Hallo an alle, denen es wie Liebgemeint ging.
Ich kann leider gerade nicht alle Kommentare hier lesen, werde das bei Zeiten in Ruhe nach und nach tun. Der Post gefällt mir, da ich in genau der gleichen Situation bin/war.
Mein Freund und ich haben eine lange Leidensgeschichte hinter uns. Ich kann es hier nicht alles niederschreiben, das sprengt den Rahmen. Aber die 6 Jahre, die wir uns kennen, waren geprägt von Hirntumoren, Bestrahlung, Chemotabletten, Ärger mit der Exfrau, Sorgen um die beiden Kinder, die er mit der Exfrau hat, Ärger mit der Arbeit. Er steht auf allen Seiten unter Druck, will es allen Recht machen und bekommt doch immer wieder einen auf den Deckel. Dazu die Krankheiten. Der Tumor setzte ein paar Jahre aus, wir dachten alles wäre gut. Wir bauten ein Haus und beruflich ging es bei ihm immer steiler und härter zu. Das brach ihm dann das Genick. Hausbau und DER Job waren zu viel und pünktlich zum Einzug kam der Tumor wieder - diesmal in einer stärkeren Art, die nicht mehr heilbar ist (aber trotzdem noch Jahre dauern kann).
Das brach ihm das Genick dann nochmals. Ich bin mit ihm durch diese vielen Jahre gegangen, habe sehr viel mitgelitten, da ich nicht verdrängen kann und der Meinung bin, man muss sich mit Problemen auseinandersetzen. Mein Freund hat verdrängt. Und mich damit leider auch immer aus seiner Krankheit ausgeschlossen und mir nur das allernötigste mitgeteilt.
Nach dem Einzug ins Haus ging es dann rapide bergab und ich verstand, dass er eine Depression hatte. Und zwar nicht erst seit gestern - die hat sich über die Jahre immer mehr verfestigt. Kein Wunder, bei all dem Ballast. Leider hat er alle Angebote der Krankenkasse und Ärtze auf Psychotherapie nie angenommen. Er wollte es einfach nicht. Auch ich sprach ihn immer wieder darauf an, so dass er bald gereizt reagierte.
Ich nahm ihm so viele Lasten ab wie ich konnte, hielt ihm den Rücken frei. Zu Anfang der Beziehung konnte er mich auch noch stützen bei meinen Problemchen, aber ich versuchte bald, ihn soviel wie möglich zu entlasten. Als wir zusammen wohnten, erst Recht. Ich merkte leider selbst viel zu spät, wie tief ich mich selbst mit habe reinziehen lassen in den Sumpf. Ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal wirklich glücklich war. Ich war nur noch traurig, nah am Wasser gebaut, nahm jede Zurückweisung und nicht-beachtung wahr und konnte sie nicht mehr einfach nur hinunterschlucken und auf das "ihm gehts halt schlecht" Konto schieben. Ich konnte einfach nicht mehr. Meine Haut hat mit heftigen Neurodermitis-Schüben reagiert (hab ich sonst nie gehabt), ich war immer müde, fühlte mich ständig unausgeschlafen und nicht erholt. Zudem ist das Alltags-Tempo bei ihm enorm. Alles ist durchgetaktet, die Wochenenden monatelang vorausgeplant. Die Jahre vergingen so wahnsinnig schnell wie noch nie.
Ich konnte das alles irgendwann nicht mehr ertragen und mittragen. Ich hatte das Gefühl, nur noch zu investieren (Energie, Sorge, Gefühl, Kraft) und auf der anderen Seite sehr wenig Beziehung und viel Genervtheit zu ernten. Es war zu wenig, ich brauchte Input von ihm um so weiterzumachen. Natürlich gabs auch gute Tage, aber für mich war das negative Gewicht deutlich höher. Ich fühlte mich so viel allein an seiner Seite.
Vor einem Jahr sagte ich, dass es so nicht weitergehe. Dass er depressiv wäre und etwas tun müsse. Sich Hilfe holen müsse oder wir beide zusammen eine Paartherapie. Er wollte nicht. Ich sagte, ich könne so nicht weitermachen - ja ich setzte ihm am Ende die Pistole auf die Brust. Entweder es ändert sich was, oder ich muss gehen. Ich konnte wirklich nicht mehr.
Er machte total dicht und war absolut schockiert, dass ich mit gehen drohte. Die Möglichkeit stand für ihn irgendwie nie im Raum, obwohl wie vorher schon häufiger darüber gesprochen hatten, dass es nicht mehr so gut liefe.
Anscheinend zog ich ihm den letzten Standfuß weg mit dieser Drohung. Ich begann eine Therapie und ging später noch zu einem Angehörigenseminar für Tumorkranke, weil ich überhaupt nicht wusste, womit wir es zu tun hatten, denn er wollte ja kaum darüber sprechen. Zum Arzt durfte ich nicht mitkommen. Er reagierte auf meine Therapie und das Seminar mit Gereiztheit.
Wir versuchten, uns zu fangen, er machte einen Urlaub zur Selbstfindung allein und ich für mich. Noch mehr Abstand zwischen uns..
Nach dem Urlaub hatte er eine Menge Ideen und Vorhaben, die er aber nicht anging. Er sagte, er müsse sich professionelle Hilfe holen (ENDLICH, dachte ich). Aber er tat es nicht. Im Gegenteil, er brach auch die Tumorbehandlung ab. Er zog sich immer weiter in sich zurück und offenbarte mir im Herbst letzten Jahres, dass er aufgeben würde. Er gehe nicht mehr zum Arzt, er lasse sein Leben einfach auslaufen, er könne nicht mehr.
Ihr könnt euch vorstellen, wie es einem damit geht. Der Freund gibt auf und hätte sich am liebsten irgendwo heruntergestürzt, wenn die Kinder nicht wären. So meine Interpretation.
Nachdem er dann auch noch sein Leben aufgeben wollte, konnte ich nicht mehr. Wir sprachen wieder über Trennung. Am nächsten Tag hatte er es sich anders überlegt. Darüber zu sprechen hatte etwas in Bewegung gesetzt. Ich war hin und hergerissen mit meinen Gefühlen. Diese Achterbahn kann keiner ohne Schaden mitnehmen.
Wir machten also weiter. Zum Winter wurde er noch viel depressiver (was schon immer so war, wie mir im Nachhinein auffiel) und er ging auf Rat seines Arztes in eine psychosom. Klinik zur Einschätzung. Ich hätte nie gedacht, dass das passieren würde. Ich dachte, jetzt geht es los, er geht es endlich an!
Er war insgesamt 3 Wochenenden in der Klinik, alles Wochenenden, an denen wir Zeit für uns gehabt hätten, unter anderem Silvester. Die anderen Wochenenden waren die Kinder immer hier, also ging die Zweisamkeit ziemlich komplett flöten. Am Wochenende ist in der Klinik nicht viel los, keine Gespräche. Er hatte sich dort vor dem Alltag versteckt. Ich dachte, er würde bald eine Kur dort starten. Aber nichts geschah. Ich dachte, er würde bald seinen Job schmeißen, der ihm wirklich seit Jahren nicht gut tut. Aber in seiner Situation mag er das nicht tun. Zu viele Abhängigkeiten finanziell und gesundheitlich. Auch verständlich, aber wenigstens eine lange Krankschreibung und eine langzeittherapie..?
Ich wartete die ganze Zeit darauf, dass er seine Themen angehen würde. Ich denke, es ist auch etwas in Bewegung gekommen, aber in einem wahnsinnig langsamen Tempo und es wird noch SEHR lange dauern, bis er wirklich loslegt. Vor einigen Wochen sagte er mir, dass ich mir überlegen solle, ob ich noch bleiben wolle. Was mich noch halten würde, da ich ja so leiden würde und so. Er hatte ja so recht. Aber ich hatte die ganze Zeit an der Hoffnung festgehalten, dass es weitergehen würde, dass er aus seinem Sumpf langsam herauskommen würde. Stattdessen ist er immer weiter versackt. Er stellte mich quasi vor die Wahl: willst du mit weiter versinken oder willst du gehen?
Ich konnte wirklich nicht mehr. Und er auch nicht, denn ich setzte ihn ja auch unter Druck damit, dass etwas passieren müsse und er merkte, wie sehr ich unter seinen Lasten mitlitt. Das wollte er auch nicht.
Wir entschieden uns also vor ein paar Wochen, uns zu trennen
Wir sind danach noch wochenlang hin und hergewankt, da wir uns generell gut verstehen und vieles teilen, seine Kinder lieben mich und ich sie, unser zu Hause ist so toll und generell konnten wir uns immer vorstellen, zusammen alt zu werden. Aber unter diesen Umständen geht es einfach nicht weiter. Ich will, dass es ihm und damit uns endlich wieder besser geht psychisch, und er kann sich nicht bewegen in seinem Sumpf und seinen Verpflichtungen und findet noch nicht die Energie, herauszuklettern.
Im Endeffekt ist es so, dass ich gehe, damit er Raum findet, seine Themen anzugehen und natürlich auch zu einem großen Teil aus Selbstschutz. Denn das hatte er häufiger gesagt, dass er eigentlich mal Single sein müsste, damit er irgendwie Raum dazu hätte. Die anderen Verpflichtungen könne er noch weniger abschütteln, eine Beziehung, mit sehr viel Schmerz, schon eher.
Was soll man sagen - ich bin todunglücklich und er ist es auch. Die Kinder auch. Alles liegt in Scherben, was wir so festgehalten haben. Aber irgendwann muss man den Zeitpunkt erkennen, an dem es nicht mehr gut tut. Ich fühle mich furchtbar bei dem Gedanken, ihn allein zu lassen. Ich ziehe in den nächsten Tagen aus und er bleibt im großen Haus allein zurück. In unserem Traumhaus. Die Kinder werden an den Wochenenden da sein und mich und den Hund vermissen. Auch wenn wir uns weiterhin sehen werden, ist es natürlich anders. In meiner Vorstellung sitzt mein Freund im Dunkeln im Haus und starrt vor sich hin. Oder lenkt sich weiter mit Fernsehen und Daddeln ab. Und versinkt immer mehr in seiner Depression, da er ja jetzt auch noch seine Freundin verloren hat. Die Vorstellung macht mich verrückt. Und dann denke ich immer: denk auch mal an dich! Wie geht es dir? Wird es dir helfen? Auch dir wird es erstmal schlecht gehen, nicht nur ihm!
Ja, es wird weiterhin sehr wehtun, aber ich denke trotzdem, es ist das Richtige. Wir sind in einer Pat-Situation und kommen nicht mehr weiter. Noch haben wir alles ohne Streit geschafft, das wollen wir gern beibehalten. Verständnis auf beiden Seiten für den anderen, aber keine Energie mehr, die Beziehung fortzuführen oder auf Seiten meines Freundes: eine Therapie anzugehen. Er will es jetzt kurzfristig angehen sagt er, aber ich kann es noch nicht so ganz glauben, dass das wirklich passieren wird.
Der Text ist jetzt doch sehr lang geworden und das meiste kam nur aus den letzten Monaten..
Ich habe mir gerade ein Buch bestellt: Wenn Frauen zu sehr lieben. Ich bin sehr gespannt, das soll sehr gut sein und für meinen Fall meine Person recht gut beschreiben und erklären. Ich bin vielleicht nicht ganz so fanatisch, wie es in dem Buch ab und an aufkommt, aber hab doch ein starkes Helfer-Syndrom.. wie so viele Frauen
Ich hoffe, alle anderen Betroffenen Angehörigen fühlen sich in meinem Text wieder oder haben vielleicht einen Tipp, wie ich die nächsten Wochen und Monate mit dem Auszug gut überstehe. Ich hoffe so sehr, wieder glücklich sein zu können, obwohl ich mich immer ihm gegenüber mies fühlen werde. Ich weiß, ich darf glücklich sein, auch wenn er es nicht ist. Aber es wirklich zu tun, wird schwer.
Und die Hoffnung ist noch nicht ganz weg, dass wir wieder zueinander finden nach einigen Monaten der Trennung. Dass jeder sich ein wenig besinnt und (meine Hoffnung/Bedingung) er seine Therapie angeht! Und dann wiederum die Angst, dass es nicht klappen wird.. was für ein Gefühlschaos!!
Alles Liebe und ganz viel Kraft euch anderen..