Weihnachten - und es geht wieder los

FrequentFlyer
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi ihr Lieben!

Offtopic muss auch mal sein: Es nervt unheimlich wenn ein Text so einfach im Nirwana verschwindet. Aber der Tipp mit dem vorher Kopieren ist nicht schlecht Monchen12345. Und meine Hochachtung Aurelia, das du all das was du schreibst vom Handy aus machst. Ich kann mit dem Handy nur einfache Texte schreiben. Ich bin diesbezüglich wohl auch eher oldschool – mit Zehnfingersystem, einem Tee und reichlich Ablenkung ;-) schreib ich meine Texte.

Heute hat mir meine Freundin geantwortet. Es waren eigentlich nur drei Zeilen in denen sie schrieb, dass sie die Hoffnung ihr Glück zu finden noch nicht aufgegeben hat und dafür würde Zuneigung nicht ausreichen. Ich solle sie gehen lassen....
Okay, das ist wohl eine Wasserstandsmeldung aus einer Episode, der Wunsch das ein Neuanfang alles neu macht.
Als nicht-Betroffener hätte ich geschrieben, wenn ich denn keine Beziehung mehr will: Ey, du nervst, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du bist es einfach nicht. Ich suche mir jemand anderes. Niemals käme ich auf die Idee noch von Zuneigung zu sprechen. Wenn Zuneigung da ist, muss eine Lösung gefunden werden. Eine solche Vorlage würde ich nicht liefern. Aber ich bin auch noch zusätzlich Mann und diesbezüglich wohl einfach gestrickt ;-)

@Sybilix: Jede Erkrankung ist individuell – dies muss ich hier beim lesen immer wieder feststellen. Meine Freundin ist sehr lebenspraktisch, auch während Episoden, sofern ich das beurteilen kann. Es betrifft mehr oder minder nur Menschen die ihr nahe stehen. Sie geht weiterhin ihrer Arbeit nach, der Haushalt leidet nicht und geht durchaus auch ihren Hobbys nach. Allerdings kostet sie das überproportional viel Kraft und deswegen sitzt sie auch viel auf der Couch und macht nichts. Auch der Schlaf ist kein Thema – sie schläft einfach acht bis neun Stunden durch ohne Probleme. Beneidenswert – ich muss durchaus nachts mal raus. Aber eines was du angesprochen hast, bezüglich der Persona non grata – da hatte ich schon in der letzten Episode den Verdacht, dass ich dies alleine schon deswegen bin, da ich von ihrer Krankheit weiß und sie diese Fassade vor mir nicht aufrecht erhalten kann. Aber ich wäre mit Sicherheit ein schlechter Freund wenn ich dies „Spiel“ mitspielen würde. Ich habe ja hier auch schon in der Vergangenheit propagiert das man zwar kein Druck auf Betroffene ausüben soll, aber dennoch auf die Verwerfungen aufmerksam machen sollte. Und so wird meine Antwort in ein paar Tagen mit Sicherheit sein, dass Zuneigung ja wohl der Hauptbestandteil des Glücks in einer Beziehung ist, das persönliche Glück aber wohl eher in einem selbst und nicht in einer Beziehung zu finden ist. Und so etwas meine ich in etwa mit Blödsinn machen. Aus der Sicht eines nicht-Betroffenen nicht nachvollziehbar. Und ich bin der Auffassung, dass gerade wenn man es mit jemand zu tun hat der diese Krankheit negiert, umso mehr muss man ihn darauf aufmerksam machen das da etwas nicht stimmt. Das brauche ich alleine schon für mein Selbstwertgefühl: Ich wäre ein schlechter Freund wenn ich ihr was vormachen würde.

Da sie sich gemeldet hat, wenn auch mit einer in sich widersprüchlichen Antwort, werde ich wohl sehr dosiert am Ball bleiben. Alleine mit meiner Antwort werde ich mir schon ein paar Tage Zeit lassen. Einen Blumenstrauß zum Geburtstag werde ich schicken, eine Karte zu Ostern. Halt einfach immer wieder in Erinnerung rufen das es mich gibt. Wie schon bei der letzten Episode.

LG
Sybilix
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Sybilix »

Hallo FF,

natürlich ist jeder Verlauf, jedes Krankheitsbild individuell - aber die Muster sind die gleichen, sonst würden sich all die Geschichten nicht so sehr ähneln, sonst würden wir uns hier nicht austauschen.

Ehrlicherweise habe ich deinen Text jetzt zum 3. Mal gelesen und bekomme den gedanklichen Knoten immer noch nicht gelöst ;)

Für mich klingt alles schlüssig. Thema Kraft, ich versuche aus mir unerklärlichen Gründen eine Methapher zu finden.
Man nehme so ein tolles Raumschiff aus einer der vielen Serien. Es hat einen Energiegenerator der 100% Leistung bringt. Möchte man schnell reisen, geht die volle Leistung auf den Schub - die Schilde sind dafür unten und ggf. andere Prozesse werden heruntergefahren.
Kommt man nun in eine Gefahrensituation, fahren die Schilde hoch usw.

So ähnlich stelle ich mir das für eine Depression vor: Vorher konnte man den Reaktor regelmäßig auf Volllast fahren, oft auch überfahren (übertakten?) - ohne dass er bleibenden Schaden genommen hat. Jetzt ist aber (aus welchem Grunde auch immer) der Reaktor auf 150% oder mehr belastet worden und z.b. das Kühlsystem hat Schaden genommen - und keiner repariert es. In Zukunft kann der Reaktor nur noch auf 80% oder 50% regelmäßig belastet werden, weil sonst weitere Schädigung eintritt.

Auf welcher Basis Betroffene die Entscheidung treffen, welcher (Belastungs)Bereich ihres Lebens abgeschaltet werden muss, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich mutmaße es könnten die inneren Werte / Rangfolge sein. z.B. definiere ich mich über die Arbeit, werde ich alles tun um diesen Bereich am Leben zu erhalten. Definiere ich mich über äußerllichen Erfolg o.ä. werde ich vielleicht versuchen ein möglichst "normales" Leben zu spielen, ist mir die Familie das Höchste Gut, der Quell meiner Kraft, so werde ich nicht mehr arbeiten können und mich mitunter von sozialen Kontakten zurückziehen.

Genau das tut deine Freundin. Sie verfolgt die Priorität und der Rest fällt hinten runter. Ähnlich ist es bei mir / uns. Arbeit first, alles andere an zweiter oder letzter Stelle.

Dass ihr bezüglich Gefühlen / Zuneigung / Liebe nicht die gleiche Sprache sprecht, scheint mir auch offensichtlich. Während sie die gesellschaftlich etablierte romantische Liebe, im Extremfall sogar mit dem Gefühl auf Wolke 7 zu schweben verwechselt, steht für dich eine andere Dimension im Vordergrund. Ihrer Auffassung nach reicht Zuneigung alleine nicht aus um eine Beziehung zu führen, deiner Auffassung nach ist Zuneigung die Grundlage füreinander da sein zu wollen, aufeinander zu achten, Rücksicht zu nehmen etc.

Mir wurde selbiges in anderen Worten vorgeworfen. "Wir sind mehr wie Bruder und Schwester, nicht wie Liebende." Wenn ich mich in sentimentalen Momenten mit "Trennung im Allgemeinen" oder "Unter welchen Umständen macht ein zweiter Anlauf überhaupt Sinn?" beschäftige, ist genau dieser Vorwurf von ihr ein Kernelement, worauf man (wieder) aufbauen könnte.

Ich denke du hast keinen schlechten Weg eingeschlagen, ihr habt Kontakt (was Viele hier nicht mehr behaupten können), was sich entwickelt bzw. wie es läuft - können wir ohnehin nicht wirklich beeinflussen. Und wozu es gut sein soll können wir heute nicht erkennen, hoffentlich rückblickend in Zukunft.

Viel Kraft und ich hoffe es verläuft für euch zum Guten - wie auch immer Das aussehen mag.
Sybilix
Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Monchen u. FF,

Ihr seid ja echt lieb. Danke nochmal für
Eure Tipps. Freut mich.

Bin mir nicht sicher ob ich vielleicht doch wieder besser am PC schreibe...
Aber danke.
Staune selber über mich was ich hier so veranstalte ( grins ) weil ich so gar nicht der digitale Typ bin.
Hat lange gedauert bis mein Mann mich überreden konnte unser erstes Handy zu kaufen. Smartphone haben wir erst seit über 2 Jahren. Schon mühsam hier zu tippen. Aber so könnt ich wenn mein Mann am PC war gleichzeitig mich hier austauschen. Pausen brauch ich auch viele, nur nicht mit Tee....sondern Kaffee. Und auch meine Texte sind oft lang. Wenn sie dann verschwinden. Frust.


Schon wieder hast du FF hier einen Bericht gepostet der überaus ansprechend ist. Gerne will ich darauf eingehen.
Aber erst mal braucht mich mein Mann....

Grüße euch alle,
Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
DieNeue
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,

finde euer Thema hier ganz interessant und werde mich später noch dazu äußern (hoffe zumindest, dass ich es schaffe). Ich sehe manches etwas anders, aber mir geht es gerade wie Sybilix - muss erst noch den Knoten im Kopf entwirren ;)

Liebe Grüße,
DieNeue
Candless
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Candless »

FrequentFlyer hat geschrieben: Heute hat mir meine Freundin geantwortet. Es waren eigentlich nur drei Zeilen in denen sie schrieb, dass sie die Hoffnung ihr Glück zu finden noch nicht aufgegeben hat und dafür würde Zuneigung nicht ausreichen. Ich solle sie gehen lassen....
(...)
Und so wird meine Antwort in ein paar Tagen mit Sicherheit sein, dass Zuneigung ja wohl der Hauptbestandteil des Glücks in einer Beziehung ist, das persönliche Glück aber wohl eher in einem selbst und nicht in einer Beziehung zu finden ist.
Lieber FrequentFlyer,

ich habe über deinen Beitrag ein wenig nachgedacht. Wenn meine Ex mir so klar sagen würde, dass sie will, dass ich mit ihr abschliesse, würde ich das tun. Ich habe sie mehrfach nach genau dieser KLarheit gefragt und sie sagt, genau die hat sie nicht. Sie weiss nicht, ob wir noch eine Chance haben, derzeit.

Auch bei nicht-depressiven Menschen ist es ja so, dass Schluss gemacht wird mit diversen Schutzbehauptungen, wie "es liegt nicht an dir, es liegt an mir" oder "die Liebe reicht nicht aus" oder "trotz grosser Liebe sind wir zu verschieden" usw.

Das sind ja alles allgemeine Glaubenssätze, wenn man so will, und kann genau mit einem anderen Glaubenssatz antworten. Das hast du ja jetzt auch vor. Das, was du ihr schreiben willst, ist ein Glaubenssatz, der ihrem, dass Zuneigung nicht für ihr Glück reicht, widerspricht.
Ich könnte mir vorstellen, dass es mehr Sinn macht, ihr mitzuteilen, dass man ihre Entscheidung akzeptiert, aber selbst noch Liebe empfindet und es sich anders gewünscht hätte. Vielleicht auch, dass sie sich melden kann, wenn sie möchte, aber dass man sich nun zurückzieht. Und das würde ich auch tun.

Ich sehe keinen triftigen Grund, eine solche Aussage nicht als das zu nehmen, was sie ist: sie möchte, dass du sie gehen lässt. Es ist ein Schlusspunkt. Es heisst ja nicht, dass man nicht irgendwann wieder aufeinander zu gehen kann. Aber das müssen beide wollen. Und ich lese aus dem, was sie schrieb, heraus, dass sie zumindest jetzt, nicht will. Krankheit hin oder her.

Vielleicht macht es wirklich Sinn, sie gehen zu lassen, so wie sie sie das möchte, und abzuwarten, ob nochmal etwas von ihr kommt. Auch ohne Blumenstrauss und ohne sich in Erinnerung zu rufen. Wäre das nicht auch ein Weg? Ich frage mich einfach, ob das sonst nicht ein Kampf gegen Windmühlen ist.

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von DieNeue »

Hallo Frequent Flyer, hallo an alle,

so, jetzt habe ich meine Gedanken einigermaßen geordnet. Einen Teil hatte ich schon gestern abend geschrieben, einen Teil heute und den Rest gerade…
FrequentFlyer hat geschrieben:Also habe ich am nächsten Morgen ihr geschrieben, dass das Hotelzimmer noch problemlos storniert werden könne wenn etwas dazwischen kommt oder wenn sie nicht kann.... und von da an nahmen die Dinge ihren Lauf. Gut, dann würde sie halt daheim bleiben und den freien Nachmittag / Abend alleine genießen. Sie sagte mir dann später, dass sie den Eindruck gehabt hätte ich wolle nicht, dabei wollte ich nur sicher gehen das ich sie nicht bedränge nur weil es sich halt zeitlich für uns beide gut einrichten lässt. Ich teilte ihr direkt nach ihrer Absage auch mit, dass ich traurig bin das es nicht klappt da ich mich auf ein Treffen gefreut habe. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Ich sollte sie nicht als ein Problemfall sehen und aufhören sie zu analysieren. Ich meinte ich schreibe über mich und meiner Traurigkeit das es nicht klappt und nicht über sie. Sie dann wiederum das ich ja sehr wohl mich über sie äußere, denn meine Traurigkeit hätte ja mit ihr zu tun....
Ja, das mit dem „wie ein Problemfall behandelt werden“ kenne ich auch. Zu sagen, dass man Rücksicht nimmt, ist (oder kann) eine Gratwanderung sein. Auf der einen Seite ist es schön, wenn Leute Rücksicht nehmen. Andererseits ist es manchmal, wenn es einem gerade gut geht, ätzend, daran erinnert zu werden, dass man krank ist. Manchmal habe ich mir gewünscht, dass meine Eltern sich mehr mit mir freuen, wenn es mir gut geht. Aber manchmal, wenn sie mir das in dem Moment, in dem es mir gut ging, gesagt haben, hat mich das erst recht runtergezogen, weil sie mich dran erinnert haben, dass es mir normalerweise nicht so gut geht. „Hey, schau mal, du lachst wieder“ kann auslösen: „Jaaa, wie cool, das Leben ist so geil!“ oder „Ja, könnt ihr mich nicht einfach mein Leben genießen lassen und mich nicht ständig dran erinnern, dass ich nicht normal bin?“
Ich denke, egal, was man sagt, da kann man immer ins Fettnäpfchen treten.
Was ich aber meistens gut fand, war, wenn mir jemand zu nem anderen Zeitpunkt mal die Rückmeldung gegeben hat, wenn er den Eindruck hatte, mir geht es langsam besser. Selber merkt man das oft gar nicht so. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass das bei anderen Krankheiten auch so ist.
Dass du dich auch über sie äußerst, wenn du sagst, du bist traurig, weil es nicht klappt, sehe ich auch so. Schließlich ist sie (bzw. ihr Verhalten, was ja auch zu ihrer Person gehört) der Grund für deine Traurigkeit. Und ihre Depression der Auslöser, warum du erst gefragt hast ;) Ich denke, du kannst das alles trennen, ihre Gefühle packst du zu ihr, deine zu dir. Aber ich glaube, die meisten Menschen können das nicht so knallhart wie du. Und das hat überhaupt nichts mit Depressionen zu tun.
FrequentFlyer hat geschrieben: Heute hat mir meine Freundin geantwortet. Es waren eigentlich nur drei Zeilen in denen sie schrieb, dass sie die Hoffnung ihr Glück zu finden noch nicht aufgegeben hat und dafür würde Zuneigung nicht ausreichen. Ich solle sie gehen lassen....
[...]
Da sie sich gemeldet hat, wenn auch mit einer in sich widersprüchlichen Antwort,
Ich finde die Antwort nicht widersprüchlich. Ich verstehe darunter, dass sie noch nicht die Hoffnung aufgegeben hat, irgendwann mal (in einer Beziehung, nicht unbedingt mit dir) glücklich zu werden. Das mit der Zuneigung könnte man entweder so interpretieren, dass sie dich noch mag, aber dass nur "mögen" (das heißt weniger als lieben!) für eine Beziehung eben nicht ausreicht ODER dass selbst Zuneigung (in Form von Liebe!) nicht ausreicht, damit eure Beziehung funktioniert, sondern dass es da noch andere Sachen dazu braucht und die nicht vorhanden sind. Wobei ich auch eher zum ersten tendiere.
Und dass du dich auch von ihr distanzieren sollst, denn du machst es auch ihr schwer, von dir loszukommen.
Ich glaube, sie hängt schon noch an dir (sie mag dich ja auch), aber sie sieht auch, dass es einfach nicht klappt (was meiner Meinung nach nicht nur an ihr liegt) und versucht deshalb Abstand von dir zu bekommen.
Ich denke, was es für dich widersprüchlich macht, ist, dass ihr einfach eine unterschiedliche Definition von "Zuneigung" habt.
FrequentFlyer hat geschrieben: Und so etwas meine ich in etwa mit Blödsinn machen. Aus der Sicht eines nicht-Betroffenen nicht nachvollziehbar. Und ich bin der Auffassung, dass gerade wenn man es mit jemand zu tun hat der diese Krankheit negiert, umso mehr muss man ihn darauf aufmerksam machen das da etwas nicht stimmt.
Was mir nicht gefällt ist, dass du zu allererst davon ausgehst, dass ihre Meinung von der Depression getrübt ist und dass sie in der Zeit, wenn es ihr schlecht geht (sie „in der Episode steckt“), nicht klar denken kann und deshalb „blödsinnige“ Sachen macht. Kann ich auch nachvollziehen, wenn vieles für dich nicht verständlich und vielleicht auch irrational erscheint. Prinzipiell ist es auch super, darauf Rücksicht zu nehmen, dass Depressive in manchen Dingen anders denken, und sie verstehen zu wollen, was ihr alle hier ja auch echt gut macht. Aber: Wenn du an ihr etwas nicht verstehst, oder denkst, sie ist im Unrecht, gehst du zuerst davon aus, dass es an der Depression liegt. Neben den zwei Möglichkeiten, dass sie einfach total schräg ist oder dass es die Depression ist, gibt aber noch eine andere Möglichkeit, die du nicht vergessen solltest: Nämlich, dass deine Sicht falsch ist.
Das kann aber ja nicht sein, denn schließlich bist du der Gesunde und kannst rational denken und da kann nur deine Sichtweise gesund und richtig sein.

Für mich sieht sie keine andere Lösung, nicht weil sie aufgrund ihrer Depression so blöd ist, sondern weil es tatsächlich was gibt, was eure Beziehung schwierig macht: eure "Streitkultur" bzw. eure extreme Unterschiedlichkeit was Rationalität/Emotionalität angeht.

Kann sein, dass ich falsch liege, schließlich kenne ich weder dich noch sie persönlich, aber für mich ist das das, was ich so von außen beobachten kann. Ich habe eure Geschichte ja von Anfang an mitverfolgt und sehe da schon Sachen, die sich immer mal wieder wiederholen. Soweit ich mich erinnern kann, hattet ihr schon mal die Situation, dass du irgendeinen Ausdruck ironisch oder nicht ernst gemeint hast, sie das aber ernstgenommen hat und du dich danach dafür entschuldigt hast.
FrequentFlyer hat geschrieben:Wenn ein Gesprächspartner sehr rational bleibt, etabliert sich sehr schnell ein Machtgefüge gegenüber demjenigen der sehr emotional ist.
Wahrscheinlich brauche ich neben mir jemand mit sehr viel Selbstbewusstsein – das hat jemand mit dieser Krankheit wohl nie.
Ja, das mit dem Machtgefälle stimmt absolut. Die Reaktion, die du dir wünschen würdest, wäre, dass sie mit dir rational und sachlich streiten könnte. Sie ist aber sehr schnell verletzt – weshalb und ob „berechtigt“ oder nicht ist mal egal. Das Ding ist jetzt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, damit umzugehen: Entweder sie wird weniger emotional und schafft es, sich abzugrenzen. Das kann ich z.B. aber nur, wenn ich dicht mache, und meine Emotionen nicht mehr zeige. Die aber trotzdem da sind.
Dazu möchte ich etwas ausholen:
Meine frühere beste Freundin hat vor ein paar Jahren den Kontakt zu mir abgebrochen. Das lag daran, dass sie zum einen mit meiner Krankheit nicht klarkam und zum anderen haben noch andere Dinge dahin geführt, dass wir einen Streit hatten. Die Meinungsverschiedenheiten hätte ich gerne ausdiskutiert und die Situation gelöst, aber das war nicht möglich, weil sie den Kontakt komplett abgebrochen hat. Das hat sie mir aber nicht gesagt, sondern sie hat sich einfach nicht mehr gemeldet. Und ich dachte, sie bräuchte einfach Zeit nachzudenken. Mich hat das Ganze sehr belastet und irgendwann habe ich sie nochmal angeschrieben, warum sie sich nicht mehr meldet. Die Antwort habe ich dann bekommen. Ziemlich kühl und sachlich, sie hat damals den Kontakt abgebrochen, weil XY. Ich habe sehr lange mit meiner Betreuerin darüber gesprochen, weil ich immer noch alles besprechen wollte und es mich auch geärgert hat, dass sie einfach die Sache für sich abgebrochen hatte, meine Argumente so ins Leere hat laufen lassen und ich die ganze Zeit der Ungewissheit mit meinen Scheißgefühlen in der Luft hing. Ich wäre in meiner Antwort am liebsten auf alles eingegangen, was sie geschrieben hatte, da ich noch voll aufgewühlt war und es auch nicht gleich verstanden habe, dass sie wirklich nicht vorhat sich nochmal zu melden und das zu klären. Meine Betreuerin meinte, dass ich das nicht machen sollte, weil dann eben dieses Machtgefälle entstehen würde, von dem du schreibst. Ich emotional noch voll drin, sie total abgeklärt. Sie meinte, wenn ich ihr jetzt meine Gefühle schreibe, wird sie sehr wahrscheinlich nicht antworten, weil sie sich nicht auf eine Diskussion einlassen will. Also würde ich vor ihr ganz schwach dastehen. Deshalb habe ich ihr dann auch sachlich zurück geschrieben und ihr alles Gute gewünscht. Das war bitter, weil ich sie nie aufgegeben hätte, aber ich bin jetzt froh darum, dass ich ihr sachlich geantwortet habe und sie nicht zu sehr in mein Innenleben blicken habe lassen. So sind wir – falls wir uns mal wieder treffen sollen - eher auf Augenhöhe. Wobei ich innerlich unsicher wäre, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Obwohl ich nach außen hin genauso sachlich reagiert habe.

Zurück zum Thema „Weniger emotional reagieren“: Bei meiner früheren besten Freundin kann ich das noch eher machen, dass ich die Türen zu meinem Inneren vor ihr verschließe, weil ich mich damit vor weiteren Verletzungen schütze und sie eh keinen Kontakt haben will. Ich würde jedes Mal bei ihr auflaufen, wenn ich um die Freundschaft ringen oder ihr zeigen würde, dass es mich (im Gegensatz zu ihr) immer noch verletzt, und sie mich dann einfach jedes Mal ignoriert. Das nervt zwar, aber okay. Dann rede ich mit jemand anderem über meine Gefühle und Gedanken und mache das mit mir alleine aus. Sie interessiert es ja eh nicht mehr. Ihr gegenüber tue ich so als würde mir das nichts mehr ausmachen und schließe sie aus meinem Leben aus, genauso wie sie es auch tut.
Aber ich denke, wenn ich mit jemandem zusammen bin, kann ich das nicht einfach aus der Beziehung rausnehmen und das immer mit mir alleine oder mit jemand anderem ausmachen. Natürlich kann ich versuchen, das Ganze erstmal für mich zu sortieren oder mit meiner Therapeutin darüber reden (oder jemand anderem), die mir hilft, das sachliche vom emotionalen zu trennen.
Das versuche ich auch. Ich habe auch immer zu meiner Betreuerin gesagt, dass sie mich auch kritisieren darf, weil ich lernen will, damit klarzukommen. Es wird ganz langsam besser, dass ich mir das anhören kann, und es nur als „Kritik“ sehen und nicht als kompletten „Vernichtungsschlag“ meiner selbst.
Es geht extrem langsam, dass sich da was tut (werde zum Glück auch nicht ständig kritisiert) und mir ist immer noch sofort zum Heulen, sobald irgendwer auch nur eine Andeutung macht.
Ich möchte es lernen, damit schneller umgehen zu können, mich bei einem Konflikt nicht erst wochenlang zurückziehen zu müssen, mich mit meiner Therapeutin zu beraten und dann wieder einen Schritt auf den anderen zumachen zu können, sondern dass die Zeitdifferenz da geringer wird, vielleicht bis dahin, dass ich es vielleicht, hoffentlich, irgendwann schaffe, sachlich zu diskutieren, und gleichzeitig meine Emotionen so zu regulieren, dass ich sie nicht nur verdränge (und dann hinterher das Problem habe), sondern ihnen auch Raum gebe, ohne überzureagieren.
Aber wenn das EINZIGE, was ich jetzt machen kann, um nicht gleich verletzt zu werden (und wenn man gerade verletzt wurde, ist man noch verletzlicher als vorher schon, da kann man dann nicht mehr mit dem anderen diskutieren), ist eine Mauer hochzuziehen, damit der andere nicht an mich rankommt, kann das, denke ich, nicht so gut für eine Beziehung sein. Und das ist genau das, was sie macht. Mauern hochziehen und keinen mehr an sich ranlassen. Wenn du von ihr erwartest, dass sie rational mit dir streitet oder Verletzungen sachlich sehen kann, wird das nicht funktionieren. Denn das kann sie (noch) nicht – zumindest nicht so wie du. Sie müsste sich dadurch verbiegen, würde sich innerlich von dir abkapseln, dich nicht mehr so sehr in ihr Inneres sehen lassen, dir immer weniger persönliches erzählen, weil sie ihre Gefühle ja nicht so zeigen „darf“, denn sie soll ja sachlich bleiben usw.

Die alternative Möglichkeit wäre: Du musst ihr entgegenkommen. Und zwar nicht, indem du dich z.B. entschuldigst, sie eine blöde Kuh genannt zu haben, sondern indem du das gar nicht erst machst!
Indem du ihr zugestehst, dass ihre Sensibilität etwas ist, das zu ihr gehört, das zu ihrer Persönlichkeit gehört, und nicht etwas Krankes ist, das verschwinden muss und auf das du sie auch noch hinweisen musst, damit auch sie erkennt, wie krank es ist.
Ich sehe, dass du sehr viel für sie machst, du hast sauviel Geduld, hast sie so lange nicht aufgegeben, obwohl sie dich immer wieder abgewiesen hat, du nimmst viel Rücksicht. Aber bei dem Thema Streiten und Rationalität habe ich den Eindruck, dass du da nicht wirklich bereit bist, von deiner Position abzurücken.
Andere Sachen wie z.B. sich nicht so oft zu treffen, sie in Ruhe zu lassen o.ä. sind für mich eher Sachen, die man noch relativ sachlich angehen kann. Es enttäuscht vielleicht, es nervt, aber es sind eher Sachen, die man nach außen hin ändern kann.
Sensibler zu werden würde für dich aber heißen, ein Stück deiner Rationalität aufzugeben, auf die du so pochst und meines Empfindens nach trotz allem auch stolz bist (zumindest wirkt es auf mich so), und das würde heißen, dass du auch versuchen müsstest sehr an dir zu arbeiten, deine Denkmuster zu ändern und deine rationalen und gefühlsmäßigen Widerstände dagegen zu überwinden. Und das ist sauschwer. Aber im Prinzip ist es genau das, was du von ihr auch verlangst.
Ich denke auch, dass die meisten Depressiven nicht so ein gutes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl haben. Entweder weil sie es vorher schon nicht hatten, oder weil ihre Minderwertigkeitsgedanken und -gefühle ein Symptom der Depression sind. Meistens ist es wohl beides und die Depression verstärkt alles noch. Was aber nicht heißt, dass das nicht besser werden kann. Ich lerne langsam auch, mehr Selbstbewusstsein zu haben, mich besser abzugrenzen, mich zu wehren. Aber ich bin trotzdem noch total sensibel.

Ich denke nicht, dass sie irgendwann so wird wie du. Und ich gehe auch nicht davon aus, dass du irgendwann genauso sensibel wirst wie sie. Aber ich denke, irgendwie müsstet ihr euch bei diesem Machtgefälle irgendwo in der Mitte treffen.
FrequentFlyer hat geschrieben:So ein Streit wie oben geschildert, würde ich unter Kinderkram verbuchen.
Da fängt der Unterschied schon an. Für sie sind solche „Streits“ oder Bezeichnungen als „blöde Kuh“ kein Kinderkram. Du kannst anscheinend ziemlich viel ab. Aber ich finde, selbst wenn sich jemand wie ein Volldepp benimmt, brauche ich ihm das nicht unbedingt noch ins Gesicht zu sagen. Vor allem, wenn das eh ein Thema ist, auf das der Andere allergisch und empfindlich reagiert. Und vor allem dann, wenn ich weiß, dass der andere nicht so rational und in einfachen Kategorien denkt wie ich und nicht gut damit umgehen kann.
Ich weiß, dass du nicht drüber diskutieren willst, ob man jetzt „blöde Kuh“ sagen darf oder nicht. Kommt ja auch immer drauf an, wie man sonst mit solchen Sachen umgeht und wie der jeweilige Humor ist. Da weiß ich nicht, wie das sonst bei euch ist. Fakt ist aber, es macht ihr was aus, zumindest wenn es ihr nicht so gut geht. Also solltest du in der Hinsicht einen Schritt auf sie zugehen, und das ihr zuliebe lassen. Und das ist kein Kompromiss, den du wieder aufgrund ihrer Depression eingehen musst, sondern einfach, weil sie anders ist als du. Und falls du denkst, das ist viel verlangt, wenn du ihr da auch noch entgegenkommen und an deiner Persönlichkeit arbeiten sollst: Das gleiche verlangst du im Prinzip von ihr auch.
FrequentFlyer hat geschrieben:Wäre sie in Therapie oder würde sie sich darum bemühen, würde sie ihre Krankheit (so gut es halt geht) akzeptieren, sehe für mich alles ganz anders aus. Nur, so lange ihre Lebensgeschichte davon geprägt ist diese Krankheit zu negieren, wird dies alles immer wieder die komischsten Blüten treiben.
Ich denke auch, dass das einen Unterschied machen würde. Ob es dann wirklich besser werden würde, kann man aber natürlich nie sagen. Aber es wäre zumindest die Chance da, dass sich bei ihr depressionsmäßig was ändert. Wirklich ändern würde sich bei euch meiner Meinung aber auch nur was, wenn du dich auch ein bisschen von deiner starren Rationalität lösen würdest/könntest.

Was mich mal noch interessieren würde: Was liebst du eigentlich genau an ihr?

Liebe Grüße,
DieNeue
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Vielen Dank für eure teilweise sehr ausführlichen Antworten. Eure Anteilnahme ist schön zu erleben und tut gut.
Nur.... ich glaube ihr verkompliziert jetzt einiges. Ist allerdings nicht verwunderlich, denn meine früheren Posts, in denen ich meine Freundin und ihr Krankheitsverlauf ausführlicher Beschreibe, sind dann doch schon über ein halbes Jahr her und weiter hinten in diesem Forum zu finden.
Ich habe die Krankheit meiner Freundin als sehr bizarr bisher erlebt. Sie ist nämlich, wenn sie nicht in einer Episode steckt, so normal wie man normal sein kann. Sie ist tough, geht einen anspruchsvollen Beruf nach, hat Humor. Und da hier das Thema Rationalität / Emotionalität angesprochen wurde, würde ich eher sagen, das ich emotionaler bin. Wir haben dies Thema auch schon augenzwinkernd aufgegriffen bei der Getränkeauswahl in einer Bar etwa – Ein Bier und ein Aperol Spritz. Und der Bedienung hat sie dann gesagt, der Spritz für das Mädchen und auf mich gezeigt. Hey, ich trink das im Sommer gerne ;-) Das war halt ein Spiel mit den Klischees das Mädchen emotionaler sind. Aber ich schweife ab. Ich wollte nur ein Bild zeigen wie „normal“ albern der Umgang zwischen uns ist.
Nun habe ich es allerdings einmal im Urlaub miterlebt, wie innerhalb von Stunden dies kippen kann. Damals wusste ich noch absolut nichts über Depressionen und dachte halt dies wären hormonelle Störungen in den Wechseljahren. Aus heutiger Sicht habe ich dann auch wirklich falsch reagiert und sie geradezu bemuttert – aber dazu später mehr. Diese Episode im Urlaub war dann auch nur von kurzer Dauer. Kurz nach diesem Urlaub kam es ja dann zu der langen und schweren Episode. Auf alle Fälle wurden damals innerhalb von Stunden aus jemand mit Plänen für den nächsten Tag, den nächsten Urlaub, aus jemand der liebt, jemand der einfach an allem zweifelt. Und so war dies auch einige Tage nach dem Urlaub. Nachrichten mit Liebesbekundungen brachen ab, dann Schweigen und auf einmal die Nachricht es wäre besser für mich wenn wir die Beziehung beenden würden: Sie könne mir niemals das geben was ich mir wünsche.
Und genau nach diesem Muster verlief es vor mittlerweile vier Wochen wieder. Am Samstag Nachrichten mit Liebesbekundungen, erotischen Anspielungen (da hier auch Jüngere mitlesen, gehe ich darauf nicht weiter ein ;-) ), Vorfreude und Pläne für das Treffen am Montag. Am Sonntag war dann ein Schweigen – gut, das kommt mal vor wenn man beschäftigt ist. Und dann halt am Montag Morgen die Auseinandersetzung wie beschrieben mit der Konsequenz des Beendens der Beziehung. Und in den Jahren vor ihrer großen Episode gab es immer mal Kleinere. Nur, da ich nichts von der Krankheit wusste, habe ich diese als solche nicht erkannt. Sie wollte mal die Beziehung beenden weil sie ihr Job so beanspruchen würde, sie tauchte mal für ein paar Tage unter weil es ganz wichtige Sachen zu tun gab etc.
Im übrigen vollzog sich auch das Ende ihrer schweren Episode innerhalb von ganz kurzer Zeit. Da war dann ich derjenige der um Bedenkzeit bat. Denn damals, nach neun Monaten, dachte ich eigentlich gar nicht mehr an das Wiederaufnehmen einer Beziehung, als vielmehr nur noch daran ein freundschaftlichen Kontakt herzustellen.
Ein großes Merkmal dieser Krankheit ist wohl wirklich die sehr individuelle Ausprägung. Und bei meiner Freundin scheint es so zu sein, dass der Übergang zu einer Episode sehr schnell und fast übergangslos geht und halt auch noch davon gekennzeichnet ist, dass sie diese Krankheit negiert.
Jetzt denke ich mir, man muss die Entwicklung der letzten vier Wochen, ihre Reaktion auf den „Streit“, ihre Antwort auf meine Mail vor genau diesem Hintergrund sehen. Und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass man innerhalb von 72 Stunden von Liebesbekundungen und Zukunftsplänen zu dem Schluss kommt, man könne mir nicht das geben was ich mir wünsche. Ich will in diesem Zusammenhang jetzt nicht breit treten, dass das was ich mir wünsche nur ich beurteilen kann und darf. Letztlich hat nach meiner Sichtweise nur die Krankheit wieder die Oberhand gewonnen und genau dies sehe ich in ihrer Antwort auf meine Mail. Da mag es auch um die Sehnsucht gehen nach der frischen Liebe, die durch die Endorphinausschüttung wie ein natürliches Antidepressivum wirkt. Es geht aber auch darum, das ich sie alleine in ihrem Schneckenhaus lassen soll.

Jetzt war ich hier ja seit einem halben Jahr nicht aktiv, mit Ausnahme dieses Threads, den ich begonnen habe da ich genervt war von einer neuen kurzen Episode um Weihnachten herum. Vor ca. einem Jahr war ich hier mit Sicherheit am aktivsten. Damals hatte ich mich einfach genauer mit der Krankheit auseinandergesetzt, es setzte bei mir ein Denkprozess ein. Anfänglich neugierig zu lernen, zu verstehen, bin ich dann zu dem Schluss gekommen, das wir als Angehörige, als Partner, den größten Fehler dann begehen, wenn wir als Co-Depressive diese Krankheit bei den Betroffenen begünstigen. Und das geht wahrscheinlich schneller als dies jedem von uns bewusst ist. Aber diese Anregung des Einbringens des Begriffs des Co-Depressiven habe ich aus diesem Forum. Es ist nicht auf meinem Mist gewachsen – es ist allerdings ein interessanter und wahrscheinlich sogar richtiger Ansatz. Natürlich hilft es ein Stück weit zu verstehen, wenn wir in die Denkweise von Betroffenen abtauchen, aber wir helfen wirklich keinem Betroffenen damit, wenn wir sie durch unser Verständnis in einen Kokon hüllen. Damit gaukeln wir ihnen nur eine depressiv freundliche Welt vor die es nicht gibt, von denen Betroffene wissen das es sie nicht gibt. Meine Freundin hat mich kennen und lieben gelernt außerhalb einer Episode. So mag sie mich. Und blöd ist sie wahrlich nicht. Und so bin ich mir sicher, dass sie sich auch innerhalb einer Episode keinen anderen wünscht, sich niemand wünscht der verständnisvoll ihre Hand tätschelt und ihr damit sagt welch armes Würstchen sie ist (okay, im Moment wünscht sie sich gar niemand um sich herum). Würde mir übrigens auch auf den Keks gehen. Und so bin ich der festen Überzeugung, das wir als Angehörige oder Partner, die Aufgabe haben die Brüche aufzuzeigen. Es nicht hinnehmen dürfen, das gewisse Verhaltensweisen als normal gesehen werden, das ein sich zurück ziehen völlig verständnisvoll hingenommen, ja sogar verteidigt wird. Das ist in meinen Augen der völlig falsche Ansatz. Mir ist auch keine Therapieform bekannt, die ihren Erfolg daraus bezieht, dass man den zu Therapierenden seine Krankheit ausleben lässt.
Versteht ihr mich?
Es geht nicht darum Druck auszuüben, Ultimaten zu stellen.
Ich sehe einfach eine große Gefahr darin, wenn wir Betroffene in ihrer Blase belassen, wenn wir sie zumindest nicht auf die Blase aufmerksam machen. Meiner Ansicht nach hilft dies ihnen wahrlich nicht weiter.

@DieNeue: Was ich an meiner Freundin eigentlich genau liebe? Wenn sie morgens ein Schluck Kaffee trinkt und ich sie dann küsse. Wenn ich sie vor dem Spiegel sehe wenn sie sich schminkt..... Wenn ich bedaure das man mit über 50 keine Kinder mehr bekommen kann. Wenn ich weiß das es auf deine Frage gar keine Antwort gibt.

LG
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Candless »

Lieber FrequentFlyer,

vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Für mich ist es auch wichtig, die Gedanken- und Handlungssprünge meiner Ex, die in ihren ganz schweren Episoden auftauchen, nicht zu "normalisieren". Wenn sie sich merkwürdig verhält, sage ich ihr das auf eine nicht belehrende Art, also spiegele ihr genau, wie das bei mir ankommt und sich für mich anfühlt und sage auch, dass ich das nicht nachvollziehen kann, mich aber auch nicht einmischen möchte.

Das Thema Co-Depression beschäftigt mich auch, ich glaube, die Gefahr ist wirklich gross, dass man sich in pathologische Beziehungsstrukturen verstrickt und letztlich auch krank wird.
Nicht damit gemeint ist aber doch, sich selbst als Teil eines ich sage mal "therapeutischen" Settings zu betrachten, und den anderen aus seinem pathologischen Erleben heraus aufrütteln zu wollen. Wir leisten die Gegenwehr gegen die Co-Depression doch für uns, nicht für die Ex. Ich tue das, damit ich nicht selbst krank werde. Sie muss sich selbst aus ihrer Lage befreien, denn sonst kann das niemand. Meiner Auffassung nach gehört der Glaube, man könne an der Depression der Ex etwas ändern, schon mit zu einer beginnenden Co-Depression, denn es basiert ja auf dem ungesunden Glauben, man würde eine Rolle eines Therapeuten einnehmen.

Ich bin mir nach vielen Episoden meiner Ex aber ganz sicher, dass das schon eine ungute und ungesunde Beziehungsdynamik zeigt, die stark von der Depression gezeichnet ist. In der Lage war ich auch oft, bis ich sie erkannt und abgestellt habe. Ich kann ihr nicht helfen, kann sie nicht aus ihrem depressiven Erleben holen und nicht dafür sorgen, dass sie sich mit ihrer Krankheit auseinandersetzt. "Wir" belassen sie nicht in einer depressiven Scheinwelt, das tun sie ganz allein, oder sie kommen dort Schritt für Schritt heraus.

Mir scheint, dass viele Depressive einen starken Perfektionismus haben und alles dafür tun, zu funktionieren, im Job, aber auch privat. Sie leisten viel, um das zu tun, von dem sie glauben, dass der Partner das möchte - auch wenn es gar nicht stimmt und wir was anderes wollen: z.B. dass sie das tut, was sie will. Wie du auch schreibst, geht es mir auch, ich weiss was für mich gut ist und will nicht, dass sie das entscheidet. Das ist aber der Punkt Kontrolle. In der Episode kann meine Ex die Kontrolle nicht abgeben. Sie bestimmt dann sogar, was gut und nicht gut für mich ist -alles Unsinn natürlich. Die Kombination Perfektionismus und Kontrolle ist es, so glaube ich, die dazu führt, dass Betroffene lange im Job und im weiteren Umfeld funktionieren. Sie dosieren das, was dazu kommt, nämlich z.B. die Beziehung. Da sie dort auch perfektionistisch sind, bedeutet eine Beziehung auch Anstrengung und sie können sich nicht fallen lassen. Also wird hier je nach Kraftreserve eine Beziehung gelebt oder sich teilweise oder ganz zurückgezogen, um die Energie in den Job oder die Wohnung oder anderes zu stecken, um den Status Quo aufrecht erhalten zu können.

Bei deinem Bericht habe ich den Eindruck, dass du dich von der Idee lösen musst, dass du gleichzeitig an der Beziehung festhalten und ihr als unterstützender Freund zur Seite stehen kannst. Wenn du ihr als Freund helfen willst, muss der Wunsch nach Hilfe von ihr ausgehen, und das wird möglicherweise nur der Fall sein, wenn du die Rolle akzeptierst, die sie dir nun zugesteht. Da ja auch ein hin und her mit mehreren Trennungen bei euch passiert ist, wie bei mir auch, ist es in meinen Augen wirklich besser, wenn du ihren Wunsch akzeptierst, dass du sie gehen lassen sollst. Wenn sie merkt, du machst es, kann es sein, dass sie dich als engen Freund in ihren weiteren Weg einbezieht und es auch wieder später eine Chance gibt.

Depressiv Erkrankte haben oft ihr Leben lang die Wünsche oder vermeintlichen oder unterstellten Wünsche anderer erfüllt und haben dafür einen ausgeprägten Sensor und spüren instinktiv, wenn der andere von ihnen etwas will. Meine Ex hat erst wieder privatere Dinge erzählt oder mich wirklich eingebunden, als ich tatsächlich den Wunsch, die Beziehung weiter zu führen, aufgegeben habe - für den Moment, muss ich sagen. Betroffene haben ein Gespür dafür, was andere wollen und haben tief verankerte Glaubenssätze, wie das Leben zu führen ist, an denen sie in Therapie dann lange arbeiten und auch immer wieder zurückfallen. Weil sie ja oft gar nicht wissen, was sie eigentlich selbst möchten, bietet dieses System aus vernetzten Glaubenssätzen den Orientierungsrahmen. Leider sind da oft auch ganz negative Glaubenssätze zu sich selbst enthalten, «wenn ich nichts leiste, bin ich nichts wert», «ich bin ein schlechter Mensch», «ich bin nicht liebenswert», «ich bin es nicht wert, geliebt zu werden», «ich bin beziehungsunfähig», «mein Partner hat was Besseres verdient als mich», usw. Aus diesem Grund würde ich es strikt vermeiden, mit Glaubenssätzen auf sie zuzugehen, denn das führt zu Druck.

Eine Trennung kann einfach Ausdruck des Wunsches sein, sich von den Glaubenssätzen zu befreien, die für sie mit einer Beziehung in Verbindung stehen und damit auch den Ballast und die Anstrengung los zu werden, von der sie sehen, dass sie sie nicht leisten können. Mehrere Trennungen von ihrer Seite aus zeigen das ja deutlich – wie es auch bei meiner Ex der Fall ist. Erst wenn die Glaubenssätze auf den Prüfstand kommen, kann es einen echten Neuanfang geben. Und den Schritt müssen sie selbst gehen. Es hilft gerade hier, ihre Zweifel an diesen Glaubenssätzen zu unterstützen, denn sie behindern unsere Angehörigen und haben die Depression mit verursacht. Ich würde daher jeden Zweifel an Glaubenssätzen unterstützen. Bei deiner Ex könntest du statt zu sagen, «Glück findet man in sich selbst», was ein neuer, gerade in der Depression äusserst schmerzhafter Glaubenssatz ist, positiv aufnehmen, dass sie den Glaubenssatz «Zuneigung reicht für eine Partnerschaft» in Zweifel zieht. Für mich ist genau das ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass sie Glaubenssätze beginnt, anzuzweifeln. Bei welchen dieser Zweifel anfängt, ist eigentlich völlig egal. Eine mögliche Reaktion wäre ja, ihr das zu bestätigen, indem man sagt «schwieriges Thema, jeder hat dazu ein anderes Empfinden» und ihr auch deutlich zu zeigen, dass man sich freut, dass sie für sich Hoffnung hat. Wenn sie Hoffnung hat, kannst du sicher sein, schafft sie es, aus der Depression heraus. Auch wenn es Zeit braucht. Damit das nicht zu einem «Gezerre» über eine Partnerschaft wird, kann man den Weg am Besten mitgehen, wenn man die Partnerschaft erst einmal aufgibt. Denn sonst hat sie vielleicht nicht die nötige Freiheit, auch die Glaubenssätze zu Beziehung und Liebe auf den Prüfstand zu stellen. Die gehören aber genauso zu dem Netz aus Glaubenssätzen, die sie gefangen halten, wie alle anderen.

Bei meiner Ex war es wirklich auch so, dass zwischen Liebesbekundungen und Weggestossenwerden kürzeste Zeiträume waren. Sie hat per Social Media-Nachricht von einem einzigen Satz mit mir Schluss gemacht und sprach kurz vorher noch von Heirat. Nun aber davon auszugehen, sie könne das nicht ernst meinen, da sie krank ist, halte ich für einen nicht gangbaren Weg. Sie trifft genau solche Entscheidungen ja -natürlich krankheitsbedingt- in allen Lebensbereichen und meint das überall mehr als ernst. Ich glaube, ich kann nun den Weg mit ihr nur mitgehen, wenn ich um nichts kämpfe, sondern sie nun ihren Weg gehen lasse. Ich habe sie auch gehen lassen, wenn man so will, auch wenn sie mich darum nicht gebeten hat – es wäre mir aber oft lieber gewesen, sie hätte es getan…. Damit sie aus der Depression herauskommt, muss sie jede Freiheit haben, alles, wirklich alles in Frage zu stellen, und zu erkennen, was ihr guttut und was nicht, muss sie Glaubenssätze als solche erkennen und sie prüfen und auch verwerfen dürfen. Am besten ist die Erkenntnis, dass Glaubenssätze grundsätzlich von dem wegführen, was man im Herzen hat und möchte und immer auch eine gesellschaftliche Auffassung spiegeln, an denen man gemessen wird und in der Depression vor allem sich selbst misst. Und wenn der Perfektionismus dazu kommt und es allen recht machen wollen, dann klopft die schwere Depression schon an die Tür.

Ein Neuanfang in der Beziehung, so bin ich mir was mich und meine Ex betrifft sicher, kann es erst geben, wenn alle Glaubenssätze weg sind und sie sich ganz neu fragen kann, was sie eigentlich will und aufhört, zu kämpfen (keine Fassade mehr, kein Bemühen um meine Wünsche, kein Unterstellen, was ich will, sie macht, was sie möchte, sie muss nicht perfekt sein, ein Paarwochenende muss nicht romantisch sein, man muss nicht jeden Tag schwer verliebt sein, der Haushalt darf auch mal völlig chaotisch bleiben, sie darf Fehler haben und unperfekt sein und wird für das geliebt, was sie ist – auch wenn sie nicht ihrem eigenen Bild entspricht). Und damit sie aufhören kann, zu kämpfen, habe ich damit auch aufgehört. Das soll ihr Freiraum geben – und unsere Kommunikation zeigt, dass das auch von ihr so empfunden wird.
Es ist nun lang geworden – kannst du damit irgendetwas anfangen?

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo miteinander,

Meine Geschichte war ja wie ihr wisst verloren gegangen.
Möchte euch mitteilen, dass ich mich bemühe hier auch einzubringen.

Es ist sehr viel zu lesen.
Es ist natürlich spannend wie FF das alles beschreibt. Und dann umgehen zu versucht.

Die Antworten oder Unterstützung die er von euch anderen, auch Betroffenen, erhält. Finde ich sehr aufschlussreich.
Weil eigene Erfahrung und Tipps geben, sich gut vermischt.

Werde mich noch hier einbringen.
Möchte aber nochmal in Ruhe alles lesen, vorher.

Erst mal gutes Gelingen
Mit dem Umgang als Angehöriger.

Es bleibt spannend.
Es ist sehr lesenswert.

Grüße von Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
FrequentFlyer
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

Lust auf ein kleines Experiment? Keine Angst, es ist harmlos und eigentlich eher lustig. Denkt jetzt nicht viel nach, lest nicht groß weiter, sondern überfliegt mal diesen Link, schaut euch die Bilder an und kommt dann erst wieder zurück. Also einfach mal zwei, drei Minuten diesen Link anschauen, scrollt mal bis nach unten. Ihr müsst nicht den Text lesen... einfach mal überfliegen ob hier etwas für euch dabei ist.

https://www.apotheken-umschau.de/hautausschlag

…. nicht weiterlesen, erst dem Link folgen ;-)






Ich habe heute Nachmittag in der Sonne gesessen, einen Espresso getrunken und ein Stück Bitterschokolade gegessen. Dabei dachte ich mir, och wie schön sind doch die Errungenschaften der Kolonien. Am Abend dann, war ein Freund zu Besuch und wir haben ein Feuer angemacht und eine Zigarre geraucht die ich aus Nicaragua mitgebracht habe. Warum ich dies schreibe? Einfach weil ich weiß das die meisten Menschen, während sie darauf warten das der Link zu den Hauterkrankungen aufgeht, den nächsten Absatz lesen. Ätsch ;-) Und auch deswegen werde ich jetzt übergangslos zum Thema zurück kommen. Juckt euch die Haut? Musstet ihr euch auch kratzen bei dem Anblick der Bilder? Also bei mir ist das so. Automatisch muss ich mich kratzen. Das ist schon eine große Gefahr für Angehörige und Partner das wir uns anfangen zu kratzen wenn wir uns mit dem Thema Depressionen beschäftigen. Nur, wir kratzen uns ohne das da ein Ausschlag ist. Deswegen locker bleiben. Um es mal extrem Abstrakt zu formulieren: Depressionen sind eine Störung des Stoffwechsels im Gehirn und werden ganz bestimmt nicht durch die Beschäftigung mit dem Thema ausgelöst. Klar, wenn ich will finde ich auch bei mir Symptome, ähnlich wie der Juckreiz den wir empfinden wenn wir Bilder von Hautausschlag sehen... nur der Ausschlag ist halt nicht da, die Stoffwechselstörung besteht nicht. Ich habe hier schon oft gelesen das Angehörige Angst haben auch selbst, sozusagen wie in einem Strudel mit in die Krankheit eingesogen zu werden. Nur, Depressionen sind nicht ansteckend und eure Angst ist unbegründet – genau so wenig wie die Bilder ansteckend sind. Also, locker bleiben. Natürlich wird es Angehörige oder Partner geben mit einer Präposition für diese Krankheit – euer betroffener Partner / Angehörige hat damit allerdings nichts zu tun. Dies ist eine Gefahr die uns als Angehörige droht....

Eine andere Gefahr ist die der Co-Depression
Mir ist klar das ich meiner Freundin nicht wirklich helfen kann. Helfen kann sie sich nur selbst. Dabei müssen wir uns davor hüten mit unseren Handlungen, aber auch mit unseren Einstellungen, dieser Krankheit Vorschub bei unseren Angehörigen zu leisten. Vielleicht ist es schon der erste Fehler den wir machen, wenn wir Dinge entschuldigen mit der Einstellung: Das ist die Depression. Klar ist das die Depression – es kann und darf aber keine Entschuldigung sein, für was auch immer. Als Angehöriger dürfen wir dies nicht hinnehmen. Eine blöde Kuh bleibt eine blöde Kuh, mit oder ohne Depression. Diese Krankheit führt zu einer Störung im emotionalen Koordinatensystem, nicht aber zu einer Störung im moralischen Koordinatensystem. Auch dies ist ein Aspekt den wir uns immer vor Augen führen sollten. Wir alle kennen die Geschichten aus diesem Forum von (vor allen Dingen) Männern, die ihre Partnerinnen aufs übelste hintergehen. Dafür sind Depressionen nicht verantwortlich. Ein Ar***loch bleibt ein Ar***loch. Wir kennen die Geschichten von Angehörigen die Betroffenen einen Kokon spinnen in denen sich vortrefflich mit dieser Krankheit leben lässt. Das halte ich für falsch.
Alle Betroffene wollen nicht-Betroffene sein. Und genau deswegen sollten wir sie immer wieder mit der Sichtweise von nicht-Betroffene konfrontieren. Okay, ich kann da leicht reden. Bei meiner Freundin und mir ist dies geprägt von ihrer Negierung der Krankheit. Da werde ich nicht müde zu sagen das da etwas nicht stimmt, das dies vielleicht etwas mit Depressionen zu tun hat, dies allerdings nur ein Profi beurteilen kann. Und so werden die Grenzen wann wir zum Co-Depressiven werden in jedem Fall anders sein. Aber die Gefahr ist da, bei jedem. Und standardmäßig sag ich auch, dass es nicht darum geht Druck auf Betroffene auszuüben. Wir sollten sie nicht überfordern. Aber meiner Ansicht nach sollten wir immer auf die Brüche aufmerksam machen.

Im übrigen habe ich meine Probleme mit dem Konzept der Glaubenssätze. Dieses Konzept entspringt dem angelsächsischen Utilitarismus, einem handlungsorientiertem, bzw. der Nützlichkeit sich unterwerfenden Ansatz und bildet die Grundlage der Neuro-Linguistische-Programmierung – kurz NLP. Und genau diese arbeitet mit Glaubenssätze. Dabei wird aber von so vielen vereinfachenden Annahmen ausgegangen, dass ich dieses Konzept als nicht seriös bezeichnen würde. Ich meine sogar das der Ansatz mit den Glaubenssätzen für kurzfristige und schnelle psychologische Therapien entwickelt wurde – um Suizidgefährdete möglichst günstig und schnell zu therapieren, um traumatisierte Veteranen des Vietnamkrieges möglichst wieder schnell in das Arbeitsleben zu integrieren. Ich persönlich halte allerdings die menschliche Psyche für weitaus komplexer als das sie mit den doch recht eindimensional daherkommenden Glaubenssätze erfasst werden kann. Oder anschaulich ausgedrückt: Ich selbst kann meine Glaubenssätze innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde ändern, wenn sich die Situation ändert. Das nennt man dann Rollenflexibilität. Wenn ich dies kann, kann dies meine Freundin allemal. Glaubenssätze und deren angestrebte Umprogrammierung als Therapie gehen letztlich davon aus, dass Handlungen (in dem Fall das Denken) unser sein ausmachen. Wenn es denn nur so einfach wäre. Freude empfinde ich nicht durch freudige Ereignisse, sondern ihr Ursprung sind in mir selbst, in meinem innersten. Freude empfinde ich in mir selbst, nicht in meinem auf Freude gelenkten Denken (Ansatz von Glaubenssätze).
Hier mag auch der Grund dafür liegen, dass viele Beziehungen an kurzen Therapien zerbrechen. Den Betroffenen wird ein handlungsorientierter Werkzeugkasten mitgegeben der auf schnellen Erfolg zielt. Ändere was, fast schon egal was, und es tritt eine Besserung ein. Handele halt. Ich befürchte nur die zentrale Frage sollte nicht sein, ob ich mich durch Handlungen ändere, sondern wie ich mich selbst ändere – den Knoten in mir löse. Klingt für mich nach einer Langzeittherapie, nach einem langen, vielleicht nie endenden Weg. Das ganze kostet halt viel. Da ist ein handlungsorientierter Ansatz einfach auch billiger.
Die letzten Absätze habe ich als Laie geschrieben und stellen meine persönliche Meinung dar. Nun ja, so ganz unfundiert sind sie nicht. Ich habe nebenher Personalwirtschaft studiert. Und am Institut für Arbeitswissenschaften habe ich mich wissenschaftlich mit dem Thema der Effektivität von Schulungs- und Motivationsmaßnahmen beschäftigen müssen. NLP war dabei ein großes Thema. Ganz ehrlich, ich halte es für Bullshit. Keine Ahnung wie der wissenschaftliche Diskurs heute aufgestellt ist, damals war dies einhellige Meinung.

LG
Candless
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Candless »

Ja, das Glaubenssätze zu nennen, ist natürlich eine begriffliche Vereinfachung, grundsätzlich geht es um das Selbstbild, Selbstkonzept und Fremdbilder. NLP kommt soweit ich weiss nicht zur Anwendung bei der Therapie mit Depressiven. Meine Ex hat mittlerweile seit drei Jahren eine Gesprächspsychotherapie, sehr engmaschig, in ihren Krisen mit monatelanger Krankschreibung wie derzeit kommen noch Gruppengespräche, Ergotherapie, Sozialarbeitergespräche und anderes dazu. Wenn man das Glaubenssätze nennen will ist nicht das gemeint, was offenbar NLP darunter versteht, sondern es geht um tief in der Identität verankerte Selbstkonzepte und Weltbilder, die viele Jahre intensive Arbeit brauchen, um sie zu ändern und dann auch daran gekoppelte Handlungsmuster zu erkennen. Aber zu den einzelnen Therapiebausteinen können hier Betroffene natürlich mehr sagen.

Daniel Hell, einer der Experten für Depression, schreibt etwas über das Thema "Depression ist nur eine Krankheit des Gehirns" in seinem Buch "Was Stimmt? Depression - Die wichtigsten Antworten", das ich sehr empfehlen kann.

Ich muss danach noch mal schauen, aber Studien haben wohl gezeigt, dass Angehörige von Depressiven zu etwa 50 % ebenfalls depressive Symptome entwickeln. Soweit ich auf dem Laufenden bin, herrscht aber keine Einigkeit darüber, ob daran die Depression des Angehörigen einen Anteil hat, oder die dadurch ausgelöste Belastungssituation eine bereits angelegte Depression nur zum Ausbruch bringt.

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Aida1
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aida1 »

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Zuletzt geändert von Aida1 am 28. Aug 2019, 19:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Danke an euch für die Tipps mit dem Buch. Das kenne ich noch nicht.
Andere hab ich schon durch.

Aida, so ist es. Es ist hochkompliziert.
In unserem Landkreis gibt es sehr viele Selbsthilfegruppen verschiedener Art.
Für depressive.
U.am neu ist jetzt die Gruppe, Hochsensibilität.

Das mit der Haut und jucken. Ja. Erscheint mir sehr logisch.

Hab es noch nicht geschafft mich hier einzubringen.
Aida, Du sagst, ehemalige Angehörige.
Jetzt nicht mehr....?

Grüße euch,
Aurelia Belinda
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Aida1
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aida1 »

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Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Okay, also du bist betroffen. ?
Und von einem Betroffenen getrennt.
Hoffe ich liege richtig

Gute Nacht,
Aurelia
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Aida1
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aida1 »

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Zuletzt geändert von Aida1 am 28. Aug 2019, 19:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo Aida,
Ich brauche wohl nicht zu fragen ob die Depression etc. Auslöser waren oder?

Es ist verdammt hart mit diesen Dingen umzugehen. Ich erleb es ja nun auch sehr sehr lange.
Eine immer wiederkehrende Verzweiflung,
Die oft hoch kommt, ist da noch das harmloseste. Sieht man auch an vielen Beiträgen hier.

Es grüßt dich,
Aurelia
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Aida1
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aida1 »

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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

@Candless: Du hast recht. NLP kommt, soweit ich weiß, nicht bei der Therapie von Depressionen zur Anwendung. NLP arbeitet allerdings auch mit Glaubenssätzen und deren Umprogrammierung, da geht es schon auch um das ändern tief verankerter Selbstbilder. Motivations- und Verkaufstrainings waren vor einigen Jahren total angesagt und es gab Trainer die behaupteten, jetzt übertrieben ausgedrückt, sie könnten aus einem introvertierten Menschen einen Top Verkäufer machen. Man müsse solchen Menschen nur gewisse Techniken beibringen, angefangen von Körperhaltung, Körpersprache bis halt zu den Glaubenssätzen. Wenn man sich einen Zettel an den Spiegel hängt mit dem Glaubenssatz: Ich bin ein Top Verkäufer, dann würde man, wenn man sich dies morgens mehrmals durchliest, automatisch zu einem werden. Die Theorie die dahinter ist, kann ich gut nachvollziehen. Wir haben damals dann als Studenten Teilnehmer vor, während, direkt nach und nach einer längeren Zeit mit standardisierten Fragebögen befragt und haben diese dann ausgewertet. Die Ergebnisse waren nur direkt nach den Seminaren positiv. Schon nach einer längeren Zeit waren sie auf dem Niveau wie vor dem Seminar, oftmals sogar schlechter. Der Grund wird wohl daran liegen, dass nach einer gewissen Zeit wieder der Alltag einkehrt und dadurch auch die Einsicht, das man doch kein Topverkäufer ist – mit durchaus demotivierenden Ergebnissen.Und wie kann man dagegen steuern? Klar, mit dem nächsten Motivationsseminar. Eine ganze Industrie hat sich da breit gemacht. Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen und das ist ja auch nicht schlimm. Eine Übertragung jetzt auf Depressionen wäre unwissenschaftlich – meine Skepsis ist aber davon geprägt. Kurzfristig (zur Krisenintervention) bestimmt eine gute Sache, langfristig würde ich mehr Erfolg sehen in dem Weg den deine Ex genommen hat, nämlich den langen Weg, sozusagen die Glaubenssätze selbst heraus finden und diese dann selbst ändern.

Zum Thema Co Depressionen: Ich hab mal den Tipp gelesen, ob hier oder woanders weiß ich nicht mehr, das man sich als Angehöriger nicht zum Fachmann der Krankheit machen soll. In diesem Thread, in diesem Forum machen wir das teilweise (s.o.). Gut, ich finde diese Krankheit bei meiner Freundin übt auch eine gewisse Faszination auf mich aus. Das ist schon so weit ein bisschen terra incognita, ein unbekannte Land das durchdrungen werden muss. Der Tipp hat allerdings schon seine Berechtigung. Niemand von uns will das sein Partner ihn analysiert, doofe Ratschläge gibt, es besser weiß. So einen willst du wirklich nicht neben dir auf der Couch sitzen haben. Der Fachmann für die eigene Krankheit sollte schon der Kranke selbst sein.... okay, schwer für mich, wie wohl für viele hier im Forum. Man möchte ja schon so halbwegs wissen wie der andere tickt.
Wir machen uns damit aber, wenn das Wissen zu (schützenden) Handlungen führt, zu Co Depressiven. Ein Vergleich, wie Aida1 es in die Runde warf, mit Co-Abhängigen ist durchaus angebracht. Beim vertuschen der Krankheit helfen, Aufgaben übernehmen die sie eigentlich selbst machen könnten... das alles ist eine Gratwanderung. Vor allen Dingen dürfen wir nicht unser Verhalten ändern. Natürlich ist Rücksicht angebracht. Aber der Grat zwischen Rücksicht nehmen, den Partner von „Unannehmlichkeiten“ fern halten und sich selbst verbiegen ist sehr schmal. Ich bin mir ziemlich sicher das dies meine Freundin nicht will. Sie hat mich, und jetzt übertreibe ich mal, als lebensfrohen und zupackenden Menschen kennen gelernt, der auch mal einen blöden Spruch sagt. Ich glaube nicht das sie einen weichgespülten Softie haben will der ihr das Händchen tätschelt und sie bedauert. Ich glaube eher das sie sich wünscht ihre Episode geht vorbei und sie kann dabei wieder mitmachen.
Candless erwähnt eine Studie, dass etwa 50% der Angehörigen ebenfalls depressive Symptome entwickeln. Das heißt aber auch, dass es die andere Hälfte nicht tut. Und bei denen die Symptomen entwickeln, würde ich auch von weitaus mehr Faktoren als Auslöser ausgehen, als eine erhöhte Belastungssituation bei den Angehörigen. Beide können von vornherein den gleichen belastenden Situationen ausgesetzt sein (finanzielle Schwierigkeiten etwa). Bei dem Angehörigen besteht eine weitaus höhere Sensibilität für das Thema (das Kratzen von oben). Selbst eine Art Solidaritätsdepression wäre denkbar im Extremfall. Und dann gibt es noch eine ganz menschliche Komponente: Bei der Partnerwahl könnten depressive Menschen solche die selbst darunter leiden präferieren – alleine schon da in Gruppentherapien man sich mit Sicherheit sehr nahe kommt. Die Therapie als Partnerbörse sozusagen ;-) Ob eine solche Konstellation allerdings gut ist, keine Ahnung? Bedenken hätte ich. Aber kurzum, was ich sagen will ist, dass es sich nicht um eine ansteckende Krankheit handelt. Automatisch werden Angehörig nicht in den Strudel gezogen. Und deswegen locker bleiben. Aber halt auch auf sich selbst aufpassen.

LG
Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo FF,

Dass man heute als Co Abhängiger, also mit leidender, Fachmann der Krankheit wird ist doch nicht unbedingt schlecht.
Außerdem ist das ja dem Internet geschuldet. Eine Info Flut....
Ärzte und Therapeuten sehen das ja nur kritisch weil man sich nicht selbst so reinsteigern soll.
Auch bei sich bleiben soll.
Den anderen nur unterstützen soll.

Andererseits hat man dank dem Netz Möglichkeit zum Austausch.
Was hilfreich sein kann.
Geht ja nicht jeder in eine Selbsthilfegruppe.
Und jeder sollte sich über die Krankheit seines Partners sehr wohl informieren, finde ich.

Z.Zeit drehe ich etwas am Rad ( als Angehörige ) sehe die Behandlung vom Mann als nicht zureichend.

Erst mal Grüße an alle hier.
Aurelia Belinda
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Re: Weihnachten - und es geht wieder los

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi ihr Lieben!

Jetzt muss ich noch mal auf den Begriff, wie ich ihn verwende, von Co Depression zurück kommen. Es geht nicht um Mitleid (wünschenswert) die Angehörige empfinden oder das Angehörige MIT Leiden (nicht so wünschenswert), auch nicht darum das man dadurch selbst in eine Art Strudel gerät und depressive Symptome zeigt.
Es geht bei Co Depression darum, dass man bei den Betroffenen mit seinem Handeln oder Unterlassen die Krankheit fördert. Beispiel: Wenn ich bei meiner Freundin, die ihre Krankheit vertuscht, nicht auf die Brüche aufmerksam machen würde die damit einhergehen, dann würde ich ihre Legende fördern. Ich wäre dann ein Komplize ihrer verdeckten Depression. Oder wahrscheinlich der Klassiker: Der Betroffene kann einer Verpflichtung nicht nachgehen, wie etwa auf ein Familienfest gehen. Der Angehörige entschuldigt sich dann bei der Familie mit einer Ausrede. Auch hier macht sich der Angehörige zum Komplizen. Und hier fangen wir als Angehörige schnell an einen Kokon um den Betroffenen zu bauen. Der Leidensdruck etwas zu ändern könnte sogar ganz verschwinden. Die Angehörigen drumherum ermöglichen geradezu das Ausleben der Krankheit. Und vielleicht ist es gerade bei dieser Krankheit doppelt schwer, denn das sich zurück ziehen gehört dazu. Es ist aber nicht die Aufgabe des Angehörigen sich bei der Familie zu entschuldigen. Mir ist schon klar das dies in Einzelfällen wirklich nicht möglich ist. Die Frage muss halt als Angehöriger immer sein, helfe ich wirklich dem Betroffenen mit meinem Handeln oder Unterlassen. Warum sollte ich die Familie anlügen? Ab welchem Punkt bin ich nicht mehr ich selbst, sondern der verlängerte Arm der Depression meines Angehörigen?
Es ist schwer, ich weiß. Aber wie oft habe ich hier schon gelesen, dass sich der Partner überhaupt keinen Kontakt wünscht. Dies wünscht sich übrigens auch meine Freundin. Und weiter? Darf ich keine Wünsche haben? Haben die Wünsche von Depressiven eine höhere Priorität als die von ihren Angehörigen? Mit Sicherheit nein. Wir dürfen als Angehörige nicht die Wunscherfüller sein, sondern eher pragmatisch Hilfestellungen geben. Und dies kann auch bedeuten, sanft Druck auszuüben bzw. den Betroffenen immer wieder darauf aufmerksam machen das Handlungsbedarf besteht. Mir ist schon klar das hierbei sehr individuell und behutsam vorgegangen werden muss um eine Überforderung zu vermeiden. Aber warum sollte ich meiner Freundin keine Geburtstagsgrüße übermitteln – sie kann immerhin ohne Probleme ihre Arbeit nachgehen. Ich sehe sie nicht als willenloses Opfer das sich nicht wehren kann. In diesem konkreten Fall hat sie sich übrigens für die Blumen bedankt – sie wären wunderschön. Genau so war es ja auch gedacht – mehr nicht. Einfach nur durch Blumen seine Zuneigung ausdrücken und in ihrer Episode keine tiefschürfenden Fragestellungen aufkommen lassen. Mal sehen wo die Reise hingeht.

@Aurelia: Natürlich sollte man sich über die Krankheit über des Partners informieren. Und natürlich hilft das dem Verständnis. Aber Fachmann der Krankheit werden wir nicht durch unseren Austausch, durch das Informieren im Internet. Wir werden höchstens zu besseren Dilettanten ;-)
Google ersetzt keine Fachausbildung. Uns fehlt das Fundament der Objektivität, das Fundament einer jahrelangen Ausbildung in dem Bereich. Wir kennen nur den einen Fall der uns auch noch persönlich betrifft und tauschen uns darüber aus. Gerne wird hier aus populärwissenschaftlichen Ratgebern zitiert mit dem Titel (zynisch) „Ich habe Depressionen – jetzt helfe ich mir selbst“ oder „Mein Partner hat Depressionen....“. Die beinhalten dann Ratschläge oder Sichtweisen deren wissenschaftlich Grundlagen von uns nicht nachvollziehbar sind – pragmatische Handlungsanweisungen des Autors die wir nur befolgen müssen und alles wird gut, dessen Wirksamkeit er niemals nachgewiesen hat. Alleine wenn ich den Begriff Depression google, kommt an oberster Stelle eine Site namens „Volkskrankheit.net“ - im Impressum steht dann „Business 2 Customer Concept AG“ als Urheber. Eine Schweizer AG die mich mit objektiven Informationen versorgt? Niemals! Ich persönlich dachte mal wirklich in den 90ern, dass das Internet Wissen demokratisiert. Die Realität ist eine andere geworden. Es ist ein einziges Geschäftsmodell das uns glauben lässt wir könnten uns neutral informieren – nein, uns informieren Schweizer Aktiengesellschaften in meinem Beispiel. Die Gefahr ist groß, dass wir nur der Information folgen dessen Urheber sich am besten präsentieren kann. Und dazu zählt bestimmt nicht die Stiftung Deutsche Depressions Hilfe, auf dessen Site wir uns befinden, die aber alleine mit diesem Forum sehr gute Arbeit leistet - danke hierfür.
Das heißt jetzt aber nicht das der Austausch hier sinnlos wäre. Ich arbeite mich hier ab um meinen eigenen Standpunkt zu finden. Und deswegen kann ich nur jedem der hier passiv mitliest ermuntern selbst zu schreiben. Es hilft zu wissen das es ähnlich gelagerte Fälle gibt. Es hilft Feedback zu bekommen.... es hilft Zuspruch, aber auch Ablehnung von lieben Menschen zu bekommen die einen ernst nehmen. Mein Freundeskreis fehlt halt einfach die Erfahrung und deswegen sind ihre Tipps... nun ja, nicht sehr hilfreich.

LG
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