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Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 5. Jul 2007, 20:26
von Zazou
Hallo ihr Lieben,
vielleicht könnt Ihr mir ein wenig weiterhelfen: Ich suche seit einer Weile eine Therapeutin. Es gibt hier in der Stadt eine sehr renommierte Dame, bei der ich überraschend schnell einen Termin bekam. Der Haken an der Sache: Ich soll die Therapie nicht bei ihr machen, sondern bei ihrer sogenannten Assistentin, einer noch recht jungen Frau, die sich selbst als Therapeutin niederlassen will, und dafür nun ausgebildet wird. Sie sagte, sie ist fertige Psychologin und hätte auch schon einige Therapie-Erfahrung, aber um ehrlich zu sein ist mein Vertrauen in eine so junge Frau mit so wenig Lebens- und Berufserfahrung nicht sehr groß. Sie war sehr sympathisch und gab sich sehr viel Mühe, aber ihr fehlt halt noch diese natürliche Sicherheit, die mir als Patientin Vertrauen einflößt.
Wisst ihr, wie erfahren man sein muss, um diese Ausbildung zur Niederlassung zu machen? Was meint Ihr insgesamt zu der Sache?

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 5. Jul 2007, 22:38
von Linah
Hallo Zazou,
ich hatte vorher auch immer Therapeutinnen, die schon sehr erfahren und älter waren. Zur Zeit bin ich in einer ambulanten Behandlung bei einer Frau in meinem Alter (28), also ich schätze, dass sie kaum viel älter sein kann als ich. Zuerst war ich etwas skeptisch, muss aber inzwischen sagen, dass ich mich sehr gut verstanden fühle. Sie ist wesentlich engagierter und offener und ich weiß nicht, ob es am Alter liegt, aber ich finde sie kann sich super in mich hineindenken und flexibel auf meine Bedürfnisse reagieren. Ich jedenfalls habe sehr gute Erfahrungen gemacht trotz meiner anfänglichen Zweifel. Ich wünsche Dir, dass Du den richtigen Weg für Dich findest.
Lieben Gruß,
Linah

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 5. Jul 2007, 23:59
von Regenwolke
Hallo Zazou,

Um psychologische Psychotherapeutin zu werden, müssen Psychologen nach ihrem Studium eine umfangreiche therapeutische Ausbildung absolvieren, zu der auch praktische Tätigkeiten und Patientenbehandlungen gehören, ich hab Dir dazu mal einen Teil aus einem wikipedia-Artikel (http://de.wikipedia.org/wiki/Psychologi ... otherapeut) hier reinkopiert:

"Während der Psychotherapie-Ausbildung führt ein Psychologe die Bezeichnung „Psychotherapeut in Ausbildung“ (abgekürzt „PiA“ oder „PPiA“ für "Psychologischer Psychotherapeut in Ausbildung" und ist von seinem Status vergleichbar mit einem Assistenzarzt, der sich in der Facharzt-Weiterbildung befindet. Die Ausbildung kann als dreijährige Vollzeit-Ausbildung oder als fünfjährige berufsbegleitende Ausbildung absolviert werden. Beide Möglichkeiten gliedern sich u.a. in: 600 Stunden Theorie; 1800 Praktische Tätigkeit in 1 1/2 Jahren, davon 1 Jahr in einer Psychiatrischen Klinik, 1/2 Jahr in einer psychosomatischen Klinik, Psychiatrie oder in der Praxis eines Psychotherapeuten oder eines Facharztes für Psychotherapeutische Medizin; 120 Stunden Selbsterfahrung; 600 Stunden Patientenbehandlung in einer Ausbildungs-Instituts-Ambulanz oder in einer Lehrpraxis; 150 Stunden Supervision. Insgesamt werden über 4000 Stunden in den drei bis fünf Jahren Ausbildung absolviert."

Ich vermute, daß die junge Frau auf jeden Fall ihr Praxisjahr in der Psychiatrie hinter sich hat, das macht man meist zu Anfang der Ausbildung, und je nach Klinik arbeitet man dort schon psychotherapeutisch. Entweder absolviert sie in der Psychotherapiepraxis nun den zweiten Teil der praktischen Tätigkeit, oder sie hat diesen auch schon hinter sich und leistet dort ihre 600 Stunden Patientenbehandlung ab.

Als psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung hat sie natürlich weniger Erfahrung als ein "fertiger" Psychotherapeut, allerdings werden die Behandlungen normalerweise supervidiert, d. h. es wird ihr sehr genau auf die Finger geguckt.

Einen generellen Rat kann ich Dir nicht geben. Wenn Du glaubst, ihr nicht richtig vertrauen zu können, weil sie nicht souverän genug rüberkommt, würde ich die Finger davon lassen, evtl. auch, wenn Deine Probleme sehr komplex sind, Du z. B. schon mehrere Therapien hattest, ohne daß sich viel verändert hat. Auf der anderen Seite sind Ausbildungskandidaten oft sehr engagiert und noch nicht so festgefahren und abgeklärt, wie "alte Hasen", das kann auch ein Vorteil sein. Ich würd mich an Deiner Stelle auf dein Gefühl verlassen: Stimmt die Chemie zwischen euch? Fühlst Du Dich verstanden, gut aufgehoben, ernst genommen? Hast Du den Eindruck, sie weiß, was sie tut?

Und falls Du unsicher bist, frag nochmal ganz genau nach, wieviel Erfahrung sie hat und auch, ob und wie sie supervidiert wird.

Eine gute Entscheidung wünscht

Regenwolke

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 6. Jul 2007, 08:28
von Zazou
Liebe Linah und Regenwolke,
vielen Dank für Eure Antworten, die haben mir schon weitergeholfen.
Ich bin am Mittwoch wieder bei ihr und werde dann berichten.
Ich wünsch Euch alles Gute.
Viele Grüße von Zazou

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 6. Jul 2007, 17:47
von flocke
ich hatte in der psych som auch einen sehr jungen thera, der selber noch in der ausbildung war, aber fast fertig. er war sehr gut und hat mir sehr geholfen.

die ausführliche erklärung eben hat mir aber doch sehr geholfen, denn dadurch wird es finde ich noch deutlicher... immerhin wird man im krankenhaus ja auch am laufenden band von assistenzärzten untersucht und keinen stört es, niemand fragt "können sie das denn?" (vielleicht privatpatienten )


kann aber gut verstehen, dass man erst mal verunsichert ist...


flocke

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 8. Jul 2007, 15:59
von AvantGarden
Hallo,

ich glaube nicbt, dass man das so verallgemeinern kann - also dass nur erfahrene und ältere Therapeuten sich in den Patienten hineinversetzen können.
Grundvoraussetzung, um Therapeut zu sein/werden, ist ja sowieso Einfühlungsvermögen und das kann man auch in einem Studium nicht lernen.
Meine erste Therapeutin war etwas jünger als meine jetzige (die ist ungefähr Mitte 50), und ich hab mich bei ihr auch überhaupt nicht wohl gefühlt. Aber ich glaub, dass lag an ihrer Persönlichkeit und nicht an ihrem Alter.

Lass es einfach auf die zukommen. Nein sagen kannst Du immer noch.

Viel Glück

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 22. Jun 2009, 19:29
von Zazou
Hallo an alle, das Thema ist ja schon uralt, aber manchmal ist es ja ganz interessant, was bei so einer Sache herausgekommen ist:

Ich habe mich FÜR die Therapie bei der jungen Frau entschieden und es keine Sekunde bereut. Sie hat einen unglaublichen Elan und ist wahnsinnig engagiert, dass macht jede fehlende Erfahrung locker wett. Außerdem konnte sie sich noch gut an viele Probleme erinnern, vor denen auch ich während der Therapie stand: Studienabschluss, Diplomarbeit, Berufseinstieg usw.
Ich war halt immer auf eine Therapeutin mit mütterlicher Ausstrahlung fixiert, aber es hat sich wirklich gelohnt, mal ein "Risiko" einzugehen.
Wünsche Euch allen von Herzen alles Gute. Zazou

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 22. Jun 2009, 21:34
von BeAk
Liebe Zazou,

ich mache die gleichen Erfahrungen wie Du bei meiner Psychotherapeutin. Und sie macht in diesem Herbst ihren Abschluß.

Re: Therapie beim "Azubi"

Verfasst: 25. Jun 2009, 19:42
von Berlibi
Hallo Zazou,
das war eine tolle Idee, Deinen eigenen Beitrag nochmal aufzunehmen! Meistens postet man ja sein Problem und erhält mehr oder weniger hilfreiche Tips, ohne daß die Leidensgenossen erfahren, wie's denn ausgegangen ist.
Ich (45J.) war im vergangenen Sommer für 7 Wochen in der Klinik und hatte dort auch eine sehr junge Therapeutin (tiefenpsych.). Ich habe sie dann mal gegoogelt und gefunden, daß sie erst 2 Jahre zuvor ihr Diplom gemacht hatte. Ich bin nicht so recht "warm" geworden mit ihr, wobei ich aber nicht 100%ig sagen konnte, ob es an ihr oder der tiefenpsychologischen Therapie gelegen hat (hatte vorher Verhaltensth.).
Aber insgesamt: Eine Chance für die Jugend! Es besteht ja sicher auch fast immer die Möglichkeit, daß der "Jungtherapeut" sich an einen Supervisor wenden kann, um sich dort ein Feedback zu holen.
Einen schönen Sommer noch!
Berlibi