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Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 19. Jul 2010, 22:13
von flower123
Ein liebes Hallo an alle!

"Hallo Lernfee,
Eine ganz liebe Frau aus dem Sektor "Umgang mit der Krankheit" namens white orchid hat über ziemlich dieselben Probleme gesprochen wie Du, dass sie eben keine Nähe zulassen kann, obwohl sie so sehr danach sucht.

Wenn Du willst, kannst Du ja mal nachblättern, der entsprechende thread heißt glaube ich "beziehungsunfähig?", ist schon eine ganze WEile her, aber ich glaube, Du findest dich in diesem thread in einigem wieder."

Ach fletzy, du alter Charmeur

Ein liebes Hallo auch an dich, lernfee!
Das stimmt, ich habe einen thread mit dem Thema "beziehungsunfähig?" vor einer Weile eröffnet, als es mir sehr schlecht ging damit.

Ich wünsche dir Alles Gute, liebe lernfee!
Und dir auch nen Drücker, fletzy!

GLG aus dem Ruhrpott
white orchid

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 20. Jul 2010, 06:50
von mbm22
Liebe white orchid!

Ich musste bei Deiner gestrigen Mail etwas schmunzeln, aber fletzy hat da mit seinem Tipp schon direkt ins Schwarze getroffen. Das Nicht-Zulassen-Können von Nähe, bei Annäherung von anderen immer wieder auf Distanz gehen zu müssen, körperliche Berührungen kaum ertragen zu können, das ist schon genau meine Baustelle. Ich habe mich in Deinem Thread in ganz vielen Aussagen wiedergefunden.

In meiner Therapie habe ich gestern das erste Mal darüber sprechen können, wie sehr mich dieses belastet. Eigentlich ging es darum, herauszufinden, warum ich mich so gar nicht annehmen und wertvoll finden kann. Doch ich merke immer wieder, dass es mir nicht möglich ist, mich in Beziehungen zu öffnen und Nähe zuzulassen. Das betrifft bei mir eben auch nicht nur Partnerschaften, sondern auch andere freundschaftliche Beziehungen. Ich habe ständig Angst vor Verletzungen, Demütigungen, davor von anderen benutzt zu werden. Dabei ist es nicht so, dass ich keine Partnerschaften hatte. Erst nach 14 Jahren Ehe habe ich es geschafft zu sagen, dass ich das so nicht mehr kann und will. Da gab es natürlich auch viel Angst, es mit drei Kindern alleine nicht schaffen zu können. Doch eigentlich habe ich mich in meiner Ehe auch immer alleine gefühlt, habe dort nie die Geborgenheit und den Halt gefunden, den ich mir gewünscht habe und wohl auch gebraucht hätte.

Jetzt weiß ich zwar, dass ich es auch alleine schaffe, habe mir ganz allein eine neue berufliche Existenz aufgebaut und meine Kinder haben sich auch gut entwickelt, doch mir fehlt einfach eine Partnerschaft.

Ich habe die letzten 7 Jahre so sehr um alles gekämpft, meine sämtlichen Energien aufgebracht, doch jetzt, wo ich gehofft hatte angekommen zu sein, ist alles furchtbar leer und sinnlos. Was bleibt ist immer die Sehnsucht, sich einfach auch mal Fallen lassen zu dürfen, mal nicht kämpfen zu müssen, sondern sich einfach mal bei einem anderen Menschen geborgen und gehalten zu fühlen. Dieses Gefühl vermisse ich schon seit meiner frühesten Kindheit und es wahrzunehmen wird immer schmerzlicher. Lange habe ich versucht, es in mir zu verdrängen, aber jetzt bin ich in meiner Therapie soweit, dass ich mich dem stellen muss, um es irgendwie aufzuarbeiten.

Liebe white orchid, ich würde mich über dieses Thema gerne weiterhin mit Dir austauschen, wenn Du magst.

Ganz liebe Grüße

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 20. Jul 2010, 11:57
von flower123
Hallo liebe lernfee!

Gern!
Wir können uns vielleicht in meinem Thread "beziehungsunfähig?" oder in dem anderen Thread "Single weil depressiv oder depressiv weil Single?" darüber unterhalten, da es in diesen Thread nicht so ganz hineinpasst.

Bis bald!
GLG w.o.

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 21. Jul 2010, 18:20
von fletzy
Hallo liebe Lernfee,

danke, dass Du dich so interessiert nach meinem Sonntag-Abend erkundigst, hat mich sehr gefreut!

Und weißt Du was?

Noch mehr hat mich gefreut, dass ich dich an w.o. weiter "vermitteln" konnte - ich dachte einfach, das, was Du so beschreibst, könnte mit den Problemen von w.o. übereinstimmen - und siehe da: ihr habt euch gefunden
Und diese w.o. kann ich Dir nur wärmstens weiter empfehlen, ich kenn' die ja aus einem ganz anderen thread im Sektor "UMgang mit der Krankheit", ist gerade mal Anfang 20, hat aber Lebenserfahrung wie 'ne 40- oder 50- jährige

Gut, sie ist zwar aus dem Ruhrpott, aber das muß ja allein noch nichts schlechtes sein, wir Franken sind da sehr tolerant :):) (Die Gute kann ja auch nichts dafür...)

Nein, aber jetzt mal ganz im Ernst:

Meine starke Sozialphobie kam am Sonntag wieder sehr stark durch (leider):

Ich kam irgendwann am Abend in meinem Heimatstädtchen an und sah das Auto von Freunden meiner Eltern in der Garage stehen und was macht unser fletzy?

Anstatt zu sagen: "Hallo, da bin ich - alles Gute zum Geburtstag meine liebe Mama!", bin ich schnurstracks umgekehrt und hab' in der Stadt im Auto so lange gewartet, bis diese Freunde wieder weg waren!

Das mußt Du dir mal vorstellen, liebe Lernfee, ich traute mich nicht mal in mein eigenes Elternhaus zu gehen, aus Angst vor diesen Freunden meiner Eltern.

Du hast ja auch geschrieben, dass Du Probleme hast, Dich anzunehmen, dich zu lieben, usw.usf., aber war das bei dir jemals so schlimm, dass Du nicht mal in dein eigenes Haus gegangen bist?

Kennst Du sowas auch?

Ich hab' allerdings immer dann mehr Schwierigkeiten, wenn die Leute, auf die ich treffen werde, nichts von der Krankheit wissen und ich das Gefühl habe, nein, besser gesagt, diesen Druck verspüre, dass die auch auf keinen Fall mitkriegen sollten, dass ich unter dieser Krankheit leide.

Vielleicht kennst Du diese Sozialphobien in leichterer Form auch, liebe Lernfee, aber bei mir ist das doch alles nicht mehr normal, oder?

Oder noch ein Beispiel:

Vor gut einer Woche hatte ich mal wieder einen Lehrauftrag an der Privatschule, für die ich ab und zu arbeite.

Das Unterrichten an sich, war gar nicht das Problem: ganz im Gegenteil, mir machte es sogar etwas Spaß, mal wieder vor meinen Schülern zu stehen und denen was zu vermitteln (auch wenn's tierisch heiß war:()

Aber weißt Du was ?

Ich hab' es nicht geschafft, mich in der Mittagspause zu meinen ganzen Kollegen ins Lehrerzimmer zu setzen und mit denen gemeinsam zu Mittag zu essen.
Dabei bin ich - so wird mir auch immer wieder bestätigt- alles andere als verklemmt, gehemmt oder introvertiert.

Ich kann mich eigentlich recht gut anderen Menschen öffnen (manchmal vielleicht sogar ein wenig zu sehr:) )

Aber es ist immer diese Angst da, Mensch fletzy, vielleicht interessiert's gar niemanden, das, was Du da erzählst, sag' jetzt bloß nichts Lächerliches, Dummes, Blödes oder Belangloses.

Auch setze ich mich imnmer diesem Druck aus, besonders witzig, unterhaltsam und kurzweilig zu sein - dabei sind's die anderen LEUTE JA AUCH LÄNGST NICHT IMMER!
Aber wir Depris haben glaube ich die unnachahmliche Art, uns über Gott und die WELT UND JEDES NOCH SO UNBEDEUTENDE DETAIL GEDANKEN ZU MACHEN, ich sprech' da aus ganz eigener Erfahrung!

Danke auch für deinen Tip, mit dem Kalender, bzw. Wochenplan.

Also die wichtigen Termine (Privatschüler, Thera, Psychiater,usw,usf.) trage ich immer schön in einen Wandkalender ein, und ich bin bis jetzt auch ganz gut damit gefahren.

Heute z.B. hatte ich ja diesen Termin beim Arbeitsamt, vor dem ich schon ein wenig Bammel hatte (zumal ich mich ja immer noch nicht beim Goethe-Institut beworben habe - bin ein absoluter Meister im Rausschieben von wichtigen Dingen!)

Und ich sagte dann der Dame (die übrigens sehr in Ordnung ist), dass ich "jeden Tag" mit einer Antwort rechne.

Danach hatte ich schon ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil die Frau wirklich in Ordnung ist und mir auch aufgrund meiner Erkrankung keinen unnötigen Druck aufhalsen will, wie sie selbst sagt.

Vielleicht treibt mich jetzt mein schlechtes Gewissen dazu, mich endlich mal daran zu setzen....

Muß mich aber, so wie's aussieht, in nächster Zeit, schon etwas um Bewerbungen bemühen, auch wenn ich nur für 4 Stunden am Tag arbeiten kann, wie der entsprechende Psycho-Doc (Amtsarzt) feststellte...

Aber weißt Du, liebe Lernfee, was mich echt gefreut hat?

ZU hören, bzw. zu lesen, dass ich dir etwas Mut machen konnte, deinen ganzen Mut bei deinem Therapeutengespräch zusammen zu nehmen und die ganzen wunden Punkte anzusprechen, die dich belasten!
Und Du hast dich nicht mal schlecht dabei gefühlt!
KLasse!

Denn, weißt Du, ich sage mir immer, wenn wir uns nicht trauen, uns bei unserem thera zu öffnen (und dann auch nur mit einem schlechten Gewissen), bei wem dann?

Letztendlich (ich glaub' das schrieb' mir mal salvatore in diesem thread) ist das ja auch ein rein gechäftliches Verhältnis:

der eine zahlt und kann dafür auch eine Leistung verlangen, auch wenn sich das jetzt ganz nüchtern und kalt anhört.

So, jetzt hab' ich genug gelabert, liebe Lernfee, ich hoffe, Du konntest dich diese Woche schon wieder ein wenig mehr annehmen als sonst, und lernst allmählich, mit dieser Diskrepanz zwischen diesem Wunsch nach Nähe und gleichzeitig der Angst davor, umzugehen.

Das wünsch ich dir von ganzem Herzen,

vertrau' auf dich und auf das, was DU IN DEINEM LEBEN SCHON ALLEIN ALLES GEPACKT HAST!

(Weißt Du, das muß ich mir auch immer wieder vor Augen halten)

Der Mensch hält soviel aus,wenn's sein muß, dass man sich später immer fragt: wie hab' ich das bloß alles geschafft?

Der Mensch schafft soviel, wenn er gefordert ist!

Ganz liebe Grüße,

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 21. Jul 2010, 22:22
von mbm22
Hallo lieber Fletzy,

ich habe mich sehr gefreut, etwas von Dir zu hören. Wenn ich lese, wie es Dir am Sonntag ergangen ist, kann ich mir Deine Frustration gut vorstellen, wenn ich auch nicht genau ermessen kann, was dann genau in Dir vorgeht, wenn Du auf solche Situationen triffst.

Zu meinen Eltern fahre ich übrigens auch sehr ungern, fühle mich dort bei Besuchen auch immer recht unwohl. In meiner Kindheit habe ich oft das Gefühl vermisst, von meinen Eltern anerkannt und geliebt zu werden. Immer gab es an mir etwas zu kritisieren und ich hatte immer das Gefühl nicht gut genug zu sein, um geliebt zu werden, obwohl ich stets bemüht war keinen Ärger zu machen, meine Wünsche und Bedürfnisse zurückzustellen. Insbesondere meine Mutter hat mir auf diese Weise viele Verletzungen zugefügt. Sie war damals noch sehr jung, eine Schwangerschaft nicht geplant, insbesondere weil sie eigentlich noch berufliche Pläne hatte, die sie wegen mir dann aufgegeben hat.

Ich leide bis heute an diesem Defizit an Geborgenheit und bin nur wenig imstande darüber zu reden. Wenn ich nun meine Eltern besuche, verwandele ich mich automatisch wieder in das kleine Kind von früher und fühle mich total mies.

Eigentlich habe ich nur ganz wenig Kontakt zu ihnen, doch gestern rief ganz überraschend meine Mutter an, weil sie kurz vorbei kommen wollte. Sofort beschlich mich ein beklemmendes Gefühl und ich habe auf die Schnelle alle meine Depri-Bücher aus dem Regal geräumt und versteckt und als sie dann da war versucht, mich unbekümmert und fröhlich zu geben. Sie wollte mir nur einen schönen Urlaub wünschen und ich war sofort wieder voller Panik, dass sie irgendetwas von mir will, habe sofort ein schlechtes Gewissen und konnte mich erst wieder beruhigen , als sie weg war.

So geht es mir besonders seitdem ich bei meinem Therapeuten eine Fragebogen zur Familiengeschichte ausfüllen musste. Ich habe dort nur beschrieben, was war, aber ich habe das Gefühl sie damit verraten zu haben.

Den Umgang mit Fremden habe ich einigermaßen in meiner Referententätigkeit gelernt. Trotzdem war ich auch zu Beginn jedes Kurses aufgeregt, weil ich nicht wusste, wen ich da vor mir haben werde. Durch eine Vorstellungsrunde habe ich dann versucht etwas ruhiger zu werden. Es tat immer gut zu merken, dass die anderen auch aufgeregt sind.

Deine Gefühle beim Betreten des Lehrerzimmers kenne ich auch nur allzu gut. Da ich ja keine Lehrerin bin, sonders eben eine therapeutische Ausbildung habe, nehme ich dort ja auch gewissermaßen eine Sonderstellung ein. Mein Selbstwert sagt mir dann natürlich, dass ich den Lehrern gegenüber nicht ebenbürtig bin, weil ich dafür ja kein Studium absolviert habe. Außerdem bin ich ja dort nicht angestellt und bekomme ja auch bedeutend weniger Geld.
Die Kollegen haben mich auch sehr kritisch beäugt, doch dann hat die Schulleiterin dafür gesorgt, dass ich mich auf der Lehrerkonferenz vorstellen durfte. Da habe ich dann Blut und Wasser geschwitzt, aber doch den Großteil für mich gewinnen können. Nach meiner Abschlussprüfung habe ich dann für alle Kollegen im Lehrerzimmer ein Frühstück ausgegeben und seitdem fühle ich mich dort wohler. Dass heißt ich habe das Gefühl mehr akzeptiert zu werden. Inwischen versuche ich mit vielen Kollegen kurze Tür- und Angel-Gespräche zu führen und sie schicken mir nach und nach weitere Kinder.

Aber noch mal zu Dir lieber Fletzy. Kannst Du Dir vorstellen zu einer Einladung eine dir vertraute Person, also einen Freund, Deine Ex oder so mitzunehmen. Dann hättest Du doch auf jeden Fall jemand, der dich stärkt, mit dem DU reden kannst und zu dem zu jederzeit Blickkontakt aufnehmen kannst, wenn DU DIch unsicher fühlst. Gerade der Blickkontakt gibt mir in solchen Situationen immer sehr viel Halt. In der o.g. Lehrerkonferenz war es z.B. die Klassenlehrerin meines Sohnes.

Du hattes neulich mal geschrieben, dass Du mit den Nachbarn (?) Fussball geschaut hast. Vielleicht kannst Du Dich ja mal zu einem Treffen in kleinerer Runde überwinden, in der möglicherweise nur wenige fremde Personen dabei sind. Es muss ja nicht gleich die große Geburtstagsparty sein. Außerdem hilft es vielleicht, sich einen zeitlichen Rahmen zu setzen, z.B. ich kann nur 1 Stunde bleiben.

Prima, dass Du Deinen Termin beim Arbeitsamt schon geschafft hast. Aber wer A sagt, sollte auch B, wie Bewerbung sagen. Ich denke, dass Du Dich so gut fühlen wirst, wenn Du es schaffst, Dich aufzuraffen und wünsche Dir so sehr, dass Du es diesmal schaffst. Vielleicht kann ich Dir auch mal ein wenig auf der Schulter sitzen, so wie Du mir neulich auch geholfen hast. Dafür werde ich Dir jedenfalls ganz doll die Daumen drücken und an Dich denken.

Ganz liebe Grüße und eine gute Nacht!

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 23. Jul 2010, 22:33
von umd
Hallo fletzy,
wollte einfach mal nachfragen, was die Terminvereinbarung mit Deinem Thera und die Überlegungen bezüglich Thera-Wechsel machen.
(Bin halt manchmal gerne am Sticheln

Ich hoffe, ich bin Dir mit meinem letzten post nicht zu nahe getreten. Falls doch, tut es mir leid und war es auf jeden Fall nicht meine Absicht.

Dein Schreiben über Deine sozialen Phobien, selbst beim Besuch Deiner Eltern, empfand ich als sehr bedrohlich. Ich kenne solche Zustände auch, aber lange nicht in dieser Intensität - das ist wahrlich keine einfache Situation...
Aber was es heißt, sich dem zu stellen, weiß ich wohl.

LG. schröder

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 24. Jul 2010, 01:17
von fletzy
Hallo Schröder,

vielen, vielen Dank auch für deine mails und keine Angst: Du bist mir bestimmt nicht zu nahe getreten - ich habe Leute, die etwas sticheln und mir ab und zu 'nen Tritt geben lieber als die, die mir nur nach dem Mund reden und grundsätzlich alles gut finden, was ich mache (auch wenn sie's im GRunde gar nicht gut finden, aber es mir aus falscher Rücksichtnahme nicht erzählen)

Und wenn Du mich ein wenig stichelst (was ich ja genz gerne auch mal mache ), dann zeigt das doch nur, dass Du auch ein wenig Interesse an meiner "Geschichte" hast - Leute, die einem gleichgültig sind, straft man ja meistens auch mit Nicht-Beachtung)

Ich bin im Moment intensiv auf der Suche nach einem CBASP-Therapeuten, denn mit meinem bisherigen Thera kann ich mir ehrlich gesagt eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen - er hat sich bis jetzt - was ich schon ahnte - bei mir noch nicht gemeldet und ich müßte mich jetzt wieder, um einen neuen Termin auszumachen bei ihm melden - das wäre schon das dritte Mal, dass er seine Zusage nicht einhält. (Immer wieder sagte er mir, er würde sich wieder bei mir melden, was er jedesmal nicht tat)

Ich habe mittlerweile einfach die Schn... voll von seiner doch offensichtlich sehr chaotischen Terminpolitik. Ich will jetzt auch gar nicht mehr herausfinden, ob es nun Strategie ist oder nicht, ob er mich aus der Reserve locken will oder nicht...
Vielleicht hält er mich wirklich auch für "austherapiert" oder gar für "therapieresistent" und traut sich's nur nicht, mir zu sagen, kann alles möglich sein.

Fand ich übrigens sehr interessant, was Du über deine Mutter und meinen Vater geschrieben hast - sind ja beide wirklich Verdrängungskünstler und sie müßten, wenn sie unsere berechtigten An-und Vorwürfe ernst nehmen würden ja wirklich ihr bisheriges Leben in Frage stellen und das macht ihnen riesige Angst - wie gesagt, mein Vater würde sich lieber die Zunge abbeißen, als zuzugeben, er sei depressiv.

Er ist seit Jahren Diabetiker und außerdem hört er schlecht und da kommen diese beiden Krankheiten ihm sehr Recht, die ihm als Ausreden für seine depressiven Symptome dienen.

Und immer wenn ich meine Mutter auf seine eindeutigst depressiven Symptome anspreche, gibt sie ihm ja auch noch Rückendeckung!

Du meinst, der Papa ist in letzter Zeit ein wenig verwirrt?

Das liegt doch nur daran, dass er nicht mehr so gut hört....

Du meinst, er ist immer so müde und schlapp?

Das liegt doch nur an seiner Diabetes....

Grrrrr.... da könnte man ausflippen vor Zorn, ich möchte sie beide dann immer am liebsten anbrüllen, anschreien.

(DEnn beide wissen, dass mein Vater 'n Depri ist)

Aber was macht unser fletzy?

Bleibt natürlich wie immer sanft und verständnisvoll - ist doch unser lieber , braver fletzy, der sich immer unter Kontrolle hat.

Da geht's mir oft wie Lernfee - ich bekomm' ne unheimliche Wut, ja schon Verachtung auf mich selbst, weil ich meiner ehrlichen, BERECHTIGTEN Wut keinen Raum lass - lieber Schluck ich den ganzen Ärger wieder runter.

Das mit meiner Sozialphobie halte ich mittlerweile auch für bedrohlich, jedenfalls schränkt die natürlich auch meine Lebensqualität gewaltig ein.

So war ich allerdings schon als Jugendlicher und Heranwachsender:

Familienfeier? Klassntreffen? Klassenfeier?
Bloß weg, bloß nicht hin.

Zieht sich bis heute durch fast mein ganzes Leben - den Freunden meiner Eltern erzählte meine Mutter halt immer: der fletzy?

der ist mal wieder in Spanien unterwegs.

Oder den Leuten, die ein bisschen mehr Wahrheit ertragen konnten:
der fletzy verzieht sich immer, wenn mehr als drei Leute anwesend sind.

Und hat dazu noch gelacht, auch wenn's ihr gar nicht zum Lachen war.

Diese verfl....Sozialphobie liegt eben an meinem NULL-SElbstwertgefühl.

Und da müßte man eben ansetzen - hab' mir auch schon ein wenig Literatur drüber gekauft, verschiedene theras versuchten bereits ihr Glück - alles bisher leider ohne erfolg

Da halfen auch Aufbauversuche und Komplimente von freunden und Verwandten nichts:
fletzy, Du siehst doch gut aus, Du bist so intelligent, Du kannst dich so gut ausdrücken, Du kannst so lustig und unterhaltsam sein....usw., usf.,

Es ist wirklich so: wenn mehr als drei, vier Leute in einem Raum sind, werde ich immer ganz stumm, krieg' meine Klappe nicht mehr auf - außer, ich trete als Lehrer auf, als ausgewiesene Autoritätsperson quasi, da macht mir das Reden überhaupt nichts aus.

Bin schon ein Sonderfall (wie sich sogar die Dame im Arbeitsamt ausdrückte)

Mein Gott Schröder, ich könnte dir noch so viel aus meiner Familie erzählen, so viel, was ich seit vielen, vielen Jahren mit mir herumschleppe, (wenn man mich schon stichelt, muß man sich eben auch meine
Familien-Depris-Stories anhören ), aber heute abend packe ich das Ganze nicht mehr.

Für mich ist mein Geschreibsel übrigens auch
gewissermaßen Therapie: ich kann Aggressionen ablassen, sehe viele Dinge klarer und deutlicher als zuvor und komme manchmal auch zu ganz neuen Erkenntnissen, Einsichten oder Schlußfolgerungen.

Also, wie gesagt, Du bist mir bestimmt nicht zunahe getreten, die Wahrheit oder andere Meinungen sind nunmal oft etwas unbequem...

Ich hoffe, ich höre wieder von dir,

venceremos,


Liebe Grüße,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 24. Jul 2010, 17:25
von fletzy
Hallo liebe Lernfee,

hab' mich ebenfalls sehr gefreut, wieder von Dir zu hören.

Meine Antwort hat etwas länger auf sich warten lassen, weil es mir seit ein paar Tagen wieder nicht so gut geht: hab' wieder so starke Lebensängste, Angst vor allem und jedem, vor Begegnungen, vor Konflikten, vor Feiern oder Veranstaltungen sowieso.

Ich glaubte, ich hätte sie unter KOntrolle (vor zwei jahren bin ich aufgewacht und sie waren einfach weg, wie weggelöscht - war ein sehr schönes Gefühl:))

Und jetzt sind sie mit voller Wucht wieder da, rauben mir das letzte bißchen Freude an den Dingen, bringen mich oft ganz zum Schweigen, schnüren mir manchmal regelrecht die Kehle zu - fühle mich zur Zeit wieder wie eine Hülle, die nur aus ANGST und Selbstzweifeln besteht - das macht einen mürbe und frißt einen regelrecht auf - vielleicht kennst Du ja solche Zustände (Hoffe es für dich allerdings nicht).

Habe mehr in der Rubrik "Pharmakotherapie" dazu geschrieben und will das hier gar nicht länger ausführen - WANN hört das Ganze endlich wieder auf?

(hab' mir jetzt 'n Benzo namens Busp verschreiben lassen und hoffe, dass dsas ganze bei mir anschlägt)

Du schreibst sehr interessant und plastisch von deinem Verhältnis zu deiner Mutter, die dich offenabr nie richtig hat spüren lassen, dass sie dich liebt und dass sie deine Leistungen anerkennt.
Das versuchte meine Mutter mir immer zu vermitteln:

Du kannst etwas, du bist etwas Wert, ich liebe dich.

Doch gleichzeitig wollte sie uns eben eine schöne, unbeschwerte, unbekümmerte Kindheit bereiten und hat uns eben immer gesagt: fletzy, wenn Du nicht weiter kommste, dann hilft dir doch der Onkel soundso oder die Tante soundso, weißt Du, wir mußten uns nie irgendwo selbst durchkämpfen, oder hatten selten das Gefühl, aus eigener Kraft etwas geschafft zu haben - beim kleinsten Problemchen war sie zur Stelleoder uns wurde jemand zur Seite gestellt, der uns weiterhalf.

So wurden wir auch ständig in einer gewissen Unmündigkeit, Unselbständigkeit gehalten - und diese Gefühle halten bei mir bis heute an.
Bis heute kann ich nicht richtig problemlösend denken, fühle mich trotz meiner 40 Jahre oft hilflos, ja fast ohnmächtig wie ein kleines Kind - ständig auf dei Hilfe anderer Leute angewiesen.
Mein Vater wollte uns zwar immer zu mehr Selbständigkeit erziehen, konnte sich aber gegenüber meiner Mutter (auch wegen seiner Depressionen) nie oder nur selten durchsetzen.
Außerdem konnte er eben aufgrund seiner Deprsi uns nicht das Gefühl vermitteln, dass wir so angenommen werden wie wir sind - ständig gab's bei uns was zu bekritteln, zu bemängeln; er hat uns zwar oft bei unseren Hausaufgaben geholfen, aber er konnte auch sehr leicht ungehalten und jähzornig werden, wenn er mit unserer Leistung nicht zufrieden war - deswegen sind wir ihm auch oft aus dem Weg gegangen - ständig hatten wir das Gefühl, der Papa ist wieder "schlecht drauf", redet wenig, ist unnahbar, geistig abwesend, brummelig, müde und unkonzentriert - wir als Kinder hatten ja keine Ahnung von dieser Krankheit und was mit unserem Vater wirklich los war!

Vielen Dank auch für deine Tips in Bezug auf Begleitung bei Einladungen, Augenkontakt zu einer vertrauten Person usw.

Im Moment geht's mir leider wieder so mies, dass ich auch in Begleitung einer vertrauten Person nicht auf eine Feier gehen möchte. (Meine Ex macht zur Zeit auch keinen Schritt vor die Haustür, aber Gott sei Dank nicht, weil sie depressiv ist, sondern eher ein häuslicher Typ, dei den Haushalt schmeißt und abends nicht unbedingt auch noch "Halli Galli" braucht.

Wenn man wieder rausgeht, dann hast Du Recht, sollte man dies nur im vertrauten, übersichtlichen Umfeld tun.

Wo es mir wirklich nicht schlecht ging, war bei unseren allabendlichen Fußballfernsehveranstaltungen auf unserem Balkon, wo ein alter Freund (der meine Geschichte kennt), meine Ex-Mitbewohnerin (die kennt meine Geschichte ebenfalls), ein guter, allerdings "neuer" Freund (der meine Geschichte nicht kennt) und meine Ex (die natürlich so ziemlich alles über mich weiß) dabei waren und ich mich im Prinzip so gebn konnte , wie ich bin und wie ich mich gerade fühlte.

(Wir haben irgendwie alle fünf was an der "waffel", und unter solchen Leuten fühle ich mich eben am allerwohlsten - o.k. vielleicht der gute "neue" Freund ausgenommen, muß ich fairerhalber dazu sagen)

Tja, und das mit meiner Bewerbung am goethe-Institut muß ich jetzt, ob ich will oder nicht, angehen - allein schon dieser wirklich netten, verständnisvollen und einfühlsamen Frau im Arbeitsamt zuliebe, die sich wirklich um mich bemüht und mir von Amtswegen wahrscheinloichb ein bisschen Feuer unterm Hintern machen muß

Ich sollte mich auch um andere Stellen wie an Nachhilfeinstituten, usw. bewerben, nur um meinen guten Willen zu zeigen, was ich ihr auch zusicherte, aber eigentlich strengt mich das zur Zeit einfach nur alles an und macht mir Angst:)

Allerdings ist wahrscheinlich auch ihre Geduld nicht unbegrenzt!

Oh, liebe Lernfee, wie gern würde ich dir was Positives von mir schreiben, aber im Moment fühle ich mich so gut wie nicht in der Lage, auch mal wieder optimistische Gedanken zu hegen!

Will aber niemanden damit runter ziehen.

Habe jetzt auch wieder per e-mail Kontakt zu einem absolut fähigen, engagierten und kompetenten Psychiater in hessen aufgenommen, (also nicht vor Ort) der mir schon mal ganz toll geholfen hat und dem ich meine ganzen Probleme und Symptome schilderte.
Prompt kam vom ihm sogar eine E-mail-Antwort aus dem Urlaub(!) mit der Bitte, dass ich mich Anfang August noch mal bei ihm melden möge.
(Und dies, obwohl ich offiziell gar nicht bei ihm in Behandlung bin!)

Vielleicht, hoffentlich kann er mir noch irgendwie weiter helfen (Er hatte die Idee mit dem Lamictal, was mich zwar auch letztendlich nicht weiter brachte, aber immerhin hate er überhaupt noch eine Idee!)

Mein mich vor Ort behandelnder Psychiater ist leider selbst krank (Krebs) und steht sowieso kurz vor Ende seiner Laufbahn und ist wissenschaftlich garantiert nicht mehr auf dem neuesten Stand der Wissenschaften, weil er einfach andere Sorgen hat.

So liebe Lernfee, jetzt will ich den ganzen Post auch endlich mal abschicken, deshalb wünsche ich dir von ganzem Herzen noch ein schönes, ruhiges und soweit möglich genußvolles Wochenende,

wünsche dir, dass Du dich vielleicht doch Schritt für Schritt öffnen kannst und keinen einzigen dummen Gedanken mehr hast.

Der Austausch mit dir hat mir schon einiges gebracht, ganz gewiss und ich würde mich sehr freuen, wieder mal von dir zu hören

Sei ganz lieb gegrüßt und umarmt (wenn Du erlaubst),

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 25. Jul 2010, 00:34
von umd
Lieber fletzy,
ich habe so überhaupt kein Problem damit, mir Deine Familien-Depri-Story anzuhören, weil ich diese Geschichte auch lebe. Je mehr ich versuche, mich davon zu lösen, um so mehr hält sie mich im Griff.
Das Stummwerden, wenn mehr als drei Leute anwesend sind, kenne ich gut. Du weißt, wieviel Wertvolles du zu sagen hast, und wenn Du es nur einem Menschen erzählst und dir seiner Aufmerksamkeit sicher bist, geht das auch gut. Aber die Zweifel, die kommen, wenn andere Menschen lauter, sicherer, präsenter sind als du selbst, sind so stark, dass plötzlich alle vermeintliche Sicherheit zusammen schmilzt.

Ich hatte mich einmal mit halb fremden Menschen verabredet zum Zelten. Nur einen kannte ich näher und mochte ihn. Ich bepackte mein Fahrrad, um pünktlich zum Treffen zu kommen und merkte gleichzeitig, wie sinnlos meine Bemühungen waren. Ich hatte einfach nur Angst.
Als mein Fahrrad endlich fertig war, war die Truppe längst aufgebrochen. Ich bin dann allein zum Zelten gefahren - ich hätte niemand anderen ertragen können...

Dass Du deine Phobie in den Hintergrund drücken kannst, wenn Du quasi in der sicheren Rolle des Lehrers agierst, finde ich sehr bemerkenswert. Vielleicht könnte das ein Ansatz zur Bearbeitung werden?

Ich frage mich gerade, was passieren würde, wenn Du deiner Mutter erzählen würdest, wie es Dir mit ihrer Verleugnung der aktuellen Situation geht. Wenn Du ihr sagen würdest, wie sehr Du darunter leidest, dass sie die Situation deines Vaters und damit auch Deine eigene nicht wahrnimmt. Was würde sie wohl sagen?

Diese Phobien sind derart beeinträchtigend für unser Leben, dass es sich auf jeden Fall lohnt, sie genauer zu betrachten: Welchen Zweck verfolgen sie, wovor schützen sie mich, welche real erlebte Gefahr steckt dahinter?
Ich glaube, eine Phobie will uns etwas sagen, will unsere Aufmerksamkeit, um das eigentlich dahinter stehende Problem zu lösen.

Warum suchst Du eigentlich wieder einen CBASP - Thera? Vielleicht kannst Du mich über den Ansatz dieser Thera-Form etwas informieren?
Ich hatte Dich bisher so verstanden, dass Du auch über einen Methodenwechsel nachgedacht hattest?

Eine kühle und erholsame Nacht wünscht Dir Schröder

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 25. Jul 2010, 13:33
von fletzy
Hallo Schröder,

vielen, vielen Dank für deine nächtliche Nachricht - tut irgendwie immer sehr gut, von dir zu lesen, weil uns ja doch (leider) einiges von der Familiengeschichte her verbindet.

Ich kann deine Erlebnisse und ERfahrungen (z.b: die Geschichte mit dem Zelten) glaube ich schon recht gut nachempfinden - wie oft handelte ich wie Du bei dieser Radtour.
Wie oft war mir die Anwesenheit von Menschen ein Greuel, eine wirkliche Qual.

Allein diese ganzen Faschingsveranstaltungen und Kindergeburtstage - wie oft wollte ich einfach nur allein sein und fühlte mich unter diesen ganzen Leuten übehaupt nicht wohl!

Ja, wie würde meine Mutter wohl reagieren, wenn ich ihr das alles mal erzählen würde, dass ich es nicht begreifen kann, dass sie sich letztendlich doch in die eigene Tasche lügt, wenn sie so tut, als wäre bei meinem VATER ALLES NORMAL.

Sie müßte ja quasi zugeben, einen depressiven Menschen geheiratet und mit ihm drei Kinder in die Welt gesetzt zu haben, seine Depressivität vor lauter Liebestaumel (und sie war wirklich richtig verliebt in meinen Vater!) nicht erkannt und seine Familiengeschichte völlig mißachtet zu haben...
Einerseits möchte ich sie manchmal auch nur noch anschreien (was ich glaube, außer als Kind noch nie getan habe!) und auf der anderen Seite tut sie mir dann auch wieder irgendwie so leid, denn schließlich sitzt sie jetzt mit diesem depressiven, ewig negativ denkenden, nur müden und schlappen, sich überhaupt nicht mehr konzentrieren und erinnern könnenden Menschen (seine Demenz nimmt wirklich immer schärfere Züge an)allein zu Hause rum, hat immense Sorgen um ihr Geschäft, was sie jahrzehntelang geleitet hat und muß erleben, wie zumindest zwei ihrer Kinder auch jeden Tag gegen diese Krake, diesen Dämnon namens Depression ankämpfen, mit Ängsten, selbstzweifeln, Inaktivität, Traurigkeit und Müdigkeit kämpfen, mit sehr ungewisser Aussicht auf Erfolg.

Das muß für sie alles so frustrierend, so traurig, so ermüdend sein, dass ich ihr dann letztendlcih auch immer keinen Vorwurf machen kann und will - mein Mitleid ist doch immer größer als meine Wut auf sie.

Wem ich natürlich so oft es geht aus dem Weg gehe (was er in seiner Depri natürlich gar nicht mitbekommt) ist mein Vater - diese Aggressionen, die ich gegenüber ihm habe, allein schon, wenn er das Zimmer betritt, liebe Schröde kannst Du dir nicht vorstellen.

Allein schon wenn ich seine depressive, verdatterte, müde und schleppende Stimme am telefon höre, ist der ganze Tag für mich gelaufen, ist wirkliuch ganz schlimm das Ganze.

Ja, das mit diesem nichts-sagen-können, bei mehr als drei Leuten im Raum ist echt interessant, dass Du das auch so kennst, beruhigt mich ja schon wieder ein wenig.

Andere Menschen können sich halt wesentlich besser präsentieren und in den Vordergrund rücken als ich - wen interessiert schon meine meinung? Sag bloß nichts Falsches, Belangloses, Blödes oder Lächerliches, fletzy, die anderen lachen dich doch eh nur aus...
Aber wenn ich dann als Lehrer auftrete (egal, ob es 5 oder 30 Schüler sind), dann kann ich wirklich humorvoll, witzig sein und ich denke auch sehr gut den Stoff vermitteln, den Kiddies wirklich etwas beibringen - ist schon sehr widersprüchlich das Ganze.

Aber darauf ließe sich vielleicht wirklich aufbauen, therapeutich gesehen, da hast Du vollkomen Recht, liebe Schröder!

Ja, jede Phobie will uns was sagen, das mag schon sein, aber seit fünf Tagen habe ich wieder diese ganz, ganz tiefgreifende, mich völlig in ihrem Griff haltende Lebensangst, die ich schon von früher her kenne.

Hab' mir sofort 'n Benzo namens "Busp" verschreiben lassen und mit dessen Hilfe hoffe ich, diese ganze Angst weg zu bekommen.

Ich würde dir gerne mehr über diese CBASP-Therapie erzählen, liebe Schröder, habe aber gerade dies in meinem thread "CBASP-Therapeut in FRanken?" gemacht und möchte dich bitten, einfach da noch mal nach zu schauen, vielleicht kannst Du ja was mit dieser Therapieform, so wie ich sie erlebt habe, etwas anfangen, dann hätte ich dir vielleicht auch weiter helfen können.

Ja, im Moment weiß ich auch nicht, wie es therapeutisch bei mir weiter gehen soll, im Prinzip halte ich diese CBASP-Methode schon für schlüssig und logisch und durchaus auch erfolgversprechend, aber dazu muß man einfach, wie ich "Suse" in dem anderen thread schon geschrieben habe, noch mehr "im Leben stehen", was ich ja im Moment überhaupt nicht tue.
Ich hab' einfach nicht diese Menge an sozialen Kontakten, die Voraussetzung sind für eine erfolgreiche CBASP-Therapie, sprich, man darf eigentlich gerade mal höchstens "leichtgradig" depressiv sein, um diese Therpaie überhaupt angehen zu können, ist jedenfalls meine Erfahrung.

Tja, und jetzt sitz' ich hier mit meiner ganzen Traurigkeit und Müdigkeit und weiß im Moment auch nicht so Recht, wie das GANZE WEITER GEHEN SOLL!

Aber der Kontakt mit dir und den ganzen anderen lieben Leuten hier im Forum hilft mir schon, das Ganze einigermaßen zu ertragen, wirklich!

Habe mich getern sehr gut mit ecureuille unterhalten und wir waren uns einig darin, das wir Depris letztendlich so viel mehr leisten als die "Normalos" da draußen: einmal KÄMPFEN WIR GEGEN DIESE VERFLUCHTE, gegen das Leben gerichtete Krankheit an, und zum anderen auch noch eben gegen die Widrigkeiten und Zumutungen, die das Leben sowieso mit sich bringt.

Die wahren helden sind eigentlich wir!

ABER DAS VERSTEHT SOWIESEO NUR EIN DEPRI!

So, liebe Schröder, jetzt wünsche ich dir noch einen wirklich schönen Sonntag und dass Du ihn auch einigermaßen genießen kannst,

Alles, alles Gute und Liebe für dich, ich freue mich auf weiterhin so kluge Beiträge von dir,

Ganz liebe Grüße,

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 25. Jul 2010, 15:11
von mbm22
Hallo lieber Fletzy,

ich habe mich sehr gefreut, wieder von Dir zu lesen, wenn auch Deine letzen Beiträge mich sehr betroffen machen.

Es ist schlimm, dass Deine Lebensängste wieder so stark geworden sind. Doch möchte ich Dir an dieser Stelle noch einmal zu bedenken geben, dass Ängste an sich in jedem Menschen vorhanden sind. Sie sind nicht nur negativ, sondern haben auch die Funktion uns zu schützen, dafür zu sorgen, dass wir uns nicht Situationen aussetzen, die für uns derzeit nicht erträglich wären, ja vielleicht sogar lebensbedrohlich wären.

Wir sind weniger von Angst besetzt, wenn wir uns in unserem Umfeld sicher gebunden und geborgen fühlen, wenn wir weniger von Depressionen geprägt werden und stattdessen positiver denken können, uns auch körperlich stärker, kräftiger und gesünder fühlen.

Doch so geht es uns Depris eben gerade nicht.Wir haben alle mehr oder weniger das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren, sowie den Halt im Leben verloren zu haben.

Daher erscheint es mir nur plausibel und natürlich, dass jeder von uns mehr oder weniger Angst in sich trägt, um sich nach außen hin zu schützen, sei es vor Verletzungen, Überforderungen oder anderem.

Lieber Fletzy, ich kenne Dich ja noch nicht sehr lange, aber selbst in dieser Zeit hat sich aus meiner Sicht vieles ergeben, was Dich verunsichert. Ich denke da z.B. an Deinen unzuverlässigen Therapeuten, bei dem zu denkst, dass er Dich evt. für therapieresistent hält, aber trotzdem mit Dir arbeit will. Aber auch Dein behandelnder Psychiater, der selber krank und tatsächlich mit seinen Gedanken oft woanders sein mag, bietet Dir derzeit wenig Verlässlichkeit. Ebenso Deine Erkenntnis, nicht von Geburt an schon immer depressiv gewesen zu sein, also auch noch einen anderen Fletzy in Dir zu tragen, den Du nur noch nicht spüren kannst.
Auch Deine Mutter, zu der Du viel Kontakt hast, der Du auch von Deinen Ängsten und Depressionen erzählen kannst, der Du aber letztendlich auch nicht Deine ganzen wahren Gedanken entgegenbringen kannst, um ihr auch die unangenehmen Fragen zu stellen.

Es freut mich aber, dass Du trotzdem schon dabei bist, Deine Ängste anzugehen, in dem zu Dich auf die Suche nach mehr Verlässlichkeit begibst. Du hast gemerkt, dass Dein Therapeut Dir nicht das geben kannst, was Du brauchst. Und für diese Entscheidung brauchst Du auch kein Buch, um diese Entscheidung, den Therapeuten zu wechseln, für Dich zu untermauern. Du hast Deine eigene Intuition und die ist gut und richtig. Nehme Dich einfach als Fachmann für Dich an, der bist Du nämlich. Wer sollte besser und genauer wissen, was Dir hilft und gut tut, als Du selber.

Auch Dein Bestreben, sich einen neuen Psychiater zu suchen, der Dir mehr Halt und Orientierung bieten kann, ist sicher ganz wichtig und richtig für Dich. Der andere Kollege aus Hessen kann vielleicht eine gute Möglichkeit für den Übergang sein und weitere Unterstützung bieten. Toll, dass es solche Menschen noch gibt, die anderen helfen wollen, auch wenn sie selber keinen eigenen Nutzen daraus ziehen.

Deine Bemühungen um ein neues Medikament, was Deine starken Ängste ebenfalls eindämmen oder jedenfalls in Schach halten soll, sind ein weiterer Weg, sich Deinen Ängsten zu stellen, sie wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wenn Du den Mut aufbringst, für Dich zu schauen, wovor sie Dich schützen sollen, bist zu schon ein ganzes Stück weiter. Du kannst Dich dem zuwenden, was Dir mehr Sicherheit, Halt und Geborgenheit bietet, genau wie Du es jetzt schon machst Fletzy.
Ich weiß nicht, ob es Dir immer so klar ist, aber Du bist schon auf einem guten, richtigen Weg. Gehe ihn nur einfach weiter. Manchmal fordern die Umstände es, dass man ihn kurz verlässt, kleine Schritte zurückgeht, dann aber geht es wieder weiter voran. Aber auch dieses kann man in der eigenen Betroffenheit nicht immer gleich wahrnehmen, auch wenn man es gerne würde, um sich besser zu fühlen.

Dafür wünsche ich Dir lieber Fletzy ganz viel Geduld mit Dir selber, die nötige Gelassenheit und ganz, ganz viel von dem "Yes-I-can-Gefühl", das ich in Dir, auch wenn es DIr manchmal so schlecht geht, immer wieder spüre.

Ich wünsche Dir noch einen angenehmen, entspannten Restsonntag und umarme Dich mal ganz fest (wenn Du magst).

Ganz liebe Grüße

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 26. Jul 2010, 19:09
von fletzy
Hallo liebe Lernfee.

vielen, lieben Dank für deine so ausführliche, einfühlsame, auf mich und meine Probleme so GROSSARTIG eingehende e-mail. Ich hab' sie mir jetzt schon zum wiederholten Male durchgelesen und bin immer noch ganz baff, ganz sprachlos ob solchen Einfühlungsvermögens und Verständnisses für meine Situation.

Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll!

Man merkt einfach, dass Du in einem therapeutischen Beruf arbeitest und darin Erfahrung hast....

Jetzt hab' ich hier im Netz meine eigene, kostenlose Psychotherapeutin gefunden

Nein, aber im Ernst:

Das mit der Angst ist - Gott sei Dank - seit gestern wieder sehr viel besser, ich würde sagen,sie ist sogar vorüber.

Du hast natürlich Recht, wenn Du sagst, dass Ängste wichtig, manchmal lebenswichtig sind, um uns vor Gefahren zu warnen.

Aber diese Lebensängste sind einfach da, rauben mir die Luft zum Atmen, schnüren mir die Kehle zu, lassen mich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf die Ängste, lassen keine auch noch so kleine Freude zu - ich wünsch' das echt niemandem.

Ja und gestern wach' ich auf und diese Ängste sind einfach weg!

Wenn ich nur wüßte, woher ich die habe und wie ich die auch wieder weg kriege....ist mir 'n Rätsel das Ganze.

Danke dir auch für deine Meinung, dass ich auf dem richtigen Weg bin, auch wenn ich manchmal so meine Zweifel habe.

Aber eine wichtige Bezugsperson für mich, eine Sozialpädagogin, mit der ich mich einigermaßen regelmäßig treffe, sieht auch ganz klare Fortschritte zwischen dem ZUstand, in dem sie mich kennenlernte (2006) und meinem jetzigen....

Nur dieses letzte Stückchen will und will einfach nicht kommen, seit einem Jahr ist es nun schon so und es tut sich einfach gar nichts mehr!

Ach ja, und heute habe ich mein Handy und meinen ganzen Mut in die Hand genommen und bei meinem Thera angerufen - ich hatte schweißnasse Hände und meine Stimme zitterte ein wenig, aber dann sagte ich zu ihm:" Ich bitte Sie, das Ganze nicht persönlich zu nehmen, aber ich habe mich in letzter schon ein wenig geärgert, dass ich schon mal vor verschlossenen Türen stand, dass Sie mich schon mehrmals haben warten lassen, usw., usf., "

Und er war wirklich sehr verständnisvoll, sagte (IMMERHIN! :"Oh je..."

Er entschuldigte sich allerdings nicht ausdrücklich bei mir, sondern sagte nur: "Ich hatte in letzter Zeit sehr viel Stress."

Und aufgrund der Tatsache, dass er eine gewisse Einsicht zeigte, legte ich noch mal kurz nach und sprach noch einmal den einen Tag an, wo ich wirklich völlig umsonst 15 km zu ihm gefahren war und er dann nicht aufzufinden war...

Aber gleichzeitig zeigte ich sofort Verständnis für seine Stress-Situation und sagte immer wieder: "DAs verstehe ich!"

Aber immerhin bin ich das, was mich die ganze Zeit so beschäftigte, losgeworden und jetzt geht's mir auch damit etwas besser!

Offenbar war das doch keine Strategie von ihm, um mich loszuwerden, sondern wirklich chaotische Terminplanung, denn sofort fragte er mich, wann ich wieder Zeit hätte und so machten wir noch einen Termin für Anfang AUgust aus.

DA kann ich dann - hoffentlich, kannst mir dann die DAumen drücken - alles ansprechen, was mich so belastet:

Dass mich die Therapie nicht wirklich weiter bringt, und ich nicht mal 100% sicher bin, ob es dir richtige Therapieform für mich ist...(Es geht mir, glaube ich, schon eine Nuance besser als im April letzten Jahres, als ich die Thera anfing, aber es geht mir einfach noch nicht richtig gut! Und das sagte er mir ja gleich am Anfang der Therapie, dass ich mit gewissen Symptomen 'n Leben lang zu tun haben werde... )

Süß, dass Du bei mir u.a. ein "Yes I CAN"- GEfühl ausfindig gemacht hast, so zwischen den Zeilen quasi.
Ja, das gibt es bei mir Gott sei DAnk auch, ist aber (noch?) ein ganz zartes Pflänzchen, was gehegt und gepflegt werden will, jeden Tag.

Wenn ich dieses Gefühl doch nur ein wenig stärker hätte, mich ein wenig mehr auf meine eigenen Kräfte und Fähigkeiten verlassen würde....

Das ist ja so das Fiese an der Depri-Denkweise:

Wenn Du mal in einer bestimmten, schwierigen Situation warst und sie erfolgreich gemeistert hast, dann klopft sich jeder "Normalo" auf die Schultern und sagt sich: " Gut gemacht" und speichert diesen Erfolg als positiv ab und steigert somit sein Selbstvertrauen.

Und wir Depris?

Nichts wird als positiv gespeichert, durch nichts, keine noch so positive Erfahrung oder Erlebnis wird unser Selbstbewußtsein angehoben (So ist das jedenfalls bei mir - hoffentlich kann man das nicht verallgemeinern!)

Ja, jetzt hast Du - ganz zuerst - die neuesten Neuigkeiten vom fletzy aus Franggn mitgeteilt bekommen.

Ich weiß jetzt schon gar nicht mehr genau, was Du alles noch geschrieben hast, war so viel und so viel Gutes dabei, ich hoffe, ich bin einigermaßen auf deine post eingegangen (Das mit "Beitrag zitieren" raff ich noch nicht so genau:) )

Ich wünsche dir von ganzem Herzen alles,alles Liebe und Gute, hoffentlich kannst Du dich nach und nach mehr und mehr deinem Therapeuten öffnen (komischerweise habe ich damit wiederum überhaupt kein Problem, ich könnte immer erzählen und erzählen)

Dass es auch dir immer und stetig besser gehen möge, wie gesagt, die wirklichen Helden sind nach meiner Meinung wir Depris, kein "Normalo" weiß, wie schwer es einem fallen kann, einen Spaziergang zu machen oder auch nur ein wenig Rad zu fahren...

Ich schicke Dir mal ganz lieb Grüße in den Norden und drücke dich mal ganz feste (also Du darfst das auf jeden Fall, wenn dich mein Nasch-Bäuchlein nicht stört ,

venceremos,

hasta pronto,


fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 27. Jul 2010, 11:19
von mbm22
Hallo lieber Fletzy !

Ich habe mich gestern Abend sehr gefreut von Dir zu lesen, vor allem, dass es Dir bezüglich Deiner Ängste wieder besser geht.
Hast Du Dir trotzdem das Busp besorgt? Und wirst Du es jetzt nehmen?

Dein lieber Beitrag hat mich sehr verlegen gemacht. Weißt Du, ich kann mit Lob und Anerkennung immer nicht so gut umgehen, habe schon immer Schwierigkeiten gehabt, dieses für mich anzunehmen. Trotzdem danke ich Dir, denn ich weiß ja, dass es lieb gemeint ist und ich freue mich auch wirklich darüber, dass meine Gedanken und Worte Dich angesprochen haben, denn das war mein Bestreben.

Sehr gefreut hat mich auch, dass DU Deinen Therapeuten angerufen hast und nicht gewartet hast, bis ER sich meldet. Du hast begonnen, Deinen Unmut deutlich zu machen, in dem Du dieses Thema von Dir aus angesprochen hast. Da, lieber Fletzy, merke ich dann wieder, dass ganz sicher dieses "Yes-I-Can-Gefühl" in Dir steckt und würde Dich dafür am liebsten fest drücken (auch mit Nasch-Bäuchlein). Glaube mir, Du bist genau auf dem richtigen Weg, auch wenn es noch eine Weile dauern wird. Schließlich wird der Weg, der Dich in die Depression geführt hat, auch ein langer Weg gewesen sein.

Manchmal kann man sich auch die eigenen Fortschritte nicht richtig deutlich machen und meint fälschlicher Weise, dass alles stagniert. Ich arbeite in meinem Job mit meinen Klienten dann häufig mit Skalierungsfragen, lasse sie ihre eigene Befindlichkeit auf einer Skala von 1-10 einschätzen. Wenn als Antwort dann z.B. ein Wert von 4 angegeben wird, frage ich weiter, wie er es geschafft hat, nicht auf 3 zu sein und was nötig ist, damit er dort bleiben kann. Eine weitere Frage wäre, woran er erkennen würde, wenn er bei 5 angekommen wäre und was dann anders wäre. Was könnte ein nächstmöglicher Schritt sein. um bei 5 anzukommen? Ich weiß nicht, ob man jetzt genau verstehen konnte, was ich meine. Aber ich merke, dass auch kleinste Fortschritte so manchmal sichtbar werden. Daher stelle ich mir manchmal auch selber solche Fragen, wenn ich für mich das Gefühl habe, dass es gerade so garnicht weitergeht, und merke an meinen Antworten doch, dass sich etwas tut.

Bei mit tut sich auch gerade eine ganze Menge. Meine Offenbarung in der letzten Threrapiestunde hat mich selbst sehr bewegt und aufgewühlt. Mein Therapeut hat mich daraufhin in der Sitzung mehrfach auf einen von ihm vermuteten Missbrauch angsprochen, den ich reflexartig dementiert habe. Doch seither lässt mich dieses Thema nicht mehr los. In meiner Erinnerung tauchen ganz, ganz weit verdrängte Erlebnisse auf, die sicher nicht eindeutig einem Missbrauch zuzuordnen sind, aber dennoch grenzwertig waren. Aber mittlerweile denke ich, es kommt auch nicht darauf an, welchen Begriff ich dafür wähle, sondern was es mit mir gemacht hat. Und so versuche ich Gedanken an diese Situationen langsam zuzulassen, verdrängte und verschüttete Gefühle wahrzunehmen und zu verstehen, warum ich später in anderen Beziehungen, gerade in meiner Ehe es nicht geschafft habe mich gegen Demütigungen und heftige Verletzungen durch meinen Mann zu wehren. Das ist alles ein sehr schmerzlicher Prozess, in dem ich aufkommende Gedanken und Gefühle nur Schritt für Schritt zulassen kann. Mein Therapeut ist gerade jetzt im Urlaub, was es zusätzlich schwer macht. Aber man hat leider keinen Einfluss darauf, wann solches aus einem herausbricht. Auch wenn ich es manchmal kaum aushalten kann, versuche ich meine Gedanken und Gefühle nicht wieder zu verdrängen und wegzusperren, sondern ganz vorsichtig zuzulassen und anzunehmen. Ich versuche viel zu schlafen und mich auszuruhen und lese sehr viel in meinen neuen Büchern über die Schematherapie.
Das hilft mir meine Gedanken ein wenig zu strukturieren und ihnen nicht ausgeliefert zu sein. Trotzdem gibt es Phasen, in denen ich den Boxsack meines großen Sohnes bearbeiten muss und auch versucht habe meine Verletzungen und Frustration durch Weinen und Schreien aus mir herauszulassen. Ich bin dann heilfroh, dass ich alleine zu Hause bin und mich keiner sieht und hört. Meine Kinder würden denken, dass ich nun völig durchgeknallt bin.

Am Wochenende werden meine Kinder allerdings wiederkommen und ich werde mich wieder im Griff haben müssen. Schließlich werde ich am Montag mit meinem Kleinen nach Italien starten. Vielleicht wir es mir helfen, wieder ein wenig zur Normalität zurückzufinden.

Tut mir Leid, dass ich nun schon wieder so einen langen Beitrag geschrieben habe. Manchmal fällt es mir schwer, Sachverhalte in Kürze zu formulieren.

Du, lieber Fletzy, mach bitte weiter so. Ich erfreue mich sehr an Deinen Fortschritten und sie machen mir Mut, es irgendwann auch schaffen zu können. Ich melde mich nochmal, bevor ich fahre.

Fühle Dich ganz lieb gedrückt.
Ich bin sehr dankbar, Dich hier in diesem Forum kennengelernt zu haben.

Dir alles erdenklich Liebe und Gute!

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 28. Jul 2010, 14:13
von fletzy
Liebe Lernfee,

besten Dank wieder für deinen so interessanten, aufschlußreichen, einfühlsamen und hilfreichen Beitrag.

Freue mich ebenfalls immer sehr, von dir zu lesen - das Ganze beruht also auf Gegenseitigkeit

Ja, das mit dem Nicht-Annehmen-Können von Lob kenne ich nur allzugut, ist einfach ein typisches Depri-Phänomen.

Man hinterfragt sofort jedes Kompliment, jede Anerkennung, jedes Lob: meint er/sie das jetzt ganz im Ernst? Will er/sie mich vielleicht nur aufbauen?
Er/sie merkt doch ganz bestimmt, dass ich kein Se3lbstvertrauen habe und will mir einfach nur etwas Gutes tun!

Kenne ich alles, glaube mir.

Ich hatte z.B. als Jugendlicher große Erfolge als Geräteturner (Hab' immer Ehrenurkunden in der Schule abgesahnt, war Vereinsmeister, war bei den bayerischen Meisterschaften dabei, usw., usf.)

Aber, liebe Lernfee, das läßt mich manchmal so verzweifeln: es hat mir NIE irgendwelches Selbstvertrauen gegeben, ganz im Gegenteil, ich hatte ja manchmal sogar ein schlechtes Gewissen, nach dem Motto:
Au weia, jetzt hab' ich dem noch den ersten Platz vor der Nase weggeschnappt, das ist aber nicht schön von mir!

Weißt Du was ich meine?
Mein ganzes Denken, mein ganzes Verhalten war als Jugendlicher schon eindeutig negativ mir gegenüber, eindeutig depressiv eben.

Das steckt ganz, ganz tief in mir drin.

Hab' z.B. von meinem jetzigen Arbeitgeber, einer Privatschule, ein glattes Einser-Arbeitszeugnis ausgestellt bekommen, aber glaubst Du, es gebe mir auch nur einen Funken mehr Selbstwertgefühl?

Pustekuchen - meinen die das alles wirklich so?
So gut bin ich ja gar nicht!
Ich muß mich noch viel mehr anstrengen, usw.

Das sind wirklich meine Gedanken - es ist zum Verzweifeln, wie oft ich mich für dieses Denken hasse und so verzweifelt bin!

Jetzt bitte, bitte nicht falsch verstehen, was ich jetzt schreibe, aber das soll nicht zynisch rüberkommen:

Sexueller Mißbrauch ist eines der schlimmsten Dinge die einem Kind/Jugendlichen passieren können - das ist psychische und physische Folter, an der die Betroffenen oft ein Leben lang zu knabbern haben und vielleihct niemals ganz überwinden, aufarbeiten können.

Aber wenn ich bei mir wüßte, dass es da jemals in meiner Familie gegeben hätte, dann wüßte ich wenigstens genau, wo ich ansetzen müßte, woher mein Selbsthass und meine Verzweiflung kommen - weißt Du , was ich meine?
Ich habe "nur" einen eindeutig depressiven Vater, in dessen Familie sich bereits zwei Personen das Leben nahmen (passiert ja auch nicht von ungefähr), also kann ich sagen, dass die ganze verfl...Krankheit bei mir eindeutig genetisch ist, mich alo ein ganzes Leben begleiten wird.

Das sagte mir bereits mein eigener thera in einer der ersten Sitzungen und viele, viele Ärzte, dich ich aus lauter Verzweiflung im Internet um Rat fragte und denen ich schilderte, was ich schon alles gegen diesen Dämon namens Depression alles gemacht habe ( 5 Stationäre Aufenthalte, einen nach einem Suizidversuch vor 7 Jahren, 3 Psychotherapien, Unmengen von Medikamenten und AD's, Sport, Ablenkung, Urlaub, usw.usf.)

Und es hat alles nur, sagen wir mal, in begrenztem Rahmen etwas gebracht.

Soweit ich mich zurückerinnern kann, liebe Lernfee, leide ich an dieser Krankheit, auch wenn ich früher, bevor ich die Diagnose bekam, das Alles schlecht in Worte fassen konnte, schlecht definieren konnte, ich merkte nur, dass bei mir "irgendwas" nicht in Ordnung war, irgendwas nicht stimmte:

immer diese permanente Traurigkeit, Müdigkeit, Einsamkeitsssuche, diese Introvertiertheit, diese Unsicherheiten im sozialen Umgang, diese Schuldgefühle ("Ich bin ein schlechter Mensch"), dieser Hrror vor Klassenfahrten , Klassenfeiern oder überhaupt vor gesellschaftlichen Anlässen (dauert bei mir bis heute an), diese Minderwertigkeitsgefühle, usw., usf.)
Aber wem erzähl ich das, du kennst ja die ganze Palette!
Ich weiß manchmal überhaupt nicht, warum ich das Ganze noch mache, liebe Lernfee, warum ich die ganzen Medis nehme, mich zur therapie aufraffe, jeden Tag aufstehe und versuch', ihn irgendwie "über die Bühne" zu bringen.

Aber was ist die Alternative?

Ich klammer mich regelrecht an gute Zeiten, und damit meine ich jetzt nicht einmal die leicht hypomanischen Zeiten, die ich in meinem Leben auch schon hatte, sondern z.B. an die jahre 2004/2005, in den ich zwar verliebt war (und da erlebt man/frau ja sowieso gewisse Höhenflüge), aber immerhin mal ohne Ängste auf Feiern gehen konnte (Hochzeit von meiner Cousine, Geburtstag von meiner Tante), in denen ich genug Antrieb, Energie und Freude daran hatte, gleich dreimal (2005) nach Italien zu fahren (die Tante meiner Ex wohnt in Umbrien), Vollzeit arbeiten konnte (ich unterrichtete monatelang von 8.00 bis 16.30!).

Gut, mein SElbstwertgefühl war auch damals alles andere als "normal", aber die anderen Depri-Symptome wie Antriebs-,und Energielosigkeit, MÜDIGKEIT, Schuldgefühle, Traurigkeit, waren zumindest einigermaßen auf "Normalmaß".

Und daran klammer ich mich jetzt ganz, ganz fest, dass es auch diesen fletzy gibt, der es schafft, sich zu gewissen Aktivitäten aufzuraffen.

Oder vor gut zwei Jahren, als ich mit meinen Eltern für zwei Wochen in Andalusien war: von Müdigkeit und Antriebslosigkeit keine Spur - und immerhin konnte ich mich ja auch ein bisschen auf diesen Urlaub freuen!

O.k., das Selbstwertgefühl war auch damals extrem schwach, aber immerhin wollte ich jeden Tag was unternehmen und war nicht den ganzen tag so müde, wie ich es wieder mal zur Zeit bin.

Meinen Eltern ist das damals auch aufgefallen...

Und dann kommen natürlich solche Gedanken auf wie "wieso gehst Du nicht überhaupt nach Spanien?"

Und da steht mir einfach das alte, viel zu schwach ausgebildete Sewlbstbewßtsein im Wege- würde ich einfach nicht schaffen - hab' ja schon hier Schwierigkeiten, mein Leben in den Griff zu kriegen, mich durch die verschiedenen Ämter und Behörden zu kämpfen, mich um einen Job zu bemühen, meien Freiziet neinigermaßen erfüllt und sinnvoll zu verbringen - wieso sollte es in Spanien anders sein?

(Zumal ich sehr leicht Heimweh bekomme )

Das mit dem Skalenranking kenne ich schon durch meine Klinikaufenthalte und Du hast Recht - es ist oft ein adäquates Mittel, Nuancen der Verbesserung oder Verschlechterung seines Zustands wahrzunehmen!

Wenn ich im April letzten Jahres, als ich die Therapie begann, genaue, detaillierte Aufzeichnungen über meinen Zustand gemacht hätte, könnte ich vielleicht jetzt auch einen gewissen Fortschritt feststellen (und ich glaube, der ist auch da, wenn auch nur minimal)

Ich hoffe, ich texte dich nicht allzu sehr zu, aber es tut mir sehr gut, mal all meine Gedanken zu "Papier" zu bringen, die mich zur Zeit so beschäftigen:

Ich klammer mich zur Zeit auch an alle möglichen Personen und neue Therapieverfahren, nur in der stillen Hoffnung, das mir die noch helfen können:
da ist zum einen dieser ganz tolle Psychiater in Hessen, den ich schon mal vor einem Jahr kontaktierte und der die Idee mit dem Lamictal hatte (was mich zwar auch nicht weiterbrachte), aber der mir einfach schon schnell und unkompliziert geholfen hat (und vor allem uneigennützig, denn von seinen ganzen e-mail-Beratungen hat er ja finanziell nichts).
Da ist zum zweiten ein ganz neues Gerät, das im jahr 2012 auf den Markt kommen soll und sich t-VNS nennt. (transkutane Vagusnervstimulation).

Dieses Gerät beruht auf der inzwischen gesicherten Erkenntnis, dass durch die Stimulation des Vagusnervs eine Depression abgeschwächt oder gar zum Abklingen gebracht werden kann.

Bisher wurde allerdings dieser Vagusnerv im Rahmen einer sehr aufwendigen,risikoreichen Operation (wobei der Brustraum geöffnet werden muß) stimuliert, die natürlich oft auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich brachte.

Das neue Gerät macht sich die Tatsache zunutze, dass ein Strang jenes Vagusnervs direkt am Ohr entlang läuft - und dieser Strang soll mittels dieses Geräts durch die Haut, transkutan eben, stimuliert werden.

Die Firma, die sich mit der Entwicklung jenes Gerätes befasst, nennt sich "cerbomed" und sitzt in Erlangen (wenn Du möchtest und dich die ganze Sache interessiert, kannst Du ja mal googeln.)

Ich nerv die Verantwortlichen besagter Firma seit Monaten alle paar Wochen mit einer e-mail, in der ich darum bitte, die Entwicklung doch bitte schneller voran zu treiben, allerdings dürfen sie aus juristischen Gründen keine Angaben dazu machen, ob dieses Gerät vielleicht nicht doch schon früher auf den Markt kommt
Und da wäre drittens noch das Feld der Homoöpathie (ist das richtig so geschrieben? )

Vor ein paar Tagen rief mich eine Freundin an, die selbst phasenweise unter Depris leidet und berichtete mir, dass sie in der Berufsschule einen Kollegen habe, dessen Frau vor vielen Jahren die Diagnose Brustkrebs bekam und von den Ärzten schon abgeschrieben wurde und diese Frau hat sich aufgrund ihrer Selbstheilungskräfte und ihrer Kenntnisse auf dem Gebiet der Homoöpathie selbst geheilt und ist bis jetz völlig gesund!
(Gibt auch ein sehr interessantes Buch darüber, welches die rüden Methoden der Pharmaindustrie anprangert, ihre Medis mit allen Mitteln auf den Markt zu bringen, nennt sich "Insider", und noch irgendein Untertitel, ist hoch interessant das Ganze!)
O.k. ich bin solchen Methoden gegenüber grundsätzlich sehr mißtrauisch und unter deren Anwender sind oftmals auch schwarze Schafe - aber ich werde es trotzdem mal probieren und bei dieser Frau vorbei schauen - Du weißt ja, wie das ist, liebe Lernfee, wenn man verzweifelt ist, klammert man sich wirklich an jeden Strohhalm, der sich einem bietet.

Ich bin froh und freue mich für dich, dass Du in der vergangenen Woche ganz schleichend, ganz allmählich wieder gewisse Gefühle zugelassen hast, auch wenn diese nicht immer angenehm sind.

Du wirst lachen, aber über einen Boxsack haben ich und meine Ex neulich auch nachgedacht - man braucht oft etwas, an dem man seine Wut auslassen, sie kanalisieren kann, und einen Menschen kann man dafür ja schlecht hernehmen:)

Lass diese ganzen Gefühle ruhig öfter mal raus,wenn Du alleine bist, SCHREI, wenn DU kannst, weine, heule, brülle - das ist alles erlaubt, wenn ich das mal mache (was selten genug vorkommt), geht's mir oftmals besser:)

Du fährst nach Italien?

Wunderbar - genieß es, soweit Du kannst, lass es Dir ruhig richtig gut gehen, ohne schlechtes Gewissen.

Ich fühlte mich dort unten immer sehr wohl, sei es nun in Umbrien, wo die Tante meiner Ex wohnt oder in der Toskana, wo wir vor 5 Jahren mit Freunden für 10 Tage ein großes HAus bezogen - war richtig schön und ich erinnere mich gern an diese Zeit in Bella Italia.
Bin schon wieder neidisch, das gebe ich zu,weil ich sowas zur Zeit nicht machen könnte, aber auf der anderen Seite gönne ich's dir von ganzem Herzen, wirklich.

So, jetzt mach' ich langsam mal Schluß - Entschuldigung und verzeih' wenn ich dich zugetextet haben sollte, aber mir geht zur Zeit so viel im Kopf rum und brennt mir auf der Seele, dass ich einen Teil zumindest mal wieder los werden mußte und Du warst diesmal mein "Opfer".

Du darfst dich ruhig "rächen" und mir mindestens genau so viel schreiben, wirklich

Ich bin übrigens auch froh, dich hier in diesem Forum kennen gelernt zu haben genau wie w.o., ecureuille, Schröder oder die anderen, mit denen ich mich austausche.

Es hilft immer schon die Tatsache, dass man mit dieser 1000 mal verfl..., besch....Krabnkheit nicht allein dasteht.

Verzeih noch mal den langen sermon, den ich dir gehalten habe!

Ich wünsche dir von ganzem Herzen das Beste, pass gut auf dich auf (das ist ganz wichtig), sei nett zu dir selbst nund versöhnlich mit deinen Gefühlen.

Ja, das was ich geschafft habe, dieses sich öffnen, zumindest dem Thera gegenüber, das kannst Du auch, dessen bin ich mir ganz sicher, von ihm hast Du keine Verletzungen zu befürchten, das mußt Du dir immer vor Augen halten, liebe Lernfee.

Ich drück dich mal ganz kräftig zurück,

liebe Grüße aus dem verregneten Franken:(,

venceremos,


fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 28. Jul 2010, 16:02
von mbm22
Lieber Fletzy,

mit Deinem Beitrag hast Du mich überhaupt nicht zugetextet. Da brauchst Du Dir bei mir bestimmt keine Sorgen machen. Jemandem zuzuhören gelingt mir wesentlich leichter, als von mir zu erzählen. Jedenfalls im täglichen direkten Umgang mit anderen Menschen. Hier im Forum ist das in der Anonymität des Internets nochmal etwas ganz anderes, obwohl trotz allem auch hier ein sehr persönlicher Austausch möglich ist.

Meine Depressionen habe ich übrigens erstmals im Alter von etwa 10 oder 11 Jahren wahrgenommen. Damals ein dumpfes Gefühl von Sinnlosig- und Traurigkeit. Ich habe mich schon damals gefragt, wozu ich eigentlich lebe. Die einem Missbrauch ähnlichen Ereignisse fanden erst etwas später statt.
Dann später viel Pech in Beziehungen mit Männern usw.. Ich habe immer gehofft, die Zeit würde die Wunden der Verletzungen heilen und immer alles versucht zu verdrängen und trotz allem Schmerz (Fehlgeburten, Tod nahestehender Angehöriger, usw.) nach Vorne zu schauen. Doch der ganze Seelenmüll steckt nachwievor in mir, war nur schön zugedeckt. Aber irgendwann reißt diese dünne Decke auch mal auf und der Schmerz will raus. Das macht mich im Moment echt fertig.

Danke Dir auch für Deine guten Wünsche. Ich weiß, dass ich mich gut behandeln, ja auf mich achtgeben sollte. Doch gerade das fällt mir zur Zeit so schwer. Irgendwie bin ich gerade mal wieder in ein riesiges Depri-Loch gefallen. Weil im beruflichen Alltag fast unmöglich, versuche ich jetzt im Urlaub für mich viele der verdrängten Gedanken und Gefühle zuzulassen. Doch das ist mit so viel Schmerz verbunden, dass ich es kaum ertrage. Ich habe vorher nicht geahnt, wie viele Verletzungen ich in mir trage und wie mich diese Gedanken und Gefühle belasten werden.
Zum ersten Mal hätte ich das dringende Bedürfnis mit meinem Therapeuten darüber zu sprechen, aber der ist ja im Urlaub.

Nun habe ich gestern erfahren, dass meine Jungs schon am Freitag nach Hause kommen und meine Tochter hat morgen ihren 20. Geburtstag. Da muss ich es schaffen, mich wieder zusammen zu reißen. Auch der bevorstehende Urlaub macht mir Sorgen. Ich hoffe so sehr, dass ich bis dahin wieder stabiler bin, ich möchte meine Kinder einfach nicht mit meiner Depression belasten. Es ist schon schlimm genug, dass ich ihnen keine intakte Familie bieten kann. Gerade für meinen Kleinen habe ich im Alltag so wenig Zeit, so dass ich gehofft hatte, im gemeinsamen Urlaub einen Ausgleich schaffen zu können. Er ist so ein liebes, einfühlsames Kerlchen und es macht mir auch Angst, meine Depressionen auf ihn zu übertragen.

Lieber Fletzy, nun habe ich gerade meine ganzen Sorgen, meinen verfixten Seelenmüll vor Dir ausgebreitet. Aber ich habe das Gefühl, dass auch Du ein guter Zuhörer bist.

Helfen muss ich mir schon alleine, das ist klar, auch wenn ich grad nicht weiß, wo und wie ich anfangen soll.

Liebe, aber sehr traurige Grüße

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 28. Jul 2010, 17:19
von fletzy
Hallo liebe Lernfee,

habe gerade, nachdem ich mal wieder über eine Stunde geschlafen habe (immer diese verfl....Müdigkeit), deine Antwort gelesen.

Vielen lieben Dank auch dafür.

Puh, da bin ich aber froh, dich nicht zugetextet zu haben...

Dir geht's im Moment überhaupt nicht gut und das tut mir so verdammt leid für dich - glaube mir, wenn ich könnte würde ich dir sofort helfen!

Deine Kinder sind wahrscheinlich oft ein Anker in deinem Leben gewesen, vielleicht aber auch manchmal eine Belastung - da ich keine Kinder habe sehe ich das manchmal ähnlich ambivalent mit der Arbeit:
was habe ich die schon veflucht, wenn ich mich abends zu irgendeinem Kurs aufraffen mußte, den man ja so kurzfristig nicht einfach absagen kann, wenn da 10 Leute auf einen warten!

Was habe ich mich schon früh aus dem Bett gequält, voller Ängste vor dem anbrechenden Tag, Angst vor irgendwelchen Gesprächen, Angst schon vor dem Zusammensein mit anderen Kollegen im Lehrerzimmer.

Meine Erfahrung bis heute ist, dass es oftmals dann doch besser gegangen ist, als ich befürchtete.

Vielleicht ist der morgige Geburtsatag deiner Tochter auch irgendwie eine Chance, weil Du funktionieren mußt und nicht deinen trüben Gedanken nachhängen kannst, manchmal ist dieses "sich zusammenreißen müssen", wie Du es schreibst, auch ein Segen, weil man - wenn man den Tag, den Kurs , den Geburtstag, was auch immer, über die Bühne gebracht hat, sehr froh ist und manchmal auch ein wenig stolz auf sich ist.

Ich schicke dir für morgen ganz viel Kraft, Vertrauen in deine Ressourcen, die DU GANZ SICHER HAST. (Denke an das Yes-I-can-Gefühl, was Du bei mir ausfindig gemacht hast:)!)

Vielleicht, vielleicht kannst Du sogar ein wenig Freude empfinden über deine "Brut" , (wie meine Mutter immer scherzhaft sagt), die Du da ins Leben gesetzt hast.

Versuche dir immer vor Augen zu halten, was Du in deinem Leben alles ALLEINE erreicht hast, auch wenn's dir noch so schwerfällt - in Dir stecken ungeahnte Kräfte und ein gesunder Selbsterhaltungstrieb, sonst hättest Du auch gar keine Familie gründen können!

Zur Zeit helfen mir manchmal schon die Erinnerungen an bessere Zeiten, die Du Auch hattest, und die ja auch irgendwie ein Teil meines und deines Lebens sind!

Hast Du IRGENDJEMANDEN, an den Du dich wenden kannst, wenn's mal wieder ganz schlimm werden sollte?

Irgendeine Person deines Vertrauens, eine gute Freundin, oder so?

Ich hab' da immer jemanden in der Hinterhand, den ich jederzeit anrufen kann, ist eine gute Freundin von mir aus Jugendtagen, an die ich mich wirklich immer wenden kann und allein das ist schon tröstlich.

Vielleicht lenkt dich ja doch der Italien-Urlaub ein wenig ab und bringt dich auf andere Gedanken.
Mir ging's zum Besipiel mit meinem Spanienurlaub mit meinen Eltern vor gut 2 Jahren so:

Ich hatte schon Bedenken, allein meine Tasche zu packen, mich in diesen Bus für mehr als 30 Stunden zu setzen, was sollte das für ein Urlaub werden mit meiner ständigen Lustlosig-, Antriebs-, und Energielosigkeit?

Und als ich dann wirklich unten war, war ich wirklich wie ausgewechselt: Ich hörte "meine" Sprache, wollte jeden Tag etwas unternehmen und war morgens immer so gegen 8.00, 8.30 abolut fit, kam leicht aus dem Bett raus und konnte die Tage echt genießen. (O.k., vielleicht nicht 100 % -ig, aber zumindest doch mehr als in Deutschland!)

Vieleicht passiert das ja mit dir auch!

Das wünsch' ich dir von ganzem Herzen!

Vielleicht hast Du ja noch einmal Lust vor deinem Urlaub zu schreiben, wenn nicht, dann fühl dich nicht dazu gezwungen, o.k.?

Du kannst jederzeit deinen "Seelenmüll" bei mir abladen, wir stecken doch alle in einem Boot!

Fühl dich ganz lieb gedrückt und gegrüßt,

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 28. Jul 2010, 22:31
von mbm22
Lieber Fletzy,

ich danke Dir für Deine lieben, einfühlsamen Worte. Es tat mir gut, mal jemand erzählen zu können, was mich so bedrückt. Weißt Du lieber Fletzy, ich muss sonst im Alltag immer die Starke sein, die die Verantwortung für die Familie trägt, im Job wie gewünscht funktioniert und sich nach Außen hin nie etwas anmerken lassen darf.

Außer meinen Kindern (den beiden Großen) weiß in meiner Familie niemand etwas von meiner Erkrankung. Auch in meinem, inzwischen relativ kleinen Freundeskreis weiß keiner, wie schlecht es mir manchmal geht. Zwei Freundinnen wissen zwar, dass ich seit einem Jahr zu einem Therapeuten gehe, aber für sie leide ich an einem Burnout, weil Familie, neue Ausbildung, Arbeit und diverse Nebenjobs, um das alles alleine finanzieren zu können, aus ihrer Sicht einfach zu viel für mich waren.

So habe ich leider im Moment außer meinem Therapeuten keinen Menschen, mit dem ich mal reden kann, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Zudem habe ich ein wirkliches Problem auch gute Freunde an mich heranzulassen, Nähe zuzulassen, mich so schwach zu zeigen, wie ich mich fühle. Da ist einerseits die Angst vor weiteren Verletzungen, andererseits auch eine große Angst, dass es weiter durchsickert, dass ich an Depressionen leide. Dieses setzt mich zusätzlich, besonders in meinem Job stark unter Druck. An meinem festen Arbeitsplatz muss ich seit Herbst mit einer Kollegin zusammenarbeiten, die mich wahrscheinllich aus Eifersucht ständig mobbt. Trotzdem habe ich immer versucht durchzuhalten, habe mich trotz starker Erkältungen und meinen Depressionen nie krank schreiben lassen, sondern im Gegenteil noch über 100 Überstunden gemacht.

Die Arbeit war irgendwann meine Droge. Ich hatte durch die Ausbildung nur 8 freie Wochenenden im Jahr. Es war sicherlich alles zu viel. Ich hatte wegen der Kinder ständig ein schlechtes Gewissen und meine "Brut" (ein fürchterliches Wort), wie Du so schön sagst, ist das Wichtigste für mich in meinem Leben. Sie sind im Moment der einzige Grund weiterzukämpfen. An weiteren Gründen muss ich arbeiten.

Nachdem ich mich erst vehement dagegen gewehrt habe, werde ich nach dem Urlaub mit meinem Therapeuten mal über einen Klinikaufenthalt sprechen. Wegen der Arbeit werde ich es im nächsten Jahr in den Sommerferien einrichten können. In meinem Job, mit meiner eigenen Praxis bin ich sonst weg vom Fenster. So hätte ich wenigstens etwas, woran ich mich klammern könnte und was mich vielleicht wieder etwas ruhiger werden lässt.

Ich danke Dir von Herzen, lieber Fletzy, dass Du versuchst, mir wieder Mut zu machen und mich nicht so hängen zu lassen.
So habe ich mir vorhin mein Fahrrad geschnappt und bin noch 10 km geradelt. Der Boxsack muss nämlich heute ruhen, da mein Töchterchen mit ihrem Freund schon da ist. Aber es tat mir gut, so den Frust etwas herauszulassen. Morgen werde ich mein Töchterchen dann zum Frühstück einladen (ist ihr Wunsch) und am Freitag steigt dann eine Party, für die ich ihr ein Buffet machen soll. Also für Ablenkung ist erstmal gesorgt.

So, nun habe ich Dich aber genügend für heute zugetextet, Du Armer.
Du darfst jederzeit bei mir dafür revangieren.

Ich wünsche Dir alles Liebe und Gute,
umarme Dich und wünsch Dir eine gute Nacht!

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 29. Jul 2010, 15:23
von fletzy
Liebe Lernfee,

habe gerade mit großer Aufmerksamkeit und Interesse deine mail gelesen, die mich ein wenig auch an meine Situation erinnert:

Ich bin in einer Kleinstadt (ca. 10 000 Einw.) groß geworden, in der jeder über jeden (fast) alles weiß. (oder glaubt zu wissen, du weißt ja wie die Menschen sein können: aus lauter Langeweile oder zuweilen Bösartigkeit (?) erfinden sie irgendwelche Geschichten, die dann natürlich in so einer kleinen Stadt die Runde machen).

Als sich mein Onkel vor knapp 50 (!) Jahren mit fast 19 jahren das Leben nahm, war das natürlich Stadtgespräch (selbst einige Zeitungen berichteten darüber!)

Und es gibt natürlich noch immer "Zeitzeugen" von damals, Freunde, Bekannte, Schulkameraden meines Vaters oder meiner Mutter (die auch aus dieser Stadt kommt), die immer noch hier wohnen.

Und gerade deshalb durfte und darf niemand hier merken, dass ich an einer Depression leide (meine Mutter war da immer besonders erpicht drauf).

Und deswegen fühle ich mich in meiner Geburtsstadt auch gar nicht so wohl, wenn ich mal meine Eltern besuche.

(Es könnten ja wieder Bekannte oder Freunde da sein, bei denen ich mir kein falsches Wort erlauben darf)

Wenn ich ducrh dei Stadt laufe, versuche ich den Arebeitskollegen meines Vaters, Bekannten, usw., usf, so weit es geht aus dem Weg zu gehen, weil ich immer diesen Druck verspüre, besondes föhlich, besonders "gut drauf" zu sein, da ja niemand auch nur den leisesten Verdacht schöpfen soll.

Man muß wissen, dass meine Mutter jahrelang ein Geschäft mt 15 Angestellten geleitet hat und sie somit in gewisser Weise eine "Person des öffentlichen Lebens" ist und deshalb immer so darauf bedacht war, dass der Schein nach außen gewahrt bleibt.

Hier, in der Stadt, wo ich studiert habe und die 'n ganzes Stück größer ist, fühle ich mich einfach wohler, da wahrscheinlich nur einge kollegen von meiner Krankheit wissen (ich hab' mit niemandem drüber gesprochen, aber eine gute Freundin von mir, die selbst phasenweise an depressionen leidet, hat evtl. etwas verlautbaren lassen - sie ist auch auf dem pädagogi8schen Sektor tätig und da kennt man sich natürlich, wenn nicht persönlich, so dann zumindest vom Hörensagen; das ist mir aber ehrlich geasgt ziemlich schnuppe).

Ich bekome trotzdem ab und zu Lehraufträge (und selbst wenn die Schulleiterin davon wissen sollte, was wie gesagt gut sein kann, geht sie trotzdem ganz normal mit mir um, wie mit anderen kollegen auch)

Vielleicht würde es dir ein wenig den Druck nehmen,liebe Lernfee, wenn Du dich doch entschließen könntest, zumindest deine engere Familie in deine Krankheit einzuweihen (zumindest deine Geschwister, (hast Du überhaupt welche?) und deine Eltern - deine beiden großen Kinder wissen's ja schon, was gut so ist)

Weißt Du, bei mir ist es so, dass zwar die Freunde und Bekannten meiner Eltern nichts von der Krankheit wissen (außer einer sehr guten Freundin, die garantiert diskret ist und die Klappe hält )

Aber meine Verwandte wissen alle längst, seit vielen, vielen Jahren Bescheid und gehen damit wirklich locker um:

Wenn ich auf einer Familienfeier auftauche, dann freuen sie sich und wenn nicht, dann wissen sie eben ganz genau, dem fletzy geht's wieder schlechter und erkundigen sich ganz nett und verständnisvoll nach mir.

Ich hab' sowieso eine tolle Verwandtschaft, auf die ich größtenteils zählen kann - eine meiner Cousinen ist sogar selbst Psychiaterin und Neurologin, die hat sowieso vollstes Verrständnis für mich und diese Krankheit.
Von meiner ganzen Verwandtschaft ist wirklich noch NIE auch nur ein einziges blödes, verständnisloses Wort gekommen - die halten alle zu mir und da bin ich sooooo froh drum, das kannst Du mir glauben:)

Du hast auch von zwei guten Freundinnen geschrieben, denen Du etwas von einem Burn-out erzählt hast - vielleicht könntest Du die einweihen, wie's wirklich um dich steht.

Natürlich mußt Du 100 %-iges Vertrauen in sie haben, sonst hat das auch keinen Sinn.

Ich erzählte zum Beispiel mal einer Schulkameradin (die mit mir gemeinsam Ausbildung machte) von meiner Krankheit, da ich in sie unsterblich verliebt war und somit zu ihr Vertrauen gefaßt hatte.

Als wir uns mal stritten, wandte sie dieses Geheimnis gegen mich und sagte nur: "fletzy, Du bist doch krank."
Sie wollte sich damit quasi reinwaschen und verwendete dieses Vertrauen, was ich ihr entgegengebracht hatte, gegen mich - insofern muß man sich schon sehr genau überlegen, wen man in dieses Geheimnis einweiht.

Leider ist die Depression immer noch mit einem großen Tabu behaftet, sie hat immer noch ein sehr, sehr schlechtes Image in der Öffentlichkeit (leider), und wird oftmals von den Betroffenen vertuscht.
Gut, es hat sich in den vergangenen Jahren sicherlich einiges verbessert in der Öffentlichkeitsarbeit, durch vermehrte, intensive Aufklärung der Bevölkerung und Imagekampagnen, aber so richtig etabliert hat sie sich unter den Krankheiten nicht.

Zu Zeiten meines Onkels, zu Beginn der 60-er Jahre, kannte man das Wort "Depression" noch nicht einmal richtig und man wußte so wenig mit Depressiven anzufangen.

(ich glaube, damals sind erst die allerersten AD's auf den Markt gekommen)

Du hast 'ne kleine Radtour gemacht?

Sehr gut, man muß ab und zu Dampf ablassen - ich war z.B. heute mit dem Rad in der Stadt (ca. 15 Minuten Fahrtzeit), kurz was erledigt und dann noch mit dem Rad kurz beim Einkaufen.

Für andere nicht der Rede Wert, aber für uns Depris ist es eben schon was Besonders, wenn man sich zu einer körperlichen Aktivität aufraffen kann

Erzähl mir doch mal, wenn Du Lust hast, wie so der Burzeltag deiner Großen verlaufen ist - hast Du es gepackt?
Ist alles gut gegangen?
Hat jemand was gemerkt?

Hoffentlich war's nicht so schlimm, wie Du befürchtetest.

Jetzt mach' ich mal Schluß, sonst kommst Du ja gar nicht mehr zu Wort ,

Mach's gut, sei weiter so tapfer, durchhaltewillig und standhaft (denk' an das, was Du schon alles ALLEIN geschafft hast!),

genieß diesen Tag mit deiner "Brut" , soweit dies eben möglich ist,

Ganz liebe Grüße aus dem bewölkten, verhangenen Franken,

Ich umarm' dich

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 29. Jul 2010, 21:00
von mbm22
Hallo lieber Fletzy!

Mein Töchterchen ist gerade mit ihrem Freund gefahren und nun komme ich dazu, Dir auf Deine Mail zu antworten.

Ich habe den heutigen Tag ganz gut über die Bühne gebracht. Es war sehr lieb von Dir, mich gestern wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Danke Dir noch mal.

Heute vor 20 Jahren war ich überglücklich nach einer total anstrengenden Geburt ein kleines Würmchen im Arm zu halten. Die Geburten meiner Kinder waren wohl so ziemlich das Schönste, was ich bisher erlebt habe. - Sie ist bis heute ein wirklich liebes Mädchen und das wird hoffentlich auch so bleiben.

Wir haben dann heute zusammen gefrühstückt und alles für ihre Party morgen besorgt. Heute Abend wird sie nun vom Freund verwöhnt. Mich freut es, dass sie so voller Lebensfreude und so glücklich ist.

Du fragtest, ob ich Geschwister habe? Ja, eine jüngere Schwester, zu der ich in unserer Kindheit ein sehr inniges Verhältnis hatte. Inzwischen telefonieren wir nur ganz wenige Male im Jahr. Ich habe mich lange, darum bemüht weiter einen guten Kontakt zu ihr zu haben, aber es kam immer weniger zurück, war ihr wohl nicht mehr so wichtig. Das hat mich lange Zeit sehr traurig gemacht, aber irgendwann habe ich aufgehört, mich aufzudrängen. Schade, ich hätte als Kind nie gedacht, dass sich das so entwickeln würde, weil ich gerade in unserer Kindheit immer versucht habe für sie da zu sein. Meine Mutter war oft sehr verhalten in ihren Emotionen, war ihr zum Beispiel zu peinlich uns damals aufzuklären oder mal über Jungs mit uns zu reden. Körperliche Kontakte gab es kaum. Ich habe darunter sehr gelitten und meine Schwester gegenüber die Aufgaben meiner Mutter wahrgenommen, weil ich dachte, dass es so nicht sein darf.

Zu meinen Eltern habe ich heute kein besonderes Verhältnis. Ich habe mich als Kind von ihnen nie richtig geliebt und geborgen gefühlt. Nie war es gut und richtig, was und wie ich etwas gemacht habe. Immer hieß es nur, ich müsse aber anders sein, meine Freunde, später auch mein Ehemann, nie war etwas oder jemand richtig. So habe ich schon früh begonnen, mich emotional zurückzunehmen, Gedanken und Gefühle nicht mehr nach außen zu zeigen, bzw. sie auch für mich nicht mehr zuzulassen oder sie zu verdrängen. Ich war einfach nicht wichtig. Seitdem habe ich auch das Gefühl der Wertlosigkeit für mich übernommen und trage es ja bis heute mit mir herum.

Das alles fällt wohl in den Bereich der frühkindlichen Bindung, die bei mir wohl nicht so ausgeprägt oder vorhanden ist, wie sie es sein sollte. Ich habe aber gelernt, mich durch Aufbauen von Mauern, Zurückhaltung von Emotionen vor weiteren Verletzungen zu schützen, war immer sehr selbständig und habe mein eigenes Ding gemacht. Auch körperliche Schmerzen habe ich versucht zuverdrängen. So bin ich in der Grundschulzeit mit einem gebrochenen Fuß nach Hause gehumpelt und habe erst abends etwas gesagt, als ich in meine Schuhe nicht mehr passte.

Ich habe mich immer sehr allein gelassen gefühlt von ihnen. Das ist bis heute so. Als ich mich vor 7 Jahren von meinem Mann getrennt habe, haben sie auch erst ein halbes Jahr später davon erfahren. Das war dann von meiner Schwester, der ich mich anvertraut hatte, die dann aber doch alles weitergetragen hat. Also, wem soll ich da noch vertrauen? Wenn ich nicht rede, weiß ich jedenfalls, dass es bei mir bleibt. Das hört sich sehr verbittert an, aber das bin ich wohl im Laufe meines Lebens auch geworden.

Es gab sicher auch Zeiten, da hatte ich die Kraft, alles alleine zu tragen und mich von der starken Seite zu zeigen. Doch irgendwann ist einfach die Luft raus und man kann und mag einfach nicht mehr. Zumal es in mir ja oft ganz anders aussieht, als ich es nach außen zeigen darf.

Lieber Fletzy, nun mache ich erstmal Schluss, weil ich den Chat ganz gerne verfolgen wollte. Vielleicht schreib ich Dir nachher noch was.

Sei erstmal ganz lieb gegrüßt und gedrückt!

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 30. Jul 2010, 08:26
von mbm22
Guten Morgen lieber Fletzy!

Mit dem Schreiben ist es gestern dann nichts mehr geworden. Allein den Chat nur zu verfolgen, hat mich unheimlich angestrengt. Ich habe da so gar keine Erfahrungen, wie sowas abläuft, fands aber super interessant, wenn ich mich auch nicht getraut hab' dort aktiv mitzumischen. Vielleicht beim nächsten Mal. Die anderen kennen sich wohl auch schon länger und besser, da fühle ich mich einfach noch unsicher und beobachte erstmal. Aber an sich ist das schon eine tolle Sache.

Heute morgen bin ich leider mal wieder mit furchtbarer Depri-Laune aufgewacht. Hätte einfach nur heulen können und konnte nicht mal das. Hab' nun inzwischen versucht, mich an die Arbeit zu machen, damit alles für die Party vom Töchterchen bis abends fertig wird. Werde jedenfalls heute mein Bestes geben, um gegen die verdammte Traurigkeit zu kämpfen, die sich schon wieder in mir breit machen will.

Eine gute Sache gab es gestern noch. Ich hatte seit einiger Zeit Probleme mit meinem uralten Drucker. Er wollte jetzt trotz neuer Patrone garnicht mehr und ich saß schon etliche Male daran und hab alles versucht. Gestern habe ich ihn nun plötzlich wieder hinbekommen. Das macht mich echt froh (ein neuer wäre wohl teuer) und auch ein bischen stolz, dass ich es ohne Hilfe geschafft habe. Hilfe von anderen kann ich nämlich meist nur schwer annehmen, möchte immer niemanden belästigen.

Nun werde ich mal weiter ranrauschen und mein Hund will auch noch raus.

Wenn ich darf, schreib ich Dir später gern noch mal.
Bis dahin mach's gut lieber Fletzy, ich wünsche Dir einen guten Start in den Tag!

Sei ganz lieb gegrüßt

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 30. Jul 2010, 19:32
von fletzy
Buenas tardes, liebe Lernfee,

danke dir ganz herzlich für deine beiden mails, über die ich mich sehr gefreut habe.

Den gestrigen Tag hast Du ja ohne Blessuren hinter dich gebracht und den heutigen hast Du sicherlich ebenso gut gepackt!

(Man schafft oftmals sehr viel mehr, asl man denkt oder sich selbst zutraut)

Schade, dass Du in deiner Familie keinen Halt finden kannst und sich auch der Kontakt zu deiner Schwester gelockert hat, wirklich.

Geschwister können etwas sehr Wertvolles sein, aber dir das leben auch zur Hölle machen!

Ich weiß, von was ich spreche, denn ich habe eine ältere Schwester, mit der ich mich viele jahrelang nur gestritten habe; alles was ich machte war falsch und nicht richtig, auch wenn ich mich noch so anstrengte.
Fletzy, der Versager, der looser, teilweise putzte sie mich sogar in gegenwart ihrer freundinnen herunter, was mir natürlich bei der Entwicklung meines Selbstwertgefühls nicht weiter geholfen hat:(

Woher diese Hasstiraden gegen mich kamen, weiß ich bis heute nicht ganz genau;
Einerseits war da ihr Gefühl, etwas kurz gekommen zu sein (dabei ging's uns allen dreien sehr gut!).
Andererseits machte sie in ihrer Jugend einige schlechte Erfahrungen mit Männern (hatte auch jahrelang enorme Probleme mit Akne, was sie halt für die Männerwelt nicht attraktiver machte)
Und diese schlechte Erfahrungen ließ sie dann einfach an mir aus - fletzy, der Vertreter des verhassten Geschlechts.

Seit mehr als 4 Jahren habe ich jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen, es hätte zwischen uns nur Mird und Totschlag gegeben und mit dieser Funkstille geht's mir wieder richtig gut

Schade ist halt, dass ich deswegen auch keinerlei Kontakt mehr zu meinen beiden Neffen habe, die den Onkel fletzy nur von Bildern her kennen

Dafür habe ich einen umso besseren Kontakt mit meinem herzallerliebsten Schwesterchen, die ca. 3 Jahre jünger ist als ich; wir haben ein wirklich sehr inniges, vertrautes Verhältnis und erzählen uns auch sehr private Dinge in dem Wissen, dass dann auch unter uns bleibt:)

Leider hat sie auch in leichterer Form etwas von der depressiven Ader meines Vaters mitbekommen und wie oft haben wir uns schon gegeseitig versucht zu helfen und zu stützen, wenn wir wiedermal in einem tiefen Loch saßen.

Zu meiner Mutter habe ich auch einen sehr engen Kontakt, einmal war ich schon immer (das gebe ich durchaus zu) sowas wie ein lieblingskind von ihr (bin halt der einzige Sohn ), zum anderen war sie die Einzige, die immer, wirklich immer zu mir stand und mich auch in meinen dunkelsten, verzweifeltsten jahren begleitet hat.
So riefen wir uns, als ich einmal 3 Monate in der klinik war jeden Abend in der Klinik an und sie baute mich wirklich jeden Abend auf (oder versuchte es zumindest, Du weißt ja, wie man in einer Depression denkt).

Und nicht zuletzt dank ihrer Hilfe bin ich da jedesmal wieder rausgekommen

Uns sowas schweißt natürlich zusammen.

Zweimal versank sie selbst in einer tiefen Depression, weil es mir so extrem schlecht ging und bei und blieb die gesamte hausarbeit liegen, die Wäsche stapelte sich, dei teller türmten sich bei uns in dr Küche, usw.,

Mein Vater konnte ihr ja wegen seiner eigenen Depri da auch nicht helfen, das war echt eine furchtbare Zeit

Als ich wieder gesund war, sprach ich das Ganze natürlich bei meinem Vater an, freilich wie immer ohne Erfolg; er hat keine Depressionen basta.

Hab' das bei meinem Vater über 10 jahre probiert, bis heute, leider ohne jeglichen Erfolg

Um was ich dich etwas beneide, liebe Lernfee, ist deine frühe Selbständigkeit, die Du erlangt hast, das ist etwas, was mir ja total abgeht, bin halt extrem behütet und unselbständig aufgewachsen. imnmer war jemand da, der mir weiter half, weil ja der kleine fletzy das noch nicht konnte.

War sicherlich gut gemeint von meiner Mutter, aber dadurch habe ich eben bis heute das Gefühl, nichts allein auf die Reihe zu kriegen.

Muß da gleich an dein Beispiel mit dm Drucker denken, wenn mir so etwas passiert, dann mache ich eigentlich gar nichts, so nach dem Motto "irgendjemand wird mir shon helfen", was natürlich nicht passiert (so ein drucker repariert sich ja nur äußerst selten von alleine )

Dann weich ich erstmal aus auf den Drucker meines Vaters, der ja auch nicht gleich nebenan steht oder setze mich eben,wenn ich was drucken muß in Internet-Cafés.

Aber bevor ich sowas angehe, also jemanden um Hilfe bitte oder mich (was äußerst selten passiert) selbst um dei sache kümmere, können Monate vergehen.
("Morgen ist ja auch noch ein Tag!)

Echt schlimmm das Ganze!

Du bist heute morgen mit einer todtraurigen Stimmung aufgewacht?

Das kenne ich alles, von meinen früheren extrem-Depri-Phasen her, das kannts Du mi glauben.

Ich hatte jahrelang diese todtraurige, endlos verzweifelte Weltuntergangstimmung, die einfach kein Ende nahm und sich ab und zu bloß am Abend etwas auflockerte.

Zur Zeit ist es nicht einmal die Stimmung, die mich so stark belastet (Gott sei Dank), sondern eher diese Minderwertigkeitsgefühle und Antriebslosigkeit, die ich halt leider alle aus meiner Kindheit kenne:(

Und da frage ich mich natürlih schon, ob ich das jemals wieder in den Griff kriege....

Und aus diesem "WErtlosigkeitsgefühl" (was Du ja leider auch kennst), entstehen natürlich dann quch gewisse Sozialphobien, wie sie wieder beim Geburtsatg meiner Mutter zu Tage traten.


So, so da hast Du also gestern gechattet? (Oder zumindest zugesehen? )

Hab' das zum ersten Mal erst vor wenigen Wochen mit einem Freund aus Argentinien gemacht - war irgendwie ganz witzig, wie wir uns da die kurzen Sätze und Frotzeleien nur so um dei Ohren gehauen haben.

Aber so richtig anfreunden kann ich mich mit dieser Art der Kommunikation doch nicht ganz.
Natürlich ist das Ganze vorteilhaft für jemanden, der schnell und schlagferig ist, aber tierfere "Gespräche" kann man so unmöglich führen.

So, liebe Lernfee, jetzt ist es schon wieder ein ganzer Roman gewordenv- natürlich darfst Du mir schreiben, wei so dein Tag war, ob Du die Traurigkeit noch einigermaßen in den Griff bekommen hast und ob ihr noch ein schönes Abendbüffet hattet - würde mich sehr interessieren

Wünsche dir mit deinen dreien ein schönes, vielleicht sogar lustiges (?) Wochenende,

bleib tapfer, halte durch und freu' dich auf deinen Urlaub in Bella Italia, um den ich dich ja so sehr beneide...

Ich grüße dich ganz herzlich und umarm' dich,

venceremos,

fletzy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 30. Jul 2010, 21:28
von mbm22
Hallo lieber Fletzy,

gerade eben bin ich mit meiner Arbeit fertig geworden und entdecke Deine liebe Mail, über die ich mich sehr gefreut habe. Es ist einfach schön zu wissen, dass da manchmal jemand an einen denkt .

Es war doch alles etwas aufwendiger, als ich gedacht hatte. Allerdings habe ich, was das Kochen angeht auch immer hohe Ansprüche an mich selbst. Es soll schon was ausgefallenes sein und auch möglichst gut aussehen. Freunde hatten nach der Konfirmation meiner Tochter (sie hatte sich ein karibisches Buffet gewünscht)gemeint, ich solle doch mal einen Catering-Service aufmachen. Aber dann würde mir das Kochen heute wohl keinen Spaß mehr machen.

Du bist also das Sandwich-Kind bei euch drei Geschwistern. Gerade die Mittleren haben es oft nicht so leicht im Leben, müssen manchmal lange suchen, bis sie ihren Weg gefunden haben. Jedenfalls erlebe ich das häufig so. Die Rollen des Erstgeborenen und des Nesthäckchens sind vielleicht klarer definiert.
Und auch als Junge zwischen 2 Schwestern ist es sicher nicht leicht. Große Schwestern sind da manchmal übereifrig, was das Übernehmen der Mutterrolle angeht und spielen ihre Überlegenheit auch gerne aus. Das kann ich bei meinen eigenen Kids auch beobachten. Da musste ich dann auch schon manchmal dazwischen gehen, wenn meine Tochter in ihrem Eifer zu weit geht. Der große Sohn ist nur 2 Jahre jünger und will sich natürlich auch nicht mehr alles sagen lassen, was sie mit dem Kleinen (9 Jahre jünger) noch machen kann. Trotzdem haben sie alle drei ein recht gutes Verhältnis zueinander.

Meine Jungs sind heute Mittag knackebraun aus dem Urlaub mit ihrem Vater zurückgekehrt.Morgen werde ich dann mal unsere Sachen packen und Montag geht es dann ganz früh los mit dem ICE (hoffentlich mit funktionierender Klimaanlage) Wir werden am Vormittag dann bei Dir in Franken vorbeisausen und sind wohl gegen 21 Uhr an unserem Reiseziel in Südtirol.

Ich werde mir ganz viel zum Lesen mitnehmen. Mein Therapeut würde mit mir schimpfen. Er findet immer, dass ich viel zu viel lese und dann darüber nachdenke. Egal, ich hab' ihm beim letzten Mal gesagt, dass er da mal keine Bedenken haben solle. Sorgen müsse er sich aber machen, wenn ich nicht mehr lesen mag. Zur Zeit lese ich meine neuen Bücher zum Thema Schematherapie und hoffe da für mich einiges rausziehen zu können. Die eine Stunde VT, jetzt nur noch alle 2 Wochen ist einfach zu wenig. Aber wenigstens ist die Verlängerung bei der KK gerade durch, habe mich allerdings gewundert, dass auf dem Bescheid nicht VT, sondern Psychotherapie auf tiefenpsychologischer Grundlage (oder so ähnlich) angekreutzt ist. Kann der Therapeut das während der Therapie wohl ändern, um vielleicht mehr Stunden für mich rauszuholen? Vielleicht ist es aber auch nur ein Versehen der KK. Werde das erstmal mit meinem Therapeuten besprechen.

So, lieber Fletzy, das soll genug sein für heute. Ich werde mich jetzt in mein Zimmer zurückziehen. Bin doch fertiger als ich dachte, aber auch ein bisschen zufrieden mit mir.

Fühle Dich umarmt und kräftig gedrückt,
ich wünsch Dir auch 'ne gute Nacht!

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 30. Jul 2010, 21:59
von iffy04
Hallo lernfee,
mich würde interessieren welches Buch Du zu dem Thema Schematherapie liest. Ich interessiere mich auch für diese Therapieform.
Ich bin mal etwas neugierig und würde gerne wissen in welchem Bereich Du die therapeutische Praxis betreibst.
Ich finde viele Parallelen zu Deinem Problem zu verhindern, dass die Leute in Deiner Stadt nichts von Deiner Krankheit erfahren. Ich habe leider keine positiven Erfahrungen mit offenen Gesprächen über meine Probleme gemacht.
Du musst natürlich nicht antworten, wenn die Frage zu persönlich ist.
Alles Liebe
iffy

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 31. Jul 2010, 14:27
von mbm22
Liebe Iffy,

hier in der Anonymität dieses Forums habe ich keine Bedenken, Dir auf Deine Fragen zu antworten.
Also, ich habe eine mehrjährige Ausbildung zur Lerntherapeutin gemacht, wobei ich sowohl die Dyslexie, wie auch die Dyskalkulie als Schwerpunkte gesetzt habe. Doch ich arbeite auch mit Kindern, die unter anderen Lernproblemen oder -störungen wie Konzentrationsschwäche, fehlender Motivation, Stresssymptomen oder Schulängsten leiden. Es ist also auch viel verhaltenstherapeutische Arbeit dabei und geht dann erst später um eine Verbesserung der schulischen Leistungen, die sich dann aber oft wie von Zauberhand einstellt, wenn man gut auf das Kind mit seinen Problemen und Sorgen eingehen konnte.
Bei mir haben in der Regel immer die Kinder den Vorrang. Ich brauche besonders den Auftrag des Kindes, wenn ich mit ihm gute Arbeit leisten soll, auch wenn ihre Eltern ja die eigentlichen Auftraggeber sind und meine Arbeit bezahlen.

Diese Arbeit, ich habe meine Praxis direkt in einer Grundschule, macht mir eigentlich sehr viel Freude. Ich bekomme von Kindern und Eltern, aber auch von den Lehrern viel positives Feedback. Am wertvollsten ist aber auch hier für mich die Wertschätzung und Dankbarkeit der Kinder, die sich so aufrichtig und ehrlich darüber freuen können, dass sie doch nicht so doof sind, wie ihre Lehrer oder auch die Eltern es annahmen. Es freut mich dann zu sehen, wie sie langsam aber sicher Selbstwert und Vertrauen in sich gewinnen und auf einmal ist Mathe nicht mehr das Hassfach, sondern macht richtig Spaß.
Das sind so Tage, an denen ich das Gefühl habe im richtigen Beruf angekommen zu sein, auch wenn es im Moment noch viel, viel Arbeit für relativ wenig Geld ist.

Was machst Du beruflich (wenn ich fragen darf)?

Die Informationen über die Schematherapie setze ich mal in den betreffenden Thread.

Herzliche Grüße

lernfee

Re: Therapeutenwechsel?

Verfasst: 31. Jul 2010, 23:56
von fletzy
Hallo liebe lernfee,

habe heute doch so einiges hinter mich gebracht (in Unmengen von Läden einkaufen, mit meiner Ex zu ihrer Mutter und Oma gefahren, die in einem Kaff hinter den 7 Bergen im Frankenland wohnt, Besuch von meiner Ex-Mitbewohnerin bekommen und mit der noch etwas gequatscht) und jetzt erst finde ich die Zeit, dir zurückzuschreiben.

Es gibt Tage, liebe Lernfee, da glaube ich fest daran, dass ich die Depression doch noch in den griff kriegen kann und heute war so ein Tag.
Was auf jeden Fall heute besser war als sonst war die ewige, chronische, hartnäckige Müdigkeit, die heute deutlich schwächer war - ich hatte zumindest nicht das dringende Bedürfnis, mich nachmittags hinzulegen, was ich wochen - ja monatelang jetzt hatte!

Was mir noch sehr zu schaffen macht, ist dieses NULL-Selbstwertgefühl, dieses praktisch nicht vorhandene Selbstbewußtsein (Alle sind besser als ich, nichts will mir richtig gelingen, was bin ich wert?)

Und um dieses aufzuwerten, zu verbessern, erfülle ich praktisch alle Wünsche und Bitten, die so an mich herangetragen werden, kann zu nichts und niemandem "Nein" sagen, aus Angst wieder als faul oder arbeitsscheu zu gelten, ein Vorwurf, der mich seit meiner Jugend begleitet und der mich heute immer noch tief trifft (je näher die Person mir steht, die diesen Vorwurf ausspricht, desto härter trifft er mich, aber das wirst Du ja alles kennen!)

So, so, dann hast Du also kräftig aufgekocht zur Geburtstagsfeier deiner Großen - kannst Du mir bitte mal deine Telefonnummer geben, ich finde Frauen, die kochen können, äußerst faszinierend!

Nein, im Ernst: ich koche überhaupt nicht gerne, dafür gehe ich umso lieber einkaufen und zuweilen kann ich mich sogar aufraffen, abzuspülen, aber kochen - nein Danke!

Bei mir gibt's immer (wenn meine Ex nicht da ist) leckeres Dosenfutter (Reis mit Hühnchen oder auch manchmal zur Abwechslung Hühnchen mit Reis oder auch oft diese Spagettis mit Fertigsauce aus'm ALDI für 65 Cent - äußerst schmackhaft und wahrscheinlich tierisch ungesund

Ja, ich bin ein "Sandwich-Kind", und die haben's bestimmt nicht immer leicht, bin auch der Überzeugung (erlebe ich in meinem Freundeskreis), dass Einzelkinder grundsätzlich mehr Selbstbewußtsein haben, als Kinder mit Geschwistern, vielleicht kannst Du das ja auch aufgrund deiner Erfahrung in deinem Job bestätigen?!

Habe auch jahrelang erbitterte Kämpfe mit meiner älteren Schwester ausgetragen, die in der Regel damit endeten, dass ich mich Rotz und Wasser heulend in mein stilles Kämmerchen zurückgezogen habe, vor mich hin kochend in einer Gefühlsmischung aus unendlicher Verzweiflung, Verbitterung, Wut und Hass, abgrundtiefer Hass auf meine Schwester.
(Allein, wenn ich heute ihre Stimme höre, setzen bei mir Fluchtgedanken ein )

Aber ursächlich "Schuld" an meinen Depris hat sie sicherlich nicht, das wäre zu viel der Ehre für sie, aber zu deren Verstärkung und Chronifizierung haben diese Konflikte bestimmt beigetragen - da bin ich mir heute ziemlich sicher.

Scheinst ja auch 'n echter Bücherwurm zu sein - war ich früher auch, das heißt ich bin es heute eigentlich immer noch, wenn sich auch meine bevorzugte Lektüre etwas geändert hat: heute lese ich mehr Zeitungen und Nachrichtenmagazine, während es früher mehr Romane, Sachbücher und politische Sachen gewesen sind.

Habe durch mein Interesse an Literatur sehr früh das Lesen erlernt, was heute noch eines meiner Lieblingshobbies ist.

(habe sogar mal in einem internen Lesewettbewerb innerhalb meiner damaligen Klasse - dürfte so die 5. oder 6. gewesen sein - als Klassenbester abgeschnitten, aber Du wirst's erahnen: Selbstbewußtsein hat mir auch dieser Erfolg nicht gegeben
Ja, fletzy und sein Selbstwertgefühl - ein eigenes Kapitel)

Dein Job, den Du ja ein wenig beschreibst, klingt sehr interessant und ist bestimmt auch sehr erfüllend, weil Du garantiert 'ne Menge positives feedback bekommst, wie Du ja selbst geschrieben hast, sowohl von Eltern als auch den Schülern.

Und wenn es vielleicht auch nicht immer durch Worte geschieht (dieses feedback), so doch bestimmt öfter auch durch ein verändertes Verhalten, ein anderes Auftreten deiner "Zöglinge", wenn sie nach und nach ihre Ängste ablegen können, ihre Fähigkeiten und stillen Talente entdecken, slbstbewußter auftreten, usw., usf.

Deine Arbeit ist für unsere Gesellschaft sehr, sehr wichtig, weil sie Kinder, die vermutlich schon längst abgeschrieben wären, als Außenseiter gehandelt würden, wieder in die Mitte der Gesellschft rückt, und so diese Kinder reintegriert werden.

So, dann rauschst Du also am Montag vormittag an meiner Heimat vorbei ?

Genieß die Reise mit deinem Kleinen - wenn sich schon der Vater nicht richtig um ihn kümmert, bist natürlich mal wieder Du gefragt. Wird wahrscheinlich nur ein schwacher Trost sein, wenn du weißt, dass Du nicht alleine bist und vermutlich Millionen von Müttern in diesem Land ihre "Brut" völlig allein großziehen müssen.

Eine von diesen Müttern sollte mal das Bundesverdienstkreuz kriegen, und nicht irgendein Politiker, der freilich immer aus einer privilegierten Situation heraus Gutes tun kann!

So, jetzt mach' ich mal wieder Schluß - Du mußt ja vielleicht auch noch ein wenig packen.

Dir wird die Reise in den Süden besser bekommen, als Du dir jetzt vorstellen kannst, ganz bestimmt

Bleib tapfer, laß dich nicht unterkriegen,

ich schick dir mal ganz liebe Grüße aus Franken,

venceremnos,

pass gut auf dich auf,

fletzy