Vollständige Genesung anstreben

SophsFirebird
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von SophsFirebird »

Liebe Philosophin,

WIe waren die Tage bei der Familie? Konnte etwas Kraft getankt werden?

Liebe Grüße,
SophsFirebird
Raini
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Raini »

Liebe Philosophin,

der Berufsphilosoph Hegel sagte: "Wer etwas großes will, der muss sich zu beschränken wissen".

Eine vollständige Genesung ist in der Tat etwas sehr Großes. Zumindest für mich. Ich würde Hegel insoweit rechtgeben, als dass ich - seit ich krank bin - mich beschränke. Beschränke eben gerade auf kleine Schritte. Dies kann ja auch nur das Aufstehen, sich Duschen oder Einkaufen sein. Zwischenzeitlich arbeite ich wieder.
Aber es ist wichtig, das was ich vergessen habe (die kleinen Dinge) mehr zu beachten.

Viele Grüße

Rainer
Philosophin
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo SophsFirebird,

danke für deine Nachfrage! Das Wochenende bei meiner Familie war sehr schön und ich konnte etwas Kraft tanken. Zurück Zuhause ist die Leere der letzten Woche in Traurigkeit übergegangen, aber ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, dass die Depression wieder etwas zurückgeht.

Heute Morgen hatte ich eine probatorische Sitzung bei einer Gesprächstherapeutin. Ich habe mit Hinblick auf meine Ausbildungspläne gedacht, es könne gut sein, weiter Therapie zu machen. Meine Körpertherapie, die mir sehr hilft, kann leider nicht so regelmäßig stattfinden. In der probatorischen Sitzung habe ich allerdings gemerkt, dass ich eigentlich überhaupt keine Motivation mehr für eine Gesprächstherapie habe und müde bin, meine Geschichte wieder und wieder erzählen zu müssen. Ich habe mich fast "zu alt" für Therapie gefühlt- zu vieles wiederholt sich und kommt mir bekannt vor.

Ich denke, ich werde es bei der Körpertherapie belassen und hoffe sehr, dass dafür auch noch in meiner Ausbildung Zeit sein wird. Ganz ohne Therapie ist mir noch zu unsicher.

Letzte Woche war ich für zwei Tage wegen der Depression krankgeschrieben. Das war ein harter Rückschritt. Heute habe ich wieder Nachtschicht und fühle mich durch den Besuch meiner Familie zum Glück wieder ausreichend gestärkt. Ich hoffe, es bleibt so und werde mein Bestes geben.

Liebe Grüße
Philosophin
Philosophin
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Lieber Rainer,

danke für deine Worte und das Hegel Zitat. Ich versuche das aufzuteilen- mich einerseits der Depression anzupassen, in dem ich z.B. mehr Pausen in den Alltag einbaue und andererseits gegen die Depression angehe, indem ich an meinen großen Zielen festhalte und darauf hinarbeite. Ich glaube, das schwierige an einem Leben mit Depressionen ist, die richtige Balance zwischen Akzeptanz und Widerstand zu finden.

Der Philosoph Aristoteles ist davon ausgegangen, dass jeder Mensch für eine bestimmte Aufgabe ganz besonders geeignet ist und im Finden und Ausführen dieser Aufgabe das höchstmögliche Glück für sich selbst und andere erreicht. Daran glaube ich persönlich, und arbeite daran, soweit stabil zu werden, dass ich meine Aufgabe ausführen kann.

Liebe Grüße
Philosophin
Philosophin
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Noch ein kleiner Nachtrag: vielleicht ist es für den ein oder anderen gut, solche Dinge wie Aufstehen, Haushalt usw. anzuerkennen. Ich finde das persönlich aber schwierig, mich über einen langen Zeitraum damit zufrieden zu geben, weil ich hinter meiner Depression fast immer einen Grund erkennen kann und denke, dass ich durch das Beheben der Gründe für die verstärkte Depression wieder eine Besserung erreichen kann. Vielleicht würde mich die Zufriedenheit mit dem Erledigen kleiner Aufgaben ablenken, die Ursache der Depression anzugehen.

Diesmal war es meine Einsamkeit, die die Depression verstärkt hat. Ich hätte jetzt sagen können: "Ich bin halt nicht arbeitsfähig", weil ich der "Belastung" meines Alltags plötzlich nicht mehr standgehalten habe- oder ich überlege, was mich so geschwächt hat und gehe die Ursache an, statt mich damit abzufinden, fortan nur noch meinen Haushalt zu erledigen.

Ich schiebe die Depression nicht so sehr auf eine genetische Komponente oder lasse mir von Psychiatern einreden, ich sei chronisch krank, müsse ein Leben lang Medikamente nehmen und sei dauerhaft nur eingeschränkt arbeitsfähig. Für mich ist die Depression mehr ein tiefer Mangel, eine schwere seelische Verletzung, als eine Erkrankung. Der Mangel will ausgeglichen werden und die tiefe Verletzung braucht Zeit und passende Lebensbedingungen, um zu heilen. Ich glaube, dass in vielen Fällen eine Heilung möglich ist, aber man muss es auch wollen und darf sich nicht durch "ungünstige Prognosen" und das Begründen der Depression mit unveränderbaren Ursachen zusätzlich schwächen lassen. Und das passiert leider viel zu oft- und spiegelt sich ganz besonders auch in diesem Forum wieder.

Viele Menschen mit Depressionen lassen sich m.E. zu oft und zu schnell auf ein Abstellgleis stellen, und die Depression lädt in ihrer Hilflosigkeit dazu ein, sich auf einem solchen Abstellgleis parken zu lassen.

Liebe Grüße
Philosophin
Leni2
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Leni2 »

Philosophin hat geschrieben: Ich schiebe die Depression nicht so sehr auf eine genetische Komponente oder lasse mir von Psychiatern einreden, ich sei chronisch krank, müsse ein Leben lang Medikamente nehmen und sei dauerhaft nur eingeschränkt arbeitsfähig. Für mich ist die Depression mehr ein tiefer Mangel, eine schwere seelische Verletzung, als eine Erkrankung. Der Mangel will ausgeglichen werden und die tiefe Verletzung braucht Zeit und passende Lebensbedingungen, um zu heilen. Ich glaube, dass in vielen Fällen eine Heilung möglich ist, aber man muss es auch wollen und darf sich nicht durch "ungünstige Prognosen" und das Begründen der Depression mit unveränderbaren Ursachen zusätzlich schwächen lassen. Und das passiert leider viel zu oft- und spiegelt sich ganz besonders auch in diesem Forum wieder.

Viele Menschen mit Depressionen lassen sich m.E. zu oft und zu schnell auf ein Abstellgleis stellen, und die Depression lädt in ihrer Hilflosigkeit dazu ein, sich auf einem solchen Abstellgleis parken zu lassen.
Liebe Philosophin,

ich finde es gut und mutig, wie sehr du für deine Gesundung kämpfst. Aber ich verstehe nicht, warum du über andere urteilst. Ich persönlich finde das verletzend. Du kennst die Geschichten der Forumsmitglieder nicht und es kommt einfach auch sehr auf das Alter und die Lebensumstände an, wie man mit einer Erkrankung umgeht und ob man arbeitsfähig ist oder nicht. Ich z.B. muss immer wieder feststellen, dass die Verletzungen tiefer sind und langsamer heilen, als ich mir gewünscht hätte, auch wenn ich wie du hoffe, dass es immer besser wird.

Viele Grüße
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Raini
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Raini »

Liebe Philosophin,

ich habe dich so verstanden, dass Du niemanden abwerten willst, aber in Frage stellst, ob das Wollen
zur Genesung bei allen ausreichend vorhanden ist. In der Tat bedarf es des freien Willens zu sagen:
"ja, ich will jetzt gesund werden und will auch wieder arbeiten gehen". Der freie Wille ist aber etwas, was fraglich ist. Das meine ich nicht nur biologisch (Hirnforschung, z.B. Gerald Hüter, Wolf Singer) sondern auch geistig. Freud stellte in Frage, ob der Mensch der eigene Herr im Haus ist und bewies, dass er es nicht ist. Heißt, das Wollen alleine ist zu wenig um Gesund zu werden. Man muss auch Wollen können.

Viele Grüße

Rainer
Philosophin
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo Raini,

danke für deine Worte. Es war tatsächlich "nur" ein Infragestellen des Gesund-werden-wollens. Ich habe den Eindruck, dass viele chronisch depressive Menschen sich zu sehr hinter ihrer Diagnose verstecken und sich mit den vielen Einschränkungen zu schnell abfinden. Die Depression als Erkrankung verleitet ja auch stark dazu, durch die empfundene Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Das ist ein gemeiner Teufelskreis, den man sich als Betroffener bewusst machen sollte.

Wenn dann auch noch Behandler daherkommen und sagen: "Sie sind chronisch depressiv und werden nicht mehr voll arbeitsfähig etc." ist das Grundgefühl der Depression bestätigt und ich habe als Betroffener die Wahl (gewagte Theorie von mir), ob ich mich auf mein Gefühl der Hilflosigkeit und die Bestätigung des Arztes zurückziehe, oder mich entscheide, weiterzukämpfen, auch wenn es furchtbar mühsam und schwer ist, weil ich für etwas kämpfe, an das ich durch die Depression bedingt nicht glauben kann.

Der "Wille" ist in der Depression ganz klar geschwächt, das steht außer Frage, und das ist ja auch das schlimme an dieser Erkrankung. Ich denke aber trotzdem, dass es in jedem Menschen ein natürliche Bestreben hin zum Angenehmen gibt und die natürliche Abwehr vor Unangenehmen.

In einer schweren Depression kämpfe ich nicht gegen die Erkrankung an, weil ich an eine schöne Zukunft glaube, sondern in erster Linie, weil ich die Depression so unerträglich finde. Da ist gar kein großer Wille spürbar, nur das Bedürfnis, den unaushaltbaren Zustand zu beenden.

Die Ebene, auf der ich meinen Haushalt machen kann, aber nicht arbeitsfähig bin, ist für mich immer noch kein angenehmer und dauerhaft annehmbarer Zustand, also muss ich weiter kämpfen, bis ein annehmbarer Zustand erreicht ist.

Schade, dass es im Forum so wenig Mitstreiter zu geben scheint und allein schon ein solcher Beitrag starken Widerstand auslöst.

LG Philosophin

PS: Meine Gedanken beziehen sich vor allem auf Menschen meiner Altersklasse (20-35 j.), die eigentlich noch viele Möglichkeiten offen haben, aber das mit dem Rückbezug auf die Depression abzuwehren scheinen. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, sich in unserem jungen Alter mit der Diagnose einer chronischen Depression abzufinden und sein ganzes Leben danach zu gestalten.
DieNeue
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von DieNeue »

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DieNeue
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von DieNeue »

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DieNeue
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von DieNeue »

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DieNeue
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von DieNeue »

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Anna Isabelle
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Anna Isabelle »

@DieNeue

Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen mit dem Leben und der Krankheit hier teilst. Das finde ich ganz stark! Manche Zeilen haben mich zu Tränen gerührt. Unsere Biographien mögen sich unterscheiden, aber in vielen Punkten erkenne ich Parallelen. Das ermöglicht es mir, meine Geschichte mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Danke!

Viele Grüße
Anna
Sul
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Sul »

Liebe DieNeue,

ich lese deine Beiträge immer sehr gerne. Ich finde sie sehr lebendig, treffend, differenziert, unglaublich gut formuliert, berührend.

Ich glaube mich zu erinnern, dass Du ein Buchprojekt planst. Die Schreibe dafür hast Du auf alle Fälle.

Ich möchte Dir auch meine Hochachtung für deinen Weg aussprechen. Ich bin selbst am Anfang meines Studiums - auch nach einer ungeliebten aber beendeten Berufsausbildung - schwerer depressiv erkrankt, aber ich konnte dann doch noch mein Studium mit Studienzeitverlängerung, Sonderanträgen etc. beenden. Für mich wäre eine Welt zusammengebrochen, wenn ich es nicht geschafft hätte. Ich glaube, ich kann mir nicht annähernd deine inneren Kämpfe ausmalen, bevor Du Dich exmatrikuliert hast. Und dann deinen eigenen Weg gegangen bist.

Ich stimme Dir zu, dass es etwas Wichtigeres als arbeiten gibt. Mich stabilisiert meine Arbeit sehr und ich bin auch richtig gut darin, Aber ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass meine Beziehungen und mein Wohlbefinden wichtiger sind als der berufliche Erfolg und meine immer noch vorhandene Leistungsorientierung.

Herzliche Grüße, Sul
anna54
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von anna54 »

Liebe Die Neue
ich hab mit ganz viel Aufmerksamkeit deine Beiträge gelesen,den Schmerz gespürt,eine Ahnung bekommen von der Schwere und Unendlichkeit der Depression.
Du hast diesen Schmerz,aber auch deine unendlichen Anstrengungen deutlich gemacht,das finde ich wichtig.
Ahnungslos ist der andere,auch wenn er glaubt Depressionen zu kennen.
Spontan würde ich dir gern meinen Schreibtisch schenken,auch wenn es nur ein Wunsch bleibt.
Ich hab mir diesen Schreibtisch erkämpft,immer wieder aufgeben müssen und ihm trotzdem immer einen Platz gegeben.
Jetzt steht er allein,meine Schreibgeräte bleiben liegen,das gute Briefpapier ebenfalls,ich kann nicht mehr schreiben,hab diese Fähigkeit völlig verloren.
Aber ich gebe nicht auf,du auch nicht,Respekt habe ich vor deinen großen Leistungen,auch wie du mit Grenzen umgehst.
Durch meine kranke Schwester,Psychosen seit 30Jahren,gebrochenes Leben,Studium zwar abgeschlossen,aber zu welchem Preis?
Ich habe Menschen kennengelernt,die dort ganz am Ende der Möglichkeiten leben müssen.
Trotzdem hat es meine Schwester geschafft,jetzt wieder ein zufriedenes Leben zu führen,mit so viel Unterstützung,das kann ich kaum alles beschreiben.
Was geblieben ist aus diesen Jahren,voller Nierderschläge,harter Verluste in der unerschütterliche Glaube an die Hoffnung.
Hoffnung auf den Moment,wo eine Zeitenwende eintreten kann.
In einem Buch von Prof.Dr. Thomas Bock wurde das beschrieben,als den Kreis,der rausführt aus dem auch elendem Wiederholen von bisherigen Niederlagen.
Zeitenwende ist keine leere Hoffnung,kein leeres Versprechen,es ist die Gewissheit,dass in jedem Leben ein ganz kleiner Funke wachsen kann,weil endlich greift,wo nach du auch suchst,worauf du aufbauen kannst----es geht auch in winzigen Schritten,unsichtbaren Schritten,unerlebten Schritten.
Das war das Ergebnis einer wissenschaflichen Studie,die eine Erklärung suchen wollte,warum einige chronischen Verläufe doch veränderbar waren.
Es gab kein anderes Ergebnis,keine Therapieform,kein Medikament,keine Lebensform.
Dass er diese Studie seine Lieblingsstudie nennt,spricht für seinen ganzheitlichen Ansatz vom Verständnis von Krankheit,oder vom Mensch sein überhaupt.
Vollständige Genesung anstreben?
Da würde ich mein halbes Leben wegwerfen müssen,ganz sicher nicht.
anna54
Katerle
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Katerle »

@ Philosophin

Freut mich, dass du noch arbeitsfähig bist und wünsche dir auch weiterhin alles Gute bei deinem weiteren Weg.
Ich gehörte auch zu denjenigen Menschen, die schon frühberentet waren und auch ich musste mir von manchen anhören usw., dass ich nur nicht "Wollte" oder überhaupt arbeiten und ich fragte mich allen Ernstes, was diese Leute nur bewegt, so über andere zu urteilen (die nicht in deinen Schuhen stecken).
Wer so urteilt, der war wahrscheinlich noch nicht in der Hölle, in der manch anderer hier oder draußen gelandet war und das ist auch von Art und Schwere der Erkrankung abhängig. Deshalb vergleiche ich mich auch nicht mit anderen.
Kein Mensch kann wissen, welchen Weg ich bis hierhin durchlaufen habe und Straßen, Berge oder Täler und dabei die Tränen fühlte und all den Schmerz und die Freude.
Diesen Menschen möchte ich nur sagen, dass sie all die Jahre durchlaufen möchten, die ich ging, über jeden Stein stolpern, über den ich gestolpert bin und immer wieder aufgestanden und geht genau dieselbe Strecke weiter, genau wie ich es tat und erst DANN urteilen.

Wünsche einen angenehmen Abend,
Katerle
Sunshine5678
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Sunshine5678 »

Ich strebe auch die Verrentung an und mir ist es egal was die Leute sagen.
Es ist immer so dass jede Krankheit oder Behinderung nach dem äußeren beurteilt wird.
Jemand im Rollstuhl oder mit fehlenden Gliedmaßen sind offensichtlich für die meisten sehr krank und natürlich sagt keiner was wen diese nicht arbeiten. Ich möchte keinster weisen deren Haut stecken und dieses Schicksal haben. Es dient nur dem Vergleich zu psychischen Krankheiten die meistens nicht offensichtlich sind
:hello:
Katerle
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Katerle »

@ Sunshine

Genau so ist es.
Mir ist das auch egal, was andere darüber denken. Ich lasse mich von sowas jedenfalls weiterhin nicht runterziehen und gehe meinen Weg weiter und freue mich über die schönen Dinge meines Lebens.

Liebe Grüße
Katerle
Leni2
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Leni2 »

Liebe anna54

vielen Dank für deine Worte. Genau danach habe ich in den letzten Wochen gesucht. Der unerschütterliche Glaube an die Hoffnung, die Zeitenwende. Danke, dass du sie mir in Erinnerung gebracht hast, deine Worte haben mir ein Stück von dieser Hoffnung gegeben.

Liebe Grüße
Leni
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Raini
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Raini »

Liebe Die Neue,

ich habe alles gelesen, was Du geschrieben hast. Darin wird auch deutlich, dass Du Sprachen studierst hast.
Gerne lese ich, was Du schreibst. Es ist so schön flüssig und ich finde mich teilweise wieder. Bei meinem Aufenthalt in der Psychiatrie im vergangen Jahr, habe ich Benjamin Maack, "Wenn das noch geht" gelesen.
Nach diesen Beschreibungen einer Erkrankung kann man sich nicht vorstellen, dass er Journalist beim Spiegel ist und Bücher schreibt. Auch bei dir kommt sehr viel Energie rüber, obwohl du beschreibst, wie schlecht es dir geht. Als ich in der Psychiatrie war, dachte ich, "jetzt ist Schluss, Ende, Existenz ade". Nun sitze ich wieder hier an meinem Schreibtisch und bin rechtlicher Betreuer. Verrückt. Chronisch ist die Depression bei mir. Sie lauert gewissermaßen, wenn es mir besser geht. Ich habe da nicht immer Einfluss. Das ist nur schwer einzugestehen.

Viele Grüße

Raini
Gertrud Star
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo liebe Diskutierenden,

der Thread hier zeigt mir, um es ganz kurz zu sagen, 2 Sachen:
Erstens ist jede Depression schon von der Genese und der Herkunft her bei den Menschen total verschieden. Dann ist auch noch der Ausprägungsgrad total verschieden.
Und dann sind Menschen auch noch in völlig verschiedenen Lebenssituationen, die sich auch mehr oder weniger ändern können oder fest sind (unabhängig von Krankheit). Und dann ticken die Menschen auch noch unterschiedlich.

Wenn ich von mir ausgehe, habe ich früher auch vollständige Genesung angestrebt, und zwar wegen Motivation und vorhandener Intelligenz und auch jede Menge Resilienz (sonst hätte ich so manches nicht durchgestanden).
Die Dinge haben sich leider anders entwickelt. So spielt das Leben einfach, zu manchem ist es halt etwas gemeiner wie zu anderen, auch unabhängig von Krankheit. (Das war jetzt nett ausgedrückt).
Einige Jahre musste ich ja sogar aus Schuldengründen in Anlerntätigkeit verweilen und einige Jahre davon noch fernpendeln. Da ging nix dran vorbei, der Wochenarbeitseinsatz zusammen mit Fahrtweg war 60-80 Stunden pro Woche, und das mit falscher Arbeit. Das schlaucht ungemein.

Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung verstehe ich sowohl die Menschen, wo die Depression sich sehr viel speist dadurch, dass sie mangels Unterstützung nicht zu Potte kommen und/oder bei großer Intelligenz sich langweilen.
Ich verstehe aber auch die, wo die die Grenzen nicht wahrnehmen und akzeptieren können, und die wo die Grenzen weiter oben sind als bei anderen, wo dann der Körper irgendwann stopp sagt.
Ich kenne auch das Einserschülerdasein mit der Fixierung auf Leistung, die in dem Fall nix mit fremdgemachtem Druck zu tun hat, sondern mit dem IQ und mangelndem Verständnis oder Überforderung in den Familien. Das "falsche" Studium bzw. die "falsche" Ausbildung zu wählen und da immer noch sehr leistungsfähig zu sein trotz beginnender oder leichter Depression kenne ich auch, und damit sogar Stipendium zu bekommen.

Bei mir persönlich war es so, dass die Depression lange nicht verstanden wurde, erst mit knapp 50 Jahren, was jetzt wenige Jahre her ist. Aus Altersgründen war das Loch, in das ich gefallen bin, dann auch sehr tief. Ich kannte es auch nicht, so zu gar nix mehr Kraft zu haben. Den Notarzt hatte ich auch mal daheim, der mich dann in die Arztpraxis fuhr.

Trotzdem, ich habe den Eindruck, dass die Philsosophin sich genau dieses große Ziel stecken muss, sonst geht nicht ausreichend viel. Mein Gefühl sagt, dass es in die richtige Richtung geht, das Abenteuer Leben und Ausbildung beginnen kann. Manchmal wird vielleicht noch fremde Hilfe nötig sein, der Grundstein scheint gelegt: Die Genesung scheint zumindest weitestgehend zu gelingen.

Gruß Gertrud
anna54
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von anna54 »

Liebe Grüße liebe Leni!
anna54
Secret
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Secret »

Hallo Foris,

habe gerade hier die Beiträge gelesen, kann mich nur nicht so bei längeren Texten konzentrieren. Aber das Thema beschäftigt mich auch sehr. Ich wurde damals als Arbeitsfähig in Vollzeit aber ohne Überstunden entlassen. Das mache ich aber nicht, da Haushalt auch Arbeitszeit ist arbeite ich in Teilzeit. Für mich die beste Lösung, so habe ich meine Tagesstruktur und nicht zu viel Beslastung. Nach 5 Stunden vormittags bleibt mir noch genug Energie.
@die Neue: jede Depression ist anders, ich hatte keine körperliche Beschwerden. Es ging sich mehr um Kränkungen von Mitmenschen. Daher Hut ab was du alles geschafft hast. Und eins habe ich während meiner Krankschreibung und Auszeit gelernt: alles kann - nichts muss. Und das ich mich nicht mehr nur über meine Arbeit definiere hat mir Freiheit gegeben.
Seit dem klappt es besser als vorher.
LG

Secret
malu60
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von malu60 »

editiert
Zuletzt geändert von malu60 am 20. Feb 2021, 09:16, insgesamt 1-mal geändert.
Leben ist mehr
Philosophin
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Re: Vollständige Genesung anstreben

Beitrag von Philosophin »

Hallo zusammen,

ich verstehe nicht so recht, warum das Thema "Arbeit" hier so negativ besetzt ist und nur mit einem Leistungsgedanken verknüpft wird. Ich denke, dass ein passender Beruf stabilisierend auf die Psyche und das Selbstwertgefühl wirken kann und gerade für junge Menschen einen wichtigen Schritt aus der Depression bedeuten kann.

Es tut mir leid, dieNeue, dass du dein Studium aufgeben musstest. Für mich heißt das trotzdem nicht, dass du gar nicht mehr arbeitsfähig bist. Ich musste mein Abitur aufgeben und damit vorerst auch Studienpläne. Zu der Zeit war ich so geschwächt, dass ich auch keinen Sport machen konnte und mit Spaziergängen anfangen musste. Ich war schon überfordert, einen Supermarkt betreten zu müssen (zu große Reizüberflutung) oder mich mit Behörden auseinandersetzen zu müssen- deshalb wurde mir auch eine ambulante Betreuerin zur Seite gestellt.

Nach ein paar Monaten ist mir bewusst geworden, dass ich so nicht leben will. Ich will nicht diesen "Behinderten- oder Krankenstatus" haben. Ich will auch keinen Betreuer an meiner Seite haben, der sich in meine Angelegenheiten einmischt.

Ich bin auch kein Mensch, der in einer Psychiatrie, Institutsambulanz oder beim Psychiater Hilfe findet. Eine Depressions-Behandlung nach aktuellen Leitlinien ist nicht passend für mich. Das bedeutet für mich aber nicht, dass ich keine Chance mehr auf Heilung habe, sondern nur, dass ich weiter suchen muss.

Liebe dieNeue, hast du schon mal körpertherapeutische Verfahren ausprobiert, Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen? Akupunktur? Physiotherapie? Gestalttherapie? Musiktherapie? Das konnte ich aus deinen Beiträgen nicht herauslesen. Ein Klinikaufenthalt und ein Umzug sind in meinen Augen nicht viel Bemühung, was nicht bedeuten soll, dass ich deinen Leidensweg nicht anerkenne. Ich denke nur, dass da noch wesentlich mehr geht.

Wenn ein Klinikaufenthalt dir geschadet hat, ist das m.E. kein Grund, nicht noch einen zu machen. Ich habe sieben Klinikaufenthalte hinter mir. Davon war nur einer hilfreich und zwei haben mir extrem geschadet. Das ist hart, aber kein Grund sich zurückzuziehen.

Ein Leben mit Depressionen ist für mich wie lebendig begraben sein. Ich kann von daher beim besten Willen kein Verständnis dafür aufbringen, wie Menschen in meiner Altersklasse ein Leben mit dieser Erkrankung und den vielen damit verbundenen Einschränkungen akzeptieren können.

Liebe Grüße
Philosophin
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