ErzierherInnen / Sozpäds etc.

StellaRaven
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Registriert: 4. Jan 2011, 13:12

Re: ErzierherInnen / Sozpäds etc.

Beitrag von StellaRaven »

Einge von euren Beitragen, haben mich schwer zum nachdenken gebracht... Ich glaube echt, mein zweiter Vorname ist ' ambivalent'. Gestern fiel es mir zum ersten Mal so richtig schwer auf der Arbeit die Fassade hoch zu halten. Wir wissen ja selbst das unser Klientel für unsere Stimmung oft sehr sensibel ist. Ich hatte Mühe damit nicht los zu heulen und war nur froh als ich mich zurückziehen konnte. Ich vor dem Dienst auch noch einen ziemlichen Streit mit meinem Lebensgefährten, wahrscheinlich steht meine Beziehung kurz vor dem aus. Jedoch mache ich immer mehr Arbeitstermine entweder weil ich es mir selbst beweisen will oder mich eben deswegen nicht mir abgeben muss. Mir kommt es gerade auch so vor, als wären meine Statements alle ziemlich wirr.
Tournesol1342
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Re: ErzierherInnen / Sozpäds etc.

Beitrag von Tournesol1342 »

Super spannender und interessanter Thread, den ich seit einigen Tagen hier mitverfolge. Heute will ich auch mal ein paar Gedanken und Fragen beisteuern.

von lernfee:
"Depressionen sind inzwischen eine weit verbreitete Erkrankung, doch an einer Akzeptanz in der Öffentlichkeit hat sich leider nicht viel getan. Daran haben auch Suizide oder offene Geständnisse depressiver Prominenter nichts verändern können. Solange man immer noch das Gefühl haben muss, sich für diese Krankheit schämen zu müssen, kann man leider nicht offen damit umgehen."

Mit dieser Aussage triffst Du - wie ich finde - leider den Nagel auf den Kopf. Ich empfinde das genauso, obwohl ich mich gleichzeitig darüber aufrege, wie kleinkariert die Leute doch sind und wie ahnungslos...


Nun aber zum Thema.
Auch ich arbeite im sozialen/pädagogischen Bereich. Als ich 2008/09 fast ein komplettes Jahr krank geschrieben war und auf der Arbeit ausgefallen bin, habe ich mich vor meiner Rückkehr in den Beruf (an die gleiche Arbeitsstelle) natürlich auch gefragt: "Was sagst du den Leuten, die dich nach deiner Krankheit fragen?"

Für mich war schnell klar, dass ich kein Versteckspiel will - also haben die, die mich fragten, auch eine ehrliche Antwort bekommen. Natürlich habe ich nicht lauthals rumposaunt: "Hey Leute, ich hab' Depris!" Aber ich habe auch nicht gelogen sondern möglichst offen von meiner Krankheit gesprochen.
Auch wenn ich oft Angst hatte (und habe) deshalb als Versagerin oder Weichei abgestempelt zu werden: Es war und ist mir wichtig, dass es endlich aufhört mit dem Tabu "Depression" und mit der Stigmatisierung psychisch Erkrankter. Und dazu gehört für mich auch, zu meiner Krankheit zu stehen und mich - immer und immer wieder - zu "outen", wie jemand so treffend formuliert hat.

Meine Erfahrungen sind überwiegend positiv:
Viele Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe, wagten und wagen sich zuzugeben, dass auch sie - als Betroffene oder Angehörige - mit der Krankheit Depression zu tun haben. Die meisten von ihnen empfanden es als Erleichterung, dass jemand sich traut, offen darüber zu sprechen - weil auch sie dann offen über ihre Sorgen und Erfahrungen sprechen konnten.


nochmal von lernfee:
"Lieber spiele ich weiterhin die Starke, was mir bisher nach außen auch ganz gut gelungen ist. Es hat eben keiner hinter meine Fassade zu schauen. Sie ist mein Schutz, auch wenn es viel Kraft kostet, sie aufrecht zu halten."

Ja, auch das kenne ich nur zu gut. Viele Leute waren überrascht, dass ausgerechnet mich - die immer toughe, starke, kompetente und stets freundliche Seelsorgerin - sowas wie Depressionen erwischt!
Heute denke ich, dass meine Maskerade wirklich perfekt war - und dass es mich verdammt viel Kraft gekostet hat, sie aufrecht zu erhalten. Kraft und Energie, die ich vielleicht besser in's "wahre Leben", in den "Kampf gegen die Depression" investiert hätte... Aber das habe ich zu spät gemerkt. Da saß ich schon mittendrin, im Depri Loch. In meinem beruflichen Umfeld hat das keiner gemerkt ("Keep smiling!") - nur mir ging mehr und mehr die Puste aus.

So, nun habe ich aber schon wieder eine Menge geschrieben. Ich bin gespannt auf weitere Beiträge in diesem spannenden Thread!

LG, Tournesol


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Die Dinge sind nie so, wie sie sind.

Sie sind, wie man sie macht.

(J. Anouilh)
tiffiellen
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Registriert: 16. Jan 2011, 16:41

Re: ErzierherInnen / Sozpäds etc.

Beitrag von tiffiellen »

Hallo Ihr Alle!

Ich bin auch Erzieherin und arbeite 35Std/Woche. Ich kann mir nicht vorstellen, meinem Arbeitgeber von meiner Krankheit zu erzählen und auch nicht den Kollegen. Wenn ich mich krankschreiben lasse, brauche ich meist "nur" einige Tage Auszeit um mich zu erholen.
Da es bei uns üblich ist zu sagen, weswegen man krank ist, denke ich mir dann immer etwas aus bzw geben etwas an, was grade die Runde macht z.B. Magen-Darm, oder Bindehautentzündung.
Als ich im Sommer 3 Monate krank und in der Klinik war, hab ich per mail verkündet, dass ich in der Klinik bin und darum gebeten, dass auf der Krankmeldung nicht wie üblich der Stationsstempel erscheint, sondern nur das Kliniklogo. Auch an "Besucher" hab ich die Auskunft verboten. Das geht für mich gar nicht, dass mein Arbeitgeber bescheid weiß!

Bei der Arbeit funktioniere ich meißt ganz gut. Wenn es mir sehr schlecht geht, merke ich aber, dass ich ungeduldig und motzig mit den Kindern bin. Da ist für mich dann die Grenze zum krankschreiben, denn ich möchte nicht, dass die kinder es ausbaden müssen, wenn es mir schlecht geht.

Um meinen Haushalt zu schmeißen fehlt mir nach einem anstrengenden Arbeitstag aber oft die Kraft. Meine Kinder (im Teeniealter) übernehmen das dann oft. SIe sehen, wenn ichs nicht schaffe und tun es unaufgefordert! Das ist total schön und entlastet mich sehr. An Tagen wo ich Energie hab, erledige ich dann auch mal Dinge für sie, so gleicht es sich wieder aus.

Liebe Grüße Ellen
kiwilana
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Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Re: ErzierherInnen / Sozpäds etc.

Beitrag von kiwilana »

Hallo,

Lernfee schrieb:
> Depressionen sind inzwischen eine weit verbreitete Erkrankung, doch an einer Akzeptanz in der Öffentlichkeit hat sich leider nicht viel getan. Daran haben auch Suizide oder offene Geständnisse depressiver Prominenter nichts verändern können.
Was mich dabei an vielen Medien-Beiträgen ärgert, ist, dass Depression oft so dargestellt wird, als ob fast jeder Depressive irgendwann Suizid begehen würde bzw. ständig an Suizid denkt. Ich glaube, das Risiko beträgt etwa 15-20%, aber diese Information wird ständig/oft weggelassen. Es wird einfach nicht differenziert, auch was die zahlreichen weiteren Unterschiede und Erscheinungen von Depression angeht.

Lernfee schrieb dann noch:
> Solange man immer noch das Gefühl haben muss, sich für diese Krankheit schämen zu müssen, kann man leider nicht offen damit umgehen.
Ja, die Scham spielt wohl eine große Rolle. Wobei die Verantwortung/Aufgabe bei uns selbst liegt, uns davon zu befreien, zu denken, wir müssten uns dafür schämen. Der eine schämt sich, der andere nicht. Das gibt es in vielen Bereichen: Arbeitslosigkeit, Homosexualität, nicht den Schönheitsidealen zu entsprechen u.v.m.

Würde Offenheit einfach nur Scham bewirken, würde ich bestimmt öfter offener sein - und mal gucken, was passiert - vielleicht könnte ich/man dadurch die Scham dann auch überwinden. Die Angst vor größeren Konsequenzen ist da eher mein Problem, z.B. Ablehnung. Vor allem davor eine Stelle nicht zu bekommen. Dieses Risiko ist sicherlich groß.

Und konkret zum Thema SozPäd: Mit den Klienten an sich hatte ich da weniger Probleme, wenn ich mal darüber nachdenke. Die Überforderung (in meinem Kopf/Gefühl) entstand auch sehr stark mit Blick auf Arbeitgeber und Kollegen. Ob ich es so gut mache wie sie, ob meine Leistung in ihren Augen professionell ist, ob ihnen etwas "Komisches" an mir auffällt. Vor einer solchen Beobachtung/Beurteilung durch Klienten hatte ich weniger Angst. Vielleicht, weil ich dachte, wenn Klienten etwas merken, hätten sie bestimmt eher Verständnis, weil sie ja auch wissen, wie es ist, wenn man Probleme hat bzw. dass das keine besondere Rolle spielt, solange die Zusammenarbeit gut läuft - und gar nicht erst großartige Nachfragen kommen würden. Bei Arbeitgebern oder Kollegen hätte ich aber Angst, dass ich als Mitarbeiterin dann nicht mehr so wirklich ernst genommen werde. Und mich die Kollegen (weil eben SozPäds) dann analysieren würden und am besten noch intervenieren wollen o.ä.

Was denkt ihr darüber? Liebe Grüße, Kiwi
Tournesol1342
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Registriert: 13. Jul 2010, 20:05

Re: ErzierherInnen / Sozpäds etc.

Beitrag von Tournesol1342 »

von kiwi:
"Die Überforderung (in meinem Kopf/Gefühl) entstand auch sehr stark mit Blick auf Arbeitgeber und Kollegen. Ob ich es so gut mache wie sie, ob meine Leistung in ihren Augen professionell ist, ob ihnen etwas "Komisches" an mir auffällt."

Ja, diese Gedanken kenne ich natürlich auch. Mal abgesehen davon, dass ich keine Kolleginnen und Vorgesetzen habe, die mir den lieben langen Arbeitstag "auf die Finger schauen", frage ich mich aber schon:
"Merkt niemand was?" "Machst du deine Sache gut genug?"

Die größten Zweifel an meiner Leistung jedoch hatte und habe ich selbst. Ich selbst war und bin immer unzufrieden mit dem, was ich "abliefere". (...und da ist es egal, ob es mir gerade gut oder schlecht geht).
Das macht natürlich alles nur noch schlimmer...

Natürlich - das will ich meinem ersten Beitrag von gestern noch gern hinzufügen - habe ich auch Angst und Sorge, was mein "Outing" für negative Konsequenzen haben wird. Damit meine ich weniger die Sorge um meinen Arbeitsplatz, als vielmehr das Gerede der Leute und ihre (vermeintlich negative) Einstellung mir gegenüber, wenn sie wissen, dass ich immer wieder unter Depressionen leide.
Aber ich bleibe dabei: Vieles spielt sich nur in meinem Kopf ab - "Was denken die über mich?"... und meine Aufgabe ist es nun, zu schauen, was denn wirklich ist und was nur falsche und ungute Gedanken.


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