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Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 17. Okt 2011, 17:33
von Erdgespenst
@ Zarra

Danke für Deinen Hinweis mit der Persönlichkeitsstörung. Leider war die entsprechende Ansprechpartnerin in der Klinik heute im Urlaub, da konnte ich Auswirkungen auf die berufliche Zukunft nicht abklären. Meine Therapeutin hat mir allerdings meine eigene Zukunft im Falle dieser Diagnosn in den düstersten Farben an die Wand gemalt.

Zur Diagnose Depression ja/nein:
Ich hatte heute ein klärendes Gespräch mit meiner Ärztin. Sie sagte mir, dass sie sich bei jungen Männern generell schwer tun würde, die Diagnose "Depression" zu stellen, da jungen Männer eher allgemein die Lebenstüchtigkeit fehlen würde und das sei kein Aufabenfeld der Psychiatrie. Auf die Sache mit der psychosomatischen Klinik habe ich sie auch angesprochen, da hat sie ebenfalls abgewunken. Das Leben sei nun mal schwer und anstrengend, da müsse man sich halt durchbeissen. Das hätte nichts mit einer Krankheit zu tun, jedem würde es mal beschissen gehen. Dass man sich mal unwohl fühlt oder keine Lust zum Arbeiten hat, sei kein Grund für eine Tagesklinik, das würde schliesslich jedem so gehen.

Ich persönlich komme eher zu dem Schluss, dass die Ärztin ein Problem mit jungen Männern hat und sich wohl sehr stark auf depressive Frauen eingeschossen hat. Etwa drei Viertel der Patienten in der Tagesklinik sind weiblich während zwei Drittel der Suizide in Deutschland von Männern begangen werden. Beim Einstieg in die Substanzabhängigkeit dürften gerade junge Männer die Statistik anführen.
Wenn ich mir überlege, warum Männer bei den Symptomen von Depressionen so stark führend sind, bei den Behandelten aber eine krasse Minderheit darstellen und meine Erlebnisse dagegen halte, dann komme ich durchaus zu dem Schluss, dass Depressionen bei Männern wohl auch beim Fachpersonal nicht wirklich ernst genommen werden.

Ich bin nicht aus Spaß oder Faulheit so wie ich bin, sondern ich bin krank, ich stehe dazu krank zu sein und ich suche Hilfe. Hier einfach auf mangelnde "Lebenstüchtigkeit" junger Männer zu verweisen, halte ich jedenfalls für eine sehr fragwürdige Sichtweise.

Morgen ist noch ein Termin mit meiner Therapeutin. Mal schauen, was da raus kommt. Ich richte mich aber seelisch-moralisch schon mal drauf ein, dass der Klinikbesuch schlicht und ergreifend ein Griff ins Klo war.

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 17. Okt 2011, 19:24
von wütend
Tja Erdgespennst

>>Morgen ist noch ein Termin mit meiner Therapeutin. Mal schauen, was da raus kommt. Ich richte mich aber seelisch-moralisch schon mal drauf ein, dass der Klinikbesuch schlicht und ergreifend ein Griff ins Klo war.<<

Tja, die Einschätzung scheint wohl zu stimmen.
Ich würde sagen, wenn die Psychotherapeutin ähnlich kluge Sprüche drauf hat, dann verlass die Klinik und beprech die Situation mit deinem Psychiater. Er gibt noch mehr Kliniken und warscheinlich mit besserem Personal als diese.

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 18. Okt 2011, 17:42
von Erdgespenst
So, wollte mich mal heute zurückmelden.

Heute gab es ein sehr konstruktives Gespräch mit meiner Therapeutin. Sie meinte, dass ich definitiv unter einem sehr großen Leidensdruck stünde, nur bisher keine Anzeichen für eine depressive Episode IM AUGENBLICK zeigen würde.

Auf jeden Fall würde man mich nicht im Regen stehen lassen, denn als behandlungsbedürftig sieht sie mich in jedem Fall an, auch eine weitere Behandlung in der Tagesklinik sei für sie gut vorstellbar. Allenfalls in Punkto Medikamentenumstellung kann sie keine Prognose abgeben, da es bisher keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass derzeit nicht das Optimum verabreicht wird und dafür auch jemand anders zuständig sei.
Bei der möglichen Diagnose "Persönlichkeitsstörung" könnte es auch weniger dramatisch sein, als sie anfangs gedacht hätte. Ich denke mal, dass sie vielleicht im Studium mal einen Wink von einem Dozenten bekommen hat, der in Deutschland auch andere Zeiten erlebt hatte, in denen solch eine Diagnose vielleicht tatsächlich die Zukunft verbauen konnte. Ist aber eine Frage, die jetzt auch erstmal irrelevant ist.

So, ich will hier keine akademische Diskussion darüber führen, wer hier wen überzeugt oder falsch verstanden hat. Auf jeden Fall wollte ich dem Forum ausrichten, dass sich das Problem in den nächsten zwei Tagen voraussichtlich lösen wird und die Zeichen, die ich heute angetroffen haben, recht positiv aussehen.

Und ich wollte allen Teilnehmern dieses Fadens dafür danken, dass sie sich um meine Panik gekümmert haben.

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 18. Okt 2011, 18:24
von elas
Erdgespenst,

das klingt ja ganz gut.
Alles Gute Dir.

Selas

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 18. Okt 2011, 19:50
von Salvatore
Hallo Erdgespenst,

schön, dass du etwas beruhigt wurdest und deine Therpeutin dich mit deiner Verzweiflung wahrnimmt. Vielleicht magst du berichten, was sich in den nächsten Tagen für dich ergibt?

Lg,
Salvatore

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 18. Okt 2011, 21:20
von wütend
He Erdgespennst

wie gut, das du dich mit der Psychotherapeutin versthst.

Vielleicht fällt der Frau ja auch noch ein, wie sie therapeutisch mit dir arbeiten kann.

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 4. Nov 2011, 22:18
von Erdgespenst
Ich melde mich mal wieder zurück.

Mein letztes Gespräch mit der Psychologin war nach wie vor nett. Das Problem ist:
Ich hänge gerade seit etwa einer Woche in einem depressiven Tal. Jede Tätigkeit fällt mir enorm schwer, Laune ist im Keller, trotzdem schleppe ich mich jeden Tag zur Tagesklinik.

Heute wurde mir eröffnet, dass man die Diagnose "keine Depression" nochmal irgendwie überdenken sollte. Keine Ahnung, was dann rauskommen soll. Allerdings wurde auch angemerkt, dass mir zwar während dem Gespräch abgenommen wurde, dass es mir richtig Sch***** geht, aber das Personal, das mich bisher in der Tagesklinik gesehen hätte, eher der Meinung sei, dass ich die schlechte Laune nur vorspielen würde.

Hintergrund ist, dass ich generell eher kontrolliert bis heiter auftrete und keinen Grund darin sehe, andere Leute noch mit runter zu ziehen, nur weil es mir gerade schlecht geht. Trotzdem habe ich auf Anfragen des Personals nie etwas vorgespielt, sondern immer wahrheitsgemäß gesagt, wie ich mich fühle. Letzte Woche eher schon manisch, seit etwa Donnerstag letzte Woche kontinuierlich mies, Schlafbedarf liegt bei etwa 16 Stunden pro Tag (sehe danach trotzdem noch aus wie ein Zombie und stehe total neben mir), während er Montag letzter Woche nur 3 Stunden betrug, mehr schlafen war auch nicht drin.

Ich persönlich hätte auch gar nichts davon, etwas vorzuspielen. Gegen mich läuft kein Strafverfahren, mir sitzt kein Arbeitgeber im Nacken und durch irgendwelche Diagnosen eröffnen sich mir keinerlei Sozialleistungen.

Ich frage mich derzeit, was ich denn tun muss, damit man mir glaubt, dass es mir richtig schlecht geht. Meine Professoren sagten mir immer "Du bist nur faul", meine Eltern sagen mir "Du bist nur faul", der Geistheiler zu dem meine Mutter mich mal brachte meinte "Du willst nur nicht arbeiten" und in der Psychiatrie höre ich jetzt "Sie sind einfach nicht willens, ins Arbeitsleben zu gehen". Ich weiss, dass ich mich derzeit keinem Arbeitgeber zumuten kann, weil ich selbst die einfachsten Dinge nicht auf die Reihe bekomme und ohne mein soziales Umfeld nicht mal morgens in die Tagesklinik käme.

Eine Diagnose, WELCHE Ursache hinter meinen Problemen steht, liegt derzeit nach 6 Wochen Tagesklinik immernoch nicht vor. Ich weiss aber, dass diese extremen Schwankungen von Schlafbedarf und Leistungsfähigkeit nicht normal sind.
Hinzu kommt jetzt das Gefühl, dass ich wohl erst beweisen muss, wie schlecht es mir geht, damit ich nicht als Simulant dastehe.

Ich habe keinerlei Ahnung, wie es weitergehen soll. Ich nehme noch immer die gleiche Medikamentendosis ein, wie vor der Tagesklinik, für eine Medikamentenumstellung sieht dort keiner einen Grund. Und im Augenblick bin ich nicht in der Lage, mir eine andere Klinik zu suchen, zumal die jetzige extrem verkehrsgünstig liegt. Ausserdem sitzt mir noch die Familie im Nacken, die mir jetzt sagt, dass ja auch die Psychatrie zum gleichen Ergebnis wie der Geistheiler gekommen sei und ich lediglich anderen auf der Tasche liegen will.

Ich habe Angst davor, weitere Ärzte aufzusuchen und dort wieder nur als Simulant zu gelten, dort erstmal die gleichen Rechtfertigungen zu bringen, dass ich ja was leisten will, nur irgendwie nicht kann, weil ich von Zeit zu Zeit total neben mir stehe, nichtmal simpelste Aufgaben erledigen kann, den Tag mit Schlafen verbringen könnte und mir das Überreden gegen den Suizid an manchen Tagen so schwer fällt, wie anderen das Überreden gegen die Zigarette am Morgen.

Muss ich ernsthaft erst auf der Intensivstation eines Krankenhauses landen, damit man mir in der Psychiatrie abnimmt, dass es mir schlecht geht, dass es mir egal ist, was das Problem ist, aber dass es existiert und nicht simuliert ist? Wie kann ich einem fachlich geschulten Personal klarmachen, dass es mir tatsächlich dreckig geht, auch wenn ich gewöhnlich sehr kontrolliert auftrete?

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Beitrag hier im Forum veröffentlichen soll, denn ich will niemandem die Behandlung in der Psychiatrie ausreden.
Andererseits ist das hier das einzige Forum, wo ich evtl. Rat finde. Hier kennt mich niemand und niemand kennt meine Klinik. Hier bin ich von jedem Verdacht befreit, dass ich nur Druck auf die Klinik ausüben will um eine bestimmte Diagnose zu bekommen.

Fakt ist: Mir geht es höchst dreckig, ich mache auch keinen Hehl daraus, wenn ich morgens meine Stimmung beschreiben soll. Ich fange trotzdem nicht das Weinen an (das tue ich sowieso sehr selten) und trete allgemein kontrolliert und kommunikativ auf, die "heitere Maske" gehört gegenüber Unbeteiligten zum Standardreportoire, weil ich generell niemanden runterziehen will. Von Anfang an habe ich mit den Therapeuten ganz offen geredet, selbst über intimste Themen und jedwede Falschdiagnose würde mir keinerlei Vorteile verschaffen.

Was soll ich denn tun, damit mir jemand glaubt, wie dreckig es mir geht und ich ihm nicht erst beweisen muss, dass ich Hilfe brauche?

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 5. Nov 2011, 14:14
von Zarra
Hallo Erdgespenst,

für mich klingt das alles nicht besonders gut und auch irgenwie verworren. ...

1) Du nimmst seit einigen (x?) Wochen ein Antidepressivum ein. Merkst Du eine positive Wirkung? - Wenn gar nicht, dann solltest Du da auf eine Veränderung drängen: Erhöhung, Absetzen oder Wechsel. - Ich würde denken, daß es für die Diagnose Depression sprechen würde (muß aber nicht stimmen; so kompetent bin ich da nicht), wenn Du eine Verbesserung Deines Gesamtbefindens verspürst. Wenn Du keine Verbesserung bemerken kannst, spricht das aber nicht dagegen. Viele sprechen nicht oder nicht genügend auf das erste versuchte Antidepressivum an.

2) Es gibt wohl einen ambulanten Psychiater und Psychotherapeuten, bei denen Du in Behandlung warst: Kannst Du mit einem von denen nicht mal ein Klärungsgespräch vereinbaren, wie es weitergehen könnte? - Außer es gibt in der Klinik jemand Geeigneteres; dann würde ich das vorziehen.

3) Dann, "daß Dir niemand Dein schlechtes Befinden zu glauben scheint": So stimmt das ja wohl nicht. Denn irgendwie bist Du ja wohl in die Tagesklinik gekommen; da wird ja eventuell der Psychiater mit beteiligt gewesen sein; und jeden, "der mal kurz heult", nehmen die auch nicht auf. Das sind also vielleicht eher auch mit Deine eigenen Befürchtungen, genährt von Deiner Familie (die damit unbewußt vielleicht auch "eigene Interessen verfolgt").
Ich möchte Dir eigentlich eher gerade Mut machen, nochmals mit jemand anderem (andere Klinik?!) über Dein Befinden zu sprechen!
Deine Frage am Ende Deines Postings: Sei Du selbst und sei ehrlich; nicht mehr, nicht weniger. "Zaubere" keine suizidalen oder superdepressiven Anwandlungen hervor, wenn sie nicht da sind; denn das bringt nichts und hilft Dir nicht weiter, wenn das so nicht der Realität entspricht.

4) "Sie sind einfach nicht willens, ins Arbeitsleben zu gehen" - vielleicht würde ja sogar auch das in ein Symptombild passen; und dann gälte es für Dich, Dich damit auseinanderzusetzen. Suizidale Anwandlungen gehören aber garantiert nicht in den Normbereich junger, nur (!) arbeitsunwilliger Männer. Und es spräche aus meiner laienhaften Sicht zumindest einiges für Krankheit, wenn man sich freiwillig wegen "Arbeitsunwilligkeit" in eine Klinikbehandlung begäbe.

5) Kliniken sind u.U. sehr unterschiedlich. Und ich habe aus meinem Selbsthilfebekanntenkreis sehr unterschiedliche Berichte von Tageskliniken gehört; ich selbst habe mich mal von meinem Eindruck (und meinem damaligen Zustand!) her gegen eine entschieden.
Was würde dagegen sprechen, Deine Diagnose/n in der zuständigen psychiatrischen Klinik vollstationär abklären zu lassen?

6) Da ich den Eindruck habe, daß Du Dich auch etwas "verbeißt": Eine gesicherte Diagnose bedeutet - leider - nicht, sofort gesund zu werden. Vielleicht das mit auf den Weg ... Diagnosen sollten für die Behandlung wichtig sein, können und sollten die Richtung weisen (tun es leider aber nicht immer). Wichtiger ist aber eigentlich eine passende Behandlung. Und Du kannst ja, unabhängig von der Diagnose, schauen, was Dir gut tut, was Dir hilft, z.B. hilft, einen geregelten Tagesrhythmus hinzukriegen, Dich gut zu fühlen, Kontakte zu pflegen und zu genießen, Konzentration aufrecht zu erhalten. Was hast Du denn in der bisherigen Behandlung in der Tagesklinik für Dich an für Dich schädlichen Verhaltensmustern erkannt?

Alles Gute!

Zarra

Re: Falsch erkrankt für die Tagesklinik?

Verfasst: 5. Nov 2011, 15:22
von jonojo