ich ihr mein Baby einmal in die Arme gelegt. Sie hätte sich gefreut.
Du gehst das aktiv an. Sehr gut. Raus aus der lähmenden Starre. Auch ist gut herauszufinden, was und wieviel Hilfe sie möchte. Wenn ihr so ein gutes Verhältnis zueinander habt, belastest Du sie auch nicht. Ruf sie an, sprich mit ihr. Ganz schnell wirst Du ein Gefühl für das Richtige bekommen.
Im laufe der Jahre habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Krankheit und der Tod ein Tabu für die Menschen sind. Es ist ihnen unangenehm darüber zu sprechen, sie fühlen sich unsicher und unwohl. Warum sollte das in deiner Familie anders sein? Also entscheide für Dich, so dass Du, egal wie’s ausgeht, vernünftig leben kannst.
Und sollte es für die Tante keine Hilfe mehr geben (was ich nicht hoffe), dann nutze die Zeit, die Euch noch verbleibt, um Stück für Stück Abschied zu nehmen.
Ich weiß, das klingt hart, aber es hilft.
Gestattest Du mir eine Frage? Wo ist Dein Mann? Ist er an Deiner Seite und Dir eine Stütze? Es wäre wichtig.
Und vergiss Dein Mäuschen nicht. Auch sie braucht Dich.
Weißt Du, was mir mein Gefühl sagt, was ich tun würde? Ich würde jetzt gleich zu ihr fahren. Nicht erst nach der Einschulung. Und wenn’s nur ein, zwei Tage sind.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein kleines bisschen behilflich sein.

Liebe Grüße Gitte
Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

Hallo Gitte,

Ja, deine Zeilen trösten. Dank dir für deine Anteilnahme. Ich hab mich mitlerweile in einem Forum für Krebs-Angehörige angemeldet und dort bekomme ich viele nützliche Infos die helfen das ganze etwas weiter zu verarbeiten. Den ersten Schock habe ich nun überstanden und sehe einiges wieder etwas klarer.

Du fragst nach meinem Mann... Ja, ich kann mit ihm über meine Gefühle sprechen, aber Mitgefühl ist da ehrlich gesagt fehlanzeige. Er selber hat überhaupt keinen Bezug zu irgendjemand in meiner Familie - nein, er macht sie für vieles verantwortlich was früher in meiner Kindheit schief lief und auch in jungen Jahren als ich auszog von daheim standen wir beide ziemlich alleine da. Das hat er Ihnen nie verzeihen können und auch heute hat er eher Sorge, daß mich meine Familie mit all ihren Problemen und Eigenarten irgendwann "kaputt" machen. Zum Teil gebe ich ihm da sicher recht, aber dennoch empfinde ich große Zuneigung zu dem ein oder anderen aus meiner "Ursprungsfamilie" und würde mir da mehr Entgegenkommen oder auch Unterstützung von ihm erwünschen was das betrifft. Aber nicht nur er macht sich Sorgen, daß mir das alles zuviel wird und ich weiß ich muß auch auf mich acht geben, daß ich mich nun nicht zu sehr in das ganze reinsteigere, denn letztenendes werde ICH es nicht ändern können.

Du hast sehr recht, meine kleine Maus braucht mich derzeit und in absehbarer Zukunft sehr. Die Erkrankung meiner Tante hat alles erstmal über den Haufen geworfen, auch was Pläne zur Einschulung der Kleinen betraf, denn zu dieser wird wohl nun keiner von meinen Verwandten mehr kommen. Sie wollten als "Fahrgemeinschaft" fahren, aber nun ist keine Rede mehr davon daß irgendjemand noch beabsichtigt zu kommen, denn die Umstände haben sich ja doch geändert. Natürlich ist das Schade für meine Kleine und ich hab bereits mit ihr darüber gesprochen so dass sie nicht zu enttäuscht ist wenn es denn tatsächlich so kommt, aber sie hat es erstaunlich gut aufgenommen und gleich gemeint "hauptsache ihr (ich und ihr Vater) seid da!". Das hat mich wirklich sehr gerührt und das sind die Momente die mir Stärke geben, wo ich merke aus ihr ist ein tolles kleines Mädchen geworden

Du fragst warum ich mich manchmal so negativ einschätze... ich denke wenn man in vielen Jahren öfter negatives über sich an den Kopf geknallt bekommt, dann glaubt man das irgendwann. Hab heute mal deinen Beitrag unter "Angehörige" durchgelesen; denke diese Problematik aus der Kindheit ist dir also geläufig, denn es ist nicht einfach eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln wenn die eigenen Eltern sehr dominierend und selbstherlich agieren.

Liebe Grüße für heute aus dem sonnigen Norden,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

Gabriele
Beiträge: 663
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Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Gabriele »

Liebe Tini,
Freut mich, dass es Dir etwas besser geht.
Sag Tini, ob Du Mitgefühl mit Mitleid verwechselst? Dein Mann hat doch Mitgefühl. Du kannst mit ihm reden, er hört Dir zu, er ist für Dich da, Du bist nicht alleine. Das gibt Geborgenheit, Sicherheit, und die Angst geht weg. Obwohl er zu Deiner Familie keinen Bezug hat, ist er bei Dir geblieben, hat zu Dir gehalten. Kann ich nur sagen „Hut ab“ vor solchen Männern, die dieses Auf und Ab andauernd mitgemacht haben. Das war bestimmt oft nicht leicht. Weißt Du eigentlich wovor Du Angst hast? Ich wusste es sehr oft nicht. Erst jetzt kann ich mich ausdrücken. Hast Du eigentlich mal eine Therapie gemacht? Hm, ich denke bei uns beiden gibt es einige Parallelen. Ich glaube meine Therapieversuche waren nicht das Richtige. Beim Lesen der Threads habe ich aber gemerkt, dass ich ein gutes Stück vorwärts gekommen bin. Mit der Hilfe meines Mannes und auch durch’s Kind. Aber oft habe ich mich unendlich gequält dabei. Eine richtige Therapie wäre besser gewesen. Durch Deinen Angstthread bin ich auf Dich aufmerksam geworden. Die überfällt mich heute manchmal noch immer, manchmal ziemlich heftig. Dein Mann sorgt sich? Hat er ja auch Recht. Ihr drei seid eine kleine Familie, also dreht sich erst mal alles darum, dass es Euch dreien gut geht. Erst dann kommen die, die Dir noch nahe stehen. Die Dich lieben, Dir also gut tun, die kannst auch Du lieben. Als wir Kinder waren, hat sich auch keiner einen Kopf gemacht, wie wir das alles verkraften. Obendrein gab’s noch Tadel, Kritik, Spott und Demütigungen als wir schon erwachsen waren. Erst vor fünf Jahren fing ich an alles zu verstehen. Dein Mann ist sauer? Meiner auch! Mit Recht.
Hast Du Deiner Maus, gesagt, dass die Tante krank ist? Sicher! Sag ihr auch, dass es passieren kann, dass sie vielleicht nicht wieder gesund wird. Ganz vorsichtig. Lieber jetzt als später. Jetzt ist noch Zeit für sie Fragen zu stellen. Außerdem spürt Deine Tochter sowieso, dass Du traurig bist, also wird sie sich um Dich sorgen, wenn Du sie nicht einbeziehst. Sie liebt ja ihre Mami.
Noch eine Idee für den Schulanfang: Wie wäre es, wenn Du ein paar Kinder einlädst? Als „Verwandtschaftsersatz“ für eine kleine Feier nach der Einschulung. (Wenn die Verwandtschaft sowieso nicht so toll ist, wäre das doch ein guter Tausch!)
Ich hoffe, ich klinge nicht wie ein kleiner Klugscheißer. Vielleicht sagst Du ja: „Weiß ich doch“. Aber manchmal ist’s wirklich ganz gut, wenn’s ein Außenstehender bestätigt.
Beim Lesen der Threads habe ich oft gedacht, ach guck, der empfindet das genauso. Dann fühlt man sich nicht mehr so unsicher.
Hast Du eigentlich ein Hobby? Du brauchst einen Ausgleich zum Auftanken.
Wir waren gestern und heute den halben Tag unterwegs. Unser Sohn hat Urlaub. Wir fahren ca. 15 Minuten mit dem Auto und sind schon im Wald. Da tanke ich auf. Ausbeute: eine groooooße Schüssel Brombeeren und ein herrlicher Strauß Sommerblumen.

Liebe Grüße aus dem ebenfalls sonnigen Osten / Süden.

Gitte
Sunshine77
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Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

Hallo Gitte,

Mitgefühl oder Mitleid? Gute Frage. Ich denke beides. Was worüber ich sicherlich nachdenken werde. Ich weiß nicht was ich mir von meinem Mann in diesem Fall wünsche, aber ich weiß daß mir etwas in unseren Gesprächen über dieses spezielle Thema fehlt. Er sieht und spricht mit mir über alles zu "nüchtern" - das Gefühl kommt mir eindeutig zu kurz. Ja, er läßt mich davon erzählen und meinen Kummer äußern - aber aufbauende oder tröstende Worte von ihm sind in der Hinsicht Fehlanzeige. Das versteh ich nicht so ganz, aber hängt eben vielleicht wirklich mit seinem Verhältnis zu denen zusammen. Bewundernswert daß er geblieben ist trotz der Familiären Belastungen? So habe ich das noch nie empfunden, denn für mich ist und war immer selbstverständlich wenn man sich liebt und verheiratet ist, daß man eben alles gemeinsam meistert. Sonst wäre ich wohl auch schon manch ein Mal gegangen.

Die Chemo der Tante beginnt Donnerstag. 3 mal die Woche ist nun erstmal angesetzt. Lt. Arzt sind bereits fast alle Knochen betroffen - es sieht nicht gut aus. Sie trägt schon Morphium-Pflaster um die Schmerzen in den Schultern auszuhalten - Morphium verbinde ich mit "Endstadium". Wir werden sehen wo ihre Reise hingeht - hoffe sie wird nicht zu schmerzvoll für alle beteiligten.

Ja, ich habe der Kleinen erzählt, daß die Tante sehr krank ist und Krebs hat. Sie weiß daß Krebs tödlich verlaufen kann aber im Bezug zu der Tante habe ich in der Hinsicht noch nichts gesagt und möchte das auch vorerst nicht. Denke man muß der Kleinen die ja nun aufregende Wochen vorsich hat nicht zusätzlich belasten mit etwas das kommen kann - irgendwann. Wenn es soweit ist, kann ich da immernoch mit ihr drüber sprechen, aber ich glaube derzeit wäre das einfach zu viel für sie.

Du fragtest noch nach Hobbies: ich hab viele Interessen, aber nichts was ich wirklich als Hobby bezeichnen würde. Kommt eben auch immer auf meine Stimmung an und wie offen ich für neues bin oder eben auch aufnahmefähig für schönes. Eins hat mir die Erkrankung meiner Tante aber ganz deutlich gezeigt: es kann jederzeit zu ende sein und man muß versuchen den Tag besser zu nutzen. In diesem Rausch der Gefühle habe ich mich überwunden etwas zu machen wovor ich 14 Jahre lang Angst hatte. Es mag für die Meisten banal klingen, aber ich bin zum 1 Mal seit dieser Zeit aufs Fahrrad gestiegen und siehe da.... ich habs trotz großer Angst und vielen Hemmungen auf anhieb geschafft! Bin gleich weitergeradelt, zwar etwas wackelig, aber doch gescheit geradelt und es war ein großartiges Gefühl mich selbst überwunden zu haben nach dieser langen Zeit. Ich bin selber ohne Auto und wußte schon viele Jahre, daß mir ein Fahrrad das alltägliche Leben sehr erleichtern könnte, dennoch konnte ich mich nie überwinden aufs Rad zu steigen. Es gab nie einen logischen Grund dafür, außer daß ich ein paar Gleichgewichtsprobleme auf dem Rad immer spürte. Ich stand mir stets selbst im Weg. Nun eröffnen sich durch diesen Schritt viele neue Möglichkeiten für mich - auch eine gewisse Unabhängigkeit und ich kann mir vorstellen daß das Rad nun zu sowas wie ein Hobby werden könnte. Hab mir nun ein neues ausgesucht und geordert, Schloß und Packtasche für den Gepäckträger gekauft und freue mich über dieses für mich neue Gefühl etwas gewagt zu haben Das lenkt zumindest im positiven Sinne immer wieder von der Tante ab und zeigt mir mal wieder, daß Dinge oft ganz anders kommen als man es je gedacht hätte...

LG,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

ElfeBS
Beiträge: 128
Registriert: 2. Dez 2006, 10:32

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von ElfeBS »

Hallo liebe Tini,

mein Vater ist vor kurzem an Darmkrebs mit Lebermetas gestorben und auch ich habe mich sehr hilflos gefühlt. Ich habe mich zu der Zeit auch in Krebs-Foren angemeldet. Dort findet man auch etwas Halt.

Es ist wirklich schlimm, wenn man das durchmacht und nichts richtiges tun kann, wie z. B. den Krebs weghexen.
Sag ihr einfach mal wie lieb du sie hast, damit hast du schon eine ganze Menge getan und dir wird das auch gut tun. Glaub mir.

LG Elfchen
rm
Beiträge: 2209
Registriert: 5. Nov 2006, 15:46

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von rm »

Hallo Tini,

>(.....)und wußte schon viele Jahre, daß mir ein Fahrrad das alltägliche Leben sehr erleichtern könnte, dennoch konnte ich mich nie überwinden aufs Rad zu steigen.<

was für einige unbedeutend ist,weil sie es einfach so selbstverständlich gelernt hatten, ist für Dich und bestimmt viele andere ein großer Schritt, weil DU eben andere Erfahrungen gemacht hattest. Es hatte wohl seinen Sinn, daß DU Dich NICHT vorher getraut hattest, auf's Rad zu steigen... Unsicherheit, Angst zu fallen etc. etc. vielleicht.

Mit ihrer Krankheit könnte Dir Deine Tante u.a. auch signalisieren wollen:

...'mein liebes Kind, trau Dich, steh auf eigenen Füßen, Du schaffst es - bald auch ohne mich - geh Deinen Weg, ich werde jetzt meinen gehen.. wäre schön, wenn Du mich noch ein wenig auf diesem Weg begleiten würdest, ab und zu, manchmal brauche ich jetzt DEINE Hand, so wie ich Dich auch ab und zu begleitet hatte.. wäre schön, ja, aber am schönsten wäre die Gewißheit, daß Du voller Zuversicht selbständig wirst....'

Könnte u.a. dies AUCH ein Sinn einer Krankheit sein und zwar für BEIDE Seiten?

DAS meinte ich mit (Neu)anfang.

Liebe Grüße aus dem verregneten nördlichsten Bayern, Reinhart
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von heike56 »

Liebe Tini,

vor 5 Jahren ist meine Mutter an Krebs gestorben. Es war eine schwere Zeit und ich finde es wichtig, dass man sich genau das zugesteht. Ich bin damals nicht in eine stärkere Depression gekommen. Irgendwie habe ich in der Zeit einen besonderen inneren Schutz entwickelt.
Mit hat damals ein Ausspruch von einer Ärztin sehr geholfen. Sie sagte, was ich während der Krankheit meiner Mutter durchleide ist ein Stück vorweg genommene Trauer. Und es war tatsächlich so. Im nachhinein ging es mit der Trauer.

Dass dein Mann dich nicht so trösten kann, wie Du es dir wünscht, mag typisch männlich sein. Mein Partner war für mich da, hörte mir zu und nahm nich so an wie ich war. Als ich mir klar gemacht hatte, dass er nicht anders konnte, war es für mich einfacher.

Was für mich auch hilfreich war, mir ganz bewußt zu machen, dass die Zeit die ich mit meiner Mutter noch hatte sehr begrenzt war. Für zwei Monate war ich jedes zweite Wochenende die 250 km zu ihr gefahren. Es war sehr anstrengend, aber ich bereue es im Nachhinein nicht.

Meine Mutter war die letzten Wochen im Hospiz und wurde dort optimal versorgt, auch was die Schmerzbehandlung anging. Was bei Krebs ein ganz wesentlicher Punkt ist.

Reinhardt hat es in seinen Zeilen so gut geschrieben, sei für sie da, so weit es dir möglich ist und sie es wünscht.

Ich wünsche dir viel Kraft und hilfreiche Menschen an deiner Seite.

Mitfühlende Grüße

Heike 47
Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: Trauer aushalten...

Beitrag von Sunshine77 »

@Reinhart - Deine Zeilen haben mich sehr berührt. Ja, es kann sein daß DAS (auch)der Sinn dieser Erkrankung ist. Ich werde "gezwungen" innerlich selbständiger zu werden; unabhängiger von meiner Ursprungsfamilie und deren Urteile; mich wieder mehr auf mich und mein Leben zu konzentrieren obwohl die Gedanken ursprünglich "nur" an die erkrankte Tante gerichtet waren. Ich glaube auch daran, daß alles im Leben (auch und vielleicht gerade Erkrankungen) einen Sinn haben für alle Beteiligten. Es ist wie wo die Diagnose der Sehbehinderung der Kleinen feststand; erst Schock und dann langsames annehmen. Auch hierdurch habe ich viel gelernt. Automatisch fängt man bei sowas an auch über sein Leben, seine Wünsche für das bestehende Leben nachzudenken und es wird dir bewußt, man hat nicht unendlich Zeit sein Leben so zu leben wie man es eigentlich möchte. Gerade ich erlebe derzeit eine Phase wo mir wirklich bewußt wird wie sehr ICH MIR SELBST oft im wege stehe aber auch wieviel Kraft manch andere Erkrankung von meinen Mitmenschen abverlangt. Ich kann noch was an meiner Situation ändern, manch anderer hat garkeine Wahl mehr.

Diese Erkenntnis in mir mag nun nicht für immer halten und ist sicherlich Situationsbedingt akut, aber ich bin doch dankbar für die (auch positiven) Impulse die diese zumindest derzeit in mir auslösen.

Euch anderen danke ich für den Erfahrungsaustausch. Ich habe bemerkt daß mir dieser sowohl hier als auch im Angehörigen Forum gut tut Ja, es ist vermutlich ein Abschied auf Raten - und ich werde versuchen diesen so gut wie möglich zu nutzen. Ich weiß ich werde langfristig sicherlich dankbar dafür sein, daß man jetzt noch die Gelegenheit hat versäumtes zu klären und einen positiven Abschied aus emotionaler Sicht hinzubekommen; wäre sie von heut auf morgen fort bliebe uns diese Möglichkeit nicht.

Herzliche Grüße,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

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