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Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 5. Jul 2011, 19:34
von BHS
31.- 34. Tag
noch 7 Kliniktage, dann ist meine Zeit um.
Ich denke "Schade". Ich habe mich so richtig gut eingelebt und an diesen Tagesablauf gewöhnt. Wie fast alle Patienten, habe auch ich etwas Bammel vor der Zeit nach dem Klinikaufenthalt. Dann wird sich herausstellen, ob das, was ich gelernt und erkannt habe, im Alltag bestehen kann. Vor der vielen freien Zeit nach dem Klinikaufenthalt habe ich Respekt. Wie kann ich den Tag so gestalten, dass ich Energie schöpfen kann und meinen Zustand stabilisieren kann? Ich werde wahrscheinlich in psychologischen Einrichtungen Gesprächsgruppen besuchen und eine ehrenamtlichen Tätigkeit in der Nachbarschafthilfe annehmen, damit meine Tage eine feste Struktur haben. Zu einem Psychotherapeuten will ich nicht gehen, von Psychotherapeuten habe ich ersteinmal genug.
Zu meinem Psychiater gehe ich wieder, um mir die Medikamente verschreiben zu lassen und für die nächsten Wochen noch meine Arbeitsunfähigkeit attestiert zu bekommen.
Leider fühle ich mich absolut noch nicht in der Lage, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Für einen Job mit 8-Std.Tag und Leistungsdruck bin ich noch nicht reif.

Bis dann
Bernd

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 11. Jul 2011, 17:08
von BHS
35.- 37. Tag
Nachdem ich in der letzten Woche ein Down hatte, geht es mir seit Sonntag besser.
Ich habe Ideen und Pläne, was ich nach dem Klinikaufenthalt machen möchte und wie ich meine Tage gestalten möchte.

Obwohl ich mich deutlich wohler fühle als vor 8 Wochen, als ich in die TK kam, sagte mir mein Therapeut heute, dass ich noch nicht arbeitsfähig bin und weitere Behandlungen brauche. Ich selber empfinde das gar nicht so intensiv. Habe ich da einen zu großen Unterschied zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung ?? Merke ich gar nicht wie sehr ich neben der Spur laufe??
Das will ich noch in den verbleibenden Tagen klären.

Bernd

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 17. Jul 2011, 10:05
von BHS
38.- 41. Tag
Ich war jetzt an 41 Tagen in der Tagesklinik.
Wurde mit dem Befund F 33.2 entlassen. So fühle ich mich auch.
Die Therapeuten erklären mir dafür mehrere Gründe und morgen habe ich einen Termin bei meiner Psychiaterin, die wird das dann schon regeln, hoffe ich.

Trotzdem habe ich in der TK sehr sehr viel über mich und meine Krankheit gelernt und gehe davon aus, in Zukunft weniger depressive Episoden zu haben.
Gebracht hat es mir totzt der Zweifel und der Verägerung in der TK, eine Menge. Die Erfahrung möchge ich nicht mehr missen.

Ich schaue jetzt viel zuversichtlicher in die Zukunft und bin mir sicher, dass ich mit den Problemen des Alltags viel lockere umgehen kann. Ich habe gelernt, besser auf die Signale meine Körpers achten und mein Verhalten und Denken rechtzeitig zu verändern, bevor ich wieder in ein Depri falle.

Mit einigen meiner Mitpatienten bin ich zu einem regelmäßigen Treffen einmal im Monat verabredet, so eine Art Stammtisch.

Viele Grüße

Bernd

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 18. Jul 2011, 22:33
von wütend
Lieber Bernd

ich verstehe nicht, das du mit der Diagnose einer schweren Episode entlassen wirst.
Warum kannst du nicht länger in der Tagesklinik bleiben?

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 20. Jul 2011, 12:32
von Andreas01
@Parson,
>>>Warum kannst du nicht länger in der Tagesklinik bleiben?<<<

Nun mir hat ein Patient bei meiner Ankunft in der TK gleich gesagt: "und seh zu das du aus die Pötte kommst, den die Zeit läuft hier gegen dich"
Das war dann auch so, in der dreizehnten Woche wurde mir am Mittwoch mitgeteilt, das für mich am Freitag der "letzte" sei. Auf meinen momentanen Zustand wurde nicht weiter eingegangen und mir ging es nach der TK schlechter als davor.

Gruß
Andreas

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 22. Jul 2011, 17:54
von joy
Hallo,

eine Tagesklinik muss auch auf die Kosten achten und ist darauf bedacht für jeden Patienten einen gewissen "Zeitrahmen" einzuhalten, damit möglichst ständig neue nachrücken können.

Ich wurde auch noch mit der Diagnose schwere Depressionen entlassen, aber mit dem Hinweis, ob es für mich nicht besser wäre doch lieber stationär zu gehen.
So war es so bei uns generell auch wärend dem tagesklinischen Aufenhalt. Wenn es jemandem echt verdammt schlecht ging, wurde ihm die Station nahegelegt.

Ich bin jetzt im nachhinein der Meinung eine Tagesklinik ist nur für die Vorbereitung auf den Alltag nach einer stationären Behandlung sinnvoll. Nicht aber, wenn es einem echt mies geht.
Aber trotzdem war es für mich eine wertvolle Zeit.

Liebe Grüße
Joy

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 26. Jul 2011, 19:37
von BHS
Hallo,

der Entlassungstermin stand schon 3 Wochen vorher fest. Das ist bei allen Patienten in dieser Klinik so, 2 - 3 Wochen vor der Entlassung bekommt man den Termin mitgeteilt. Ich wurde gefragt, ob der Termin o.k. sei (bin Privatpatient) und fand ihn zu diesem Zeitpunkt völlig o.k. Spontan verlängern geht nicht, weil die TK planen muss und schon einen neuen Patienten für mich aufgenommen hatte. Konnte ja niemand wissen, dass ich ausgerechnet in der Entlassungswoche in eine tiefe Depri falle.


Nun gut. Diese Depri ist vorbei.
Ich war in den letzten 8 Tagen im Urlaub und habe mich von der TK erholt und die vielen Eindrücke und Ideen, die ich in der TK erhielt, nachgearbeitet. Tat sehr gut und ich bin wieder gut drauf.

Mit etwas Abstand zur TK kann ich sagen, dass es mir viel gebracht hat und ich manches, was ich in der TK verdammt habe, im nachhinein als segensreich beurteile. Ja, so ist das manchmal im Leben.
Meine Depri ist noch nicht geheilt, wenn das überhaupt geht, und ich bin ab Morgen wieder bei einem Psychiater in Behandlung. Nach dem letzten Besuch bei meiner Psychiaterin, die mir auch die TK empfohlen hatte, habe ich mir einen neuen Psychiater gesucht. (Auf die Gründe warum ich von ihr wegging will ich hier nicht eingehen.) Mein neuer Psychiater ist der Leiter der TK und ich bekam wohl nur deshalb innerhalb von 5 Tagen einen Termin, weil ich Privatpatient bin.
Ob ich mir noch einen Psychotherapeuten suche weiß ich noch nicht. Nachdem ich in der TK sehr gute und auch schlechte Therapeuten ((die nicht mit mir klarkamen) kennen gelernt habe, bin ich mir noch nicht sicher wie ich einen sehr guten Therapeuten finden kann. Erste Telefongespräch waren nicht so erfolgeich.

Fazit:
So ein Aufenthalt in einer TK kann viel bringen, man muss jedoch sich selber einbringen und auch selber an sich arbeiten. Nur passiv da sein bringt nichts.
Wirkliche Heilung scheint es aber bei einer endogenen Depression nicht zu geben, sondern nur Möglichkeiten, besser mit der Krankheit umzugehen.

Viele Grüße
Bernd

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 26. Jul 2011, 22:09
von anna54
Hallo lieber Bernd
wie schön, von dir zu lesen.
Mit deinem Bericht machst du vielen anderen Mut!
Alle guten Wünsche
anna54

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 2. Aug 2011, 13:45
von Katharina86
Lieber Bernd,

auch ich fand dein Tagebuch sehr interessant zu lesen, es hat mir Zuversicht gegeben im Hinblick auf meine Therapie in der TK, die auf mich zukommt!
Deine Gedanken zur kritisch wohlwollenden Haltung gegenüber Therapeuten haben mich nachdenklich gestimmt. Mir fällt es immer sehr schwer, die Balance zu halten zwischen Vertrauen in die Vorschläge der Therapeuten und dem Vertrauen auf mein Bauchgefühl, auch wenn dieses konträr dazu ist. Dazu kommen ja auch oft noch Ratschläge und Meinnungen von Verwandten und Freunden. Ich finde, diese Balance zu halten, ist mit das schwierigste in einer Therapie, sei es nun stationär, in der TK oder ambulant. Gerade für Menschen, deren Selbstbewusstsein nicht das stärkste ist.
Ich gratuliere dir jedenfalls dazu, dass du für dich das beste aus der TK gemacht hast und wünsch dir für die Zukunft alles Gute!

Katharina

Re: In der Tagesklinik

Verfasst: 2. Aug 2011, 20:13
von BHS
Hallo Katharina,

viel Erfolg und alles Gute in der TK.

Vielleicht noch ein paar Tipps, die ich mir aufgeschriebe habe, falls ich noch einmal in eine TK muss:
1. nutze die ersten 4-5 Tage, um dort auch seelisch anzukommen.
2. mache dir keine Gedanken, was die Mitpatiente, Therapeuten oder andere über dich und dein verhalten denken könnten.
Schließlich haben alle einen Grund, warum sie dort sind.
3. bringe dich , wenn du dort seelisch angekommen bist, mit deinen Themen in den Runden ein. Sehr oft und sehr intensiv. Sage was dich bedrückt und spreche es aus. die Ratschläge, die dir dann die Mitpatienten geben, höre sie dir ganz wertlos an und nimm sie nicht persönlich, sage einfach danke dazu. (viele schwatzen echt dummes zeug und ich finde es wichtig, dass ich mich von manchem rumgeratenen geschlage nicht beeinflussen lasse. wenn du das selbstwertgefühl hast, sage den Mitpatienetn in der Runden ruhig, dass sie sich zu dem Thema äussern sollen, aber bitte nicht dich direkt Ansprechen sollen. Egal welches Thema du einbringst, es interessiert auch andere und manche sind froh, dass du das Thema einbringst, weil sie sich selber nicht trauen. Überlege dann im nachhinein, ob du daraus etwas gebrauchen kannst. wenn ja, kannst du den Mitpatienten ja darauf ansprechen und mit ihm das Thema vertiefen.

Alles Gute
Bernd