Dysthymia

juan
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Re: Dysthymia

Beitrag von juan »

An Gast 4711.Bevor du so einen Scheiß erzählst und anderen Forumsteilnehmern zum Selbstmord rätst,solltest du lieber NICHTS sagen und deine Meinung für dich behalten.
gast4711
Beiträge: 14
Registriert: 6. Mai 2004, 17:59

Re: Dysthymia

Beitrag von gast4711 »

@juan chili: Etwas konstruktiver würde ich mir Kritik doch schon wünschen und das Geschriebene nicht einfach als “Scheiß“ bezeichnet sehen.
Im übrigen habe ich ganz im Gegenteil niemandem zum Selbstmord geraten. (Wer seine Existenz als nicht-enden-wollenden Albtraum schildert, wird abgesehen davon ohnehin sicher darüber schon einmal nachgedacht haben, doch) Meine Intention ging in eine ganz andere Richtung. Offenbar hast Du den Beitrag nicht richtig gelesen oder ich habe mich wirklich so mißverständlich ausgedrückt. Es ging mir darum drei Möglichkeiten bei nicht zu ändernden Dispositionen und erkannten Sinnzusammenhängen für Menschen wie Andre aufzuzeigen: 1. Leben 2. Sterben und 3. die aus dem Leben das Wenigste machende Wahl: lebenslänglich jammern über nicht Änderbares.
Andre_I
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Re: Dysthymia

Beitrag von Andre_I »

Hallo Gast

Ich danke Dir für Deinen Beitrag. Ich möchte zu Deinen Äusserungen auch etwas sagen.

Erwartungshaltung: Ich habe an das Leben keine Erwartungen, ich hatte als Kind, Teenie, junger Erwachsener viele Illusionen und ich war etwas länger, etwas naiver als andere. Ich habe mich immer darauf verlassen, dass sich im Leben alles automatisch ergibt. Klar, das ging nicht auf und die Realität hat mich auch eingeholt. Meine Illusionen gingen verloren und ich habe es eigentlich nie geschafft meine Erwartungen und meine Wünsche an mich oder die Umgebung zu formulieren. So ist es schwierig dem Leben eine Richtung zu geben

Stressfaktor Beruf: Es gibt sicherlich stressigere Berufe, als den meinen. Ich würde nie mit einem jungen Assistenzarzt tauschen wollen, ich würde nie auf dem Bau arbeiten wollen (ich komme aus einer Handwerker Familie - weiss, was es bedeutet). Aber darum geht es mir auch gar nicht, man kann in jedem Beruf Stress haben oder man kann es locker sehen, es hat mit Wahrnehmung zu tun. Dass ich die Dinge nicht locker sehen kann, sondern mir ständig das Leben schwerer mache, als es ist, hast Du ja erkannt. Ich bin in den goldenen Zeiten in die IT eingestiegen. Kohle, Nebenleistungen, Extras ohne Ende. Ich hatte mich früher immer in die Arbeit geflüchtet, ich nahm einfach an, dass wenn ich so die anderen Dinge des Lebens nicht in den Griff kriege, dass ich im Job meine Erfüllung (Ablenkung) finde. Aber das hat sich in den 90er Jahren gewandelt. Ich arbeite für einen Grosskonzern, der seit 5 Jahren eine Entlassungswelle nach der anderen durchführt. Es kam immer näher, traf Leute um mich herum. Eine Reorg nach der anderen, es gibt seit 5 Jahren in diesem Betrieb keine einzige gute Nachricht, alle haben nur noch Angst um ihren Job und es gibt absolut keine Jobs in meiner Region. Ich bin im Outsourcing und wir schaffen die Jobs systematisch nach Osteuropa, Asien. Ja, ich habe dauernde Verlustängste und das macht mich absolut fertig. Die Leute werden gefeuert, die Arbeit bleibt, der Druck steigt. Ich weiss, es gibt Leute die arbeiten mehr, aber bei durchschnittlich 55 Stunden/Woche, viel Wochenendarbeit, Bereitschaftsdienst, hat es bei mir irgendwo den Zenit getroffen. Ich habe wegen Job-Angst in 7 Jahren 4 berufsbegleitende Schulen und unzählige fachliche Zertifizierungen gemacht. Das alles hat auch man einen Reserven gezerrt und ich habe nichts, woraus ich Kraft schöpfen kann. Versthet Du, man gibt und gibt, aber es kommt nichts rein. Das geht mir an die Nieren ok. Angst ist ein sehr mächtiger Antrieb, aber man brennt mit ihm sehr schnell aus. Andere Menschen haben sicher mehr Reserven

Das mit dem Ausdauersport bedeutet 2 - 3 mal in der Woche 45 Minuten auf dem Velo zu sitzen. Das geht auch spät am Abend und ich hab das gemacht, weil ich Schlafstörungen habe. Was bedeutet, dass ich Wochenweise 3 - 4 Nächte hintereinander um 01:30 aufwache, hellwach bin, der Arbeit nachgrüble. Dann am Morgen zu einer Arbeit fahre, wo man wegen mangelhafter Leistungen ziemlich schnell rausfliegt, was wieder zu Angst führt, etc.. (Ich habe in meinem bisherigen Berufsleben gesamthaft noch keine 5 Tage wegen Krankheit gefehlt.)

Realitätsverlust: Ja sicher, aber eine verzerrte Wahrnehmung von sich selbst und der Welt ist schliesslich auch ein Symptom von depressiven Verstimmungen. Ich nehme im Leben nur negatives wahr. Ich habe nichts anderes behauptet. Ich verstehe, dass Du es als Realitätsverlust siehst. Du schreibst nicht viel darüber, wie Du das Leben siehst und warum Du es so siehst, wie Du es siehst. Mir geht es eben so, dass ich es seit ich 12 (oder so) war nur negativ wahrnehme. Ich glaube schon, dass es schwer verständlich ist, wenn ich sage, dass ich dieses Leben als Albtraum wahrnehme. Natürlich könnte man argumentieren, dass es vielen Menschen viel schlechter geht, Hunger, Krieg, Krankheit etc.etc., aber jeder Mensch muss mit sich selbst durchs Leben kommen. Jeder sieht primär seine eigenen Probleme. Man braucht als Mensch eine gewisse Bestätigung von aussen. Es gibt wenige Menschen, die von sich aus stark sind. Meistens sind sie es durch Zuspruch, Unterstützung von aussen geworden oder konnten Erfahrungen machen. Man muss verstehen, dass es ohne dies, eben auch das Gegenteil gibt.

Suizid: Ja, warum springe ich nicht von einem Hochhaus? Gute Frage. tatsächlich denke ich jeden Tag an den Tod und weit darüber hinaus, schon Jahre lang. Tod ist Hoffnung, Tod bedeutet das Ende dieses Lebens. Tod ist vielleicht einfach ewige Stille, vielleicht aber auch der Anfang von etwas Neuem (Gibt es ein Leben vor dem Tod?). Ich habe eine Sehnucht danach nicht zu Leben. Warum springe ich trotzdem nicht? Einerseits, weil es noch Menschen in meinem Leben gibt, denen ich nicht noch mehr weh tun möchte. Ich fühle mich ihnen verpflichtet und will sie nicht enttäuschen. Wenn es sie nicht mehr gibt, vielleicht. Ich habe Panik davor die nächsten 40 Jahre mit meinen Gedanken weiterzuleben. Mein grösstes Problem ist die Einsamkeit und obwohl ich deine Worte lese und ich auch weiss, dass es viele Menschen gibt, die allein sind, so ist die Einsamkeit doch das, woran ich mich niemals gewöhnen kann.
Dann, und ich nehme an, das wirst Du nicht verstehen können, bin ich nicht suizidär, ich habe schlicht den Wunsch nicht zu existieren. Mein Leben hat für mich keine Bedeutung, trotzdem würde ich es (noch) nicht künstlich beenden. Ich flüchte nicht vor den Dingen, auch wenn ich alles hasse, was ich tue. Ich wünsche mir einfach schon jahrelang tagtäglich nicht zu existieren. Du darfst deswegen über mich herfallen, kein Problem.
Ein weiterer Grund ist auch, dass Selbstmord für mich, wie ein Notausgang ist. Es ist beruhigend zu wissen, dass diese Tür da ist und egal was kommt, ich kann diese Tür aufmachen. Es ist vermutlich nicht verständlich, aber die Tatsache, dass dieser Weg stets da ist, hilft die Tür nicht zu nehmen. Ansonsten habe ich dieses vollautomatische 5.6 mm Sturmgewehr aus meiner Militärzeit in meinem Schrank, die Munizion steht auf meinem Bücherregal.

Sinn, Sinnhaftigkeit, Seele: Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Du den Weg in dieses Forum gefunden hast, wieso Du Dir meinen Beitrag ausgesucht hast. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich mein Beitrag durch etwas speziell hervorgetan hätte.
Du klingst so überzeugt, dass es keine Seele und keinen Sinn im Leben gibt. Siehst Du, ich habe schon als Junge im Geist nur in der Vergangenheit und in der Zukunft gelebt. Ich habe mich in der Gegenwart nie wohl gefühlt. Ich war ein Träumer mit zu viel Fantasie. Ich habe alles mögliche über Geschichte, über das Universum verschlungen und mir Fragen nach Herkunft, Ziel, Zweck und Sinn von allem gestellt. Ich hatte einfach nicht die Intelligenz eine sinnvolle Antwort darauf zu finden. Ist alles nur Zufall, ohne Plan ohne Gott? Dann ist der Zweck des Menschen, sich zu paaren, die eigenen Gene weiterzutreiben, sich zu ernähren und zu sterben. Für meine Wahrnehmung ist dies kein akzeptabler Lebensinn. Es gibt eh zu viele Menschen. Es wär für mich aber ok, wenn nach diesem Leben alles zu Ende wäre. Wenn es jedoch eine Seele gibt, vielleicht gibt es dann auch Götter (ich halte die christliche Religion für bescheuert). Vielleicht trifft die buddhistische Betrachtung zu. Es wäre ein Hoffnungsschimmer, wenn man wüsste, dass es nachher weitergeht. Zu sagen, es gibt keine Seele könnte ich meinerseits als Realitätsverlust sehen, denn die grössten Intelligenzen der Menschheit waren grösstenteils gläubige Menschen und kamen in der Wissenschaft an Grenzen, wo ihre Erklärungen endeten. Wie kann es sein, dass Du dies so kategorisch verneinst? Ist es so, dass Du glaubst für Dich alle Fragen befriedigend gelöst zu haben und den Weg zu kennen? So eine Phase hatte ich auch vor langer Zeit. Ich habe inzwischen gelernt, dass ich nichts weiss ...

Pizza und Jammern: Du hast recht, Freude an kleinen Dingen zu empfinden wäre das Richtige. Und Du hast auch recht, dass dauerndes Jammern nicht hilft. Weisst Du, es gab vieles was ich probiert habe. Natürlich war es meist schwierig in einem psychisch etwas .. ähm ... angeschlagenem Zustand Dinge auszuprobieren. Weil man ja grundsätzlich schon mit der Idee zu scheitern an Dinge heran geht. Und was soll ich sagen? Ja, ich bin immer gescheitert gescheitert und hab mir meist meine Meinung über mich selbst nur bestätigt.
Es gab sehr langanhaltende schwarze Löcher in meinem Leben, die sehr stark von Selbstmitleid, völliger Hoffnungslosigkeit, Angst und Trauer bestimmt waren. Ich habe einige male probiert es Freunden, Kollegen und Verwandten zu erklären, aber man kann es nicht erklären. Und man kriegt in diesen Phasen keine Hilfe. Wenn es soweit ist, tut sich ein Schlund auf und zieht einen rein. Völlige geistige Dunkelheit. Rationale Gefühle helfen da nicht. In diesen Phasen hatte ich häufig das, was ich geistige Selbstzerfleischung nannte. Wenn Du im Loch drin sitzt, beginnt es im eigenen Kopf loszuleiern, alles was an einem schlecht ist, alles worin man versagt hat, alle Fehler, die man jemals gemacht hat und machen wird wie ein Mantra heruntergeleiert, man kann es in diesen Momenten nicht stoppen. Man spürt, dass man sich selbst wehtut und jetzt kommt das absolut völlig hinrissige: Mit der Zeit braucht man es. Wenn man etwas falsch macht, beginnt es im Kopf automatisch loszuleiern, es ist als könnte man seinen Fehler dadurch gutmachen, dass man sich selbst bestraft und sich wehtut. Das Selbstmitleid hat in diesem Kontext eine wichtige Bedeutung. Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, dass wenn man dies über viele Jahre mit sich selbst macht, dass in einem drin etwas kaputt geht. Ich habe ein sehr schlechtes Selbstbewusstsein, ich habe grosse Mühe Entscheidungen zu treffen oder anderen Menschen gegenüber sicher aufzutreten. Ich habe grosse Angst zu versagen, Fehler zu machen oder Erwartungen nicht zu erfüllen. Das führt dazu, dass man jede Aktion, jedes Vorhaben sehr viel Überwindung kostet. Ich nehme Gefühle nur sehr dumpf wahr, wie durch Watte hindurch. Freuen kann ich mich nicht. Das musst Du mir einfach glauben. Vielleicht liegt es an irgendeinem blöden Saft, der in meinem Hirn nicht produziert wird, vielleicht liegt es an der Gehirnwäsche, die die depressiven Phasen verursacht haben. Ich weiss es nicht. Versuch Dir einfach vorzustellen, dass man nach ein paar Jahren, wo man diese Gefühle dauernd empfunden hat, "etwas müde" ist.

Mit dem normalen Leben abfinden: Mag sein. Mein Leben ist ziemlich normal von aussen betrachtet. Meine Gedanken sind es nicht, meine Gefühle sind es nicht. Und vielleicht wäre ich besser dran, wenn ich arbeitsunfähig wäre und eine Weile in der Klappse verschwinden würde. Tatsächlich glaube ich auch, dass das eine Art Zivilisationskrankheit sein könnte. Die Menschen degenerieren, nicht wahr? Kommt Deine Kritik evtl. daher? Dass man über Lapalien und Egoismus die grossen Probleme übersieht? Nun ja, tatsächlich habe ich die ersten 10 Jahre mit niemandem darüber geredet, ich hab das ja alles auch nicht verstanden und als ich es verstanden habe, habe ich mich geschämt und versucht das irgendwie selbst zu klären. Ging nicht. Und dann, wenn ich es so genau überlege, sind Krebs, Kriege und Verkehr nicht auch Zivilisations"Krankheiten"? Bestimmt sogar, nur die töten relativ schnell und man muss sich dafür nicht schämen. Mit depressiven Verstimmungen und Phasen kann man das ganze Leben irgendwie durchbringen.

Ich sehe Deinen Kommentar durchaus als sinnvoll an, denn manchmal redet man sich selbst in Dinge hinein, die nicht das sind, was sie scheinen. Manchmal tut es gut einen Reality-Check zu erhalten. Dennoch lese ich in Deinem Kommentar doch auch einiges an Bitterkeit und einem etwas getrübten Weltbild heraus. Ich bin mir deshalb nicht ganz sicher, warum Du in diesem Forum schreibst. Bei mir hat es mit einer einfachen Frage angefangen, auf die es keine Antwort gibt. Was Du meinst, wenn Du mich und meinesgleichen erwähnst, weiss ich nicht. Worin Deine Motivation besteht viele abfällige kritische Kommentare über mich zu machen weiss ich auch nicht. Fällt es Dir schwer zu erfassen, dass es verschiedene Wahrnehmungen gibt? Oder denkst Du, dass man ein bestimmtes Kriterium erfüllen muss um posten zu dürfen.

Weisst Du das positive, was ich wirklich in meinem Leben gelernt habe ist, dass es auf dieser Welt niemanden gibt, der mir auch nur annähernd so weh tun kann, wie ich selbst. Die Gefühlszustände jemandem erklären zu wollen, der dies alles nicht kennt, das ist so, als wollte man einem Strichmännlein das Konzept der Räumlichkeit erklären. Es geht nicht, egal wie sehr man sich anstrengt.

Grüsse
André
So long and thanks for all the fish
gast4711
Beiträge: 14
Registriert: 6. Mai 2004, 17:59

Re: Dysthymia

Beitrag von gast4711 »

Zuerst zu Sun: Es ist keineswegs und ganz und gar nicht so, daß ich das nicht nachvollziehen kann, weil ich es noch nicht am eigenen Leib verspüren würde. Gerade die Gemeinsamkeiten zu Andre hatten mich zum Schreiben hier bewogen.

Zu Andre: Ich will hier gar nicht aufzählen, wie unzählig viele Antidepressiva und Therapien ich schon durch habe. Gerade das ist es ja, was mich zu einer anderen Einstellung zu der ganzen Problematik bewogen hat.

Auch ich habe am Rande mit Computern zu tun, aber durch mein hohes Alter habe ich keine Chance auf eine feste Anstellung mehr. Ich versuche mich mehr schlecht als recht selbständig durchzuwurschteln.
DIE Erfüllung habe ich vielleicht nie in meinem Job gesehen, allerdings waren mein Eifer und mein Einsatz früher, als ich dachte noch Frau und Familie haben zu können und ein “normales“ Leben führen zu können, viel größer. Doch ich fand meiner Krankheit entsprechend nur Depressive und Bindungsunfähige Partnerinen und so verflüchtigten sich nach Verlassenwerden und Kündigungen auch meine Ideale.
Auch meine Reserven sind so gering, daß ich das mit der Familie sowieso nie geschafft hätte.
Einen Ausgleich oder etwas, das mir Kraft gibt hatte auch ich nie (in mir schüttet nicht einmal Sport ein einziges Endorphin aus; war schon seit Monaten nicht mal mehr langsam Fahrrad fahren).
Wegen Krankheit habe auch ich erst einen Tag in meinem Leben gefehlt, aber spätestens nach der zweiten “betriebsbedingten“ Kündigung mache ich mich da vor Angst nicht mehr verrückt. Vor wenig Zeit habe ich das Leben fast ganz genau so gesehen wie Du und vielleicht ist es ja auch so. Ich deutete ja schon an, daß es auch in meinem Leben nicht viel Positives gibt und erst Recht gab. Und das nehme ich auch seit ich 12 bin nicht anders war. Allerdings früher stärker abgelenkt von Zielen wie Ausbildung, materiellen Hobbys und Partnersuche. Bei letzterer habe ich erfahren, daß es durchaus eine Reihe von Frauen gibt, die das unerträglich leichte Leben als ein einziges fröhliches, leichtes Dahinschweben auf einer Glückswolke empfinden, doch ich weiß nach allen Versuchen, daß ich durch meine Genetik nicht zu solch einem Menschen werden kann.

Freitod als Alternative kann es sicher nicht sein. Denn erstens gibt es (das würden meine naturwissenschftlichen Kenntnisse gar nicht zulassen) für mich ganz sicher kein Leben nach dem Tod und zweitens hat man so die Wahl zwischen diesem Leben (mit all seinen für einen selbst vielleicht beschränkten, aber vorhandenen Möglichkeiten) und dem NICHTS. (und da kann LEBEN nur MEHR sein)

Weh tun würde ich durch einen Freitod nur meiner Mutter (und die würde das schon verkraften), aber das NICHTS hat man schon VOR der Geburt und NACH dem Tod, so daß man die paar wenigen Jahre, die man leben kann schon irgendwie nutzen sollte. Außer einer tödlichen Krankheit mit starken Schmerzen sehe ich daher keinen Grund für den Gebrauch des Notausganges. (Nebenbei: Das mit dem Sturmgewehr kann übrigens auch nach hinten losgehen; kenne einen Möchtegernselbstmörder, der sein Sehzentrum getroffen hat und jetzt nicht tot sondern blind ist...)

In den Beitrag bin ich gestolpert, weil meine Partnerin ihn mir gemailt hatte (warum auch immer; vermutlich sah sie viel von mir in Dir).

Geträumt habe ich zwar auch immer viel, aber auch immer mehr erkannt, daß vieles Illusion bleiben wird. Aber seit ich nicht mehr an den Osterhasen glaube und mich in meiner Jugend naturwissenschaftlich etwas gebildet habe, schließe ich mit einer zugegeben etwas militanten und ultraselbstsicheren Überzeugung aus, daß es auch nur irgend etwas Transzendentes gibt.

Ganz sicher hat Leben nur den einen “Sinn“: Durch die von der Sonneneinstrahlung geförderte Photosynthese (Pflanzenwuchs) und damit hervorgebrachte Säugetiere wie Menschen sich so weit vermehren zu lassen, daß sie weiter Pflanzen oder andere Tiere fressen können.
Das ist sicher für einen denkenden, kultivierten Menschen kein akzeptabler Lebenssinn, aber dennoch die Wahrheit und der einzige ‘Zweck‘ / “Sinn“.

Das Wort ‘Zweck‘ paßt hier sowieso besser und das Wort Sinn sollte man auf logische Zusammenhänge beschränkt lassen, denn der “Sinn“ nach dem Du und so viele Menschen fragen ist nichts als die Suche nach der Definition eines Wortes, das die unstillbare Lust auf mehr (dahinter) befriedigen können soll.
Auf jede Antwort könnte man schließlich fragen: “Na schön, und dann...?“
Glaube und Größe der Intelligenz schließen sich da gar nicht aus. Im Gegenteil glaube ich, daß gesunde Menschen (egal ob dumm oder intelligent) einen natürlichen Drang zum Übersinnlichen haben, auch wenn (oder gerade weil) Religion ja logisch oder wissenschaftlich nie begründet werden kann (und so ein unzerstörbarer Trostquell da ist).

Sicher weiß ich nicht alles und viele wissenschaftliche Details sind und bleiben ungeklärt, aber wenn man Blitz und Donner wahrnimmt, besteht für mich eben kein naiver Anlaß dazu, an Götter des Donners zu glauben, auch wenn man so auf die für manche wohltuende, tröstende Hoffnung der Religion verzichten muß. Aber gerade das kostet auch so unendlich viel Kraft, daß man jeden Tag auf’s neue an der Absurdität dieser gottlosen Welt verzweifeln und sich selbst zerfleischen möchte.

Das kann alles, wenn man viel allein ist, zum Selbstläufer und zur ‘Sucht‘ werden.
Manche Therapeuten meinen, daß es so Menschen gibt, deren Körper und Gehirne es immer wieder suchtartig zu negativen Gedanken hinzieht.
Von einem bekam ich gar Neuroleptika um mein angeblich gestörtes Weltbild geradezurücken, weil ich eine Weile in Szenekneipen zu abgedrehte Leute beobachtete und deren Welt und Leben als die ‘Normalität‘ gesehen habe.

Natürlich ist in meinem Beitrag oben auch Bitterkeit und ein trübes Weltbild zu sehen. Vieles davon war ja auch zynisch gesagt, aber der Tenor ist, daß man sich mit den Gegebenheiten abfinden sollte, wenn man definitiv begriffen hat, daß man sie nicht grundsätzlich ändern kann.

Früher habe ich die Leute immer verspottet, die mir mein Grübeln vorgeworfen haben und nie verstanden, warum ich mir das Leben so schwer mache.
Inzwischen weiß ich, daß alles Grübeln weder einen Sinn noch einen Gott noch ein wirksames Mittel erzeugt, um meine Gene so zu verändern, daß ich zu einem grundsätzlich nicht melancholischen, nicht mehr ernstem Wesenstyp würde.

Das gilt sicher nicht so für alle depressiven Menschen oder Menschen mit vielleicht heilbaren 2-10 jährigen Dysthymien (auch wenn bei den meisten meiner depressiven Bekanntschaften die AD’s und Therapien auch nie wirkten), aber für Menschen, die schon ihr Leben lang (seit sie 12 sind) das Leben eher als Albtraum empfinden, sollte man diesen Weg des “positiven Arrangements“ mit der “Krankheit“ d.h. dem Wesenstyp und anderen Gegebenheiten einschlagen.


In diesem Sinne allen ein halbwegs akzeptables Leben, Grüße vom Forumsgast4711
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