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Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 26. Jul 2003, 10:12
von monalisa
..ich muss gestehen, dass der Satz mit der Sicherheit eigentlich Ironie sein sollte...
Aber vielleicht ist ja doch was ´dran....(das mir das doch wichtig ist - obwohl es nicht machbar ist)
Ich finde es hört sich ober-fluffig (heißt: einfach) an...zu leben-ohne Sicherheit. Dabei habe ich in meinem ganzen Leben noch keine Sicherheit erfahren. Wie komme ich also ´drauf ? Ein Wunsch-denken. Aber der falsche Wunsch....
Vielleicht nur ein "Aufhänger".....
Miller: Lebe wild und gefährlich....
Wann immer ich das gemacht habe, ist auch tatsächlich etwas ´gefährliches´ passiert. Auch scheiße. Ich bin eigentlich kein Gefahrensucher. (Oder doch ?!)
Sicherheit - ist nur mein Job. Um Geld zu haben. Ich denke, wenn ich meinen Job verliere - bin ich weg-vom-Fenster und man kann mich irgendwo beim Kaufhof im Eingang unterm Gebläse mit ´ner Flasche finden.....
Dabei finde ich meine Arbeit - seit dem ich sie mache - scheiße. Scheiß-Arbeit, scheiß-Leute...was will ich mehr ? Manchmal würde ich sehr gerne ein Handwerk ausüben...nichts großes...nur so-viel, dass es zum leben reicht. Aber ich bin so unbegabt. Also bleibt mir nur, weiter zu machen, obwohl ich es blöd finde.
Sicherheit ! pppffff....
Wenn man sich doch nur "frei" machen könnte.

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 26. Jul 2003, 15:39
von tomroerich
Hallo Gabriele,

was ist denn in Gefahr, wenn man etwas als gefährlich einstuft? Das eigene Leben sollte es ja nicht gleich sein obwohl es Leute gibt, die genau das tun, um Grenzen zu erfahren oder hinauszuschieben (Extremsportler oder Kriegsberichterstatter). Ich denke, wir finden immer dann etwas gefährlich, wenn sich ein Verlust ankündigt. Der Job, das Geld, der Partner, das Auto oder was auch immer. Und da zeigt sich eine ganz wesentliche Eigenschaft der Menschen, nämlich Bindungen einzugehen, die sie nicht mehr auflösen wollen. Es sind dann diese Bindungen, die über unser Wertesystem bestimmen und die uns sagen, was wichtig ist und was nicht. Wohlgemerkt, nicht WIR bestimmen darüber sondern das Diktat unserer Bindungen bestimmt darüber. Und genau das macht uns unfrei. Wir können jetzt nicht mehr sagen, morgen will ich weiterziehen und neue Erfahrungen suchen, sondern wir machen schön das, woran wir uns gebunden haben, egal, ob wir es wollen oder nicht. Jetzt müssen wir jeden Tag arbeiten gehen für das schicke Auto, das uns mal so gereizt hat (und das schon lange keine Freude mehr macht) und für all die anderen Dinge von denen wir glauben, dass man ohne sie nicht leben kann. Eigentlich sind wir wie Gulliver, der von den Lilliputanern mit vielen winzigen Stricken bewegungsunfähig gemacht wurde.

Und weil wir hier ja im Spiri-thread sind muss ich noch loswerden, dass dieses Problem ein Hauptanliegen der Religionen ist. Bindungen bauen wir nicht nur zu materiellen Dingen auf. Wir sind auch gebunden durch unsere Prägungen aus der Kindheit, durch unsere Beziehungen zu Menschen und überhaupt durch alles, wozu wir Beziehung haben. Wir sagen dann gerne, wir lieben. Aber ich würde sagen, wir binden uns und das hat mit Liebe nicht mehr viel zu tun. Wenn wir wirklich lieben würden, könnten wir den geliebten Menschen auch einfach ziehen lassen und ihm Glück wünschen aber das passiert äußerst selten. Und wenn unser Auto kaputt geht, dann sollten wir uns bedanken können dafür, dass wir es so lange hatten und es uns so gut gedient hat, statt dessen fluchen wir über die Ungerechtigkeit des Lebens. Wir betrauern unsere Verluste viel mehr, als wir Freude haben an dem, was wir haben. Wenn ich mich hier in meinem Zimmer umschaue, sehe ich lauter Dinge wie z.B. Bücher, die mir einmal zu etwas gedient haben und jetzt nur noch Platz wegnehmen. Aber wenn morgen das Haus abbrennt, trauere ich denen bestimmt nach.

Bindungen trennen uns von dem, was viel wichtiger wäre, nämlich sein Leben in vollen Zügen zu leben und reich zu werden an Erfahrung und vielleicht an Aspekte des Lebens zu geraten, die wir uns nicht einmal erträumen können.
Tja, wenn man sich doch nur frei machen könnte....



Muss jetzt Auto reparieren

Thomas

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 00:00
von monalisa
Hei Maggy
ja - leben ist lebensgefährlich..das sagt das Wort ja schon...
aber
wenn man wirklich dieses lebensgefährliche "erlebt" dann ist das alles kein "Spruch" mehr....dann verändert sich AUCH was im Leben....Gott-sei-dank...oder..unbedingt-sogar...bleibt ja nicht aus....
Aber dann spaltet sich das ganze in 2 Hälften
mmhhm...
(Trotzdem - manchmal guter Dinge !)

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 00:06
von monalisa
Ben:
..ich glaube schon, dass man es erlernen oder / und erwerben kann......kaufen kann man "es" natürlich nicht !
..wie war das?..habe ich mal gelesen: die Gedanken und Gefühle, die man selber "pflegt" und "erlebt"... sind ja nicht objetktiv.....
das stimmt oft.
Aber: Immerhin Erkenntnis...
und so

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 00:35
von monalisa
Thomas:
..was gefährlich ist, was man als gefährlich einstuft !?
Gefährlich heißt für mich "Gefährlich"...heißt: das ist jetzt kein Spiel mehr...das kann ich jetzt nicht mehr "bestimmen" ...man macht was, was ich nicht von mir abwehren / abhalten kann. Man bestimmt "über" mich. So-oder-so
Gefährlich ist: wenn dir jemand eine Pistole an den Kopf hält und so blöd fragt - wer da ist - obwohl man ganz genau weiß, es ist die eigene Tochter...
Naja -- räusper.....schon gut......
Kontakte - das ist es....
..mir hilft schon, dass jemand mit mir spricht..mir zuhört.....
Ich bin ein armes Zwiebelchen
nimm mir das nicht Übelchen

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 04:52
von ben1
Zu Thomas

Du hast das wieder mal erstklassig zusammengefasst - und das meine ich wirklich so - ich bewundere Dich für Dein Wissen und Deine Ausdrucksweise!

Und zu Gabriele

"jetzt ist es kein Spiel mehr" - wann war das Leben ein Spiel? Bei mir wars das als Kind - alles wurde geregelt, ich mußte mich um nichts kümmern, als um mein "Glück", das darin bestand, mit meinen Freunden Fußball zu spielen oder Matchboxautos oder Playmobil ... und plötzlich ist man Erwachsen und meint, mit dem Alter Verantowrtung übernehmen zu müssen, der man nicht gewachsen ist. So isses aber nicht!! Wenn ich mich von meinem Idealbild etwas distanziere merke ich, das auch "Erwachsene" Menschen sind, die Fehler machen und Fehler machen dürfen!!! Und das lustige (und gleichzeitig tragische) ist, das ich das jedem anderen ohne Probleme zugestehe, nur mir nicht. Insgeheim freut es mich sogar, wenn andere scheitern (dann lebt sichs auch mit meinem Schatten etwas leichter - obwohl ich nie zugeben würde, das ich so was habe

Um wieder den Bogen zur Religion zu kriegen (wie gesagt, auch ich fühle mich keiner Religion zugehörig, kann aber vom Gedankengut viel Profitieren)

a) "liebe deinen nächsten wie dich selbst" - behandle auch dich (und Urteile über Dich) wie Du über andere urteilst - da wird vieles relativiert - wenn man andere "scheitern" sieht, ist da oft (bei mir zumindest) viel mehr Verständis dabei, als wenn ich über mich urteile (da ha ich komischerweise andere Maßstäbe)

b) "zurückgehen und wieder werden wie die Kinder" - ein schönes Ziel. Kinder kümmern sich wenig um die Meinung der "Gesellschaft" - die fühlen noch, was gut oder schlecht für sie ist

Genug für Heute - es freut mich ungemein, das dieser Thread so viele Leute interessiert und so viele mitdiskutieren

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 11:27
von sapsine
Hallo Ben

Ich habe Deinen Thread vor einigen Tagen entdeckt und bislang fleißig (passiv) mitgelesen. Vielleicht hast Du Interesse an einer weiteren Buchempfehlung? :what
Ich hab dieses Buch selbst empfohlen bekommen und bin sehr "angetan". Kannst ja mal reinlesen, ob Du was damit "anfangen" kannst.

Vorwort der Herausgeberin der Originalausgabe

Um in die "Kraft der Gegenwart" zu reisen, müssen wir unseren analytischen Versatnd und das falsche, von ihm erschaffene Selbst, dass Ego, hinter uns lassen. Schon vom Anfang des ersten Kapitels an beginnen wir, uns rapide auf eine deutlich höhere Ebene hinzubewegen, wo wir eine leichtere Luft atmen, die Luft des Spirituellen. Obwohl die Reise viel von uns fordert, werden wir von einfacher Sprache und einem Frage- und Antworformat geführt. Die Worte selbst sind die Wegweiser.

Viele von uns werden auf dem Weg neue Entdeckungen machen: Wir sind "nicht" unser Verstand; wir "können" unseren Weg aus psychologischem Schmerz heraus finden; authentische menschliche Kraft kann durch Hingabe an das Jetzt gefunden werden. Wir entdecken, dass unser Körper und auch die Stille und der Raum um uns Schlüssel sind, die uns zu einem Zustand von innerem Frieden Zugang verschaffen. ja, der Zugang ist überall verfügbar. Diese Zugänge oder Portale können sämtlich benutzt werden, um uns ins Jetzt zu bringen, in den gegenwärtigen Moment, wo es keine Probleme gibt. Dies ist der Ort, wo wir unsere Freude finden, wo wir in der Lage sind, unser wahres Selbst zu umarmen. Hier entdecken wir, dass wir schon ganz und vollkommen sind.

Viele von uns werden herausfinden, dass unsere Beziehungen, besonders unsere intimen, das Haupthindernis darstellen, dass dieser Einsicht im Wege steht. Aber wir befinden uns hier auf "neuem Territorium", und unsere gewohnte Sichtweise ist nicht mehr gültig. Wir werden erkennen, dass unsere Beziehungen als weiterer Zugang zur spirituellen Erleichtung dienen können, wenn wir sie weise nutzen, das heißt, wenn wir sie nutzen, um bewusstere und damit liebevollere menschliche Wesen zu werden.
Das Ergebnis? "Wahre" Begegnung und Einssein zwischen dem Selbst und den anderen.

Wenn wir fähig sind, wirklich gegenwärtig zu sein und jeden Schritt im Jetzt zu tun, wenn wir fähig sind, die Wahrheit hinter Worten wir "Innerer Körper", "Hingabe", "Vergebung" und das "Ungeschaffene" ode "Unmanifeste" zu spüren, dann öffnen wir uns für eine Erfahrung der Wandlung, ein Erfahren der "Kraft der Gegenwart".


Übrigens heißt das Buch "Jetzt ! Die Kraft der Gegenwart"
Ein Leitfaden zum spirituellen Erwachen

Bei Amazon steht vermutlich die Geschichte in Kurzform von Eckhardt Tolle zu lesen. Das stelle ich jetzt mal nicht hier rein, sonst wird das post endgültig zu lang.


Wenn Du, Ben, oder jemand von den anderen Fragen zu dem Buch hat, beantworte ich sie gern, soweit es mir möglich ist.

Sonnige Grüße und viele weiterführende Gedanken wünscht
Sabine

P.S. Ich bin sehr gespannt auf weitere Beiträge zu diesem für mich sehr interessanten Thema !!

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 27. Jul 2003, 23:43
von tomroerich
Eine kleine Geschichte zur Macht der Bindungen:

Trägst du's noch immer?

Zwei Mönche überqueren auf ihrer Wanderung einen Fluß. Am Ufer wartet eine schöne Jungfrau. Auch sie will ans andere Ufer, aber sie wagt nicht, ins Wasser zu gehen. Kurz entschlossen nimmt der eine Mönch sie auf seine Schulter und trägt sie hinüber. Der andere ist wütend, sagt aber nichts. Ständig bohrt in ihm die Frage: »Wie konnte er das tun — als Mönch — eine Frau anrühren? Und gar tragen! Kennt er nicht die Mönchsgebote?« Tagelang bewegt er seinen Zorn in seinem Herzen. Am Grunde des Zorns aber ist rasender Neid. Schließlich erreichen die beiden ihr Ziel — das Kloster ihres Meisters. Der eifersüchtige Mönch kann es kaum erwarten, dem Meister zu berichten, daß der andere eine junge Frau über den Fluß getragen hat. Der Meister: »Er hat sie am anderen Ufer abgesetzt, du aber trägst sie noch immer.«
(Hindu)

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 28. Jul 2003, 20:19
von monalisa
Ben..
(nur ganz kurz)
ja, Du hast recht, ein Spiel war das Leben als Kind (Auch manchmal da nicht !)
Und bei uns in der Familie (!?) war alles oft ein Spiel....(ein fatales Spiel...und die Konsequenzen trage ich heute ...)
Liebe dich selbst...und werdet wie die Kinder....das würde ich gerne tun. Ich habe es auch schon probiert (weil irgendwas davon in mir ist - trotz allem) aber das setzt ja das entsprechende "Umfeld" oder das "gegenüber" voraus - jemand, der das zulässt und es auch annimmt. Wenn du immer auf Granit beißt, fehlen dir irgendwann die Zähne und es lässt nach...denn du bist schon wieder anders....

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 28. Jul 2003, 22:40
von ben1
Hallo Gabriele

Das mit dem Umfeld und dem Gegenüber ist ein wichtiger Gedanke - und ich kenne Dich zu wenig, als das ich das aus der Ferne irgendwie beurteilen könnte.

Also ein paar Erfahrungen von mir zu diesem Thema - ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit

Natürlich hatte ich große Ängste, wie meine Umwelt auf eine "Umwälzung" meines Lebens reagieren würde - was würden meine Freunde sagen, was meine Frau, was meine Familie? Ich lebte in einem festen Regelwerk, das ich durch meine Erziehung mitbekam - tu das, tu jenes. lass dieses auf jeden Fall ...

Ich hatte also ein Rezept, wie "man" in der Welt ankommt - und etwas anderes zu tun, verursachte tiefes Unbehagen. Weil gewisse Verhaltensweisen in der Vergangenheit als lebensgefährlich empfunden wurden (waren sie faktisch nicht, auch wenn ich mal schlechte Noten gehabt hätte, hätte ich weiterhin mein Essen bekommen, aber die Akzeptanz bzw. die Liebe (?) meiner Eltern hingen stark von meinem Verhalten ab), sind diese Ängste auch heute noch so präsent. Wir haben erfahren, was es heist, angelehnt zu werden und wollen diese Erfahrung auf keinen Fall wiederholen, da sie so schmerzhaft war, das wir sie als Kinder (mit einem sehr eingeschränkten Handlungsrepertoir) nicht bewältigen konnten.

Und da habe ich heute auch noch Rucksäcke bei mir, die ich einfach mitschleppe, ohne sie mal zu öffnen und zu gucken, was ich da noch brauche und was nicht.

Nun ist es aber so, das wir ja nicht wissen, wer wir sind und was wir von unseren antrainierten Verhaltensweisen noch brauchen und was nicht. Und hier gilt es zu unterscheiden, was meine Fassade braucht und was mein selbst. Und wenn man sich dann eingesteht "Das brauche ich wirklich nicht für ein zufriedenes Leben (Wie beruflichen Erfolg, viel Geld, viele Freunde (Quantität) kommt sofort eine wiedersprechende Fassade, ein innerlicher Aufschrei "Ja, aber was sollen ... dann denken? So gehts doch nicht! Du spinnst wohl! Willst alles, was wir so mühevoll aufgebaut haben einfach zerstören!" Es ist so, als ob wir heute ganz bewußt auf die sprichwörtliche heiße Ofenplatte greifen würden und unsere bisherigen schlechten ERfahrungen einfach wegwischen würden - das funktioniert nicht!

Diese Ängste, die da dahinterstecken, gilt es zu verstehen und ihnen die nötige Aufmerksamkeit und den nötigen Raum zu geben. Die Kunst besteht meiner MEinung nach darin, die Ängste aus deiner gewissen Distanz zu sehen, nicht, um sie lächerlich zu machen oder zu leugnen, sondern um sie zu verstehen. Und dann kann ein DIALOG zwischen den Bedüfnissen der Fassade und des Selbst stattfinden - es geht nicht darum, alles zu zerstören und neu anzufangen (wenn sich das auch häufig so anfühlt - ich denke, daher kommen auch Suizidgedanken), sondern die beiden Teile der Persönlichekit wieder in Einklang zu bringen. Und da braucht man zuerst mal kein ideales Umfeld oder andere Personen - auch wenn das unsere Fassade uns imemr wieder einreden will. Änderung tut weh, ist aber für die WEiterentwicklung unabdingbar. Irgendwann im Leben kommen wir an den Punkt (gerade weil wir sensible Wesen im positivsten Sinne sind), an dem wir merken, das unsere bisherigen "Lebensskripten" nicht mehr ausreichen. Das zu erkennen, tut weh und ist gleichzeitig der erste Schritt unseres Weges. Und nun haben wir 2 Möglichkeiten - den Weg weiterzugehen, aufzubrechen ins Unbekannte, Ungewisse, oder das Verharren in der Stellung, in der wir sind. Viele Menschen denken "Lieber kontrolliertes Leid (für das ich dann auch noch URsachen finden kann in der Erziehung, im Umfeld ...) als unkontrolliertes "Weitergehen".

"Ich sprang in den Abgrund und fallend wuchsen mir Flügel" - keine Ahnung, wer das gesagt hat, aber es ist ein bedenkenswerter Satz!!!

Ich habe, wie gesagt, nur meine Erfahrungen schildern wollen - es gibt sicherlich noch schlimmere Schicksaale als meins, also Leute, die noch mehr Rucksäcke dabei haben - dennoch - meine Erfahrungen mit dem "Springen in Abgrund", bei dem tatsächlich nach einigem Fallen "Flügel wachsen" war im Nachhinein die beste, wertvollste und "befriedigenste" Entscheidung meines Lebens

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 13:01
von monalisa
Dear Ben,
das sind sehr "mutmachende" Worte...ich werde mal darüber nachdenken....
Ciao

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 16:59
von maggy
Hallo Ben,

passend zu den Flügeln, die im Fallen wachsen, hier die Lieblingsgeschichte meines Therapeuten, der mich 5 Jahre "begleitet" hat:

Der Hühneradler
Es war einmal ein Indianer, der lebte im Norden Amerikas, dort wo die großen Wälder, die hohen Berge und weiten Graslandschaften sind. Jedes Jahr wanderte der Indianer von Norden nach Süden und von Süden nach Norden.
Auf einer seiner Wanderschaften kam er zu einer Hühnerfarm. Als er sich genauer umsah, entdeckte er mitten unter der Hühnerherde einen Adler, der sich seltsam bewegte und pickte und scharrte wie die anderen Hühner. Beim Anblick dieses Hühneradlers spürte der Indianer einen Schmerz in seinem Herzen.
Er ging zum Farmer, bat um ein Glas Wasser und wollte ihm den Hühneradler abkaufen. Mit der Bemerkung: „Endlich bin ich dieses nutzlose Vieh los! Er frißt nur mein Futter und legt keine Eier!“ schenkte der Farmer dem Indianer das Tier. Der Indianer bedankte sich und nahm seinen neuen Freund liebevoll auf seinen Arm.
Der Indianer sang ihm Lieder, erzählte Märchen und Geschichten von den großen heiligen Vögeln und was seine Stammesbrüder mit den Adlerfedern machen. Langsam, ganz langsam wurden sie Freunde, der Indianer und der Hühneradler.
Und so überlegte er, wie er seinem Freund helfen konnte, sich daran zu erinnern, dass er kein Huhn, sondern ein Adler ist. Einige Tageswanderungen entfernt gab es einen hohen Berg, dessen eine Seite in einer sehr langen Steilwand abfiel. Und dorthin mußte er ihn bringen, damit der Hühneradler sich wieder in einen echten Adler verwandelt.
Einige Tage und Nächte wanderte der Indianer. Endlich an einem heißen Sonnentag im Sommer, erreichte er die Spitze des Berges. Eine Nacht noch, bis zum nächsten Mittag, wollte er warten, um seinen Freund gut vorzubreiten für den großen Augenblick des Abschieds. Lange saß er in der Nacht, seinen Adlerfreund im Arm. Alles war still und er betete. Über ihm der Mond und die Sterne.
Am nächsten Morgen ging der Indianer wieder mit seinem Freund zu der Stelle, wo er vorhatte, den Hühneradler weit hinaus in den Abgrund zu werfen. Alles war gut. Die Sonne stand hoch am Himmel, der Wind war günstig. Und ganz zärtlich, mit Wehmut und Zuversicht im Herzen, nahm er Abschied von seinem Freund und streichelte behutsam die wunderschönen Adlerfedern. Dann drehte er sich einige Male schnell um seine Achse, sammelte seine ganze Kraft und warf ihn weit und hoch hinaus.
Und voller Angst sah er, wie sein Freund tiefer und tiefer fiel, wie ein Stein. Manchmal, im Ansatz ein ungeübtes und taumeliges Flattern, wieder und wieder, und noch einmal, schon weit unten in der Tiefe und fast verloren. Dann...dann...endlich, die Flügel breiteten sich aus und hielten, stark genug. Und getragen vom Aufwind zog der Adler kleine, dann immer größere Kreise, so sicher, fest und stark. Oben tanzte und lachte und sang der Indianer voll Freude. Nach einer Weile näherte sich der Adler seinem Freund. Mit einer Adlerschwinge streifte er fast das Kopfhaar, so, als wollte er sich auf diese Weise bedanken und verabschieden. Und nicht lange darauf war er verschwunden im weiten Himmel.
Der Indianer kniete nieder.

Alles Liebe
von
Maggy

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 19:14
von ben1
Hallo Maggy

ein schönes Gedicht mit sehr viel Tiefgang! Vielen Dank!

Gabriele, Dein "mutmachen" in Anführungszeichen irritiert mich ein wenig - vielleicht kannst Dus erklären?

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 19:36
von monalisa
..eine wirklich schöne Geschichte, Maggy....

Ben:
Vielleicht hätte ich das Mutmachen ohne "" schreiben sollen....
Ich wollte damit sagen, dass das, was Du geschrieben hast - mir ein wenig Mut macht...sonst nichts.
Gabriele

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 19:41
von ben1
Das freut mich - ich bin beruhigt!

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 29. Jul 2003, 19:47
von monalisa

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 30. Jul 2003, 09:21
von ben1
Noch eine Geschichte:

Keine Anstrengung

Denjenigen Schülern, die naiv darauf vertrauten, daß sich nichts erreichen läßt ohne den entscheidenden Willen dazu, konnte der Meister sagen: "die besten Dinge im Leben können nicht durch Willenskraft Wirklichkeit werden, du kannst mit Willenskraft Essen in deinen Mund stecken aber nicht mit Willenskraft Appetit bekommen. Du kannst dich mit Willenskraft ins Bett legen aber nicht mit Willenskraft einschlafen. Du kannst jemand mit Willenskraft ein Kompliment machen aber nicht mit Willenskraft Bewunderung wecken. Du kannst mit Willenskraft ein Geheimnis mitteilen aber nicht mit Willenskraft Vertrauen schaffen. Du kannst jemand mit Willenskraft einen Dienst erweisen, aber nicht mit Willenskraft Liebe schenken"

Anthony de Mello: Eine Minute Unsinn

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 30. Jul 2003, 09:25
von ben1
Und noch eine

"Was ist das Geheimnis der Ruhe und Gelassenheit"

"Aus dem Herzen kommendes, uneingeschränktes Kooperieren mit dem Unvermeidlichen"

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 31. Jul 2003, 01:10
von ben1
Hallo Tesora

Bist Du im Thread angekommen? WÜrde mich freuen!

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 31. Jul 2003, 21:15
von igel
Drei Wünsche:

1. Die Gelassenheit, alles hinzunehmen, was
nicht zu ändern ist

2. Die Kraft, zu ändern, was nicht länger
zu ertragen ist

3. Die Weisheit, das eine vom anderen zu
unterscheiden

Ich weiss noch nicht warum, aber ich muss das jetzt hier einmal schreiben.

Bewege mich täglich mehr im Forum und auf meiner Suche nach tiefgründigerem Austausch habe ich mir heute die Zeit genommen, die vohergehenden Beiträge zu "studieren".

Ansatzweise kann ich einiges nachvollziehen, aber mir fehlen auch die Worte.

Ich habe im letzten Sommer im Rahmen meiner stationären Therapie angefangen zu malen. Und zwar nicht krampfhaft oder nach irgendwelchen Vorlagen, sondern frei aus mir heraus. Dabei sind mir viele Seiten an mir überhaupt erst bewusst geworden. Und ich war damit leider alleine. Die Mitpatienten meinten ständig, perfekte Bilder nach Vorlagen malen zu müssen.

Für mich war und ist das der Weg, in Krisen mein Inneres für mich (nur erstmal für mich) überhaupt sichtbar werden zu lassen.

Ich sehe die Depression auch als Chance, mir selbst näher zu kommen. Vielleicht wäre mir der unverblümte Blick auf mich selbst sonst gar nicht möglich...... Viele Menschen laufen doch im Grunde vor sich selbst weg und haben somit nie erfahren, wer sie wirklich sind.

***

Wir probieren ein neues Mittel, eine neue
Kombination von Mitteln, und plötzlich
falle ich wieder in mein Leben

wie eine Wühlmaus, die ein Sturm verschleppt
und dann drei Täler und zwei Berge weit
von ihrer Heimat ausgestzt hat.

Ich finde den Weg zurück und werde
bestimmt das Geschäft wiedererkennen,
in dem ich immer Milch und Gas kaufte.

Ich sehe das Haus und die Scheune vor mir,
den Rechen, die blauen Tassen und und Teller,
die Romane, die ich so sehr liebte,

und das schwarzseidene Nachthemd
das er mir einst ganz tief unten
in meinen Nikolausstiefel stopfte.....

(aus: Andrew Solomon "Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression".

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 31. Jul 2003, 23:21
von ben1
Hallo Igel, freut mich, das Du vorbeischaust

Noch eine Geschichte

Spiritualität

Bei der Spiritualität zählt nicht die Anstrengung, sondern die Ergebung. Wenn Du ins Wasser fällst und nicht schwimmen kannst, erfaßt dich panische Angst, und Du sagst Dir "ich darf nicht untergehen". Du fängst mit Armen und Beinen zu schlagen an, und in der Erregung schluckst Du immer mehr Wasser und ertrinkst schließlich. Würdest Du statt dessen deine Gedanken und Anstrengungen aus dem Spiel lassen und es zulassen, auf den Grund zu abzusinken, käme Dein Körper von selber an die Oberfläche zurück ... Das ist Spiritualität"

Anthony de Mello - Eine Minute Unsinn

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 1. Aug 2003, 09:09
von ben1
Viele Klicks aufs Thema - aber keiner schreibt mehr was. Alle im Urlaub ?

Ben

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 1. Aug 2003, 12:16
von igel
Hallo Ben,

ich denke, Spiritualität ist für jeden anders.

Habe heute keinen Kopf dafür. Fahre nachher in die Klinik zum Ehemaligen-Treffen und bin tierisch aufgeregt. War ausserdem vorhin beim Vertretungsarzt und bin erstmal bedient.

Gruss,

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 1. Aug 2003, 21:06
von monalisa
...also ich bin noch nicht im Urlaub. Jedenfalls körperlich....
(..dieser Körper ist zur Zeit nicht besetzt...ihr könnt jedoch eine Nachricht in beliebig langer Dauer hinterlassen........)

Aber man kann ja nicht immer reden.....!!!

Re: Spitritualität und Depression

Verfasst: 1. Aug 2003, 23:37
von ben1
Ich muß Euch was erzählen, was mir heute passiert ist.

Mit meinem Chef hatte ich schon lange Zeit etwas vereinbahrt, was für mich (genauer mein berufliches Ich) sehr wichtig ist.

Und dann kommt heute der "Hammer auf den Kopf", er kann sich an nichts mehr erinnern und jetzt ist alles anders, alls vorher vereinbart.

Ich habe mich zuerst mal geärgert, eine Wut empfunden, eine Ohnmacht - dann kam mein "Versöhnungsich" - "ist doch alles nicht so schlimm ..."

Ich habe mir erst mal Zeit für meine Wut genommen, ohne sie sofort wieder zu bagatelisieren oder zu bekämpfen - und dann habe ich die "Beobachterperspektive" eingenommen, habe erkannt, das ich dieses Gefühl der Ohnmacht, der Wut, aus meiner Kindheit kenne. Ich habe auch erkannt, das ich Mechanismen entwickelt hatte, diese Wut zu unterdrücken (unterdrückte Wut wird zur Traurigkeit!!). Und ich habe einige Teilnehmer an der inneren Diskussion beobachtet und kennengelernt (das verletzte Kind, den Bagatelisierer, den Panikmacher, den Pragmatiker, den Arschkriecher) - das war sehr wertvoll und lehrreich.

Und in der Beobachterperspektive habe ich bemert, welche(s) ich da gekränkt war(en) und nach Rache schrie(en). Und das ist der ganz praktische Nutzen von Spiritualität für mich im Alltag - ich muß schon wieder Anthony de Mello zitieren (den mag ich, das dürfte schon aufgefallen sein)

"Nenn mir ein praktischen, hier auf Erden greifbaren Nutzen der Spiritualität" sagte der Skeptiker, der Lust auf einen Disput hatte.

"zum Beispiel diesen", sagte der Meister. "Wenn dich jemand beleidigt, kannst Du Deinen Geist in Höhen erheben, wohin die Beleidigungen nicht gelangen können"

Es hat funktioniert, funktioniert immer wieder und ist sehr befreiend - und es sind wichtige Schritte auf dem Weg zum "wahren Ich"

Ben