Soziale Isolation

Suchende2
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Suchende2 »

Autismus und Smaltalk

Für Smalltalk gibt es verschiedene Definitionen, die sich zum Teil wiedersprechen.
Aber beim Smalltalk geht es häufig darum Redepausen zu überbrücken und Informationen auf einer anderen Ebene auszutauschen.

Beispiel: Im Smalltalk wird gesagt: Heute Nacht ist ganz schön viel Schnee gefallen.
Vielleicht möchte derjenige sich "einschwingen" mit Dir.
Dahinter kann die Aufforderung stecken, unterhalte Dich mit mir, mir ist gerade langweilig, ...
Es kann aber auch heißen ich mag / mag nicht Schnee.
Und es gibt noch viele andere Möglichkeiten.

Bei den meisten Menschen im Autismusspektrum kommen diese Informationen nicht an.
Da ist eher eine sachliche Sicht vorhanden.
Es ist Winter. Da ist es normal das Schnee fällt und auch daß mal mehr oder weniger Schnee fällt. Darüber ist keinerlei Austausch notwendig.
Wenn das jetzt geantwortet wird, wird der Mensch als unhöflich angesehen.
Was für eine Antwort, verdammt noch mal, erwartet der andere jetzt?
Und was will er eventuell eigentlich mitteilen?

Das ganze läuft bei den meisten Menschen außerhalb des Spektrums intuitiv ab und ist damit meistens nicht anstrengend.
Für Menschen im Spektrum ist es SEHR anstrengend.

Stellt Euch vor, Ihr lernt eine Fremdsprache. Dann kommt Ihr in das Land und es darf auf keinen Fall auffallen, daß Ihr Ausländer seid.
Denn sobald man das merkt, werdet Ihr zum Teil wie minderbemittelte behandelt, man traut Euch vieles nicht mehr zu, Euch werden viele Wege und Sachen versperrt.
In dieser Sprache müsst Ihr nun so tun, als ob Ihr die Feinheiten der Sprache versteht. Alles, was bei den anderen sprachlich intuitiv läuft, müßt Ihr mühsam lernen und bei jedem Kontakt aktiv abrufen. Dabei müßt Ihr das im selben Tempo wie die anderen (intuitiven) schaffen. Dazu versteht Ihr die Regeln nicht. Aber es wird Euch nicht geglaubt. Deshalb wird auf Nachfrage auch nicht vernünftig geantwortet.
Jegliche nonverbale Kommunikation versteht Ihr auch nur, soweit Ihr sie auswendiggelernt habt und schnell genug abrufen könnt.

Ihr seid also unter Dauerstreß und dann sollt Ihr auch noch ein Gespräch führen, indem es um NICHTS geht? Wozu dieser Streß? Warum dann nicht entspannt miteinander schweigen oder einen wirklichen Austausch starten?

@Senif
Menschen in autistischen Spektrum machen ihr Leben lang die Erfahrung, daß von ihnen erwartet wird (egal ob geautet oder nicht), daß sie neurotypisch sein sollen. Deshalb haben da auch andere ihren Anteil an psychischen Erkrankungen.
Andere Reizverarbeitungen werden als "anstellen" abgetan. Wenn Dir Dein Leben lang erzählt wird, Du stellst Dich nur an, Du tust nur so, dann bröckelt bei den meisten irgendwann der Selbstwert und die Abgrenzung. Der Mörtel wird scheller aus der Mauer herausgehauen, als Du ihn wieder aufbringen kannst.
Edit: Leider erleben dieses auch Nicht-autistische Menschen zum Teil. Aber der Unterschied ist, daß sie durchaus auch Kontakte im Leben haben, wo sie sein dürfen, wie sie sind. Auch wenn es nur kurze Kontakte sind. Autistische Menschen müssen Ihr Leben lang ein Teil von sich verstecken um nicht sozial isoliert zu werden,

Alles Gute,
Suchende
Zuletzt geändert von Suchende2 am 22. Aug 2024, 14:07, insgesamt 1-mal geändert.
WantMyLifeBack
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von WantMyLifeBack »

Suchende ich hätte es nicht besser formulieren können und dein Beispiel mit dem Schnee ist Bombe! Wenn mir jetzt jemand sagen würde, heute Nacht hat es viel geschneit (ok... wir haben August... sagen wir: Heute Nacht war aber eine kühle Nacht), dann wäre meine Antwort "Ja, zum Glück hat es mal wieder ordentlich abgekühlt, diese Schwüle hier ist so anstrengend". Bums. Informationen ausgetauscht. Alles richtig gemacht. Ich würde hinter so einem Gesprächsverlauf jetzt gar nicht nach der "Meta-Ebene" suchen.
Ich bin dir sehr dankbar, wir haben uns ja auch schon an anderer Stelle ausgetauscht und du hast bei dem Thema offensichtlich schon deutlich mehr Erfahrungen zusammengetragen als ich. Ich lerne hier gefühlt täglich dazu. Wenn ich das nächste Mal in so eine Situation komme werde ich versuchen genau zu analysieren, welche Botschaft "unter" den Worten liegt. Mal schauen wie weit ich da komme...
SonneundDunkenheit
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen im Autismus-Spektrum durchaus kommunizieren können und auch soziale Kontakte in der Welt von Nichtautisten gut bewältigen. Nämlich dann, wenn es etwas ist, was sie selbst interessiert wofür sie bereit sind aus ihrer Welt aufzutauchen, ihre ICH Bezogenheit zumindest zeitweise verlassen.

Für Menschen mit Autismus gibt es auch spezielle Zentren wo Sozialkompetenzen trainiert werden. Ja, es ist harte Arbeit, aber durchaus lohnenswert. Wir haben beispielsweise mit unserem Kind, was mittlerweile Erwachsen ist Wortbedeutungen geübt (also wofür das Wort Decke genutzt wird), ihm immer wieder erklärt wie wichtig Blickkontakte sind usw.... gleichzeitig ist es natürlich sinnvoll dem Umfeld zu signalisieren dass man "anders tickt", Vieles wortwörtlich nimmt, Witze oft nicht verstanden werden und sich nur äußert, wenn er eine wichtige Botschaft ist... Wetter gehört selten dazu. Viele Lehrer in der Schule haben das Verhalten als Arroganz gewertet.... wir als Unsicherheit.

Ich durfte in meinem Arbeitsleben viele Menschen aus dem ASS kennenlernen und schätze ihre überaus ehrliche und direkte Art. Das kommt nicht bei jedem gut an, aber eigentlich sind mir diese Menschen im Umgang deutlich sympathischer als die, welche geschickt mit der Sprache "spielen" und nicht authentisch sind. Nicht jeder kann mir dieser direkten Art umgehen.

Viele Autisten (aber längst nicht alle) tummeln sich nicht ohne Grund in der Informatik, Berufen mit Zahlen/ Mathematik bzw. den Naturwissenschaften herum, wo Gesetzmäßigkeiten herrschen. Dort fühlen sie sich sicherer.

Autisten geht es letztlich wie allen anderen "Minderheiten". Sie brauchen Verständnis und dazu gehört auch Aufklärung über das Störungsbild wobei hier die Spannbreite riesengroß ist. Greta Thunberg ist ein gutes Beispiel dafür.

Es gibt mittlerweile einige Firmen, die bevorzugt Fachkräfte mit ASS einstellen, weil sie deren positiven Eigenschaften längst erkannt haben.
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

@Senif
Menschen in autistischen Spektrum machen ihr Leben lang die Erfahrung, daß von ihnen erwartet wird (egal ob geautet oder nicht), daß sie neurotypisch sein sollen. Deshalb haben da auch andere ihren Anteil an psychischen Erkrankungen.
Andere Reizverarbeitungen werden als "anstellen" abgetan. Wenn Dir Dein Leben lang erzählt wird, Du stellst Dich nur an, Du tust nur so, dann bröckelt bei den meisten irgendwann der Selbstwert und die Abgrenzung. Der Mörtel wird scheller aus der Mauer herausgehauen, als Du ihn wieder aufbringen kannst.
Hallo Suchende,

ich weiß schon, wie ihr das meint. Aber ich behaupte jetzt mal ganz frech :lol: - diese Verantwortungszuweisung an andere bringt euch für die Zukunft und in Sachen Selbstwert null Punkte. ihr werdet die Welt nicht ändern. Die Welt wird sich nicht an euch anpassen, von daher ist das Beharren auf der Schuldzuweisung an andere verschenktes Potential und Zeit.
Selbstwert ist nicht der Wert, den uns andere zuschreiben - schon per Definition nicht, sondern der Wert, den wir uns selbst geben. Und diesen von den Meinungen anderer abhängig zu machen, wirkt für mein Verständnis psychisch destabilisierend. Warum denn immer gegen vorhandene Mauern rennen und nicht mal was anderes ausprobieren ?

Mir persönlich würde es helfen, wenn ich wüsste, der andere fasst Dinge anders auf. So wie SonneundDunkelheit es beschrieben hat. Und ich denke nicht, dass alle außer ich :lol: - so ticken, dass sie z.B. mobben. Es gibt doch nicht nur mobbende Menschen um uns herum oder nicht jeder hat so gar kein Verständnis. Das klingt immer so, dass alle Menschen schlecht sind - (außer die, die Depressionen haben, die von anderen verursacht wurden). Das ist jetzt übertrieben formuliert, aber das zeigt doch ganz gut das eigentliche Dilemma. Warum konzentrieren wir uns immer so sehr auf das schlechte und blenden das Gute teilweise komplett aus ?

Der Fingerzeig auf die anderen bringt keinen Meter weiter auf dem Weg in ein zufriedeneres Leben. Warum also sich ein Leben lang daran abarbeiten ?

LG Senif :hello:
WantMyLifeBack
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von WantMyLifeBack »

SonneundDunkelheit: Ich teile deine Ansicht voll und ganz, mir ist direkte Ehrlichkeit auch viel lieber, damit kann ich was anfangen. Ich habe früher tatsächlich auch gehört, ich würde mich arrogant verhalten, oder, der Lieblingsspruch meiner Mutter: "Ich sei verletzend direkt". Nur hat leider nie jemand mal versucht zu hinterfragen, wieso das so ist - ich leider auch nicht, für mich war das ja logisches Verhalten. Ich war - leider!! - lange extrem gut maskiert und wenn meiner Nachbarin nicht wieder mit dem Thema angefangen hätte nachdem mein Psychiater mich damals heim geschickt hat, nach dem Motto, das sei ein Hirngespinst, ich wüsste heute noch nicht, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit im ASS liege. Ist wie gesagt auch noch relativ neu für mich (und was das alles bedeutet, gerade im Unterschied zu Neurotypies....)

Rezi: Das habe ich tatsächlich auch schon einige Male gehört, wobei das totaler Unsinn ist. Ich habe NULL Interesse an irgendwelchen Führungspositionen oder irgendwelchen Formen der Selbstdarstellung, ich bin total introvertiert, ich stelle mich auf Gruppenfotos immer ganz nach hinten damit man mich nicht sieht, ich mache keine Bilder in irgendwelche Profile rein (auch beruflich nicht)... ich will einfach nur gute Ergebnisse liefern, einfach nur für mich selber und um die Firma voranzubringen. Die Alpha-Männchen, die sich ein klitzekleines bisschen mit meinem Charakter beschäftigen und nicht nur mit sich selbst sollten sehr schnell erkennen, dass ich absolut keine Gefahr für sie bin.

Senif: Wie ich oben bereits geschrieben hatte, ich habe beides erlebt. Vorgesetzte/Kollegen, mit denen es sehr gut lief und aber eben leider auch zweimal diese Kombination aus Vorgesetzten und Kollegen, bei denen ich gemobbt wurde. Und ja, es waren nicht alle im Team, aber wenn man sich sprichwörtlich zu Tode langweilt und keinen Weg findet, da raus zu kommen (und ich habe es wirklich mit allen Mitteln probiert, bis hin zum Betriebsrat), dann ist da nichts Gutes mehr, was man daran finden kann. Ich glaube dir, dass das für dich schwer nachzuvollziehen ist weil du nicht in meiner Situation warst. Ich sage auch nicht, dass dieses Mobbing für all meine mentalen Probleme verantwortlich ist. Was ich aber voller Überzeugung sagen kann ist, das andere Menschen in der Lage sind dich psychisch fertig zu machen. Punkt. Und wo war da jetzt meine Eigenverantwortung... ich habe gekündigt. Insgesamt dreimal in den letzten drei Jahren. Das letzte Mal wurde ich übrigens nicht gemobbt, da war das Team klasse (die vermisse ich auch ein Stück weit) und die Chefetage war auch durchaus in Ordnung. Aber die Aufgabe war leider derart langweilig und frustrierend und hatte nichts mit dem zu tun, was bei der Einstellung besprochen worden war...

Irgendwie war das Thema aber ursprünglich ein anderes.... sorry Deadly!!! Wenn ich "in Fahrt" bin hau ich einfach alles raus. Ich versuche dran zu arbeiten ;)
WantMyLifeBack
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von WantMyLifeBack »

Nochmal kurz so halb off-Topic - es hat auch schon was mit sozialer Isolation bzw. mit zwischenmenschlichen Problemen zu tun und auch damit, was diese verursachen können, u. a. nämlich auch Depressionen:

https://autismus-kultur.de/asperger-syn ... -zu-wirken

Diese Seite habe ich gefunden als ich mich intensiver damit auseinander gesetzt habe, dass ich im ASS liegen könnte und meine Reaktion als ich sie gelesen hatte war "Das beschreibt haargenau mein Leben!"

Nur für die, die sich dafür interessieren, bzw. vielleicht kommt ja einer der Mitlesenden selbst zwischenzeitlich auf die Idee, dass er/sie/neutral ähnliche Probleme haben könnte und will mehr dazu wissen.
DieNeue
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von DieNeue »

Hallo Senif,
Senif hat geschrieben: 22. Aug 2024, 14:57 ihr werdet die Welt nicht ändern. Die Welt wird sich nicht an euch anpassen, von daher ist das Beharren auf der Schuldzuweisung an andere verschenktes Potential und Zeit.
Für mich geht es hier nicht um Schuldzuweisungen.
Nicht immer, wenn man sagt, dass jemand anderes auch für etwas verantwortlich war, heißt es, dass man mit dem Finger auf andere zeigt und ihnen die Schuld gibt. Es geht einfach um Fakten. Nicht immer ist man für alles allein verantwortlich und man darf auch ruhig mal sagen, wenn andere ihren Teil dazu beigetragen haben.
Wenn man als 'Minderheit' immer denkt, man kann die Welt nicht verändert und spricht deswegen lieber nichts an, wird sich auch nichts ändern. Wenn alle so denken würden, dann hätten wir wahrscheinlich immer noch Rassentrennung, kein Wahlrecht für Frauen, Strafe für Homosexuelle usw.
Senif hat geschrieben: 22. Aug 2024, 14:57 Und ich denke nicht, dass alle außer ich :lol: - so ticken, dass sie z.B. mobben. Es gibt doch nicht nur mobbende Menschen um uns herum oder nicht jeder hat so gar kein Verständnis. Das klingt immer so, dass alle Menschen schlecht sind - (außer die, die Depressionen haben, die von anderen verursacht wurden).
Ich habe nicht geschrieben, dass alle so sind. Ich hatte klar gesagt, dass es in manchen (!) Arbeitsumfeldern manchmal (!) so ist und nicht in allen. Manchmal (! ;) ) habe ich das Gefühl, du interpretierst mehr in Sätze hinein als da steht und unterstellst anderen eine Schwarz-Weiß-Sicht. Die hat aber auch nicht jeder.

Liebe Grüße,
DieNeue
WantMyLifeBack
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von WantMyLifeBack »

Hmpf: Man soll Eigeninitiative zeigen, darf aber nicht "überperformen", weil die Vorgesetzten sich dann bedroht fühlen. Damit wären wir dann wieder bei dem Thema von oben... keine Glaskugel!
Und da wundern die Leute sich, wenn man die soziale Isolation wählt. Der Raum, innerhalb dem man sich bewegen darf, ohne dass die anderen Menschen sich auf die eine oder andere Weise angegriffen, bedroht oder Sonstiges fühlen, ist gefühlt kaum noch vorhanden...
SonneundDunkenheit
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von SonneundDunkenheit »

@ WantMyLifeBack,

hab dir eine PN geschickt.
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Für mich geht es hier nicht um Schuldzuweisungen.
Ok. Dann nenne ich es Verantwortungszuweisung. Wir selbst haben die Verantwortung, nicht die anderen.
Klar könnte mich jemand beschimpfen - das gab es im übrigen bei mir auch. Aber entscheidend ist doch, wie ICH damit umgehe. Gehe ich nach Hause, schließe mich ein, und versinke in Trauer ? Verlasse ich die Situation ? Oder beides ? Oder ändere ich meine innere Bewertung meiner Selbst und lasse mich nicht mehr emotional runter ziehen und fertig machen ?
Ist natürlich jedem seine Entscheidung. Und mir ist auch klar, dass es da großen Widerstand gibt und ich weiß auch warum (ich habe dafür durchaus Verständnis). Ich finde es nur schade, weil die Änderung des Blickwinkels auch sehr viel Positives bewirken kann - eben auch in Richtung gesünderes Leben.

:hello: LG Senif
Suchende2
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Suchende2 »

Senif, das eine schließt nicht das andere aus.
Nur weil ich einen "Täter" klar benenne, heißt es nicht, daß ich keine Verantwortung für mein Leben übernehme oder deshalb eine innere Bewertung habe, die mich emotional runter zieht und fertig macht.
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Reziprok hat geschrieben: 22. Aug 2024, 20:43
Senif hat geschrieben: 22. Aug 2024, 20:27Ok. Dann nenne ich es Verantwortungszuweisung. Wir selbst haben die Verantwortung, nicht die anderen.
Ich fange mal auf einem niedrigen Verantwortungsniveau anderer Menschen, mit Denen Du zu tun hast, an:

Stelle Dir ein Szenario vor, in dem Du (nicht jetzt exakt genau Du, sondern ich meine hiermit theoretisch jeden Menschen) wegen Deiner Behinderung oder Deines Äußeren von Deinen Arbeitskolleg:innen gemobbt wirst. Und das schon seit Monaten. Du kannst dagegen nichts tun. Sie machen einfach weiter mit dem Mobbing.

Und jetzt?

LG

Rezi
Du hast es in der Hand zu kündigen und dir einen anderen Job zu suchen. Man könnte auch versuchen in Richtung Selbständigkeit etwas zu tun. Ich denke nicht, dass alle Menschen überall mobben. ich habe auch Menschen kennen gelernt, die echt nett sind - auch mit ihren Schwächen. Man hat es dennoch selbst in der Hand sich ein Umfeld zu schaffen, in dem es einem gut gehen kann.
Wenn man aber in der Situation die besagten Monate verharrt, weil man eigentlich die Verantwortung NUR an die anderen abgeben möchte und nicht sieht, dass man auch selbst etwas tun kann, dann wird es schwierig.
Ich sage nicht, dass die anderen nie Verantwortung haben - aber du wirst sie nicht ändern. Da kannst du noch so sehr auf und nieder springen - die Welt ist so. Und dennoch entscheiden wir auch selbst, wieviel Macht wir den anderen über uns geben wollen. Niemand ist auf einer ungesunden Arbeitsstelle festgekettet. Und ich denke auch nicht, dass 90% der Arbeitsstellen ungesund sind.

Dann gibt es aber auch Situationen, in denen man Aussagen von Kollegen überbewertet, weil man z.B. selbst so unsicher ist, und wenig Selbstwert hat, dass einen Kritik Extremst mitnimmt. Und da kann man an seinem Selbstwert arbeiten, denn der hängt nicht von den anderen ab. Das ist der Wert den wir uns selbst zugestehen. Auch da wird das ständige Hinweisen auf die Verantwortung der anderen wenig bringen, außer dass man in der Passivität verharrt und nicht den eigenen Anteil sieht und damit das Veränderungspotential mal eben in den Müll befördert. Das finde ich persönlich halt schade, wenngleich ich euren Widerstand durchaus (auch aus persönlicher Erfahrung) verstehen kann.

Ich möchte hier einfach auch mal die andere Sicht präsentieren - denn ich finde eure Sicht hier im Forum überrepräsentiert. Und sie wirkt manchmal auf mich so hoffnungslos. Das ist es aber nicht.
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Suchende2 hat geschrieben: 22. Aug 2024, 20:41 Senif, das eine schließt nicht das andere aus.
Nur weil ich einen "Täter" klar benenne, heißt es nicht, daß ich keine Verantwortung für mein Leben übernehme oder deshalb eine innere Bewertung habe, die mich emotional runter zieht und fertig macht.
Ja, Suchende - das weiß ich. Aber siehe vorheriger Beitrag. Ich lese selten in den Beitragen beide Seiten und die Seite um Täter zu benennen, aber auch aus Menschen Täter zu machen (beides) ist in meinen Augen immer höher gewichtet.
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Nur mal so zu dem ersten Punkt (gilt auch für die weiteren Gründe) : du würdest also deine Gesundheit für die Arbeit opfern (und dann lieber nicht in die Arbeitslosigkeit gehen?) - ja, deine Entscheidung (nicht die der äußeren Umstände), du selbst kettest dich dann auf Arbeit an
Suchende2
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Senif,

die Gründe und Wege, warum Menschen depressiv werden, sind so vielfältig wie die Menschen. Genauso auch die Wege daraus.

In der Therapie wurde mir zum ersten Mal in meinem Leben zugestanden, daß ich ein Opfer gewesen bin (ich habe aber nie eine Opferrolle angenommen). Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich meine Täter ohne Einschränkungen benennen.
Das war für mich eine so wertvolle Erfahrung, daß Heilung beginnen konnte.
Das heißt nicht, daß es keine Auseinandersetzung mit meinen Anteilen gab und gibt.
Wobei auch klar ist, nur weil ich mich so verhalte, daß ich ein "Opfer" werden kann, ist der "Täter" nicht aus seiner eigenen Verantwortung entlassen.

Warum triggert Dich dieses Thema so sehr? Das ist mir schon mehrmals hier im Forum aufgefallen.

Alles Gute,
Suchende
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Suchende2 hat geschrieben: 22. Aug 2024, 21:40 In der Therapie wurde mir zum ersten Mal in meinem Leben zugestanden, daß ich ein Opfer gewesen bin (ich habe aber nie eine Opferrolle angenommen). Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich meine Täter ohne Einschränkungen benennen.
Das war für mich eine so wertvolle Erfahrung, daß Heilung beginnen konnte.
Das war bei mir nicht anders in der Therapie Suchende. Ich war auch Opfer und gerade aber durch diese Erfahrung, bin ich später in die Opferrolle gerutscht. Denn das Trauma war lange vorbei, aber ich habe es immer wieder reinszeniert.
Dass man Täter benennen muss, ist für mich nie ein Thema gewesen. Aber ich wollte das nicht mein Leben lang tun, denn es hinderte mich am Leben. Ich wollte mein Trauma verarbeiten und loslassen und nicht drin hängen bleiben. Und das ist ja auch das eigentliche Ziel. Die Anerkennung als Opfer ist nur der erste Schritt. Aber jeder entscheidet dann halt selbst, ob er dort stehen bleiben möchte.

Und ich finde es nicht sinnvoll, immer nur die eine Sichtweise weiter zu vertiefen, ohne auch mal die andere Sicht der Dinge zu erwähnen. Wenn du dir deiner Verantwortung bewusst bist, deine Anteile sehen kannst ohne dann im gleichen Atemzug zu sagen, ABER der und der ... dann ist ja alles gut. Das meine ich auch gar nicht. Aber hier im Forum haben die Beiträge, in der man nur über die Verantwortung der anderen schreibt, immer ein höheres Gewicht und sind auch überrepräsentiert. Das schmälert das Veränderungspotential. Wir können die anderen nicht verändern, wir können nur uns selbst ändern. Das setzt aber voraus, dass wir uns unserer eigenen Verantwortung bewusst sind ohne immer auf die Verantwortung der anderen zu zeigen. Wenn hier alles gleich gewichtet wäre, würde mir das gar nicht so ins Auge springen.

Ich bin damals vor vielen Jahren hier im Forum aufgeschlagen und hab nur negatives gelesen. Dabei war ich auf der Suche nach Hoffnung. Ich bin ehrlich. Die hab ich hier nicht gefunden. Das heißt nicht, dass sie nicht da ist. Das finde ich persönlich schade und ist auch ein Grund, warum ich hier eben den anderen Blickwinkel schreibe.
Ich hab auch nicht den Eindruck (mein Eindruck, d.h. nicht, dass es so ist), dass sich in der Art und Sichtweise der Beiträge viel geändert hat. Und da stellt sich mir die Frage, ob es hier überhaupt eine Weiterentwicklung gab ? Ich kann das von hier aus natürlich nicht beurteilen, ich ziehe meinen Eindruck nur aus dem Geschriebenen.

Der eine Tenor ist klar, aber ich lese auch ganz gern mal andere Töne. Gleichklang wird mir schnell zu langweilig. :D

LG Senif :hello:
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Nicht jeder Mensch steht über dieser Art gesellschaftlicher Stigmen.
Und warum stehen sie nicht darüber ? Das hat was mit demjenigen selbst zu tun. Nicht mit anderen. :)
Aber ich finde Deine Entwicklung hin zurück in den 1. Arbeitsmarkt natürlich eine tolle und auch ermutigende Sache. Und das soll natürlich auch anderen Leuten, die hier schreiben oder auch nur mitlesen, Hoffnung geben und sie auch entsprechend motivieren.
Danke :) Ja, diese Hoffnungslosigkeit in der Depression ist wirklich schlimm (und auch gefährlich). Ob ich den kompletten Schritt in den ersten Arbeitsmarkt schaffe, ist noch nicht raus. Aber: Challenge accepted :D

LG Senif :hello:
DieNeue
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von DieNeue »

Hallo Senif,

ich empfinde die Äußerungen im Forum nicht so hoffnungslos. Ich sehe eher, dass man hier auch sagen darf, dass man z.B. unter dem Verhalten anderer oder unter der Krankheit leidet. Je nachdem aus welcher Einstellung und welcher Problematik man kommt, kann es der erste Schritt zur Heilung sein, das überhaupt mal aussprechen zu dürfen, ohne verurteilt zu werden oder gesagt zu bekommen "Stell dich nicht so an". Oder auch Leute zu finden, die das gleiche erlebt haben oder die einen verstehen.
Ich finde, geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich finde es eher erleichternd, wenn man jemanden hat, mit dem man sein Leid teilen kann. Du hattest schon öfter mal geschrieben, dass deine Ich-Grenze so gering ist und du die Stimmung der anderen so extrem aufnimmst. Vielleicht liegt es auch daran, dass du das hier so hoffnungslos empfindest?

Ich sehe die Beiträge im Forum auch nicht als "absolut" an. Es sind für mich eher Momentaufnahmen und kurze Ausschnitte aus dem Leben anderer.
Dann steht hier halt mal, dass es jemandem nicht gut geht oder er ein Problem hat. Das zieht mich nicht runter und ist für mich auch nicht in Stein gemeißelt. Das Leben geht ja immer weiter und es passiert so vieles im Leben außerhalb des Forums. Es gibt so vieles, was man über die anderen User nicht weiß. Ich vertraue darauf, dass Leute auch selber weiterkommen und sich in ihrem Leben auch noch mehr bewegt, als das, was man im Forum mitbekommt. Zumindest ist es bei mir so, dass ich die für mich wichtigsten Dinge hier maximal ansatzweise bis gar nicht öffentlich schreibe. Das, was sich bei mir in den letzten Jahren innerlich verändert hat, kriegt kaum jemand mit. Auch über pn kriege ich bei anderen ähnliches mit.
Wieso sollten sich Leute nicht verändern, nur weil vielleicht ein Teilaspekt in ihrem Leben immer noch Probleme bereitet und sie deshalb immer noch im Forum schreiben?
Ich würde nicht aus den Beiträgen im Forum auf das komplette Leben der anderen schließen.

Mal abgesehen davon ist es einfach ein Forum, das dafür da ist, dass Leute schreiben können, die Probleme haben. Andere haben ja auch keinen Grund hier zu schreiben.
Die, denen es dann besser geht, sind dann irgendwann weg.

Warum ist es für dich eigentlich so wichtig, dass sich andere Leute ändern? Eigentlich ist das ja deren eigenes Problem oder nicht? 🤔
Senif hat geschrieben: 22. Aug 2024, 21:58 Aber hier im Forum haben die Beiträge, in der man nur über die Verantwortung der anderen schreibt, immer ein höheres Gewicht und sind auch überrepräsentiert. Das schmälert das Veränderungspotential.
Wieso gehst du einfach davon aus, dass sich diese Leute ihrer eigenen Verantwortung nicht bewusst sind? Vielleicht sind sich diese Leute ihrer eigenen Verantwortung sehr wohl bewusst und schreiben einfach gerade nur über die Verantwortung der anderen. Ich habe den Eindruck, du gehst davon aus, dass alle, die über die Verantwortung anderer schreiben, genauso an der Opferrolle festhalten wie du damals. Vielleicht sind die aber ganz anders als du und haben das Problem gar nicht?

Liebe Grüße,
DieNeue
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Hallo DieNeue,
Ich habe den Eindruck, du gehst davon aus, dass alle, die über die Verantwortung anderer schreiben, genauso an der Opferrolle festhalten wie du damals.
Ich nenne das halt Opferhaltung, du magst den Begriff nicht, und nennst es anders. Das ist doch ok. Aber die Sache an sich bleibt ja die Gleiche. Ich lese hier ja nur die Beiträge, die hier stehen und die sind im Großen und Ganzen immer über die Verantwortung der anderen und seltenst über die eigene Verantwortung. Ich bin ein großer Fan von Eigenverantwortung :D
Ich habe halt die Erfahrung gemacht, dass mit der Änderung des Blickwinkels sich für mich die Welt geändert hat. Hier lese ich halt immer nur diesen einen einengenden Blickwinkel.
Dass der Widerstand sehr groß ist, kann ich nachvollziehen. Aber ich möchte ja trotzdem meinen Eindruck und meine Sicht dazu schreiben. So wie ihr eure Sicht auch schreibt. Eure Sicht finde ich aber sehr überrepräsentiert hier.
Natürlich ist das Forum auch dazu da, mal "Dampf abzulassen" - und ja, es hilft erstmal im Moment, aber nicht nachhaltig. 2 Tage später steht für mich von den gleichen Leuten gefühlt wieder das gleiche da. Weil eben immer nur das gleiche geschrieben wird - warum wird denn dann immer nur das geschrieben, und nicht auch mal was anderes ? Da merkt man doch schon, wo das eigentliche Gewicht drauf liegt.
Das ist mein Eindruck beim Lesen der Beiträge.
Ihr werdet die anderen nicht ändern. Die Welt ist wie sie ist.

LG Senif :hello:
SonneundDunkenheit
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von SonneundDunkenheit »

Hallo Senif,

mir geht es ähnlich wie dir. Ich habe auch oft das Gefühl, dass viele (nicht alle!!!) Menschen, die hier schreiben zunächst hoffen, dass ihren Ansichten zugestimmt wird, "mit geschimpft/ mit gelitten" wird, die Welt böse ist und depressive Menschen nie genug Aufmerksamkeit/ Hilfe von Außen bekommen. Manchmal entstehen echt schräge Rechtfertigungskommentare warum man denkt auf etwas Anspruch zu haben, aber einem ungerechterweise (aus Sicht des Betroffenen) verwehrt wird. Kommen kritische Antworten laufen Diskussionen oft ins Leere. Leider kennt man von vielen aufgeworfenen Problemen nicht den Ausgang. Eigentlich Schade.

Ja, die Welt ist wie sie ist, aber dabei immer im Wandel. So wie ich mich hinterfragen muss, so sollte es auch das Gegenüber tun hier im Forum sowie in der realen Welt. Dann ist Veränderung möglich.
Bewegen wir uns nicht auf den anderen zu, bleiben wir isoliert, vereinsamen, sind unzufrieden....
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

SonneundDunkenheit hat geschrieben: 23. Aug 2024, 09:18 Hallo Senif,

mir geht es ähnlich wie dir. Ich habe auch oft das Gefühl, dass viele (nicht alle!!!) Menschen, die hier schreiben zunächst hoffen, dass ihren Ansichten zugestimmt wird, "mit geschimpft/ mit gelitten" wird, die Welt böse ist und depressive Menschen nie genug Aufmerksamkeit/ Hilfe von Außen bekommen. Manchmal entstehen echt schräge Rechtfertigungskommentare warum man denkt auf etwas Anspruch zu haben, aber einem ungerechterweise (aus Sicht des Betroffenen) verwehrt wird. Kommen kritische Antworten laufen Diskussionen oft ins Leere. Leider kennt man von vielen aufgeworfenen Problemen nicht den Ausgang. Eigentlich Schade.
Ja, SonneundDunkelheit. Genau das meine ich.
Es ist ja auch so, dass Kritik nicht nur was Schlechtes ist. Nicht jeder, der Kritik übt, führt Böses im Schilde, will den anderen fertig machen oder hat kein Verständnis. Das wird auch oft verwechselt finde ich. Verständnis ist nicht gleichbedeutend mit Zustimmung.
Man könnte Kritik ja auch so sehen, dass es einem hilft, positive Veränderungen herbeizuführen z.B. - ich konnte früher Kritik auch ganz schlecht annehmen, hab vieles als Angriff gewertet etc. - dabei hing das mit meinem Selbstwert zusammen und wie ich mich gesehen habe. Und das ist dann eben wieder meine Verantwortung, dort was zu ändern. (man kann sich natürlich auch entscheiden, dass alles so bleibt wie es ist)
Ja, die Welt ist wie sie ist, aber dabei immer im Wandel. So wie ich mich hinterfragen muss, so sollte es auch das Gegenüber tun hier im Forum sowie in der realen Welt. Dann ist Veränderung möglich.
Bewegen wir uns nicht auf den anderen zu, bleiben wir isoliert, vereinsamen, sind unzufrieden....
Alles ist immer im Wandel. Die einzigste Konstanz ist die Veränderung - weiß grad nicht, wer das gesagt hat :D

:hello: LG Senif
lt.cable
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von lt.cable »

Ahoi!

Ich bin, wie ich bin. Ich werde mich nicht ändern. Die Welt ist, wie sie ist. Du wirst sie nicht ändern. Beides klingt für mich jetzt nicht direkt attraktiv.

Die Welt und auch gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen lassen sich verändern, wenn wir die Geschichten von ihrer Unveränderbarkeit und der Schuld des Individuums für Misserfolg, Überforderung, Krankheit nicht glauben. Wer kennt die nicht von seinen Eltern, sobald man aus der Reihe zu tanzen drohte? Ich jedenfalls sehr gut.

Ich habe Verantwortung für mein Verhalten, Handeln, meine Herangehensweisen und Denkmuster. Andere, Individuen und Gesamtgesellschaft, haben allerdings auch Verantwortung dafür, was sie bei und in mir anrichten. Das schließt mich wiederum im Wirken auf andere ein.

Irre ist doch bloß, dass viele von uns, Experten, Politiker und andere Handlungsmächtige schon lange wissen, was verändert werden müsste, damit die Menschen psychisch wie physisch mal wieder besser klar kommen. Es passiert aber zu wenig. Gesamtgesellschaftlich, nicht individuell. Die Leute machen und tun, schleppen sich so lange wie nur möglich zur Arbeit, fahren sich selbst auf Verschleiß, fressen Pillen, telefonieren wie blöde Therapieplätzen hinterher. Da empfinde ich auch Schimpfen und Klagen als durchaus berechtigt und angemessen. Darin steckt Energie, die man dann für sich nutzen kann.

Es grüßt

lt.cable
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Nixe02
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Nixe02 »

Hallo Rezi,

ich kann deinen Unmut verstehen, viele knallen so Schlagworte in die Diskussion, wie bspw. "Selbstwirksamkeit" o.ä., meinen es sei alles selbsterklärend, logisch und vor allem, für jeden (!) nachvollziehbar.

Das dem nicht so ist, ignorienen viele, leider. Mit dem Wort "Bewusstsein" ist es ähnlich.

Gäbe es Bewusstsein oder mehr Bewusstsein ... Verständnis, Verstehen, Begreifen und daraus resultierendes Handeln, gäbe es sicherlich weniger Gier und Unzufriedenheit.
Wir bräuchten div. Organisationen gar nicht mehr, auch Polizei & Co. wären unnötig oder dienten nur der Freude und dem Vergnügen.

Wenn es also gelingen würde, bei jedem ein Bewusstsein aufzubauen ...
Doch dazu benötigt man Wissen, Bildung (Bildung im Sinne von Verstehen, Begreifen, Nachvollziehen können, nicht nur das Ansammeln purer Fakten).
Aurelia Belinda
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Aurelia Belinda »

@ Nixe,

wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wäre ich wohl Millionär, den Spruch kennst du sicher.

Ja richtig, wenn....man jeden wach rütteln könnte....aber hier ist doch der Knackpunkt.
Dies ist in meinen Augen unrealistisch. Utopie.
Wir alle bewegen uns auf dem selben Planeten, jene, die meinen, diesen zerstören zu müssen, denken nicht global, auch nicht menschlich.
Automatisch leidet die gesamte Bevölkerung mit.
Dem kannst Du Dich nicht entziehen, und auch das ewige anprangern, drüber reden, wird diese Kreaturen kaum wach rütteln.
Das ist der springende Punkt.
Darauf aufmerksam machen, alles schön u. gut.
Wieviel Nutzen und Veränderung das hat, wird mehr und mehr deutlich. Warum also Energie hierfür aufwänden?
Ich nenne wiederholt ein Beispiel, was Menschen auch anstinkt....
wir werden dazu angehalten, umweltbewusst uns zu verhalten. Aha. Ist es wirklich Sinn stiftend, wenn ein paar Minderheiten, ihre Autos stehen lassen, damit jene die uns dazu anhalten, durch die Lüfte sausen und die Pest vorantreiben, und dafür auch noch nette Begründungen geliefert werden?
Alles was recht ist. Aber so einem Blödsinn, Irrsinn... zu folgen.... ist fraglich.
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Senif
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Re: Soziale Isolation

Beitrag von Senif »

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
© Reinhold Niebuhr (1892 - 1972), US-amerikanischer Theologe, Philosoph und Politikwissenschaftler
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