Hallo Stinker,
Stinker1512 hat geschrieben:Du sagt ein "Danke" zu hören wäre schön. Das finde ich auch. Man gibt so viel her und ein Danke vom Partner kann für uns Angehörige schon sehr viel ausmachen. Das man weiß, es richtig daran festzuhalten.
Ich weiß nicht, ob man ein "Danke" von jemandem, der richtig tief in der Depression steckt, erwarten kann. Ich denke fast nicht. Ich habe die Situation, wenn man in der tiefsten Depression steckt ja mal irgendwo hier mit der Situation verglichen, wenn jemand ins Wasser fällt.
Man kämpft da nur ums Überleben und hat keinen Blick mehr für andere Leute, für "Kleinigkeiten", für Höflichkeiten. Ich glaube nicht, dass ich in meiner schlimmsten Zeit mich groß bei meinen Eltern bedankt habe, dass sie mir helfen. Ich habe nur noch auf das wichtigste reagiert, ich habe selber, glaube ich, gar nicht so registriert, wie ich bin und mich verhalte, wusste nicht, wie ich mit den anderen umgehen sollte, weil die sich so komisch benommen haben, weil sie wiederum nicht wussten, wie sie mit mir umgehen sollten...
Vielleicht habe ich sogar manches auch gar nicht mal als Hilfe(versuch) erkannt?!?
Aber ich kann dir sagen: JETZT bin ich meinen Eltern SO SO SO dankbar dafür, dass sie zu mir halten und hinter mir stehen, dass sie mir helfen, wenn ich sie brauche. Dass sie mich verteidigen, wenn jemand was blödes wegen meinen Depressionen sagt. Dass sie mir zuhören, dass sie mir bei praktischen Dingen helfen, wenn ich sie drum bitte. Sie haben einiges mitgemacht mit mir und ich mit ihnen auch, es war oft ALLES andere als einfach zuhause. Seit ich ausgezogen bin, ist es auch entspannter geworden, das hat schon was ausgemacht. Aber das ist ja oft so, dass man in meinem Alter mit den Eltern besser klar kommt, wenn man nicht mehr zusammen wohnt, v.a. wenn man schon mal weg war. Sie haben auch "Fehler" gemacht, und haben dabei eigentlich das Beste für mich gewollt. Haben mich gestresst, wenn sie mich aktivieren und aus meinem depressiven Loch rauszerren wollten, haben mir Vorwürfe gemacht, waren genervt von mir, wussten auch nicht, was das Richtige ist. Es hätte vielleicht einfacher sein können, wenn ich sofort die richtige Hilfe bekommen hätte, aber vor 10 Jahren kannte sich ja kein Mensch aus... da war das noch nicht so publik wie jetzt. Ich hätte schon viel früher zum Arzt gehen können, wenn mal jemand auf die Idee gekommen wäre, dass mein Zustand vielleicht wirklich nicht nur mein Charakter und das Ergebnis der damaligen Probleme sein könnte. (Ob ich dann wirklich gegangen wäre oder mich dagegen gesträubt hätte, keine Ahnung. Hinterher redet es sich immer leichter...)
Ich bin froh, dass diese Scheißzeit vorbei ist und will das auch nie wieder erleben. Aber ich bin sehr, sehr froh, dass ich meine Eltern habe und weiß sehr zu schätzen, was ich an ihnen habe.
Vor allem meiner Mutter bin ich sehr dankbar und bin stolz auf sie und bewundert sie auch, dass sie in den letzten Jahren bereit war selber zu lernen, über den Tellerrand zu schauen und Sachen in Erwägung zu ziehen, die vorher unmöglich gewesen wären. Dass sie sich mit mir so auseinandergesetzt hat, dass sie mittlerweile ganz gut weiß, wie ich als Depressive so ticke.
Es ist nicht immer alles Sonnenschein bei uns, aber es ist besser als vorher und ich habe ihnen auch schon gesagt, dass ich ihnen dankbar bin, dass sie mich damals ausgehalten haben. Und mich immer noch aushalten. Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen?
Stinker1512 hat geschrieben:Natürlich liebe ich meinen Partner - meine erste große Liebe. Und es macht mir gleichzeitig Angst diesen Gedanken zu haben, weil ich es auf der anderen Seite nicht möchte also ihn allein zu lassen. Aber ich für meinen Teil weiß auch, dass ich sehr abhängig von ihm bin, was es für mich irgendwie noch schwieriger darstellt.
Was meinst du genau mit dem Ultimatum? Dass er sich bis dann und dann Hilfe suchen soll, ansonsten verlässt du ihn, oder? Ich weiß nicht wirklich, was ich dir raten soll. Ich finde es auch wichtig, dass er sich behandeln lässt, und verstehe auch, dass du wie auf Kohlen sitzt. Manchmal könnte ich eure Angehörigen auch schütteln und denke mir "Warum geht er/sie nicht eeeeendlich zum Arzt/Therapeuten?!?"
Aber du schreibst, dass er deine erste große Liebe ist... hm, das ist schon sehr wertvoll...
Könnte natürlich sein, dass er dann erst recht in ein Loch fällt, wenn er es wegen Überforderung, fehlender Motivation, Angst oder was auch immer (noch) nicht auf die Reihe kriegt. Und eine Therapie macht eigentlich nur Sinn, wenn er sich auch drauf einlassen WILL.
Vielleicht gibt es auch irgendeine Lösung, die nicht so schwarz-weiß, so ganz oder gar nicht ist? Ihm nochmal sagen, dass er sich Hilfe holen soll? Ich weiß es nicht...
Allerdings stimmt es schon... es sind "erst" drei Monate. Auch wenn das lang ist und sich unendlich anfühlt: An eine Depression "gewöhnt" man sich als Betroffener nicht so schnell. Es dauert, bis man langsam realisiert, was überhaupt los ist, denn eine Depression kommt ja nicht von heute auf morgen. Man versucht irgendwie selber mit den Symptomen zurecht zu kommen, sie mit den bekannten Bewältigungsstrategien zu bewältigen, scheitert aber immer wieder damit, bis man merkt, dass man gar nicht mehr klarkommt. Man hat keine Ahnung, wie eine Therapie aussieht, kann sich nix drunter vorstellen, weiß nicht wirklich, wie die einem helfen kann. Und bis sich manche dann auf den Gedanken einlassen können, es zu versuchen...
Auch wenn er in Behandlung ist, wird sich nicht sofort was ändern. Eine Therapie braucht Zeit und alte Verhaltens- und Denkmuster zu ändern braucht auch Zeit, Zeit um sie erkennen zu lernen und Zeit um zu üben sie zu verändern. Manchmal müssen immer und immer wieder die gleichen Sachen durchgekaut werden, bis sie verarbeitet worden sind. Es geht leider nicht so nach dem Motto: Patient hat Punkt 1 vom Kopf her kapiert, also abgehakt und weiter mit dem nächsten Thema." Es müssen die Gefühle sortiert werden, das Ganze muss sacken gelassen werden, manches muss betrauert werden, geübt werden, umgesetzt werden, es wird immer wieder mal gescheitert, es geht mal 1 Schritt vor und zwei zurück, mal zwei vor und nur 1 zurück, oder "nur" einen voran.
Eine Therapie sollte aber auf Dauer etwas bewirken. Wenn sie nach Jahren immer noch null Auswirkungen hat, stimmt was nicht. Man muss nicht sofort Erfolge erleben, aber zumindest ein bisschen spüren, dass sich langsam etwas tut. Mal etwas poetisch gesprochen: Es muss langsam ein kleines Pflänzchen aufkeimen, das mit der Zeit immer kräftiger wird. Oder zumindest nicht wieder eingeht und verrunzelt und verwelkt am Boden liegt. Nur: Gras wächst halt nicht schneller, wenn man daran zieht
Es dauert einfach.
Es kann auch gut sein, dass es nicht mehr so wie früher wird. Es kann sein, dass der Andere immer aufpassen muss, nicht wieder depressiv zu werden. Es kann auch sein, dass es nach der Krise/Therapie oder durch die Therapie besser wird. Ehrlicher, reifer, enger... anders heißt nicht immer gleich schlechter. Jede Depression ist auch unterschiedlich und die Symptome können sich auch verändern. Anfangs hatte ich extreme Grübelschleifen, keine Lust mehr auf Unternehmungen... jetzt steht bei mir körperliche Erschöpfung im Vordergrund...
Wegen der Abhängigkeit von deinem Freund ist es vielleicht auch jetzt gerade die Chance zu lernen, dich nicht so abhängig zu machen. Deine Ziele, die du in deiner Therapie angehen möchtest, finde ich, hast du gut aufgeschlüsselt. Früher dachte ich immer, entweder ist man in einer Beziehung abhängig, weil man zu viel Nähe braucht, oder zu unabhängig, weil man zu viel Freiheit braucht. Aber der goldene Mittelweg ist meistens das Beste. Dich von deinem Freund nicht mehr abhängig zu machen, heißt nicht automatisch die Verbindung zu ihm komplett zu kappen.
Vielleicht kannst du in der nächsten Zeit dich bewusster auf deine Ziee konzentrieren und dich damit auseinandersetzen. Du bist ja auch ein Teil der Beziehung und wenn sich ein Teil in einer Beziehung verändert, verändert sich im Prinzip auch der Andere. Denn er wird mit neuem konfrontiert. Und nützen wird es einer Beziehung mit Sicherheit, wenn du an dir arbeitest, ganz egal mit welchem Partner.
Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen und ein paar Gedankenanstöße geben.
Liebe Grüße,
DieNeue