Frühling

Captain Kirk
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Re: Frühling

Beitrag von Captain Kirk »

Hi Wuschel,
> ich wollte einfach wissen was mit Dir los is und mal irgendeine these, die ich für sagen wir mal nicht völlig abwegigen schwachsinn halte in den raum stellen; <

Was mit mir los ist kann ich Dir sagen. Ich bin durch grobe Gewalt aus meiner Welt katapultiert worden und stehe nun vor Trümmern die ich irgendwie wieder zu einem sinnvollen Gnazen zusammenzusetzen versuche. Und Hilfe habe ich dabei von (fast) niemandem erfahren. Und schon gar nicht von Therapeuten ..sogar im Gegenteil. Sie haben die Trümmer nochmal gut durchgemischt und durch den Hecksler geschoben.

Also habe ich mich selber auf den Weg gemacht meine Seele zu heilen.

> Aber wenn, so bist Du der einzige hier von dem ich ein hobbypsychologisches urteil über mich, zwar vielleicht inhaltlich scharf kritisieren, aber dennoch wertschätzen würde, und ich denke ich hab Dir schon mal erklärt warum.<
Danke. Das ehrt mich.

>
ich dachte, dass es in einer vt darum geht die vom patienten gesteckten ziele zu erreichen.<
nee. Nicht unbedingt. Es geht auch darum die Ziele zu überprüfen, obs die richtigen sind oder ob andere Ziele vielelicht angebrachter wären.
Und
möglichwerweise wünscht Du Dir auch eine zu stringente Therapie? das kommt mir bei Dir manchmal so vor. Wissenschaftlich eben. Da haben wir Problem A ich will zu C zeigen Sie mir den Weg B und ich gehe ihn.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es manchmal nötig ist indirekt an seine Ziele heranzugehen. Das ist jetzt schwer zu erklären..aber vielleicht ist das so wie wenn man auf n Berg kraxelt. Da kann man entweder direkt steil hochjagen oder in Serpentinen gehen.

>wie gesagt, meine ziele und wünsche kenne ich klar; ich hätte nur jemanden gebraucht, der mir sagt wie diese zu realisieren sind, sprich verhaltensanleitungen.<

Ich glaube so einen wirst Du nicht finden Wuschel. Es geht doch letztendlich darum selber Verhaltensanleitungen zu entwickeln.

>es ist schlimm erkenntnis zu besitzen und niemanden zu finden mit dem man diese erkenntnis teilen kann, das ist wirklich schlimm<

Ja. Vielleicht. Aber man kann auch diese bittere Erkenntis akzeptieren. Und die gewonnenen nicht mitteilbaren Erkenntnisse in Taten umsetzen die dann wiederum auf die Welt wirken und somit auch ein feedback provozieren. ich glaub das ist ne Möglichkeit.

>es bleibt, ich möchte mein weltbild zurück, dass unter derart massivem druck zuerbrochen wurde, ich möchte dieses zurück und kein psychoweltbild anstelle dessen.<

Wuschel ..das alte Weltbild wirst Du nicht zurückbekommen. Weil Du nicht mehr derselbe bist. Ich habe lange mit dieser Tatsache gehadert. Nun sehe ich es so: Ich habe einen anderen Blick auf die Welt. der ist momentan noch ziemlich negativ ausgerichtet. Aber es ist möglich, diese negativen Erfahrungen zu integrieren und das alte Weltbild dadurch zu vervollständigen. Es wird ein neuer Blick auf die Welt. Und ich muß mich in jeder Minute entscheiden ihn nicht nur negativ ausfallen zu lassen. Das ist harte Arbeit. Das nennt man glaube ich auch Entwicklung oder persönliches Wachstum.


Gruß
c.




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Auf diesen Beitrag antworten
Emily
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Re: Frühling

Beitrag von Emily »

Hallo Captain,

deinem letzten Absatz über ein neues, verändertes Weltbild durch die Krankheit und nach der Krankheit stimme ich zu. Meine Erfahrungen sind die gleichen. Ergänzung: Die Negativität hört auf. Die positive Sicht kommt wieder durch, wenn auch in einer stark veränderten und damit gesünderen Form.

"Das nennt man glaube ich auch Entwicklung oder persönliches Wachstum."
Stimmt, so kann man es nennen. Man kann es aber auch "Genesung" nennen.

LG, Emily
Schnarchi
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Re: Frühling

Beitrag von Schnarchi »

Hallo zusammen,
möchte einfach mal ein paar Fragen in den Raum werfen.
Wozu brauche ich Ziele, und was könnte ein solches sein ?
Was ist ein Weltbild und was nützt es mir dieses zu haben ?
Und was um Himmels Willen ist Erkenntnis ? "Dumme" Menschen sind doch auch nicht unglücklicher.
Die Sonne geht auf und wieder unter. Wir werden geboren und wir sterben. Wir töten uns und wir helfen uns zu überleben.
...Ich habe einfach keine Fragen mehr. Sämtliche Erklährungsversuche ...nein...genauer gesagt....sämtliche Worte verlieren für mich so nach und nach an Bedeutung und ich weiß nicht wie ich das aufhalten soll. Vielleicht will ich es auch garnicht, denn jede Frage die ich mir beantwortete, jede Erkenntnis die ich glaubte erlangt zu haben........es hat mir alles nix gebracht. ...Oder doch ?
Ich will eigentlich nur wieder aufwachen, jemandem, der wegen mir bei mir ist einen guten Morgen wünschen können und zu sagen: "Schön das Du da bist. ...Was machen wir denn heute schönes ?" (ohne zu hinterfragen was eigentlich schön ist und warum bzw. warum nicht)
Dazu brauche ich weder ein Ziel, noch ein Weltbild noch eine Erkenntnis.
........Is' auch 'ne Erkenntnis, oder ?

Habt einfach einen schönen Tag
wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Emily
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Re: Frühling

Beitrag von Emily »

Hi Wuschel,

"... so ein Unsinn!!!" ????? Ich habe nur meine Sicht der Dinge wiedergegeben NACH den Depris. Und was ich gesagt habe, entspricht meinen eigenen Erfahrungen, und die sind genauso SO, wie ich es geschildert habe. Hast du denn schon Erfahrungen aus einer Zeit NACH den Depris? Wenn nicht (was ich stark vermute), warum tust du meine Erfahrungen aus meiner eigenen Zeit danach so einfach ohne Umschweife als "Unsinn" ab?

Emily
wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Emily
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Re: Frühling

Beitrag von Emily »

Hallo Wuschel,

wenn du meine Worte offensichtlich so völlig anders verstanden hast, als ich sie gemeint hatte, warum fragst du dann nicht einfach erst mal nach, bevor du sie mit "Unsinn" kommentierst? Hätte ich viel besser gefunden...
Du hast zwar gesagt, dass die einzige Meinung in Bezug auf dich, die du im Forum hier überhaupt wertschätzen würdest, die des Captain wäre, aber ich sage meine Meinung jetzt einfach trotzdem mal:

Niemand kann und wird im Ernst von dir erwarten, dass du das als "positiv" bezeichnen sollst, was man dir angetan hat. Niemand kann von dir erwarten, dass du ohne innere Kämpfe die Sehnsucht nach dem Leben VOR dieser Zeit aufgeben könntest. Das schafft man nie ohne schwere innere Kämpfe, schon gar nicht, wenn die Zeit vor der Krankheit eine schöne war. Auch meine Zeit vor der Krankheit habe ich als sehr schön erlebt, konnte nicht begreifen, warum sie plötzlich einfach mitten im Leben aufhörte und eine völlig andere Zeit begann. Du hast schon mehrfach das Wort "Gerechtigkeit" betont. Ich empfand es damals auch als gnadenlos ungerecht, was mir die Krankheit alles genommen hatte und mit welchen schlimmen Problemen sie mich konfrontierte. Aber was ist schon gerecht? Ist es z.B. gerecht, dass viele Menschen täglich um ihr bisschen Essen heftigst kämpfen müssen, wir dagegen nicht?

Ich weiß, du willst keine "hobbypsychologischen" Statements haben. Aber ich sage meins trotzdem: Ich vermute, dass du immer noch glaubst, du könntest dein altes Leben wieder zurückhaben, und zwar so, wie du es dir eben vorstellst. Aber NACH der Krankheit ist nicht VOR der Krankheit. Und wenn man es nicht schafft, sich in der schweren Depression irgendwann von dieser Vorstellung der Rückkehr des alten Lebens zu lösen und sich zu einer gesünderen Anspruchshaltung durchzuringen, dann wird der Weg aus der Depression noch schwerer, als er ohnehin schon ist. Das kann ich, glaube ich, einfach mal so feststellen, denn ich habe diese Phase des Festhaltens an den alten Wunschvorstellungen auch lange durchgemacht. Erst, als ich merkte, dass mich u.a. genau DAS festhielt in den Depris, habe ich den Schritt zu einer gesünderen Anspruchshaltung, zu einer gesünderen Sicht auf mich und mein Leben schaffen können. Mit "gesünder" meine ich nicht, keine Wünsche mehr zu haben, keine Träume mehr zu haben. Ich meine damit eher, die Wirklichkeit und das Machbare zu sehen, meine Befindlichkeit viel mehr zu achten und früher zu reagieren, wenn ich neg. Einflüsse spüre, viel eher Grenzen zu setzen, zu diesen Grenzen zu stehen, und einen flexibleren Spagat zwischen Realität und Wünschen zu machen.
Das, was dir angetan wurde, war zweifelsohne schlimm, und es wird dein Leben vermutlich dauerhaft beeinflussen. Die Frage bleibt, ob man diesem "Etwas" zugestehen will, dass es das GANZE Leben negativ beeinflusst, oder ob man seine Lehren daraus zu ziehen versucht, es zu integrieren versucht, und mit neuer Kraft und gestärktem Rücken aufgrund einer erneuerten, in der Tat gesünderen Sicht der Dinge weitergehen will/kann. Wenn man das schafft, kommt erstaunlicherweise die positive Sicht auf das Leben zurück. Oder ist das vielleicht gar nicht so erstaunlich...?

Ich habe fast alle Postings gelesen, die du hier im Forum geschrieben hast.
Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber ich habe mir schon oft Gedanken darum gemacht, warum du aus deiner Depr. anscheinend einfach nicht herausfindest. Und ich bin der Ansicht, dass das seine Gründe hat...
So, und jetzt kannst du mich ruhig in der Luft zerfetzen. Ich denke, ich kann das aushalten, denn meine Sicht der Dinge ist heute in der Tat gesünder als vor der Krankheit. Außerdem spreche ich wie gesagt aus Erfahrung, und ich habe daher durchaus Verständnis dafür, dass diese Phase des Festhaltens an Dingen, die Vergangenheit sind, eben durchaus etwas länger dauern kann ...

Gruß von
Emily.
Alina1
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Re: Frühling

Beitrag von Alina1 »

Hallo,Wuschel
Ich habe eine Frage an dich: Kann es sein, daß du einem ganz bestimmten Menschen die Schuld an deinem jetzigen Zustand gibst? Fühlst du dich als Opfer? Entschuldige meine wenig intellektuellen Fragen, deine Antwort würde mich schon sehr interessieren- natürlich nur, wenn du möchtest!
Gruß,
Antje
tomroerich
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Re: Frühling

Beitrag von tomroerich »

Also ich sage jetzt mal etwas furchtbar Theoretisches in den Raum, aber dieser Gedanke springt mich geradezu an, wenn ich eure Diskussion hier lese:

Jeder, der von Erkenntnis und Weltbild spricht, muss bedenken, dass er damit seine persönliche Beziehung zur Welt beschreibt. Erkenntnis kann nur etwas sein, das diese Beziehung beschreibt aber nicht die Welt, wie sie tatsächlich ist. Selbst die Physik, die ja immer für sich in Anspruch nahm, die Wirklichkeit zu beschreiben muss heute einsehen, dass sich dieser Ansüruch nicht mehr aufrecht erhalten lässt.
Das heißt, dass mein Weltbild und meine Erkenntnis mich selbst wiederspiegelt und dass beides sich entwickelt und verändert, wenn ich mich entwickele und verändere. Anderes anzunehmen würde heißen, der großen Masse sich bekämpfender Ideologien beizutreten von denen jede annimmt, sie kenne die Wahrheit.

Gruß an euch alle,

Thomas
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wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Ann
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Re: Frühling

Beitrag von Ann »

Hallo an alle,
das Mitlesen der Diskussion hat mich doch sehr zum Nachdenken angeregt.
Wuschel, ich weiß nicht, was genau dir passiert ist, aber es muss eine große Verletzung gewesen sein. Meine Meinung ist, dass eine psychologische Behandlung/Beratung uns dazu in die Lage versetzen sollte (!), selbständig und eigenverantwortlich zu denken und zu handeln. Wenn sie das nicht schafft, hat sie versagt. Letztendlich ist aber das Ziel, auch nicht mehr Psychologen usw. die Schuld an irgendwelchen Zuständen in der Gesellschaft zu geben, sondern wirklich bei uns selbst anzusetzen. Damit meine ich nicht, dass jeder selbst Schuld hat, wenn ihm etwas angetan wird. Keinesfalls. Aber ich meine, ein erwachsener Mensch ist irgendwann selbst dafür verantwortlich, wie er damit umgeht.

Emily, ich finde, du hast wichtiges geschrieben über notwendige Veränderungen im Umgang mit Realität und Träumen und den eigenen Befindlichkeiten und Grenzen. Hier setzt die Selbstverantwortung an, die ich gerade erwähnt habe. Freilich ist das ein langer Weg mit vielen Rückschritten, harter Arbeit und oft Kampf. Aber welches Ziel soll es sonst geben?

Thomas, wenn Erkenntnis aus der persönlichen Beziehung zur Welt entsteht, dann gibt es so viele Weltbilder, wie es Menschen gibt. Die persönliche Beziehung zur Welt wiederum wird aber dennoch vom Umfeld, Kultur, Religion, Erfahrungen usw. geprägt. Ich sehe es auch so, dass keine der vorherrschenden Ideologien die Wahrheit für sich gepachtet hat, dass jede Sicht irgendwo subjektiv ist. Das würde dann heißen, es gibt keine allgemeingültige Wahrheit usw. Ist ein Leben ohne solche Maßstäbe, wenn die letztgültige Wahrheit bei jedem Menschen selbst liegt, nicht von sehr viel Unsicherheit bestimmt ?

Liebe Grüße an alle!

Ann
wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Alina1
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Re: Frühling

Beitrag von Alina1 »

Hallo,wuschel
Wenn eine Liebe nicht oder nicht mehr erwidert wird, kann man in der Tat daran zerbrechen.Man kann sich auf den Kopf stellen, es ist nicht zu erzwingen. Hat der andere sich aus welchen Gründen auch immer zur Beendigung einer Beziehung entschieden,ist man ziemlich machtlos,übrigens eine Erfahrung, die auch ich gerade machen muß!Zum Thema Härte/Abgrenzung in der Psychotherapie: Ich glaube,es gibt manchmal keine andere Möglichkeit, als sich von Menschen, die einem nicht guttun,abzugrenzen,wenn man selbst gesund überleben will!Wenn diese Menschen dann noch die eigenen Eltern sind, gehört bestimmt eine gewisse "Härte" zu einer solchen Entscheidung.Trotzdem wird einem diese Entscheidung vom Therapeuten weder abgenommen noch aufgezwungen.Du mußt die Entscheidung schon selbst treffen,eben eigenverantwortlich.Menschlich Wärme,die man sich vielleicht erhofft, wird man beim Psycho wohl in den seltensten Fällen erwarten können. Dafür ist er/sie wohl auch nicht "zuständig".Danach muß man sich schon auf die Suche im "wahren" Leben machen.Aber, wie gesagt:Liebe, Freundschaft und menschliche Wärme lassen sich nun mal nicht erzwingen.Wenn man es bekommt,sollte man es als Geschenk annehmen und vielleicht nicht ganz so wählerisch sein.Hört sich jetzt vielleicht alles etwas "schwafelig" an, und ich kann dir versichern, daß es zur Zeit bei mir mit der Umsetzung überhaupt nicht klappt!Liebeskummer trübt die Weltsicht eben in einem ganz erheblichen Maße.Soweit erstmal
Liebe Grüße
Antje
tomroerich
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Re: Frühling

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ann,

du schreibst:

Thomas, wenn Erkenntnis aus der persönlichen Beziehung zur Welt entsteht, dann gibt es so viele Weltbilder, wie es Menschen gibt. Die persönliche Beziehung zur Welt wiederum wird aber dennoch vom Umfeld, Kultur, Religion, Erfahrungen usw. geprägt. Ich sehe es auch so, dass keine der vorherrschenden Ideologien die Wahrheit für sich gepachtet hat, dass jede Sicht irgendwo subjektiv ist. Das würde dann heißen, es gibt keine allgemeingültige Wahrheit usw. Ist ein Leben ohne solche Maßstäbe, wenn die letztgültige Wahrheit bei jedem Menschen selbst liegt, nicht von sehr viel Unsicherheit bestimmt ?

Ja, tatsächlich ist es wohl der Wunsch nach Sicherheit, der uns in der Außenwelt nach festen Maßstäben suchen lässt. Aber Religionen, Kultur, Ideologien und auch nichts anderes bietet dir diese Sicherheit, denn all das ist einem stetigen Wandel unterworfen, letzte Wahrheiten sind sie nicht. Die können aber darin versteckt sein und man findet sie ausschließlich dadurch, dass man sich selbst erkennt. Leider klingen solche Sätze immer sehr geheimnisvoll aber der Grund dafür ist, dass man hier mit Worten nicht weiterkommt. Seit jeher versuchen Menschen, diese letzten Wahrheiten in Gleichnissen, Aphorismen etc. zu verstecken, weil man sie nicht in klare Worte fassen kann.

Es bleibt uns wirklich nichts anderes übrig, als sich an uns selbst zu halten und die eigene Wahrheit zu suchen, weil man sie eben nur dort finden kann. Wie du sagtest, eine allgemeingültige Wahrheit gibt es nicht, so lange wir sie in der Außenwelt suchen.

Gruß von

Thomas
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Re: Frühling

Beitrag von tomroerich »

Lieber Wuschel,

so, habe mir den ganzen thread jetzt durchgelesen und ich sage was dazu weil ich das ganz deutliche Gefühl habe, dass es bei dir so etwas wie einen "Generalirrtum" gibt. Vielleicht ist Irrtum nicht das richtige Wort denn sicher hast du ganz persönliche Gründe, die Ursache aller deiner Probleme außerhalb von dir selbst zu sehen. Aus jedem deiner postings kann ich Anklagen herauslesen. Du prangerst Missstände an, zum Teil auch mit Recht. Aber wenn du das als Ursache nehmen willst dafür, dass es dir schlecht geht, dann kannst du dich genau so gut auch gleich wegschmeißen weil sich das nämlich nicht ändern wird. Lass uns doch die Frage ganz pragmatisch angehen: Willst du nun - trotz widriger Lebensumstände und einer von dir so wahrgenommenen Sch...welt- leben oder willst du es nicht? Wenn nicht, dann gehst du eben unter als Märtyrer, der das Leid der Welt auf seine Schultern nahm (aber niemand wird das je wissen) und wenn doch, dann finde dich endlich ab. Betrauere deine Verluste ausgiebig und ohne zu fragen, in welchem gesellschaftlichen Kontext du das tust, tu das einfach als Wuschel, dem Unrecht geschah. Dann aber musst du dich lösen und die Frage vergessen, warum das so war. Und schließlich stürz dich ins Leben mit so wenig Voreingenommenheit wie nur irgend möglich und du wirst feststellen, wie sehr deine Weltsicht von genau diesen Voreingenommenheiten abhängt. Im Moment denkst du dich selbst ein deine Einsamkeit hinein.

Emily hat dir sehr wichtige Dinge mitgeteilt, von Unsinn ist das weit entfernt.

wenn ich sowas wie persönlichkeitsentwicklung, oder entwicklung im sinne von persönlichkeitsentwicklung höre, so wird mir übrigens ganz schlecht captain. weil es nämlich eine sprachschöpfung ist, welche so tut als ob es irgendwelche vom kulturellen kontext unabhängige erstrebenswerte persönlichkeitsmerkmale gäbe. Das is aber nicht so, denn persönlichkeit entsteht erst durch die interaktion mit anderen menschen und was als gut oder schlecht gilt ist vom kulturellen kontext abhängig.

Sorry, aber das ist nun wirklich Unsinn, Wuschel. Ich kenne keinen Behavioristen, der einen so krassen Standpunkt vertreten würde. Außerdem bist du ein lebendes Gegenbeispiel denn wenn das System so prägend wäre wie du sagst, dürfte es deren Kritiker gar nicht geben. Das ist ein Weltbild, in dem Menschen programmierte Einheiten sind, ohne persönliche Merkmale und ohne persönliches Dasein. In so einer Welt zu leben, wäre auch für mich nicht lohnend und ich bin froh zu wissen, dass es sich so nicht verhält.


Gruß von

Thomas
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

tomroerich
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Re: Frühling

Beitrag von tomroerich »

Lieber Wuschel,

Das war nun auch wirklich nicht das Wichtigste an meinem posting- ist mir völlig klar, dass wir beide uns weltanschaulich so bald nicht werden treffen können. Dass du zum Rest nichts zu sagen weißt, finde ich schade, ist aber völlig oK so.

Thomas
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Lieber Thomas,

ich hab weltanschaulich nix gegen Deinen Beitrag einzuwenden; über den Rest (d.h. das worauf ich nicht eingegangen bin) Deines Beitrages muss ich erst gründlich nachdenken.

wuschel
triste
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Re: Frühling

Beitrag von triste »

Hallo,

ohne mich direkt an Wuschel zu wenden,
eher an alle, die diese Diskussion hier interessiert:
Ich habe für mich etwas hier verstanden:
Die Verzweiflung über das unerträgliche Dasein und die oft dramatische Verschlechterung der Lebensumstände, in die die Krankheit uns gestürzt hat, das Beweinen und Beschimpfen der ganz individuellen 'Schuldigen' und auslösenden Faktoren sind verständlich, natürlich, und brauchen ihren Platz, auch hier im Forum.
Ich beobachte aber an mir und anderen (hier), daß dieses, nennen wir es mal 'Klagen' ein Motor für die Depression zu sein scheint. Die meisten von uns in diesem Forum sind ja
schon lange depressiv, über die Zeit sozusagen, und die Frage ist doch: Warum? Was nährt unsere Depression?
Was hält uns ab, gesund zu werden?

Zwei inzwischen 'Gesunde' , Emily und Thomas, haben hier ganz wichtige Erkenntnisse dazu angeboten:

"NACH der Krankheit ist nicht VOR der Krankheit."
Ergo: laß`das alte Leben los, finde heraus, womit und wie du weiterleben kannst und versuche das Neue.

"Willst du nun - trotz widriger Lebensumstände und einer von dir so wahrgenommenen Sch...welt- leben oder willst du es nicht? "
Ergo: Alles Klagen, so richtig und inhaltlich sinnvoll es auch sein mag, ändert nichts an der Frage, auf die man eigentlich alles reduzieren kann: Willst du leben oder nicht und wenn ja, was mußt du verändern, um leben zu können.

Ich habe mich im Forum schon einmal diesbezüglich in die Nesseln gesetzt, da ging es um ähnliches, nämlich die Gesellschaft als krankmachenden Faktor. Was mich damals sehr gestört hat, war die verbitterte Haltung einiger hier und ihre sehr absolute Schuldzuweisung: Schuld ist die leistungsorientierte Gesellschaft und in dieser macht es sowieso keinen Sinn, weiter zu existieren, oder eben, wie gesagt, die ganz individuellen Schuldfaktoren. Der gemeinsame Nenner von dieser und jener Diskussion ist: etwas anderes ist Schuld.

Ich habe natürlich auch immer noch Phasen von völliger Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung und Verbitterung über die Krankheit und Momente von Jammerbedürfnis, sogar hier im thread weiter oben....,
Aber mir scheint doch sehr plausibel, daß, um gesund zu werden, man erstens den Entschluß dazu fassen muß.
Und es zweitens eben auch umsetzen muß, also Altes loslassen, das Leben neu einrichten, nach neuen Inhalten suchen, das Selbstbild überprüfen, und was sonst noch alles dazugehört, um zu einer 'gesünderen Lebensweise' zu kommen, wie Emily es schreibt.

Ich selbst befinde mich gerade in einer schwierigen Umbruchphase (teilweise zurück in den Job), weiß nicht, wie es ausgehen wird, habe total Angst, somatische Reaktionen, aber auch Hoffnung. Bin sehr unsicher, ob ich das leisten kann, was ich mir vorgenommen habe, weil mir meine Selbsteinschätzung durch die blöde Depression ganz und gar flöten ging.
Aber ich habe mich entschieden, das jetzt zu versuchen. Gegen die Ängste.

Im Moment scheint mir richtig zu sein, was Emily und Thomas hier geschrieben haben, Danke dafür.


Gruß,
Virginia
wuschel
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Re: Frühling

Beitrag von wuschel »

Lieber Thomas,

wenn Du bereit sein solltest mit mir über den inhalt meiner postings zu diskutieren und nicht auf der psychometaebene mir zu sagen, was es Deiner meinung nach für möglichkeiten gibt und was ich zu tun und zu lassen habe, dann können wir weiter reden.

wuschel
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