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Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 11. Mär 2004, 09:31
von igel
Hallo Lea,

vielleicht wäre es ein Weg für Dich, die kleine Lea anzunehmen und sie zu lieben!? Aber Du musst natürlich bereit dafür sein. Ich glaube, die schreit regelrecht........aber es hat seinen Grund, wenn Du sie überhörst.

Es geht m.E. auch nicht nur darum, ständig Schlimmes zu durchleben. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber mir bringt es auch Sicherheit für das Hier und Jetzt. Heute kann ich auch ein bischen das "heilen", was früher gefehlt hat.

Verschnupfte Grüsse,

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 11. Mär 2004, 09:38
von igel
Hallo Anastasia,

"...es wird vielleicht zu persönlich und abgehoben." Ich finde es gar nicht verkehrt, zu der Theorie auch persönlich zu erzählen. Wie geht es Dir damit? Hast Du Angst, zu viel von Dir zu erzählen weil Du glaubst, dann egoistisch zu sein?

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 11. Mär 2004, 12:08
von Anastasia
hallo, Igel
Mit Egoismus hat es weniger zu tun. Es ist mehr die Angst verletzt zu werden. Es ist ein sehr empfindlicher Bereich für mich und ich schreibe es hier nur, weil es mir so sehr hilft und ich hoffe, daß es für irgendjemanden eine Anregung sein kann. Aber für mich selbst ist es halt wirklich sehr persönlich und damit mache ich mich angreifbar. Hier im Net gibt es zwar den Schutz der Anonymität, aber Worte können wie Waffen sein...
LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 14. Mär 2004, 10:31
von igel
Hallo Ana,

ich weiss nicht, ob Du Dich wirklich angreifbar machst. Aber ich kenne diesen Gedanken auch und habe für mich herausgefunden, dass Reden hilft. Ich habe nie über mich gesprochen, habe von klein auf alles mit mir selbst ausgemacht. Es ist heute eine Erleichterung, deshalb rede ich vielleicht manchmal ein bischen viel .

In der Familie schütze ich mich immer noch.

Was glaubst Du, könnte Dir passieren, wenn Du (mehr) redest? Was stellst Du Dir darunter vor, angegriffen zu werden? Wurde immer alles als "falsch" hingestellt, was Du sagtest? Ich hoffe, die Fragen sind nicht zu persönlich.....

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 14. Mär 2004, 10:51
von igel
Hallo Ben,

ein bischen bin ich noch im Konflikt wegen des Schreibens. Nicht nur wegen des Schreibens .......

Meine Familie. Ich finde keine klare Linie für mich. Mal will ich den Kontakt, dann wieder nicht. Hast Du Dir auch mal die Frage gestellt, ob Du den Kontakt ganz abbrechen sollst? Hast Du für Deine Familie ein gleichbleibendes Gefühl?

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 14. Mär 2004, 16:06
von Anastasia
Hallo Igel!
Schwierige Fragen. Mal sehen, was ich dazu antworten kann. Was passiert wenn ich mehr rede? Reden meint dann an dieser Stelle, Persönliches ansprechen, von eigenen Gefühlen sprechen, von dem was mich verletzt, was mich glücklich macht, was mich traurig macht...Davon weiß ich doch so wening. Manchmal sind diese Gefühle da, aber sie sind so schwer einzuordnen und zu beschreiben. Wie soll ich sie in Worte fassen? Manchmal merke ich erst später: da warst Du wütend, oder da warst Du verletzt. Der Augenblick der Reaktion ist längst verstrichen, doch mir wird klar, daß ich in der Situation wieder nicht meine Gefühle wahrnehmen konnte und so nicht reagieren konnte, wie es mir selbst entspricht.In einem relativ geschützten Raum, wie in der Therapie versuche ich darüber zu sprechen, aber schon gegenüber meiner Familie verstumme ich. Sie konnten früher schon nicht verstehen, wenn ich von Gefühlen sprach, die zu dem Zeitpunkt für mich tatsächlich präsent waren. Wie sollen sie heute verstehen, wovon ich spreche, wenn ich selbst es nicht mehr richtig fühlen kann? Und dann in der Umwelt kann ich gar nicht über mich sprechen. Was wenn sie merken, daß ich schwach bin, wenn sie sehen, daß ich nicht alles im Griff habe? Ich weiß, daß es eine weichgespülte Illusion ist, aber ich kann von ihr nicht lassen. Ich brauche diesen Schutz immer noch. Ich brauche die Idee, daß meine Umwelt nur die zuverlässige Kollegin, die immer alles schafft in mir sieht. Irgendwann werde ich es mir selbst vielleicht eingestehen können, daß ich nicht perfekt bin. Aber solange muß ich daran glauben, daß es kein anderer merkt.
Was ich mir vorstelle, wenn ich angegriffen werde? Nun der schlimmste Angriff, den ich mir vorstellen kann, ist der, daß mir irgendjemand meine Maske runter reißt und alle sehen können, wer ich wirklich bin. Das macht mir deshalb so viel Angst, weil ich selbst ja gar nicht weiß, wer ich wirklich bin. Was würde man da zu sehen bekommen?
Ich weiß nicht, ob Du etwas von dem wirren Zeug, was ich hier schreibe verstehen kannst. Aber ich danke Dir für´s Lesen
LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 14. Mär 2004, 22:13
von ben1
Hallo Igel

mein Verhältnis zu meiner Familie ist heute sehr viel weniger von Vorhaltungen und Erwartungen geprägt - ich habe mich da "freigeschwommen" (da muß man erst ein bißchen weg) und habe jetzt ein eher gleichbeechtigtes und sehr interessiertes Verhältnis zu meinen Eltern. Ich sehe sie eben nicht mehr als die "unvollkommenen Allmachtsgestalten" (eine neue Wortschöpfung - ich hoffe, Du kannst was damit anfangen), sondern sehe sie auch als ganz normale Menschen mit Ihrer Geschichte, mit ihren Problemen und ihrem Leiden, ihren Krisen usw. die sie zu denen gemacht haben, die sie sind.
Ich denke (das Wort zum Sonntag, Achtung!) Alle Menschen sind irgendwie Täter und Opfer zugleich. Und um das bei den eigenen Eltern zu sehen ist eine gewisse Distanz ganz angebracht, da muß man sie erst mal von dem hohen Sockel runterholen, auf dem Eltern (qua Definition) stehen, und zwar nicht mit Gealt runterzerren, sondern erkennen, das man den Sockel selbst aufgebaut hat, weil die Eltern eben mal für sowas wie Allmachtsgestalten gehalten worden sind, was sie aber eigentlich nie waren.

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 14. Mär 2004, 22:25
von ben1
Hallo Anna

wenn ich mich einklinken darf - das mit der Maske (oder der Fassade) ist ein großes Thema im Bereich der Depression. Was bleibt denn von mir übrig, wenn ich nicht mehr funktioniere? Ein häufchen Elend? Ein hässliches Entlein? Am Ende eine gewalttätige, ungeliebte Person? Diese Fragen sind präsent und machen Angst! Aber - auch die Fassade, die Du lebst, gehört zu Dir, diese Anteile wirst Du also nicht verlieren. Was sich ändert, wenn man sich auf sich selbst einläßt ist "nur", das man mehr Persönlichkeitsanteile wahrnimmt und damit auch die Verhaltensweisen einen neuen, größeren Spielraum erfahren. Wenn mich heute jemand ärgert, dann kann ich verstädnisvoll reagieren und die Schuld bei mir suchen (so wie das bisher war), ich kann aber auch ohne schlechtes Gewissen "zurückschlagen", weil ich z.B. meine eigene Aggressivität wieder entdeckt habe. Derzeit ist sozusagen Dein "Überich" am Ruder, das Dir sagt "mach das, tu das, lass dass" und Dir damit eine Menge Verhaltensspielraum (der eigentlich da ist und zum lebendigsein gehört) raubt. Die Angst des Überich ist jetzt eher, das das Es ans Ruder kommt und Du nur noch Deine Urinstinkte und Triebe auslebst - also einen kompletten Persönlichkeitswandel durchmachst. Das stimmt so aber nicht. Es gilt, die "vernünftige Instanz" (dem Ich), den Mittler zu stärken, der zwischen den Anforderungen des Überich und des Es vermitteln kann, der Dir also mal erlaubt, alle 5 grade sein zu lassen und einfach zu leben, der aber auch soviel Verantwortungsgefühl hat, Dich durch diese Lebensart nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Deine "Schattenseiten" (also Deine Persönlichkeitsanteile, die Du derzeit nicht leben darfst) sind dennoch präsent und zeigen sich auch (wenn Du genau hinsiehst) immer wieder mal in Deinem Leben. Kannst Du damit was anfangen?

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 15. Mär 2004, 07:16
von Anastasia
Hallo Ben,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Mit dem was Du geschrieben hast kann ich schon was anfangen. Die aus der Psychologie stammenden Bezeichnungen von Es, Ich, und Überich kenne ich natürlich auch. Für mich persönlich sind sie allerdings zu theoretisch. Ich versuche meine Persönlichkeitsanteile durch Charakterisierung zu beschreiben und komme ihnen damit gleichzeitig etwas näher. Da gibt es den strengen Kontrolleur, der sehr mißtrauisch und totalitär das Regime führt. Dann gibt es da den Quälgeist, der immer querschlägt, quengelt und mault und total unkonstruktiv ist. Außerdem ist da noch ein kleines Kind, total verängstigt und Schutz suchend. Dann gibt es noch die Yogi-Frau, sie ist sehr spirituell und will mit dem gewöhnlichen Leben nichts zu tun haben. Es gibt noch ein paar Darsteller mehr, aber das würde zu weit führen. Zur Zeit bin ich noch in dem Stadium, sie alle kennen zu lernen, aber ich hoffe irgendwann sie alle zu einer friedlichen, gleichberechtigten Hausgemeinschaft zusammführen zu können. Ich hoffe, daß ich durch die Integration dieser verschiedenen Persönlichkeitsanteile dann der Heilung einige Schritte näher komme (das behaupten zumindest meine Therapeuten, und ich hoffe sehr, daß sie sich nicht irren).
Was Du am Anfang Deiner Antwort über die verschiedenen Verhaltensweisen geschrieben hast, hört sich wirklich gut an. Es macht Hoffnung, das auch einmal selbst erleben zu können. Im Moment kann ich viele meiner Gefühle / Persönlichkeitsanteile keinen Raum geben und sie nicht spüren. Aber mit der Zeit werde ich es hoffentlich wieder lernen. Wut oder Aggression sind zum Beispiel Gefühle, die ich überhaupt nicht kenne, empfinden kann. Natürlich habe ich auch Angst, diese heftigen, eventuell unkontrollierbaren Gefühle wiederzuentdecken, aber ich weiß eben auch, daß sie zu uns Menschen gehören und das jeder sie hat und daß sie ungelebt noch gefährlicher sind, als wenn man sie auslebt. Also werde ich weiter nach ihnen forschen. An guten Tagen finde ich das richtig aufregend und spannend. Im Moment ist es für mich allerdings häufiger ermüdend und aussichtslos. Aber es kommen bestimmt auch wieder bessere Tage.
Viele liebe Grüße
Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 16. Mär 2004, 08:32
von ben1
Hallo Ana

Da bist Du ja schon auf dem Weg - super! Eine Anregung oder ein Vorschlag. Kannst Du Dir den

"strengen Kontrolleur, der sehr mißtrauisch und totalitär das Regime führt"

nicht zum Komplizen machen? Dieser Kontrolleur bildet sich meiner Meinung nach im frühen Kindheitsalter, reisst die Kontrolle an sich, weil er (jetzt kommt der springende Punkt) NUR DAS BESTE FÜR DICH WILL. Diese sehr edle Absicht gilt es erst mal wahrzunehmen und auch zu würdigen. Das dumme ist nur, das die Verhaltensweisen heute nicht mehr zeitgemäß sind bzw. deine Person viel zu sehr einschränken. Ich habe mal mit meinem inneren Kontrolleur gesprochen (Voice Dialogue) und zwar nicht in einem Sinn von Vorwurf, sondern von Dankbarkeit, was er schon alles für mich getan hat und gleichzeitig der bitte um Zusammenarbeit. Auch dieser Teil will gewürdigt werden und ist zur Kooperation durchaus bereit, wenn er sieht, das wir sorgsam mit unseren Persönlichkeitsanteilen umgehen und einen nach dem anderen wieder in unsere WG integrieren. Gegen oder über den Kontrolleur hinweg wirds (aus meiner Sicht bzw. Erfahrung) schwierig.

Oder?

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 16. Mär 2004, 09:18
von igel
Hallo Ana,

nein, ist kein wirres Zeug! Ich finde, Du beschreibst das ganz klar. Ich kann es jedenfalls verstehen. Das kenne ich auch ganz gut, dieses nicht reagieren können in der Situation. Beispielsweise in der Familie kommt es sehr häufig vor, dass ich einfach wieder die brave Tochter spiele oder ganz allgemein meine alte Rolle übernehme. Mir wird das dann erst anschliessend klar. Ich denke, dieses sich nicht äussern können hängt damit zusammen, das Gefühlsausdrücke früher quasi bestraft bzw. nicht wahrgenommen wurden. Ich mache ja Gruppentherapie und da kann ich auch zeitweise gar nicht über mich sprechen. Im Unterbewusstsein werde ich da wohl an meine Familie erinnert.

Die Perfektion bietet wohl wirklich einen (scheinbaren) Schutz. Ich finde völlig ok und auch wichtig, wenn Du erstmal für Dich ganz alleine oder in der Therapie DARUNTER schaust! Ich wurde mehr oder weniger dazu gezwungen, meine Maske abzulegen. Aber es ist jetzt ok. Perfektionismus bedeutet für mich irgendwie auch Starre.

Hast Du Kontakt zu Deiner Familie?

Liebe Grüsse,

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 16. Mär 2004, 09:50
von igel
Lieber Ben,

ja, Allmachtsgestalten im wahrsten Sinne des Wortes!! Aber doch jetzt nicht mehr!

Ich weiß nicht, wieviel "ein bischen Abstand" ist. Ich sehe meine Eltern schon auch als Opfer ihrer eigenen Geschichte. Mir wird irgendwie immer klarer, wie "gestört" sie eigentlich auch sind und ich bemerke, dass sich keine grosse Änderung bei ihnen vollzieht. Vor diesem Hintergrund schwanke ich dann ständig zwischen Zuneigung und Abneigung. Ich will sie im Moment überhaupt nicht sehen, will einfach meine Ruhe haben. Andererseits habe ich Angst davor. Ich bezweifle, dass es darum geht! Vielleicht muss ich mich diesem Konflikt "einfach" stellen? Vielleicht werden die Gefühle zu meinen Eltern immer ambivalent bleiben? Was meinst Du? Komisch, ich habe diese grosse Angst davor, erwachsen zu werden. Huch, da ist wieder die kleine Igel .

Na ja, erwachsen ist es wahrscheinlich, sich dem Konflikt immer wieder zu stellen und den Kontakt nicht abzubrechen.

Verwirrte Grüsse,

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 16. Mär 2004, 23:48
von Anastasia
Hallo Ben,
da bin ich ganz Deiner Meinung. Ohne den Kontrolleur geht es gar nicht. Bei mir ist sein Standardsatz: "ich will nur, daß Du glücklich bist." Das ist von der Absicht her sicher gut gemeint, aber er meint damit eben auch seine Sichtweise von Glück, das was er darunter versteht. Das ich vielleicht etwas ganz anderes darunter verstehen könnte, liegt außerhalb seiner Vorstellung und kann damit dann auch kein Glück sein. So sehr manche Persönlichkeitsteile langsam anfangen gegen ihn aufzubegehren und sich selbst zu zeigen, so weiß ich doch, daß ich ohne den Kontrolleur sehr hilflos wäre. Er gibt mir Struktur und Rahmen und damit auch eine gewisse Sicherheit. Aber ich denke auch er muß lernen und zu Kompromissen bereit sein, wenn die Gemeinschaft funktionieren soll. Wenn er mich nicht ein wenig lockerer läßt und mich versuchen läßt, alle Teile in mir kennen zu lernen und nicht nur kennen, sondern auch lieben zu lernen, dann wird eine Integration zu einer Gemeinschaft schwer möglich sein. Das ist offensichtlich der Punkt an dem ich gerade stehe: den Kontrolleur davon zu überzeugen, daß ich ihn brauche und auch weiß, daß er wichtig für mich ist und dennoch gleichzeitig etwas mehr Freiheit und Abstand von ihm brauche. Du bist auf diesem Weg offensichtlich schon weiter vorangekommen und hast schon mehr Erfahrungen gesammelt. Ich danke Dir für Deine Hinweise und Gedanken zu diesem Thema.
Was mich immer wieder zurückwirft ist die Komplexität. Man zieht an einem Ende und das Knäuel wird immer dichter und undurchdringlicher. Ich spreche mit meinem Kontrolleur und plötzlich ist es kein Teil mehr von mir, sondern es ist die Auseinandersetzung mit meiner Beziehung zu meinem Vater geworden. Oder plötzlich geht es um meinen Exmann...So geht es mir häufig, aber was man beim Stricken lernt (nicht lachen!): ist die Verwirrung im Wollknäuel am größten, löst sich der Knoten jeden Moment auf.
LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 00:06
von Anastasia
Hallo Igel,
gerade in der Familie fällt es mir besonders schwer, bei mir zu sein. Ich habe recht guten Kontakt zu meinen Eltern und meinem Bruder. Immer wenn ich zu Hause bin, falle ich wieder in die alten Verhaltensschemata, die ich doch so gerne verändern möchte. Sofort bin ich wieder die perfekte Tochter, beruflich erfolgreich...Alles was nicht in das schöne Bild paßt wird verdrängt. Das ist wirklich unglaublich wie gut meine Eltern das können und wie es funktioniert, daß ich da mitspiele ist für mich auch immer noch ein Geheimnis. Sie haben es geschafft, meine Essstörung, die ich schon in der Kindheit bekommen habe zu übersehen und auch Depressionen sind etwas, daß in ihrer Welt einfach nicht existiert. Aber ich denke sie können auch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagieren und so gibt es ein stillschweigendes Abkommen, diese Bereiche auszuklammern und wir kommen eigentlich ganz gut miteinander aus. Manchmal fühle ich mich dann nicht angenommen, weil ich das Gefühl habe, daß sie nicht mich lieben, sondern das Bild, das sie von mir haben. Aber vielleicht kann ich doch langsamm Stück für Stück dieses Bild verändern und es mir selbst ähnlicher machen. Und wenn nicht, kann ich vielleicht lernen, daß es nicht so wichtig für mich ist, was meine Eltern von mir für ein Bild haben, sondern daß es wichtig ist, daß ich bei mir bin.
LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 07:41
von ben1
Hallo Ana

das Bild mit dem Knäul gefällt mir - da ist was wahres dran. Und sobald man eine Sache erkannt hat (z.B. die, das es den Kontrolleur gibt) stellen sich sofort neue Fragen hinten an (Woher hat der seine Motive? Wie hat er ausgewählt? Sind da nicht viele Charaktereigenschaften von Eltern oder anderen Bezugspersonen mit drin?), Spannend, oder?

Mein Umgang mit meinem Kontrolleur ist derzeit übrigens der, das er zuerst zu Wort kommt und seine Sicht sozusagen "ungefiltert" schildert. Ich beobachte nur, danke für die Meinung und hole mir die Meinung anderer Persönlichkeitsanteile dazu - und dann treffe ich (ja, wer eigentlich ) die Entscheidung.

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 07:41
von ben1
Hallo Ana

das Bild mit dem Knäul gefällt mir - da ist was wahres dran. Und sobald man eine Sache erkannt hat (z.B. die, das es den Kontrolleur gibt) stellen sich sofort neue Fragen hinten an (Woher hat der seine Motive? Wie hat er ausgewählt? Sind da nicht viele Charaktereigenschaften von Eltern oder anderen Bezugspersonen mit drin?), Spannend, oder?

Mein Umgang mit meinem Kontrolleur ist derzeit übrigens der, das er zuerst zu Wort kommt und seine Sicht sozusagen "ungefiltert" schildert. Ich beobachte nur, danke für die Meinung und hole mir die Meinung anderer Persönlichkeitsanteile dazu - und dann treffe ich (ja, wer eigentlich ) die Entscheidung.

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 07:44
von ben1
Hallo Igel

eine mal ganz einfache Impulsfrage - warum bedeuten Dir Deine Eltern so viel? Was erwartest Du von Ihnen? Welchen Unterschied macht es, ob Du Abneigung oder Liebe empfindest?

Wieder mal komische Gedanken von

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 08:52
von Anastasia
Guten morgen Ben,
Deinen Umgang mit dem Kontrolleur finde ich schon sehr gelassen. Bei mir ist es noch viel emotionaler. Mal fühle ich mich erschlagen und mal spüre ich Rebellion und Aufstand. Das mit den verschiedenen Charaktereigenschaften, die er übernimmt, kann ich bei meinem Kontrolleur auch feststellen und finde ich ebenfalls sehr spannend. Es ist doch erstaunlich, wie sehr uns bestimmte Personen prägen können.

Ich würde an dieser Stelle (wenn ich darf) auch gerne zu Deiner Frage Stellung nehmen, die Du Igel gestellt hast, warum unsere Eltern so wichtig für uns sind. Bei mir liegt es sicher daran, daß ich mein Verhältnis zu meinen Eltern noch nicht richtig geklärt habe. Ich habe sie als wichtige Instanzen auf einen hohen Sockel gestellt. Wie sie mein Tun und Lassen beurteilen ist besonders wichtig für mich. Mein ganzes Leben kämpfe ich darum, Anerkennung bei ihnen zu finden, ja eigentlich darum, daß sie mir zeigen, daß sie mich lieben. Warum das so wichtig für mich ist kann ich Dir noch nicht sagen. Eine Vermutung von mir ist, daß es ein Verhalten ist, daß ich in frühester Kindheit als Überlebensstrategie entwickelt habe und das sich im Laufe der Zeit verselbständigt hat. Heute ist es so sehr ein Teil von mir, daß ich es kaum zu hinterfragen wage. Aber es ist mit Sicherheit auch ein Thema an dem ich noch hart arbeiten muß.
Ich wünsche einen schönen, hellen Tag.
LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 17. Mär 2004, 22:34
von ben1
Hallo Ana

ich habe mich auch sehr intensiv mit meinen Eltern auseinandergesetzt (gerade in der akuten Phase der Depression) und genau das gesucht, was Du auch beschreibst - die Liebe und Anerkennung um meiner Selbst willen, nicht weil ich x leiste oder y erreicht habe, sondern einfach nur, weil ich bin. Und ich habe (zu meiner Erschütterung) festgestellt, das meine Eltern diese Leere nicht füllen können - dazu müßten sie selbst eine Reife erlangt haben (klingt jetzt überheblich oder so, ist nicht so gemeint), die sie einfach nicht haben! Sie können mir nix geben, was sie für sich selbst (noch) nicht realisiert haben. Und ich habe dann für mich erkannt, das ich auch hier projeziere, also was in der Außenwelt lösen möchte, was eigentlich in mir geschehen muß. Wenn Du es schaffst (und Du und auch Igel, ihr seit auf dem Besten Weg) Dir selbst eine gute Mutter und ein guter Vater zu sein, dich also so zu lieben oder anzuerkennen, wie Du bist, erst dann wirst Du diese Qualitäten auch in der Liebe Deiner Eltern Dir gegenüber erkennen können (die sind nämlich auch jetzt schon vorhanden, aber Du siehst sie nicht, weil das für Dich noch nicht geklärt ist). Klingt komisch, vielleicht kann man/frau es trotzdem nachvollziehen. Ich benutz mal wieder ein Beispiel aus meiner Umgebung, eine Bekannte, die unter Depressionen litt und sich selbst immer als sehr hässlich empfand. Andere oder auch ich gaben ihr oft das feed-back, das sie doch eine wirklich schöne Person sei - das konnte sie einfach nicht annehmen. Erst, als sie sich (auch durch Therapie und Arbeit an sich) so annehmen konnte, wie sie war, nahm sie auch die Komplimente an. Also, um den Bogen zu meinem Gedanken wieder zu kriegen - es gab bei meinen Eltern schon immer die bedingungslose Liebe und Akzeptanz mir gegenüber - aber ich war Blind, konnte sie einfach nicht sehen, weil da was in mir noch nicht geklärt war. Die spannende Frage ist wirklich die, ob Du jetzt gerade die bedingungslose Liebe Deiner Eltern annehmen könntest, oder ob ein Zweifel, ein schaler Beigeschmack bleiben würden.

Hoffe, das ist nicht zu verwirrend.

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 18. Mär 2004, 09:12
von igel
Hallo Ben,

die Frage war nicht ganz einfach und ich will versuchen, sie nicht so impulsiv zu beantworten .

Ich glaube mit meinem Klammern an die Eltern vermeide ich wieder, mich mit mir auseinanderzusetzen! Das steckt wohl auch dahinter. Die zweite Sache ist natürlich das Rennen nach Anerkennung und Liebe. Das tritt wohl besonders dann auf, wenn ich mich selbst nicht liebe/anerkenne oder kein gleichmässiges Gefühl für mich selbst habe.

Wenn es überhaupt um Gleichmässigkeit geht. Im Leben gehts nunmal Auf und Ab!

Es ist aber auch eine Art Gewohnheit. Ich war immer so in die Familie eingespannt, da muss ich tatsächlich erstmal lernen, mich aus gewissen Dingen herauszuhalten! Es ist ja schön, wenn Familie einen grossen Stellenwert hat, aber bei mir ist es eindeutig zu viel! Und was noch merkwürdig ist, ist das ich keine richtige Verbindung zu ihnen habe, wenn ich sie nicht sehe. Das ist für mich so, als hätte ich keine Familie! Verstehst Du das?

Du hast die Blindheit sehr schön beschrieben. Gerade im Moment kann ich nämlich gar nicht zulassen, dass sie mich vielleicht gern haben. Meine Mutter wollte mich diese Woche besuchen. Ich habe sie abgewimmelt. Ich möchte den Abstand weiter halten. Telefonate reichen. Da habe ich wieder Angst vor Vereinnahmung. Sie geht auch über das, was war, hinweg und spielt heile Welt. Ich finde das unerträglich.

Hast Du eine Idee warum das mit der Blindheit so ist? Deine Sicht interessiert mich!

Was erwarte ich von meinen Eltern? Das sie mich so anerkennen, wie ich (jetzt) bin und dass sie mich nicht weiterhin verletzen und missbrauchen.

Hoffe, Du bist durchgestiegen durch mein Gedankenchaos.....

Nachher fahre ich mit meiner (neuen) Freundin in die Stadt. Ich muss aufpassen, dass ich nicht "shoppe bis die Karte glüht" . Sie ist eher zurückhaltend und so passt es ganz gut..

Grüsse von einer ganz schön ver-rückten

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 18. Mär 2004, 09:32
von igel
Hallo Ana,

Deine Beschreibung der Familiensituation finde ich sehr, sehr interessant. Da geht es ja nicht nur mir so!! Hast Du schon einmal ausprobiert, ganz Du selbst zu sein in der Familie? Du hast auch etwas über Rebellion geschrieben. Ich frage mich gerade, ob wir vielleicht über die Depression rebellieren...oder Du über die Esstörung.

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 18. Mär 2004, 21:05
von Anastasia
Hallo Ben,
Du triffst den Nagel auf den Kopf: "Und ich habe (zu meiner Erschütterung) festgestellt, das meine Eltern diese Leere nicht füllen können". Das ist der schmerzliche Lernprozeß, durch den ich gerade gehe. In meinem Kopf kann ich das alles verstehen und nachvollziehen, aber in meinem Bauch ist das noch nicht angekommen. Ein Problem mit dem ich mich in der ganzen Therapie immer wieder herumschlage: theoretische Erklärungen finden über Projektionen etc. kann ich wunderbar, aber es auch wirklich zu spüren... Aber ich habe inzwischen auch gelernt, Geduld mit mir zu haben. Wenn ich es nicht spüren kann, dann ist es einfach nicht an der Zeit, vielleicht bin ich nicht stark genug, um es auszuhalten, aber die Zeit wird kommen. Auch alles andere, was Du schreibst, kann ich gut verstehen und nachvollziehen. Für mich wird es noch ein langer Weg sein, zu verstehen und zu fühlen, daß ich das was ich bei meinen Eltern oder auch bei anderen Menschen suche (Anerkennung und Liebe), zuerst bei mir selbst, in mir selbst verwirklichen muß, bevor ich es überhaupt von anderen annehmen kann.

LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 18. Mär 2004, 21:26
von Anastasia
Hallo Igel,
Ich glaube nicht, daß die Depression / Essstörung beim mir Ausdruck von Rebellion sind, sondern eher Schutz- und Überlebensmechanismen. Die Depression macht mich empfindungslos. Ich spüre mich nicht mehr und damit dann auch keine Gefühle wie Angst, Alleinsein, Gefühlskälte... Die Essstörung tut ähnliches. Sie ist mein Schutzpanzer, in den ich mich zurückziehen kann, sie hilft mir mein Inneres zu verstecken und vor Verletzungen zu schützen. Und nun wird es ein wenig paradox: das Essen füllt dann die Leere, die ich durch die Depression empfinde. Es ist für mich immer wieder erschreckend, wie sich beides ergänzt und unterstützt. Dann erscheint es mir fast unmöglich, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Aber warum soll es nicht irgendwann möglich sein? Immerhin habe ich es schon geschafft, Teile zu sehen und zu verstehen.

LG Ana

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 18. Mär 2004, 22:43
von ben1
Hallo Igel, hallo Ana

das Gefühl der Zerrissenheit, gleichzeitig Nähe und Distanz haben zu wollen, gleichzeitig von den Eltern unabhängig sein zu wollen und beschützt werden zu wollen usw., kenne ich gut. Und ich bin mittlerweile zu dem Schluß gekommen, das dieser Prozess einfach "nur" Zeit braucht und die Bereitschaft, diese Frage auch mal eine Zeit lang unbeantwortet zu lassen und die Antwort in uns reifen zu lassen. Da kann man "gedanklich" nichts mehr "machen", da gilt es auch mal, abzuwarten.

Ich denke, es gibt hier klare parallelen zu jedem anderen Trauerprozess (als Beispiel mal der Tod eines nahen Angehörigen) - erst mal ist man über die neue Situation erschüttert - dann versucht man alles so weit wie möglich gedanklich zu ordnen und zu verstehen, und dann bleibt die Arbeit des Wartens, des Aushaltens, der Gewissheit, das da was in uns reift und nachwächst, das uns da wieder rausführt. Also, die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist ohne Zweifel wichtig und wird uns durch die zweite Phase (des Aushaltens) mit Sicherheit gute Dienste leisten - ich will das nicht schmälern und ich finde die Arten der Therapie und der Selbstbeobachtung sehr, sehr wichtig in diesem Prozess - ich denke nur, um zu reifen, braucht es auch die Bereitschaft, warten und aushalten zu können. Und die spannende Frage ist die, wann ich den Prozess beeinflussen sollte und wann ich ihm "sich selbst überlassen darf". Ich denke zB, immer wenn man in Gedankenschleifen feststeckt ist es sinnvoller, mal wieder loszulassen und sich um andere Dinge zu kümmern - immer mit dem Bewußtsein, das sich auch etwas in mir ändert, wenn ich nicht hinsehe, nicht kontrolliere.

Habt Ihr diese Gewissheit oder ist die Angst, die Kontrolle zu verlieren, wenn wir den Prozess nicht steuern, (noch) da?

Ben

Re: Spiritualität und Depression V

Verfasst: 19. Mär 2004, 08:10
von Anastasia
Hallo Ben,
Die Gewissheit, daß innere Entwicklungsprozesse auch ohne meine ständige Kontrolle voranschreiten und mich verändern, habe ich schon. Das Problem ist einfach meine Ungeduld. Ich möchte gerne so schnell wie möglich gesund werden, möchte die AD hinter mir lassen, möchte gerne meine Essstörung nicht mehr brauchen und das alles am besten schon vorgestern. Deshalb gerate ich immer wieder in Krisen, weil die Heilung eben ihre Zeit braucht und auch nicht erzwungen werden kann. Da stoße ich auch wieder an eine persönliche Grenze. Das Lassenkönnen fällt mir schwer, wie ein bockiges Kind stehe ich da: "ich will aber..." und kann nicht verstehen, warum es nicht geht. Manchmal habe ich das Gefühl, die Zeit läuft mir weg und es muß sich unbedingt bald etwas tun, sonst ist es zu spät. Aus diesem Gefühl entsteht viel von dem Druck, den ich mir selbst mache, um gesund zu werden. Liebevolles Betrachten der Prozesse und Entwicklungen in mir fällt mir wirklich schwer und erst recht, ihnen die Zeit zu geben, die es manchmal braucht.
An dieser Stelle möchte ich Dir (und natürlich auch Igel) danken für diesen Thread. Dadurch dass ich hier schreibe und auf Eure Fragen antworte, stelle ich fest, daß sich doch schon viel getan hat und daß ich schon vieles erkannt habe und wirklich innerlich auch durchlebt und abgearbeitet habe. Es erscheint mir fast so ein bißchen wie ein Resüme der bisher geleisteten Therapiearbeit. Für mich wird immer offensichtlicher, wie sehr die Dinge in mir arbeiten und sich verändern. Das empfinde ich als sehr positiv und es gibt mir Kraft und Mut. Ich möchte Euch danken, daß Ihr mir dazu im Gespräch die Möglichkeit gebt.
Ich wünsche Euch eine schönen Tag!
LG Ana