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Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 15:14
von Guinevere
Zitat Otterchen,

viel besser als Strafe (dann ist es doch eh schon passiert) ist doch Prävention!
Was, wenn man sich dafür einsetzen würde, dass dies nicht mehr passiert? Was, wenn es mehr Anlaufstellen für Kinder gäbe? Was, wenn Eltern mehr Unterstützung und Aufklärung bekämen? Was, wenn Kinder z.B. in der Schule lernen könnten, elterliches Fehlverhalten in den richtigen Blickwinkel zu lenken und selbst widerstandsfähiger zu werden? Was, wenn es breite Aufklärung gäbe und Unterricht, Fortbildungskurse und praktische Hilfe? Wenn die Hemmschwelle nicht mehr so groß wäre, sondern wenn es auf einmal "in" wäre, nach neuen Werten zu leben, die eigene Persönlichkeit zu coachen, neue Sichtweisen zu entwickeln usw.?
DAFÜR würde ich mich einsetzen.

Würde ich aus so sehn , würde in Bezug auf die zwei "Alten" , besonders Mom so einiges erleichtern, wenn ich da nur mal an die ständigen, sowas von schwerfälligen Diskussionen in Bezug auf das Wort "geisteskrank" denke...

Naja, Schwester gefällts mittlerweile ganz gut bei den AA (soviel Verständnis hatte sie nicht erwartet), und, ja, Firma hat zum Glück nochmal ein Auge zugedrückt, und, ihr nochmals Nahe gelegt nen Entzug, und ne Therapie zu machen. Find ich dann auch schon als Fortschritt.

Schönen Tag Euch!
manu

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 16:22
von HelH3
@Schröder

Kann es sein, dass du die meisten Antworten hier nur mal eben überflogen hast?

Niemand, aber auch wirklich niemand hat sich dafür ausgesprochen, Gewalt und Missbrauch nicht zu belangen. Diese Handlungen SIND strafbar. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten gibt es bereits viele Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche in seelischer Not, und anders als noch vor wenigen Jahren werden Töchter aus bestimmten Migrantenfamilien nicht mehr als Eigentum ihrer Eltern betrachtet, welches man nicht nur vom Schulbesuch abhalten, sondern auch minderjährig zwangsverheiraten darf - gut so!

Ich möchte nochmals den Vergleich zu scheiternden/gescheiterten Beziehungen aufwerfen, die bekanntlich auch depressionsauslösend sein können. Aus gutem Grund ist Ehebruch in unserem Kulturkreis nicht mehr belangbar, obwohl die Betrogenen manchmal erheblich leiden. Auch in Beziehungen gibt es häufig einen schwächeren Part, der emotional missbraucht wird. Glaubst du wirklich, das würde aufhören, wenn neue oder eben alte Straftatsbestände (wieder-)eingeführt würden?

Nochmals: Alles, was an Prävention und Krisenintervention möglich ist, sollte angeboten und ggfs noch verstärkt werden.
Dennoch werden eine leidfreie Erziehung und eine leidfreie Beziehung niemals im juristischen Sinn einklagbar sein können.

Flocke schrieb, wie ich finde, absolut zutreffend, dass es keine simple wenn-dann-Kausalität bei der Ursachenforschung zur Depression gibt, die man außerhalb des Strafrechts als Grundlage für die von Ikarus geforderte Belangbarkeit ansetzen kann. Ähnliches gilt mE für Suchterkrankungen. Hat man zB eine genetische Disposition für Alkoholismus und wird ebenso wie ein Elternteil später zum Alki, soll man diesen Elternteil dann für dessen Sucht(-weitergabe) verklagen können? Oder sollen Drogenabhängige ihre Eltern belangen können, weil das mit der Anti-Drogenerziehung ja wohl nicht so ganz geklappt hat?

Andererseits: Daraus könnte man bestimmt bestimmt ein tolles neues Versicherungsbusiness erschließen - ich denke da eine Erziehungsfolgeschädenprivathaftpflichtversicherung für Eltern

Gruß Helena

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 16:39
von otterchen
@ Helena

Erziehungsfolgeschädenprivathaftpflichtversicherung

Daumen hoch!

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 18:18
von umd
Hallo Manu,

danke, dass Du vom Umgang mit deiner Tochter schriebst, vom Verstehen ihrer Angst und von der Möglichkeit zu reden, zu trösten und sich zu entschuldigen, wenn es nötig ist.
Und so gehe auch ich mit meiner Tochter um. Ich glaube, wenn ich die Gefühle und Erinnerungen meiner Kindheit vollständig verdrängen würde(wie ich das etwa 30 Jahre lang tat), wäre ich zu diesem Umgang heute nicht in der Lage.

Hallo Otterchen,
natürlich ist Prävention besser. Das schließt aber einen besseren Schutz der Kinder durch die Gesellschaft(auch per Gesetz) nicht aus. Ich glaube auch, dass ein Kind, das Wertschätzung und Respekt erfahren hat, nicht in die Lage kommt, einen Kindernotdienst oder dgl. beanspruchen zu müssen.
Ich denke, dass das gesellschaftliche Tabu, die eigenen Eltern auf keinen Fall beschuldigen zu dürfen, eine große Rolle bei vielen Depris spielt. (Wär vielleicht ein eigenes Thema)

Hallo Flocke, ich denke, ich verstehe deinen Einwand. Aber es geht mir eher um eine eindeutige Positionierung zum Schutz der Kinder und nicht der Eltern.
Ich weiß, dass auch meine Eltern mich nicht absichtlich schädigten, das ändert aber leider gar nichts.
Zum Thema Strafe / Prävention schrieb ich im letzten Beitrag, dass ich Strafe nur für sinnvoll halte, wenn gleichzeitig Aufklärung betrieben wird.

Hallo Wölfin, ein Säugling, ein Kind von 3 oder 4 oder mehr Jahren soll etwas anderes als nur Opfer sein? Was denn?

Hi Helena,
nein, kann nicht sein. Aber mir scheint,ich konnte mich Dir nicht verständlich machen.

LG an alle, Schröder

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 18:48
von steppenwolf1
Hallo Wölfin, ein Säugling, ein Kind von 3 oder 4 oder mehr Jahren soll etwas anderes als nur Opfer sein?

Ach Du und Ikarus seid 3 oder 4 Jahre alt ?

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 19:43
von Guinevere
Andererseits: Daraus könnte man bestimmt bestimmt ein tolles neues Versicherungsbusiness erschließen - ich denke da eine Erziehungsfolgeschädenprivathaftpflichtversicherung für Eltern

Lach, das wäre was für mich (gewesen)!!!

Hey Schröder,

danke, dass Du vom Umgang mit deiner Tochter schriebst, vom Verstehen ihrer Angst und von der Möglichkeit zu reden, zu trösten und sich zu entschuldigen, wenn es nötig ist.
Und so gehe auch ich mit meiner Tochter um. Ich glaube, wenn ich die Gefühle und Erinnerungen meiner Kindheit vollständig verdrängen würde(wie ich das etwa 30 Jahre lang tat), wäre ich zu diesem Umgang heute nicht in der Lage.

Find ich schön!
Ich weiß nicht, wie es bei Euch ist, aber, ich nerv meine Tochter (mittlerweile) schon auch ab und an mit meinen Nachfragen bezüglich ihrer Kindheit.
Kann mich z.B. auch noch erinnern, dass sie mal von der Schule heimgekommen ist, und getrotzt hat, weil sie - ihrer Aussage nach keine coole Mama möchte (Mamas haben nix cool zu sein *schmunzel*), sie hätte gerne ne strenge Mama... *lach, wenn ich mir das in Gedanken so zurückhole* nach 3 Tagen (ich mich voll bemüht streng zu sein, rumzukommandieren) hats dann gemeint, sie hätte es eh lieber wieder gerne wie vorher.

Ich hatte auch ne Weile heftige Albträume, ich könnte ihnen was zu leide tun, sie in ihrer Entwicklung einschränken....

Ja, und, ich weiß nicht, bei ihrem Dady, nun, seiner hat seine Tochter 4 Jahre lang sex. missbraucht, und, er hatte das (und, die Aussage seiner Mutter, er wäre wie er) irgendwie ständig so im Hinterkopf, dass er ihr (Tochter) aus Angst leider länger aus dem Weg gegangen ist, weil er kein Selbstvertrauen diesbezüglich hatte.
Meint , man kanns auch aus so manchen Ängsten etwas übertreiben.

Schönen Abend allen!
manu

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 20:38
von Guinevere
Wie gehts Dir, Schröder mit den Erinnerungen denn ansonsten so?
Das war z.B. auch bei unserer Nachhilfe (Vater schwerer Alkoholiker und ziemlich brutal) im Verlauf ihrer Depri nach der komplizierten Geburt ihres Sohnes so, dass sie sich oft von den Kindern weggesperrt hat, weil sie heftigste Panikattacken hatte, sie könne ihnen was antun .

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 20:42
von flocke
Hallo Schröder,

nun, aber wie sollte das gehen... wer zeigt an? Was wenn eine Mutter (Gründe mal aussen vor) ihren Säugling lediglich füttert und wickelt und ansonsten vernachläsigt... sagen wir mal ausser ihr weiß das niemand. Glaubst du wirklich sie macht ne Selbstanzeige?!

Sollte sie selbst merken dass da was nicht stimmt, sollte sie Hilfe wollen würde eine strafe sie wohl eher abschrecken und zu einem Aufklärungsgesrpäch, nem Erziehungskurs, oder ner Thjerapie würde es garnicht erst kommen...

Du fragst was Kinder im alter von 3,4 Jahren sonst sein können. "schwierig", bockig, schlechte Esser, Rockzipfelhänger, oder ausbüchser, im Supermarkt sich auf den Boden Schmeißende kleine "Tyrannen"....

Warum sind sie das?
Nunja, da haben die Eltern und das direkte Umfeld, die Umstände unter denen sie aufwachsen, Umweltfaktoren, genetische Disposition, Vorfälle wärend der Schwangerschaft und Geburt, Ernährung usw. ihren Beitrag geleistet... sind die Eltern nun überfordert, oder haben vielleicht selber Probleme (Depressionene z.B. ) ist das eine ungute Mischung, gebe ich zu.... aber was sollen da Stafen bewirken???

Ich halte nur einen geringen Teil der Bevölkerung für wirklich zu Grausamkeit fähig, im Volksmund würde man vielleicht "Psychopathen" sagen... oftmahls sind es die (durch Erziehung usw.) verqueren eigenen Ansichten und Vorstellungen, Überforderung, eigene Unsicherheit, Unwissenheit usw. die zu Vernachlässigung führen, oder aber dazu dass jemand "schlecht" behandelt wird.

Einem Menschen in seiner Individualität gerecht zu werden ist verdammt schwer und bei einem Kind finde ich es nochmal ne Portion komplizierter... hat man dann zwei, oder drei...

Ich habe großen Respekt vor Eltern und nochmehr vor (in meinen Augen) "guten" Eltern!

Eine klare Posittionierung forderst du und viele andere, ich auch. Es gibt sie in Teilen schon, aber noch immer geschehen Dinge die nicht sein müssten...

Vernachlässigung führt ja schon zu Schutzmaßnahmen fürs Kind und mitunter auch zu Verurteilung von Eltern... allerdings geht auch hier zugegebenermaßen vieles schief (gerade auch da wo zu schnell, oder aber leider viel zu spät eingegriffen wird, es ist ein Balanceakt und bei chronisch leeren Kassen, immer höheren Anforderungen an einzenle, hin und her schieben von Verantwortung... ein schwer zu lösendes Problem.

Strafandrohung bringt wenig, die Verbrechenszahlen sind dadurch nicht rückläufig... im gegenteil Die Hemmschwelle etwas anzusprechen, oder sich selber Hilfe zu holen und auch die Hemmschwelle für ein (immer älter werdendes) Kind steigen dadurch nur an. (siehe Missbrauch)

An Steppenwolf,

nun ich denke (weiß es aber nicht) dass Vergebung auch traumatisierten Menschen gut tut, aber erst am Ende eines laaaaangen Prozesses und vielleicht kommt der ein oder andere nie an den Punkt...

Im Eneffekt sind wir doch alle traumatisiert, von Geburt an Aber wer würde schon die eigene Mutter verklagen wollen einzig und allein weil sie einen geboren hat und dadurch gewzungen hat die ersten sicherlich schmerzhaften Atemzüge zu machen, Hunger zu spüren und so weiter...

Flocke

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 20:48
von HelH3
@Schröder

Ich denke, dass das gesellschaftliche Tabu, die eigenen Eltern auf keinen Fall beschuldigen zu dürfen, eine große Rolle bei vielen Depris spielt. (Wär vielleicht ein eigenes Thema)

Wenn es um Beschuldigen im Sinne von moralisch mit Verantwortung belegen und therapeutisches Aufarbeiten geht, bin ich ganz deiner Meinung. Dies wäre mE aber wirklich ein eigenes Thema, welches hier auch schon einige Male kontrovers diskutiert wurde.

Ikarus' Ansatz verstehe ich aber so, dass ihm die vorhandenen Möglichkeiten durch Straf- und Familienrecht nicht ausreichen und er mit "Belangen können" so etwas wie eine rechtswirksame Haftbarkeit von Eltern für eine später auftretende Depression ihres Kindes fordert.

Dazu haben diverse Foristen inkl mir bereits viele schlüssig begründete Einwände bzgl Machbarkeit und Sinnhaftigkeit gebracht.

Ein weiteres Beispiel aus meiner Biographie: Meine Mutter wollte unbedingt einen Sohn und war, wie ich nicht nur von nahen Verwandten, sondern so gar von ihr selbst weiß, sehr enttäuscht darüber, dass ich "nur" ein Mädchen war. Obwohl sie selbst eine selbständige und gebildete Frau war und ist, hat sie mir damals ein völlig überkommenes Geschlechterrollenbild aufzudrücken versucht und mir immer wieder das Gefühl vermittelt, irgendwie nicht richtig, nicht gut genug usw zu sein. Außerdem empfand sie mich als Baby als extrem anstrengend (Schreibaby usw) und übergab mich sehr bald der Obhut meiner Großmutter, welche mich sehr geliebt hat und umgekehrt.

Und, sollte ich meine Mutter heute wegen Geschlechterdiskriminierung belangen können? Das würde mir überhaupt nichts bringen. Ich glaube, diesen Punkt mittlerweile mit Hilfe meines Psychotherapeuten hinreichend bearbeitet zu haben. Mein Weltbild ist anders als ihres, und das ist auch gut so.

@Ikarus

Du scheinst mir so krampfhaft nach dem ultimativen Auslöser aus deiner Kindheit zu suchen, dass du dich darüber im Hier und Jetzt zu verlieren drohst. Schläge und permanente Abwertung haben ganz sicher deine Depression entstehen lassen - ersteres wäre justiziabel gewesen, ist jetzt aber wegen des Zeitablaufs kaum noch beweisbar. Letzteres mit all seinen Folgen kannst nur du selbst durch Aufarbeitung unschädlich(er) machen.

Gruß Helena

PS @Wölfin, Otterchen:

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 4. Aug 2010, 21:36
von otterchen
@ Helena,

Wenn es um Beschuldigen im Sinne von moralisch mit Verantwortung belegen und therapeutisches Aufarbeiten geht, bin ich ganz deiner Meinung.

Da stimme ich zu. Das, was da passiert ist, war falsch; das hatten wir nicht verdient; wir tragen keine Schuld daran. Es lag in der Verantwortung der Eltern.

Aber heute sind wir für uns verantwortlich. Wenn wir immer noch mit dem Finger auf die (damaligen) Eltern zeigen, überlassen wir ihnen nach wie vor die Verantwortung für unser heutiges Empfinden, geben ihnen nach wie vor Macht über uns.

Nochmal: ich relativiere nichts, ich bin auch noch lange nicht soweit, ihnen vergeben zu können, und ich bin selbstverständlich dafür, dass Kinder (und nicht nur die) geschützt werden müssen (was zu einem Großteil schon passiert - aber es ist ein langer Prozess; es müssen sich Werte ändern, und das ist m.M.n. eine Generationenfrage).
Aber zum einen trägt Vergeltung nicht zur eigenen Heilung bei, zum anderen führt Strafe bestimmt nicht zum gewünschten Ergebnis. Die Welt wird nicht durch Strafe besser, sondern durch positive Verstärkung.

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 5. Aug 2010, 01:01
von tomroerich
Hallo Thomas, ich kann den Satz mit dem Stein in diesem Zusammenhang nicht verstehen.
Soll ich meine Eltern nicht anklagen, weil ich vielleicht auch Fehler in der Erziehung meiner Tochter gemacht habe / machen könnte? Habe ich deshalb nicht das Recht, meine Eltern mit ihrer Behandlung und deren Folgen für mein Leben zu konfrontieren?

N'Abend, Schröder,

lass uns immer im Auge behalten, was nützt. Zu konfrontieren kann nützlich sein, wenn es mit der Absicht geschieht, etwas bewusst zu machen. Aber - und das ist die Überschrift dieses threads - wo liegt der Nutzen, "Schädiger lebenslang belangen zu können" ?

Der Gedanke der Rache ist nutzlos für Täter und Opfer, weil er nicht heilt. Heilung ist das Einzige, wonach Verletzung verlangt und man sollte immer danach fragen, wodurch das geschehen kann.

Das Zitat mit dem Stein sagt aus, dass Strafe und Rache nicht heilt. Sünde bedeutet nicht "strafwürdiges Vergehen" sondern "Verletzung" oder "Trennung von sich selbst" - das läuft auf Dasselbe hinaus. Und sie kann nicht geheilt werden, indem man sie wiederholt sondern indem man sie unterbricht und aufgibt (vergibt).

LG

Thomas

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 5. Aug 2010, 07:56
von otterchen
Thomas' Posting hat mich auf eine wichtige Diskrepanz aufmerksam gemacht:

Das Eingangsposting spricht davon, Schädiger lebenslang belangen zu können.
Schröder spricht von sofortigen Maßnahmen.
Kann es deshalb sein, dass wir ein wenig aneinander vorbeireden?

Re: Schädiger lebenslang belangen können...

Verfasst: 6. Aug 2010, 00:10
von umd
Hallo Otterchen,
ich glaube, Du hast Recht. Fällt mir aber auch gerade erst auf.

An Thomas,
Dein Zitat habe ich bisher nie auf diese Art verstanden, wie Du es erklärst(liegt vielleicht an meiner "ungläubigen" Erziehung ). Aber jetzt kann ich es auch in diesem Zusammenhang verstehen. Danke.

An Helena,
meine Mutter wollte auch immer einen Sohn. Nach zwei totgeborenen Söhnen kam dann ich - ein Mädchen. Aber ich versuchte einfach so zu werden, wie sie mich wollte. Gelingen konnte das nicht, aber es machte mich anders, nicht richtig, nicht zugehörig. Und das vermittelte sie mir, solange ich zurück denken kann (neben vielen anderen Dingen). Belangen kann ich sie dafür nicht, würde ich auch nicht, wenn es die Möglichkeit gäbe. Mein Weg ist die Konfrontation mit ihr und das Begreifen ihrer Begrenztheit und Unfähigkeit.

An alle,
ich will mich einfach noch mal versuchen zu erklären, denn eine Antwort auf all die vielen direkten Anprachen kann ich zeitlich einfach nicht leisten. Sorry.
Ich glaube, dass Kinder in unserer Gesellschaft keineswegs ausreichend geschützt sind und dass die Unwissenheit über die schädigenden Auswirkungen diverser Erziehungsmaßnahmen nicht nur unter Eltern riesengroß ist. Das ist einfach kein Thema. Es wird immer erst dann zu einem, wenn äußerst brutale Misshandlungen offenbar werden. Aber dann steht immer die Meinung im Raum, dass es ja nur ein Einzelfall sei. Also nichts, worüber man beunruhigt sein müsste. Aber Ignoranz, Lieblosigkeit, Ausbeutung, Schläge...("ab und zu eine Ohrfeige hat uns doch auch nicht geschadet":( )... sind Realitäten in den meisten Familien.

Und wenn ich wie in den letzten Wochen sehe, dass die meisten Priester, die ihre Schüler sexuell missbrauchten, straffrei ausgehen weil nach dreißig Jahren die Verjährung eine Strafverfolgung ausschließt, wird es mir übel. Und da bin ich sehr wohl dafür, die Verjährung abzuschaffen, denn wie lange die Aufarbeitung und das Aufgeben der Verdrängung dauern kann, wissen sicher viele Menschen hier im Forum. Da reichen dreißig Jahre eben oft nicht aus. Und genau so sehe ich das auch in Bezug auf die eigenen Eltern.
Ob dann jemand seinen Peiniger anklagen möchte, ist seine eigene Entscheidung. Aber wenn er sich dafür entscheidet, hat er wenigstens die Möglichkeit dazu.

Dass Rache nicht heilen kann, ist mir auch klar. Aber laut sagen zu dürfen, was einem passiert ist, kann schon sehr heilsam sein, als erster Schritt. Die Verarbeitung, das Annehmen des Geschehenen, die Integration in die eigene Persönlichkeit muss sowieso jeder für sich selbst bewältigen. Aber die Wege dazu sind einfach sehr verschieden.

Gute Nacht an alle, Schröder.