Depression beginnend in der Kindheit

waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von waltraut »

Lieber Thomas, es ist so gut,daß es dich gibt.Und ich habe wirklich das Gefühl,daß auch für dich beim Schreiben für andere die Dinge klarer werden.Ich kenne auch das Gefühl,das du beschreibst,daß man sich wie 2 Personen vorkommt,eine jammerige,kleingläubige,dunkle,starre - und eine zuversichtliche,großherzige,helle und lebendige Person. Und die wechseln sich ständig ab,manchmal rasend schnell. Meine Hoffnung ist,daß diese Aufs und Abs mit der Zeit und der Arbeit an uns immer weniger plötzlich und heftig werden, und daß eines Tages die 2 Personen sich treffen zu einem ganzen feinfühligen,offenen,freimütigen Menschen. Was du schreibst über die mögliche neue Qualität des Lebens,kann ich nur bestätigen. Glaubst du,daß ich manchmal sogar dankbar bin für die Depression!!! Ich habe eine ganz andere Beziehung zum Leben,zu mir und zu anderen Menschen bekommen,wenn ich auch von einer Ganzheit noch weit entfernt bin. Ich mache mir bei dir nur manchmal Gedanken,ob du vielleicht ein bißchen viel in unsere Schicksale investierst und dich dabei vernachlässigst?? Ich merke bei mir selber,daß ich fast zu jedem Beitrag etwas sagen möchte (ich hab ja schon eine sehr lange,variantenreiche Depressionskarriere!),daß ich mich aber zurückhalten muß,weil es sonst ein Ganztagsjob wird... Aber versteh mich richtig - wenn es für dich ok ist,kein Wort von dir ist zu viel. Du triffst immer den Kern,und das mit ganz viel Herzenswärme.Und du bist eine Hoffnung! Was meine Mutter angeht,so war es nicht Herzlosigkeit,sondern Schwäche gegenüber den Argumenten der starken Schwiegermutter,daß sie mich weggegeben hat. Aber bei mir hat es eine totale Verunsicherung ausgelöst. Ich fühlte mich ausgegrenzt und abgelehnt.In der Folge habe ich dann mein Leben lang nach dem Menschen gesucht,der mich bedingungslos liebt. Als ich ihn dann (mit 39 Jahren) in meinem Mann fand,konnte ich es nicht akzeptieren. Es hat Jahre gedauert,bevor ich begonnen habe,ihm zu vertrauen. Gleichzeitig habe ich gelernt,mich aus der Abhängigkeit von meiner Stammfamilie zu lösen und versuche jetzt,mir selbst Vater und Mutter zu sein.Aber es ist schwer... Alles Liebe Waltraut
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von heike56 »

Lieber Thomas, den Worten von Waltraut kann ich mich nur anschließen, Du gibst soviel hier, bringst es auf den Punkt. Schön, dass Du hier bist. Liebe Waltraut, mir geht es ähnlich wie dir. Ich bin auch schon lange krank, und ich neige auch dazu, mich viel mit diesem Forum zu beschäftigen und vergesse, wie es so typisch für uns ist, mehr auf mich selber zu achten. Aber da muß jeder auf sich selber auch aufpassen. Ich habe ähnliche Erfahrungen, wie ihr durch die Erkrankung, gemacht. Auch für mich hat das Leben eine ganz neue, bessere Qualität bekommen. Auch dass man zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten hat, je nachdem wie gut oder schlecht es einem geht, dass ist genau meine Erfahrung. Ganz liebe Grüsse von Heike
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von waltraut »

liebe Heike, magst du mal ein bißchen von dir erzählen? Ich hab gestern einen schönen Vergleich gelesen: der Mensch hat nicht eine einzige Persönlichkeitsstruktur,er ist gleichzeitig gut,böse,stark,schwach,froh,traurig,usw.,er ist ein Diamant,aus vielen Facetten,die verschieden stark geschliffen sind und deshalb verschieden stark aufleuchten. Vielleicht müssen wir bloß die richtigen Facetten ein bißchen nachschleifen?? Wie gefällt dir das Bild? Eine recht gute letzte Adventswoche, herzlichen Gruß Waltraut
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von heike56 »

liebe Waltraut, das Bild gefällt mir gut. Ich mag das Zeichen für Yin und Yang, stark und schwach, klug und dumm, alle Eigenschaften auch in ihren Gegensätzlichkeiten gehören zu einem. Im Moment ist mir nicht nach Schreiben. Ich habe heute erfahren, dass meine Mutter (77) Krebs hat und damit muss ich ertmal fertig werden. Ich schreibe später mal mehr über mich. Liebe Grüsse Heike
sibylle
Beiträge: 31
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von sibylle »

Hallo, Ihr dort draußen, hallo Waltraut: Das Diamantenbild hat auch mir sehr gefallen. So sollte es sein. Ich glaube, viele von uns sehen sich als Diamanten, der noch von der Kohle bedeckt und schwarz und traurig ist, es ist halt schwer, sich selbst so wunderschön zu empfinden. Ich wollte Euch allen schöne Weihnachten wünschen und Euch ermahnen, dass wir uns annehmen, so wie wir sind; schimmernd und strahlend und etwas ganz Besonderes, jeder auf seine Art. Liebe Grüsse Sibylle P.S. Liebe Heike, ich hoffe, dass es Dir bald wieder bessergeht. Man ist in solchen Fällen oft sprachlos, will helfen, kann aber nicht. Vielleicht ist es trotzdem ein winzigkleiner Trost, dass Menschen an Dich denken, die das gleiche durchgemacht haben.
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von waltraut »

Liebe Sibylle,liebe Heike, schön,daß euch das Bild gefallen hat. Heike,ich denke ganz herzlich an dich. Vor einem Jahr habe ich um meinen Mann gebangt,er ist heute wieder "heil",ich hoffe,daß man auch deiner Mutter helfen kann und daß es jemand gibt,der sich an Ort und Stelle um sie kümmern kann,wenn du schon so weit weg bist! Vor allem aber wünsche ich dir,daß es dir gelingt,mit deiner Mutter ins Gespräch zu kommen,das eine oder andere aufzuarbeiten. Ich hab nach dem heftigen Krach zwei sehr gute lange und ehrliche Telefonate mit meiner Mutter gehabt,die mich viel ruhiger gemacht haben. Vielleicht kannst du Frieden schließen mit deiner Kindheit. Meld dich einfach,wenn dir wieder danach ist. Und Sibylle,wie gehts dir? Ich hab noch mal deine Beiträge am Anfang gelesen. Du schreibst da von dem "emotionalen Mißbrauch",den deine Eltern an dir begangen haben.Da hab ich kürzlich etwas sehr Wichtiges gelesen: wenn wir ständig unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen,um anderen zu Gefallen zu sein (zu gefallen oder zu Gefallen zu sein,ein faszinierendes Wortspiel!),dann treiben wir selbst emotionalen Mißbrauch mit uns selbst!! Und wundern uns dann noch,wenn andere uns so wenig respektieren wie wir selbst es tun! Also,du schimmernder Diamant,strahlen wir um die Wette... Ich wünsche dir wirklich schöne Feiertage, lieben Gruß Waltraut
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von heike56 »

Liebe Sibylle, als ich deine Worte gelesen habe, sind mir die Tränen gekommen. Ganz herzlichen Dank, es tut so gut zu merken, dass man nicht alleine damit ist. Ich wünsche dir schöne Weihnachtstage Liebe Grüsse Heike
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von heike56 »

Liebe Waltraut, ich habe gerade deinen Beitrag gelesen und möchte auch dir herzlich danken. Mein Vater lebt auch noch, aber er kann auch nicht mehr gut laufen und hat Anzeichen von Demenz. Sie ist nicht ganz alleine und hat auch noch Freundinnen. Ein Problem scheint sich zu lösen, die Frage, was wird mit meinem Vater, wenn sie im Krankenhaus ist. Es gibt wohl die Möglichkeit ihn in einer Kurzzeitpflege unterzubringen. Es gibt mir ein bißchen Hoffnung, dass dein Mann wieder "heil" ist. Ich wünsche auch dir schöne Feiertage. Ich melde mich wieder. Liebe Grüsse Heike
Brunhilde Blasius
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Brunhilde Blasius »

Es ist beruhigend zu erfahren, dass es anderen ähnlich geht. Ja, ich glaube auch man kann eine Depression als Bereicherung sehen. Es ist wie ein Wunder, wenn das Dunkel sich wieder auflöst und ich wieder normal sehen kann. Ich bin dann sehr dankbar für die kleinen großen Schönheiten des Lebens. Wie Wintersonne und blauer Himmel. Bei mir ist das komisch, wenn ich depressiv bin,sehe ich die Schönheiten auch noch, aber wie durch einen Schleier dringen sie nicht bis zu meinem Herzen. Es hat mir gut getan, das zu schreiben.
Thomas

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Thomas »

Hallo Brunhilde, "wenn ich depressiv bin,sehe ich die Schönheiten auch noch, aber wie durch einen Schleier dringen sie nicht bis zu meinem Herzen." ja, das kenne ich auch- ich nenne es gefühlte Gefühllosigkeit- Mir tut das sehr weh, es gibt mir ein Gefühl, als hätte ich das Wertvollste im Leben verloren. Und kennst du das: Wenn ich mich später an eine Situation während der Depr. erinnere, erinnere ich mich auch an die Gefühle, obwohl ich die ja gar nicht hatte! Herzlicher Gruß Thomas
Brunhilde Blasius
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Brunhilde Blasius »

Hallo Thomas, nach einer Depri erinnere ich mich glaube ich nur an Mutlosigkeit, Kraftlosigkeit,... und an ein Gefühl der Kleinheit und Hilflosigkeit. Aber am schlimmsten ist das Gefühl des Versagens im Gegensatz zu den vielen anderen die alle Belastungen besser packen. Ich fühle mich dann so unwert. Herzlicher Gruß Brunhilde
sibylle
Beiträge: 31
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von sibylle »

Guten Abend, Heike, Thomas, Waltraut, Ihr alle, es ist so wunderschön, mit Euch zu kommunizieren. Wisst Ihr eigentlich wie wach und lebendig Ihr seid ('tschuldigung, "wir" sind)?! Ich glaube, dass kein Mensch, der nicht ganz unten im Dunkel stand, wirklich weiß, wie es ist, im Hellen zu leben. Wir sollten unsere Erfahrungen als Bereicherung empfinden, da ich (da stimme ich mit Tom überein) nicht glaube, dass wir die Menschen geworden wären, die wir sind, wenn wir ein ganz normales, durchschnittliches Leben gehabt hätten. Auch wenn es mir heute noch schlecht geht, wenn ich einen Lichttag habe (was immer öfter vorkommt), bin ich für die dunklen Seiten doch irgendwie dankbar. Wenn ich nämlich irgendwelche oberflächlichen Menschen sehe, die niemals gelernt haben, was wirklicher Schmerz bedeutet, bin ich dankbar für mein Leben. Denn es hat mir gezeigt, was es bedeutet "zu leben". Die lichten Dinge des Lebens erscheinen mir vor meinem persönlichen Hintergrund unendlich viel wertvoller und wichtiger als - so glaube ich - jemandem, der niemals die Schatten gesehen hat. Es ist wie bei Orpheus und Eurydike: Wenn Ihr in den Schatten seid, dürft Ihr nicht zurückblicken. Nur nach vorn. Hört sich wahrscheinlich furchtbar pathetisch an, hm? Aber für mich ist es so. Weil wir alle Diamanten (!) sind, und wir sind alle schön. Sibylle
leo
Beiträge: 77
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von leo »

Sibylle, das hast du wunderschön geschrieben! Danke! Man wird wirklich bescheiden. Morgens aufzuwachen und die Last auf der Seele einmal nicht zu spüren, ist ein unbeschreibliches Glück! Wenn die Energie wieder in den Körper strömt, wenn man die Menschen um sich herum wieder richtig wahrnehmen kann, wenn man Liebe in sich fühlt - das ist Glück. Vielleicht ist das auch Glück: an Stelle der lähmenden Depression nur die stille Traurigkeit zu spüren, aus der heraus man tätig werden kann und die den Blick öffnet für den Schmerz der anderen. Als einzigen Vorsatz fürs neue Jahr hab ich mir vorgenommen, wieder zu malen. Liebe Grüße von Leo
Monika 44

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Monika 44 »

wunderschön liebe sibylle, ich war echt sprachlos als ich deine zeilen gelesen habe! Dazu fällt mir jetzt gar nichts ein gruss momo
inka
Beiträge: 285
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von inka »

lieber thomas, gerade erst habe ich deine zeilen gefunden. vielen dank-du hast in allem recht was du schreibst. vor allem:"Ich glaube zu verstehen, warum du zwischen einem alten und einem neuen Ich hängst. Vielleicht beginnst du gerade, die (trügerische) Sicherheit deines alten Lebens aufzugeben und ein neues hast du noch nicht. Das ist so, als würde man sein Haus verkaufen ohne zu wissen, wo man jetzt wohnen soll, man steht buchstäblich mit seinen Habseligkeiten auf der Straße. Was könnte man da anderes empfinden als Angst? Es ist einfach ein langer und einsamer Weg, den man vor sich hat, wenn man endlich wissen will, wer man eigentlich wirklich ist. " GENAU SO ist es! danke dass du das so schreibst- danke dass du das kennst. du weißt ja sicherlich wie gut mir das tut?! liebe waltraut, das was du schreibst:"...das Gefühl,das du beschreibst,daß man sich wie 2 Personen vorkommt,eine jammerige,kleingläubige,dunkle,starre - und eine zuversichtliche,großherzige,helle und lebendige Person. Und die wechseln sich ständig ab,manchmal rasend schnell. " das kenne ich auch und das macht mir solche angst. ich frage mich dann immer, wie kann man nur so extrem, so gegensätzlich sein, das geht doch irgendwie nicht zusammen...gehört das auch zur depression? inka
Thomas

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Thomas »

Hallo Brunhilde, während meiner 300 Std. dauernden Analyse war das sehr oft ein Thema: die eigene Unzulänglichkeit, die quälende Leistungsunfähigkeit, nicht mehr belastbar zu sein. Meine Therapeutin sagte dann oft, dass eine Depr. eine enorme psych. Leistung darstellt, dass da ganz viel passiert, selbst wenn man Stillstand empfindet. Ich habe das nie so ganz verstanden, weil ich ja anders fühlte. Erst viel später habe ich eingesehen, wie recht sie hatte. Wenn man eine Depr. überwunden hat, und damit beginnt man am ersten Tag, hat man eine große Leistung vollbracht- und wer das nicht erlebt hat, kanns eben nicht verstehen. Nach der Überwindung meiner ersten Depr. hatte ich eine Phase von ca. 8 Wochen, in denen ich täglich bis zu 14 Std. schlief, vor lauter Erschöpfung über das Durchgestandene. Klar, mit Leistungsfähigkeit im üblichen Sinne hat das nichts zu tun, aber es ist dennoch eine Leistung, vergleichbar vielleicht am ehesten mit dem Überlebenskampf eines Menschen, der durch die Wüste irrt. Herzliche Grüße Thomas
inka
Beiträge: 285
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von inka »

...genau so fühlt es sich an... inka
Monika 44

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Monika 44 »

treffer thomas, und vielen dank nochmal für deine hilfe am anfang Momo
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von waltraut »

Hallo Sibylle und ihr alle, den wunderschönen Text leg ich mir unter den Weihnachtsbaum! Inka,nachdem ich jetzt deine Hilferufe in den verschiedenen threads gelesen habe,wünsche ich dir vor allem,daß du ganz schnell einen vernünftigen Arzt findest. Die Idee,ihm das Buch von Kuiper zu schenken,finde ich grandios. Vielleicht ist er lernfähig (für andere).Du aber nimm Abschied von ihm. Ich habe ein Jahr bei der falschen Therapeutin ausgehalten,weil ich immer geglaubt habe,es liegt an mir. Sie war alles,was ein Arzt oder Therapeut nicht sein darf, ironisch, launenhaft, unzuverlässig. Das Schlimmste,sie hat ständig zwischen Nähe und Distanz gewechselt. Ich will dir also Mut machen,dir jemand anderen zu suchen.Es gibt Ärzte,die genug Einfühlungsvermögen haben,um dir zu helfen. Und,es gibt keinen Grund,Angst vor der Psychiatrie zu haben. Im Gegenteil,die Chance,das man dort auf Menschen trifft,die uns verstehen (Ärzte,Therapeuten,aber auch andere Patienten), ist viel größer als in der normalen Arztpraxis. Euch allen wünsche ich ,daß die Weihnachtstage ohne Druck und Spannungen friedlich vorbeigehen. Alles Liebe Waltraut
inka
Beiträge: 285
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von inka »

hi waltraud- was du schreibst:"Das Schlimmste,sie hat ständig zwischen Nähe und Distanz gewechselt." das war bei meinem arzt genauso. mal hat er mir von seinen freundinnen erzählt oder ähnliches, ein ander mal war er wieder ganz förmlich. mal lädt er mich zum kuchen essen ein, ein ander mal grüßt er mich kaum wenn wir uns in der stadt sehen. das ist alles sehr verwirrend...
Thomas

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Thomas »

Liebe Waltraut, ich habe dir noch nicht geantwortet auf das, was du mir am 18. geschrieben hast. Ich habe mir Zeit gelassen, weil ich Zeit brauchte, um darüber nachzudenken: Dass ich vielleicht zu viel Energie investiere in der Auseinandersetzung mit den Menschen des Forums hier, und mich dabei vernachlässige. Diesen Gedanken nehme ich sehr ernst, es ist ja ein Verhaltensmuster depr. Menschen, anderen die Zuneigung zu geben, die sie für sich selbst nicht erübrigen können. Woran kann ich das erkennen, wie kann ich sicher sagen, so ist es nicht? Ich bin zu keiner klaren Antwort gekommen, kann vor mir selbst nicht den Beweis antreten, dass es so nicht ist, nur mein Gefühl sagt es und Gefühle können bekanntlich trügen. Das macht mich unsicher, auch ohne deinen Hinweis beschäftigt mich das schon seit langem. Ich könnte wie du den ganzen Tag hier sitzen und schreiben und darüber die Welt vergessen. Darum möchte ich dich fragen: Was ist dein Motiv, was gibt dir die Kraft dazu, so einfühlsam und vorsichtig überall anwesend zu sein, für jeden einen freundlichen Gedanken zu haben und so viele wohltuende Worte? Kaum ein thread, in dem man dich nicht antrifft- du heißt Neuankömmlinge willkommen, tröstest, baust auf, immer mit bewundernswerter Zurückhaltung, Feinfühligkeit und Vorsicht. Kannst du sagen, warum? Es ist nicht so, dass ich deine Frage mit einer Gegenfrage beantworten will, ich erhoffe mir mehr Klarheit für mich selber, falls du antworten möchtest. Ein ganz lieber Gruß Thomas
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von waltraut »

Lieber Thomas, ich nehme deinen lieben Brief als Weihnachtsgeschenk. Ich habe mich sehr über deine Worte gefreut! Du fragst nach meinem Motiv - die erste Antwort darauf kommt sofort aus meinem Bauch. Es ist eine ganz große Dankbarkeit. Dankbarkeit,daß ich endlich nach vielen sehr schmerzhaften Jahren den Absprung aus diesem Kreislauf von Schuldgefühlen, Selbstbeschimpfung,Wut und Ohnmacht,Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gefunden habe. Ich sehe mich an einem ähnlichen Platz wie dich: immer noch gefährdet,immer noch Stunden,Tage,manchmal Wochen tiefer Niedergeschlagenheit und Lähmung,aber mit dem unerschütterlichen Wissen tief in mir,daß es auch diesmal wieder vorbeigehen wird und daß ich insgesamt immer besser damit zurecht komme. Begonnen hat die Veränderung genau in dem Augenblick,als ich die Krankheit voll angenommen habe und erkannt habe,daß nur ich selbst den Weg heraus finden kann.Alle die Menschen,die mir dabei helfen,können mir immer nur den Weg zeigen. Gehen muß ich ihn selbst,Schritt für Schritt. Jeder kleinste Schritt in die richtige Richtung ist ein Fortschritt. Und das möchte ich so gern vermitteln,Mut machen,die Herausforderung dieser Krankheit anzunehmen. Und genau das tust du in einer so wunderbaren Art,daß es kein Wunder ist,wenn du gefragt wirst,ob du Psychologe bist! Weißt du,jeder Satz von dir bestätigt mich in meinem Gefühl (worüber wir schon mal gesprochen haben),daß die Depression das Wichtigste,wenn nicht sogar das Beste ist,was mir in meinem Leben begegnet ist. Schwierig wird es dann,die Grenze zu ziehen zwischen dem Kümmern um andere und dem Ausweichen vor dem eigenen Leben.Ich sehe für mich ein Warnzeichen,wenn ich merke,daß ich über den virtuellen Freunden die "leibhaftigen" um mich herum vergesse. Oder wenn ich Dinge,die mir eigentlich wichtig sind,Klavier spielen, lesen, Veranstaltungen besuchen oder mit den Enkeln spielen,vernachlässige. Ich glaube nicht,daß dich dein Gefühl trügt.Wenn du dich bereichert und kraftvoll fühlst,nach dem du gelesen und geschrieben hast,dann muß es doch in Ordnung sein. Aber zögere nicht,wenn es dir einmal nicht so gut geht,auch darüber zu schreiben. Hab ich auch schon getan,sogar in recht jämmerlicher Weise. Ich hab mir da gedacht,wenn ich das im Forum nicht kann,dann ist es für die Katz. Und damit komme ich zum zweiten Motiv: ich bin jemand,der seine Gedanken im Gespräch klärt. Ich kann sehr schlecht allein vor mich hin denken. Wenn ich es aber für jemand anderen formuliere,wird es auch für mich fassbar. Und das dritte Motiv: ich spüre hier eine solche Herzenswärme,Behutsamkeit und Mitgefühl von allen für alle,daß mein etwas sperriges eigenes Herz dabei aufgeht. Frohe Weihnachten,Thomas,und ein paar wirklich schöne Stunden mit deiner Familie wünsche ich dir, alles Liebe Waltraut
Rita47
Beiträge: 10
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Rita47 »

Liebe Waltraut, du hast mir aus dem Herzen gesprochen. Ich wünsche Dir und allen anderen ein schönes besinnliches Weihnachtsfest. Wenn es uns so gut gelingt in andere einzufühlen und andere aufzubauen, vielleicht schaffen wir es da auch mit uns ein bisschen kiebevoll umzugehen. In diesem Sinne Tschüß Rita.
inka
Beiträge: 285
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von inka »

lieber thomas, ich wünsche dir eine schöne weihnacht! danke, dass du für mich da warst... inka
Thomas

Depression beginnend in der Kindheit

Beitrag von Thomas »

Liebe Inka, wie es dir wohl ergangen ist an Heiligabend? Hoffentlich sind die emotionalen Wellen im Familienkreis positiver Natur gewesen, wie es sein sollte (aber nicht immer gelingt). Bei uns wars ganz entspannt, wir haben bis morgens um 3 Spiele gemacht und ich hab dabei so viel vom Cognac meines Schwiegervaters gesüffelt, dass ich gerade jedes Wort 2x schreiben muss- sonst wärs Gestammel. Ich war sehr gerne hilfreich für dich, Inka und dein Dank macht mich stolz. Dir auch schöne Weihnachtstage! Thomas
Antworten