Gelassenheit oder Leidenschaft ?

HelH3
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von HelH3 »

Hallo zusammen,

gaaanz gelassen in der Abendsonne sitzend, wundere ich mich ein wenig über den jüngsten Verlauf in diesem Thread und habe den Eindruck, dass Virginias letztes Posting gründlich missverstanden wurde, in diesem Fall von Thomas.

Virginia schreibt: "Ich persönlich empfinde es als befriedigend, jemandem, der z.B. etwas Verabscheuungswürdiges getan hat, das zu sagen... ihm zu zeigen, dass er zu weit gegangen ist." Dem stimme ich uneingeschränkt zu und glaube auch, dass das Nicht-Aufzeigen von Grenzen gegenüber anderen ein häufiges Problem bei Depressiven ist - hat mE mit einem Mangel an Selbstachtung, Selbstbewusstsein zu tun, zumindest dann, wenn man selbst Adressat der verabscheuungswürdigen Tat war. Ist man hingegen Beobachter/ Zeuge einer solchen, kann es auch eine Frage der Zivilcourage sein, deutlich Stellung zu beziehen, wenn man zB sieht/ hört, dass jemand misshandelt, unterdrückt oder gedemütigt wird. Oder, mal ein paar Nummern kleiner: Wenn jemand groben Unfug daherquatscht, ist es dann gesünder, ihn zu ignorieren oder ihm die Meinung zu geigen, ihm zu sagen, was man von so einer gequirlten Sch*** hält? Wenn ich mich zB in einer Diskussion befinde, in der jemand menschenverachtendes, rassistisches Zeuch daherlabert, dann widerspreche ich ihm lieber leidenschaftlich als mich in Gelassenheit zu üben und halte das für wesentlich gesünder. Wer austeilt, muss auch einstecken können

Ich verstehe die Ausführungen von Virginia ganz klar so, dass sie hier von einer REaktion spricht, nicht etwa von einer willkürlichen Aktion nach dem Motto "Bin irgendwie gerade schlecht drauf, also muss jetzt jemand anders leiden."

Gelassenheit oder Leidenschaft, richtig oder falsch? Je nach Anlass, meine ich...

Beste Grüße von Helena
triste
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von triste »

Hi Thomas,

Du findest das nicht "sozialverträglich"?
Jetzt musste ich echt lachen....Du meine Güte, ich gehe ja nicht los und prügele mich, ebensowenig, wie ich jemanden beschimpfe oder bewußt verletze.

Da Du ja eine völlig unverhältnismäßige Vergleichsebene mit dem Vergewaltiger gewählt hast, bleibe ich jetzt mal dabei, mit einem ebensolch drastischen Beispiel:
Der Neonazi, der die Migrantin anmacht. Die angetrunkenen Jungmänner, die eine junge Frau belästigen..der Assi, der seinen Hund schlägt....es gibt genug Beispiele von Menschen, denen es nach meinem Geschmack mal ganz gut täte, wenn ihnen jemand etwas entgegensetzen würde und tue das auch. Das bedeutet nicht, dass ich denen Prügel androhe oder sie beschimpfe, sondern dass ich ihr Verhalten offen kritisiere.

Ich habe vorhin bewußt den Ausdruck "Fresse polieren" gewählt, weil das genau den Punkt trifft: Es gibt Leute, die man zum Kotzen findet weil sie eine Grenze überschritten haben. Und denen nicht mit besonnener, zugewandter Freundlichkeit beizukommen ist.
Die haben Konfrontation verdient, weil sie es mit ihrem Verhalten herausgefordert haben. Jetzt wirst du sagen: wer bestimmt denn diese Grenze, das ist doch Deine Empfindung. Ja genau, es ist meine Empfindung - und deshalb ist sie für mich relevant.

Du tust gerade so, als ob ich ein unkontrollierter, brutaler Schläger wäre und ich wundere mich nur über Deine Empörung. In Deiner Welt geht es meiner Meinung nach viel um Selbstkasteiung, Selbstzensur, Selbstunterdrückung. Gelassenheit schön und gut, ich schrieb ja bereits, dass ich für mich die Erfahrung gemacht habe, dass es gut tut, das zu üben.
Aber lass´doch auch mal Deine echten Gefühle heraus, da kommt dann nämlich auch viel Wut und Ärger und Enttäuschung zum Vorschein... den Mut muss man aber natürlich auch haben, sich das anzuschauen und evtl. auch zu sagen: Entschuldigung, da habe ich überreagiert.

Um Deine Frage zu beantworten:
Wenn mich jemand verletzt, körperlich oder verbal, dann muss er damit rechnen, dass ich zurückschlage (körperlich ziehe ich den Kürzeren und Gewalt ist mir ein Greuel. Aber er wird damit rechnen müssen, dass ich mich wehre).
Ich finde es ganz komisch, sich in diesem Fall zurückzuziehen und sich zu fragen :Was hat mich denn jetzt so verletzt? Und kann ich nicht mit Gelasssenheit reagieren?
Nö. Ist nicht meins.
Aber ich finde es schon sehr befremdlich, dass Du versuchst, mich als unsensiblen, brutalen Rüpel darzustellen, obwohl Du mich kennst.

So - Polizeiruf fängt an.
Gruß von Virginia
flora80
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von flora80 »

Hallo zusammen,

ich bin absolut der Meinung, dass Gefühle rauslassen etwas Befreiendes und erleichterndes haben kann. Grundvoraussetzung ist, dass man die Gefühle deutlich spürt bzw. unterscheiden kann. Wenn das so ist, ist das ja für jeden Depri erst mal prima. das sprichwörtliche "seinem Ärger Luft machen", klar kann das gut tun. Und wenn es um Aggressionen und Verletzen geht, dann gibt es auch tausend Möglichkeiten, das rauszulassen: Ein Kissen verprügeln, im Wald laut schreien, ne Stunde joggen gehen, was auch immer. Das hilft manchmal. Wenn das passiert ist, geht es ganz wunderbar, dem anderen ruhig und ohne Aggression zu sagen, was man weniger optimal findet und wie man das persönlich gerne anders hätte. Die Kunst besteht darin, das vorher zu erkennen und nicht einfach ungefilterte Wut auf jemand anderen einprasseln zu lassen. Davon hat keiner was. Ich denke, jeder von uns wird manchmal extrem sauer, wütend, schreit vielleicht auch mal einen anderen an oder lässt seinen kompletten Frust an falscher Stelle ab, ist ungerecht, etc. Es ist menschlich, dass das ab und an passiert. Aber gut ist das doch nicht deshalb, weil es allen passiert, oder? Und wo wäre da die Grenze? Wie oft wäre "gesund" und wie oft "krank"? Sicherlich würde keiner von uns jemanden, der permanent cholerisch rumwütet als gesund bezeichnen. Aber jemanden, der das immer erst ein halbes Jahr lang innerlich brodeln lässt, um es dann Vulkanartig abzulassen sicherlich auch nicht. Hm... Gesund würde ich persönlich finden, zu akzeptieren, wenn es passiert, das aber zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zu hinterfragen und evtl. dann zu sehen, dass es andere Möglichkeiten gegeben hätte. Das hat dann nichts mit permanenter Kontrolle zu tun, sondern damit, sein Leben stressfreier zu gestalten. Absolute Gelassenheit in Stressituationen ist sicherlich auch eine eher krankhafte Verhaltensweise, wenn es dabei darum geht, ein bestimmtes Bild von sich nach außen aufrecht zu erhalten. Dann ist es auch eher Selbstbeherrschung (und das Wort an sich zeigt ja schon, dass da etwas unterdrückt wird). Wenn das aber einer echten Freiheit von negativem Stress entspringt, dann finde ich das jedoch vollkommen in Ordnung. Und Leidenschaft im positiven Sinne zulassen, das ist ja noch mal was Anderes. Ich finde, man kann sehr Leidenschaftlich mit einer Sache oder auch mit einem Menschen sein, ohne dabei negativ oder verletzend sein zu müssen. Eine Leidenschaft kann auch einfach einer großen Freude entspringen. Oder auch dem Streben nach Veränderung als positives Ziel. Gelassenheit widerspricht in dem Sinne also keiner Leidenschaft.

Grüße von Flora
Liber
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo,

na, da geht es ja ganz schön her

Natürlich ist es richtig, mich zu wehren, Einhalt zu gebieten, wenn meine Grenzen überschritten werden!

Nur fragt sich eben, WIE. Und auf welche Weise ist es "gesund", um darauf zurückzukommen.

Kann ich in Gelassenheit meine Grenzen wahren???

Gelassenheit und Leidenschaft müssen sich aus meiner Sicht nicht ausschließen. Es ist wirklich die Frage, wie wir Gelassenheit verstehen.

Gelassenheit bedeutet, wie ich es verstehe, niemals, Gefühle zu unterdrücken, aber genauso wenig, alles an mir abprallen zu lassen.

Also, wie geht es dann??

Für mich ist ganz wichtig, zu begreifen, dass es immer um mich geht. Auch wenn ein anderer mich stört, es geht dabei dennoch immer um mich.

Und die nächste Frage ist dann, WIE ich mich äußere.

Bei manchen Menschen muss ich vielleich wirklich einen Schrei loslassen, um überhaupt gehört zu werden, um überhaupt zu ihnen durchzudringen. Bei anderen komme ich jedoch anders besser weiter.

Grundsätzich halte ich sehr viel davon, möglichst immer von mir selbst zu sprechen. Das ist für mich das Authentischste. Alles, was ich über dich oder die Allgemeinheit oder "man" sage und analysiere - ist ja trotzdem meines.

Also: Mit Leidenschaft und in Gelassenheit bei mir bleiben ...



Viele Grüße
Brittka
Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey Brittka! ,

Natürlich ist es richtig, mich zu wehren, Einhalt zu gebieten, wenn meine Grenzen überschritten werden!

Nur fragt sich eben, WIE. Und auf welche Weise ist es "gesund", um darauf zurückzukommen.

Kann ich in Gelassenheit meine Grenzen wahren???

also , etwas, was mich z.B. total frustriert ist, wenn ich etwas schon soo oft gesagt hab, und einfach nicht gehört werde, und, da ertapp ich mich schon auch dabei, es schon eher aufgegeben zu haben, was zu sagen, weils mir mit der Zeit einfach schwerfällig(st) wird (mich dann wirklich hilflos, nicht ernst genommen,...fühle) ...aber, in der Wut platzts halt doch ab und an raus , also, mit Gelassenheit, Geduld etc. am Ende...

Ich seh z.B. Streit auch nicht unbedingt immer als was Neg. . Oft ist in der Firma der erste Streit am Morgen das Beste. Reinigt ähnlich einem Gewitter die Luft, und, es ist dann gar nicht mehr nötig, mich um Gelassenheit zu bemühen...aber, das kann man halt eher besser mit Menschen, mit denen sich auch "konstruktiv" streiten lässt.

Gute Nacht!
manu
Maria
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Maria »

Polizeiruf fertig

Genau, Flora und Brittka, ich finde, Gelassenheit und Leidenschaft müssen sich nicht ausschließen. Im Gegenteil, Leidenschaft ohne eine grundlegende Gelassenheit kann mehr Leiden schaffen als sie vielleicht guttut oder befreiend wirkt, weil ich dann in ihr gefangen bin.

LG, Maria
Clown
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Clown »

Also, ich wünsch' mir leidenschaftlich gerne gediegene Absätze in Flora's Posting ...

Ok, ok, aber ich lebe nun mal in einer flachen Gegend ...



Clown
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Liber
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo Ihr Lieben,

Clown, wie steht es denn abgesehen von den Sache mit den Absätzen mit der Gelassenheit und Leidenschaft bei dir ?

Zu dem Disput zwischen Thomas und Virginia möchte ich noch sagen:

Ich glaube - und das ist meine persönliche Sicht - dass jede/r der beiden im anderen das Extrem dessen sieht, was er/sie ablehnt. Deshalb ist es schwer, das Gemeinsame zu sehen, das zweifellos da ist


Helena, Flora, Manu und Maria: danke für eure Beiträge, die mir meine Sicht bestätigen, dass Leidenschaft UND Gelassenheit vereinbar sind.

Viele Grüße
Brittka
Clown
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Clown »

Liebe Brittka,

danke für deine Nachfrage

Tja ... vorgestern legte ich John Mayall auf, drückte auf 'random' und es kam 'room to move' ...

http://www.youtube.com/watch?v=Ms85-AZF ... re=related

Meinen ersten Impuls kannst du dir vielleicht vorstellen ...

Kurz vorher hatte ich aber Maggy's Posting gelesen, fing an mich zu beobachten, und weg war die Lebendigkeit....

vom sonnigen Deich,

Clown
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo Clown,

ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst.

Und genau darum geht es mir ja auch:

Die Selbstbeobachtung soll ja wiederum nicht die spontane Lebendigkeit blockieren. Diese Gefahr besteht wahrscheinlich genauso wie die Gefahr, sich in die Gefühle völlig zu verlieren.

Deshalb erscheint mir das Ganze manchmal wie ein Spagat, wie ich oben geschrieben habe.


Übrigens habe ich noch einen Text dazu gefunden, der passt auch gut hierher:

http://www.connection.de/artikel/gesund ... klung.html

Viele Grüße

Brittka
triste
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von triste »

Hallo Brittka,

ich komme eben erst nach Hause, wollte noch etwas zu dem "Spagat Leidenschaft/Gelassenheit" schreiben (das Thema beschäftigt mich), bin jetzt aber doch schon zu müde.
Nur eines kurz:
Du schreibst:

"Ich glaube - und das ist meine persönliche Sicht - dass jede/r der beiden im anderen das Extrem dessen sieht, was er/sie ablehnt. Deshalb ist es schwer, das Gemeinsame zu sehen, das zweifellos da ist"

Ich sehe das nicht so. Ich finde es tatsächlich sehr wichtig, eine gelassene Haltung in sein Leben einzubauen, zu üben und zu praktizieren und ich versuche und schaffe das auch immer wieder. Aber wie gesagt: ich finde es auch legitim und sogar wichtig, sich mal zu entladen.
Thomas versucht das - meiner Empfindung nach - zu diskreditieren, indem er ein impulsives Verhalten absolut ablehnt und (und das stört mich daran), als sozial unverträglich und selbstschädigend darzustellen und zieht sogar Vergleiche zu einem Vergewaltiger.

In meinen Augen gibt es da schon Unterschiede in unserem (Thomas´und meinem) jeweiligen Bewerten der anderen Meinung.
Letztlich ist das aber auch völlig egal, das Thema ist spannend und ich denke öfter am Tag darüber nach.

Gute Nacht
Virginia
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Thomas versucht das - meiner Empfindung nach - zu diskreditieren, indem er ein impulsives Verhalten absolut ablehnt und (und das stört mich daran), als sozial unverträglich und selbstschädigend darzustellen und zieht sogar Vergleiche zu einem Vergewaltiger.

Hallo Virginia,

ich versuche nicht, etwas zu diskreditieren. Mir geht es alleine darum, jenseits jeder moralischen Bewertung darüber zu sprechen, was eine Verbesserung von Lebensqualität bewirken könnte.

Die Impulsivität, die du für gesund und nützlich hältst - so verstehe ich dich - empfindet zunächst mal jeder Mensch. Ich schließe mich da ausdrücklich mit ein. Nur in diesem Zusammenhang habe ich das Beispiel des Vergewaltigers angeführt, der ganz genau so wie du, die du dem Impuls folgen möchtest, dem anderen Verbal die Fresse zu polieren, eben einem anderen Impuls folgt.

Das wesentliche Charakteristikum eines Impulses ist doch, einer augenblicklichen Eingebung zu gehorchen. Irgendwelche moralischen Bewertungen erfolgen immer danach. Ein Impuls kennt solche Bewertungen nicht. Er lebt sich aus. Das ist die Parallele zwischen der Fressenpolitur und dem Vergewaltiger. Was davon "schlimmer" ist, ist eine gedankliche Überlegung nach dem Impuls.

Ich plädiere für etwas, was man Selbstbeherrschung nennen könnte. Man kann den Ausdruck "Selbstbeherrschung" als Freiheit ansehen oder als Beschränkung. Ich meine, wer jeden Impuls in sich als sein Eigenes begrüßt, hat nie eine Wahl. Heute ist es dieser Impuls und morgen jener. Je nachdem, was gerade über den Weg läuft.

Das ist für mich sozusagen das Gegenteil von Individualität und Gesundheit sondern mehr ein Ausgeliefertsein an das, was einem gerade so begegnet.

LG
Thomas
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triste
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von triste »

Hallo Thomas,

doch, Du diskreditierst.
Du hast meiner Meinung nach die besondere Gabe, Deine Meinung rhetorisch äusserst präzise und plausibel darstellen zu können. Ich verstehe auch vollkommen, was Du meinst und habe weiter oben ja auch betont, dass ich ständig impulsiv agierende Menschen und ungefiltertes Reagieren nicht gut finde.

Was mich aber sehr stört ist, dass Du denjenigen, der eine gegenteilige Meinung wie Du vertritt, zum Beispiel durch so extreme Vergleiche wie die des Vergewaltigers in ein sehr einseitiges, negatives und grob gezeichnetes Bild setzt.
Für Dich ist das Folgen eines Vergewaltigungs-Impulses dasselbe wie der Impuls, jemandem verbal die Fresse zu polieren. Indem Du - in diesem Fall- mich und meine Impulse, manchmal jemandem impulsiv die Meinung zu geigen, gleichsetzt mit einem Vergewaltiger, rückst Du mich auf eine Ebene mit jemandem, der anderen großen Schaden zufügt, nur um seinen eigenen Impuls und seinen Trieb zu befriedigen.
Diesen Vergleich zwischen mir und einem Verbrecher finde ich sehr plakativ und auch unpassend, es gibt jede Menge Nuancen zwischen meiner Impulsivität und der eines Vergewaltigers...ein ganz entscheidender Unterschied ist beispielsweise, dass jemand, dem ich verbal die Fresse poliere möchte, mich zuvor verletzt oder angegriffen hat!

"Verbal die Fresse polieren" bedeutet für mich, jemandem klipp und klar ein Contra entgegenzusetzen, und das nicht in "freundlicher Zugewandtheit", sondern in klaren Worten. Und warum nicht freundlich und gelasen? Weil derjenige zuvor eine Grenze von mir verletzt hat, mich vielleicht beschimpft, bedroht oder auf andere Art schlecht behandelt hat.

Ich finde es schade, dass Du Menschen, die Deiner Meinung nach einen falschen Weg gehen,
mit solchen Vergleichen derart negativ bewertest. Du kennst mich und weißt, dass ich kein brutaler Mensch bin. Ich bin ganz sicher impulsiver und weniger kontrolliert als Du, aber das stellt mich noch lange nicht in eine "Impuls-Range" mit einem Vergewaltiger.
Mir ist es ziemlich egal, dass Du das tust, weil ich weiß, dass es natürlich Unterschiede gibt zw. meinem Handeln und dem eines Verbrechers. Aber mir ist schon wichtig, Deine Moralpredigten darüber, wie ein "sozial verträglicher" Mensch zu sein hat, mal zu beleuchten und auseinanderzunehmen. Das Absolute in Deinen Bewertungen existiert nämlich nicht in der Realität. Es kann auch "gute" Menschen geben, die mal jemandem die Fresse polieren, so ist zumindest meine Erfahrung.

Und ich glaube, nach wie vor, dass es heilsam sein kann, anderen, die einen verletzen oder schlecht behandeln, das auch entsprechend zu zeigen...wenn das mit lauter Stimme und einem Schimpfwort geschieht, finde ich das nicht weiter schlimm, einfach weil es menschlich ist. Und eines ist es vorallem: Anti-depressiv.

LG
Virginia
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

.... und um den Gedanken zuende zu führen:

Manche Ansichten darüber, was Gelassenheit sei, zeigen mir einfach, dass wir nicht über dasselbe Thema sprechen. Wer wirklich weiß, was Gelassenheit ist und die auch wirklich kennt, käme garnicht auf die Idee, von Selbstkasteiung in diesem Zusammenhang zu sprechen. Auch nicht darauf, es ginge um die Unterdrückung von Gefühlen, Selbstbeschränkung und was weiß ich. Das alles hat nichts mit Gelassenheit zu tun.

Ich sage jetzt noch einmal zusammenfassend, was für mich Gelassenheit ist und überlasse dann diesen thread besser seinem Schicksal

Gelassenheit ist ein Zustand von Zentriertheit in sich selbst, der sich sehr gut und intensiv anfühlt. Er geht mit Ruhe und einem intensiven Gefühl einher, dass alles oK ist, was auch geschieht.
In diesem Zustand wird jedes Gefühl besonders intensiv und freudig erlebt. Alles findet statt, nichts muss da irgendwie ausgeblendet werden oder unterdrückt werden. Gerade deshalb nennt man diesen Zustand Gelassenheit, weil alles oK ist, wie es ist. Warum sollte ich da etwas unterdrücken?

Gerade aus diesem Aufgehobensein in sich selbst ergibt sich intensive Leidenschaft, anstatt ihr im Wege zu stehen.

Gefühle wie Verstimmtheit, verärgert sein, jemanden angreifen wollen, mit etwas unzufrieden sein, hadern, grübeln, von Gedanken umgetrieben sein tauchen in wirklicher Gelassenheit einfach nicht auf, weil all das Ausdruck von Nicht-Gelassenheit ist. Und niemand, der Gelassenheit wirklich kennt, wird das auch nur eine Sekunde lang vermissen.

Nun kommt ganz bestimmt der Einwand: "Es ist aber nicht alles oK!! Es gibt da draußen lauter Idioten, gegen die man sich unbedingt zur Wehr setzen muss!! Die Welt ist voll von unhaltbaren Zuständen, über die man sich dringend aufregen muss!" Bitte sehr, wems gefällt. Nur ändern wird das nichts. Es bewirkt nur, dass man sich unwohl und zerrissen fühlt. Alles was passiert ist, dass man aus der eigenen Mitte fällt. Keinen einzigen idioten weniger gibt es dadurch, nichts in der Welt ändert sich.

Aber jeder soll das machen, wie er gerne will. Ich jedenfalls möchte den Schatz der Gelassenheit nie mehr eintauschen.

LG

Thomas
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Clown »

Ich finde, hier beschreibt Tolle das, was Thomas meint.
(Übrigens empfehle ich nur anhören, nicht auch noch das Video anschauen, das ist so unruhig, un-still ... )


http://www.youtube.com/watch?v=zCzY2xMXBOI



Clown
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo,

für den von Thomas seinem Schicksal überlassenen Thread fühle mich als Urheberin nach wie vor zuständig, solange er existiert .

Es scheint keine Brücke zwischen Thomas und Virginia zu geben.

Aber genau wie es die Brücke zwischen Gelassenheit und lebendiger Spontaneität gibt, gibt es diese Brücke, da bin ich ziemlich sicher.

Die Gelassenheit, zu erkennen "alles ist in Ordnung, es darf alles genau so sein, wie es ist", die ist Grundlage, die Grundvoraussetzung.

Aber sie bedeutet NICHT, dass ich nichts tue, dass ich nicht tätig werde, nicht das ausdrücke, was in mir ist.

Im Gegenteil: zu erlauben, dass alles genauso wie es ist, sein DARF, genau das ist die notwendige Voraussetzung für meinen Lebensausdruck, für mein Handeln.

Aber das ist keine erzwungene Gelassenheit als Reaktion auf etwas, sondern es ist eine Grundvoraussetzung. Ich glaube, dass Thomas diese meint, wenn er von Gelassenheit spricht. Falls nicht, bitte ich um Korrektur.

Und DANN, auf dieser Grundlage, findet der Lebensausdruck statt. Und dieser ist bei jedem anders und verschieden und ganz individuell. Der/die eine ist ein stiller Genießer, der/die andere tanzt und singt. Als Beispiel.

Und alles ist richtig. Es gibt hier kein falsch.


Viele Grüße
Brittka
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Aber das ist keine erzwungene Gelassenheit als Reaktion auf etwas, sondern es ist eine Grundvoraussetzung. Ich glaube, dass Thomas diese meint, wenn er von Gelassenheit spricht. Falls nicht, bitte ich um Korrektur.

Ganz genau so meine ich das. Gelassenheit ist der Hintergrund, auf dem sich alles andere abspielt. Es ist eindeutig nicht so, dass es sich dabei um eine Trägheit, gar Gleichgültigkeit handelt. Gleichgültigkeit ist Stumpfheit, Desinteresse, Resignation. Gelassenheit ist Heiterkeit, Freundlichkeit, Frieden und Ruhe und Klarheit - Unaufgewühltheit. Ein aufgewühlter Geist ist ebenso blind, wie aufgewühltes Wasser trüb ist.

Und DANN, auf dieser Grundlage, findet der Lebensausdruck statt. Und dieser ist bei jedem anders und verschieden und ganz individuell. Der/die eine ist ein stiller Genießer, der/die andere tanzt und singt. Als Beispiel. Genau.



Thomas
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von triste »

@ Thomas

wenn ich Dich daran erinnern darf, worum es eigentlich ging: Meine Kritik an den Nörglern. Darauf hast Du mit der Behauptung reagiert, dass man doch gelassener mit Kritik umgehen solle, dass man das, was einen an anderen stört, in sich suchen solle, anstatt es dem Verursacher um die Ohren zu hauen.
In diesem Kontext sprachen wir über Gelassenheit und auch nur in diesem Kontext sprach ICH darüber, Gefühle auch mal `raus zu lassen und eigenen Ärger über andere auch mal zu zeigen und auszusprechen.
In diesem Kontext sprach Brittka auch von Leidenschaft: wie weit darf leidenschaftliches Verhalten gehen, ohne schädigend zu sein für sich und andere?

In diesem und nur in diesem Zusammenhang habe ich über Gelassenheit gesprochen. Und wenn Du in der Situation eines Konflikts Gelassenheit proklamierst und das "Gefühle-`rauslassen" verdammst als etwas unsoziales, dann hast Du nicht verstanden, worüber wir hier sprechen.

Leider gehst Du nicht auf Argumente ein oder äusserst Dich mal zu Deinem Vergleich mit dem Vergewaltiger ... stattdessen kommt die Behauptung, dass alle die, die nicht Deiner Meinung sind in diesem Punkt, eben nicht wissen, was Gelassenheit eigentlich bedeutet. Ganz schön vermessen, finde ich.

@Brittka
Ich habe versucht, deutlich zu machen, warum ich dafür bin, auch mal emotional zu reagieren...mit der Betonung auf dem
"mal"...ich bin ja keine Unholdin

Ausserdem habe ich ja auch erzählt, dass für mich Leidenschaft und Gelassenheit nicht zusammengehen ... völlig im Rausch der Begeisterung zu arbeiten z.B. ist alles andere als gelassen sein. Leidenschaftlich zu lieben, leidenschaftlich für eine Idee zu kämpfen, und auch: leidenschaftlich zu diskutieren....das hat nix mit Gelassenheit zu tun. Manch einer hier scheint beides miteinander vereinen zu können /wollen, das ist ja auch ok.

Ich glaube, ich kann nichts Neues mehr zu dem Thema beisteuern,
deshalb liebe Grüße!
Virginia
flora80
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von flora80 »

Hallo zusammen,

ich definiere Gelassenheit als einen Zustand des in sich Ruhens, der es mir erlaubt, grundsätzlich darauf zu vertrauen, dass das Leben mich nicht umbringt (schön, oder? ).

Das bedeutet, dass ich alles, was ich erlebe, erst einmal nicht als Angriff werten muss, weil der andere mich im Grunde genommen gar nicht wirklich angreifen kann. Er kann mir Dinge vorwerfen, meinetwegen Straftaten begehen, die mich zum Opfer machen oder sich über etwas aufregen, was ich in seinen Augen schlecht oder falsch mache. Er kann mir Dinge an den Kopf werfen, etc. Aber wirklich angreifen, das geht dann nicht.

Aus so einem Zustand des grundsätlich auf sich selbst Vertrauens heraus lässt sich Freude und leidenschaftliches Handeln brilliant empfinden. Es lässt auch zu, Dinge anders zu sehen oder zu kritisieren, ohne mich davon auf die Palme bringen zu lassen, was der andere sagt oder denkt oder tut. Es lässt mich dennoch leidenschaftlich für eine Sache eintreten, die ich für wichtig und richtig halte. Es lässt mich auch großen Einsatz zeigen.

Aber dennoch weiß ich immer in völliger innerer Gelassenheit, dass der andere nicht mich verletzt, sondern wenn überhaupt, dann etwas verletzen möchte, auf das er aber gar keinen Zugriff hat, nämlich meine Gewissheit, dass auch Fehlentscheidungen oder etwas, das andere als Fehlverhalten definieren, nichts an meinem Kern ändern kann. Sie können äußere Umstände beeinflussen und angreifen, aber nicht wirklich "mich".

Darin sehe ich einen ganz großen Unterschied, zu der Definition von Gelassenheit, die sich mit Leidenschaft nicht vereinbaren lässt.

Ich bin selbst sicherlich an vielen Stellen noch weit entfernt von dieser Form von Gelassenheit als Vertrauen auf mein Selbst oder wie auch immer man das nennen möchte. Dennoch halte ich diese Position für nachvollziehbar und vor allem letztlich förderlich für ein inneres "heil Werden", d.h. grundsätzlich im Einklang mit sich sein.

Wenn es innere Dissonanzen gibt, so zeigt mir das eigentlich nur, an welcher Stelle ich innerlich noch nicht heil bin. Das ist oft äußerst schmerzlich einzusehen und mir fällt das an vielen Stellen sehr schwer. Bestimmt gibt es auch noch Punkite, an denen ich noch vollkommen unfähig dazu bin. Jeder wird solche Stellen haben, die es aus den verschiedensten (meist lebensgeschichtlichen) Gründen gibt.

Trotzdem halte ich das Ziel für erstrebenswert.

Viele Grüße, Flora
Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey ihr Lieben!

Also, wenn ich dem Thema gegenüber wirklich total gelassen wäre, dann würde ich hier wohl nicht mitschreiben (obwohl eh nur wenig)

Helena, Flora, Manu und Maria: danke für eure Beiträge, die mir meine Sicht bestätigen, dass Leidenschaft UND Gelassenheit vereinbar sind.


Aber, das Thema interessiert mich auch wegen meinem Sohn , seine noch immer meist gleichgültigen Standardantworten : "Vielleicht, eventuell, kann sein,..." (Walt Disney - Ferdinand The Bull - 1938 http://www.youtube.com/watch?v=CGTVRbpAuRo ) ....dann mich manchmal nicht ganz gelassen sein lassen , wie neulich beim Renovieren wieder: "Schatz, jetzt sagt doch bitte mal genauer, was Du willst" Antwort. "Ich weiß nicht, mir egal"

...ja, ich weiß nicht, ob Ehrgeiz sich mit Gelassenheit vereinbaren lässt?

Nein, ich denk nicht, dass sie für mich sooo ganz vereinbar sind, die Gelassenheit UND die Leidenschaft

Seneca sagt(e): Der Weg zu einem seelischen Gleichgewicht führt über die Befreiung von den Leidenschaften.

Schönen Abend allen!
manu
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Aber dennoch weiß ich immer in völliger innerer Gelassenheit, dass der andere nicht mich verletzt, sondern wenn überhaupt, dann etwas verletzen möchte, auf das er aber gar keinen Zugriff hat, nämlich meine Gewissheit, dass auch Fehlentscheidungen oder etwas, das andere als Fehlverhalten definieren, nichts an meinem Kern ändern kann. Sie können äußere Umstände beeinflussen und angreifen, aber nicht wirklich "mich".



Wenn es innere Dissonanzen gibt, so zeigt mir das eigentlich nur, an welcher Stelle ich innerlich noch nicht heil bin.

... und dann beginnt man, diese Dissonanzen als Chance zu begreifen und man stellt fest, dass einen das Leben in genau die Situationen verwickelt, die gebraucht werden, um die verschütteten Verletzungen (die unheilen Stellen) wieder auferstehen zu lassen, damit man sie heilen kann.

Das ist oft äußerst schmerzlich einzusehen und mir fällt das an vielen Stellen sehr schwer.

Mir auch. Weil nichts schmerzlicher ist, als das eigene Unheilsein einzusehen und sich dem zu stellen. Tut man es aber, wird man stärker.





Thomas
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kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

guten abend,

danke, flora, für deine klärenden gedanken.

ganz wichtig ist demnach wieder einmal dieses auseinanderhalten von dingen, die geschehen, meinungen, auch gefühlsausdrücken einerseits - und einem selbst andererseits.

viele "impulsive" reaktionen entstehen ja wohl daraus, dass diese unterscheidung überhaupt nicht passiert. menschen, die "leidenschaftlich" streiten, heftig bis verletzend reagieren oder sich in etwas hineinsteigern, tun dies, weil sie sich selbst unmittelbar angegriffen fühlen. also von der formulierung her würde ich sagen, jemand, der einem anderen "die fresse poliert" (weil das halt so aggressiv klingt) geht, selbst angegriffen, auf das andere selbst los. jemand, der gelassen ist, sagt dem anderen klipp und klar, was für scheiße er gerade gebaut oder gesagt hat - weil es in der sache eben wichtig ist.

es gibt doch - frage ich mich gerade - nur ganz wenige themen, wo tatsächlich man "selbst" gemeint ist. eigentlich nur die liebe, oder? oder aber man entscheidet sich bewusst aus so einer gelassenen grundhaltung von vertrauen ins leben dafür, eine sache so zu tun, dass man selbst sich darin auch hingibt - beim musizieren, malen, handwerken ...

liebe grüße
kormoranin
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*** zurück ins leben!
Zorra
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Registriert: 20. Nov 2005, 13:37

Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Zorra »

Also je mehr ich jetzt hier lese, desto mehr merke ich, dass ich zu meiner ursprünglichen Sicht zurückkehre.

Wenn Gelassenheit wirklich eine Unaufgewühltheit ist, ein Ruhen in sich selbst – dann bin ich wieder da, dass ich meine Lebendigkeit spüren möchte. Im Guten und Schönen, aber eben auch im Schlechten. Selbst wenn es nur als Ideal formuliert wird, von dem wir, mehr oder weniger, entfernt wären.

In freundlicher Zuwendung, verständnisvoll immer auf den anderen einzugehen setzt voraus, dass der Andere das auch tut.

Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Und für ganz hartnäckige Zeitgenossen, die meine Grenzsetzung nicht akzeptieren können, kann es auch mal lauter sein. Das hat den schönen Effekt, dass die anderen den Kopf einziehen und sich schleichen – „so haben wir dich noch gar nicht erlebt“ (habe ich mal probiert – und es hat sich gut angefühlt, ist das jetzt das Böse in mir?). Also aus meiner Sicht war meine Reaktion lange genug herausgefordert worden. Allerdings darf ich natürlich nicht immer so durch das Leben rennen – das nimmt dann auch keiner Ernst.

Ich möchte meine Gefühle leben (nicht unreflektiert – aber das hat ja hier auch keiner so geschrieben!) – sie gehören auch zu mir, das bin ich auch.

Und so gesehen sind Zeiten der Leidenschaft und Zeiten der Gelassenheit zwei Pole, zwischen denen ich mich bewege.

Wobei ich aber den Satz von Flora sehr schön finde:
ich definiere Gelassenheit als einen Zustand des in sich Ruhens, der es mir erlaubt, grundsätzlich darauf zu vertrauen, dass das Leben mich nicht umbringt (schön, oder?

Immer Gefühle zu leben (auch schöne Gefühle!) ist anstrengend und kraftraubend. Daher benötige ich dann auch das ge(hen)lassen, das Ruhe suchen und finden, das in mir selbst ruhen. Aber bitte nicht nur Das Leben ist so viel mehr.

Vielleicht mag ich auch Perfektes nicht immer so, obwohl: als Leistungsanspruch habe ich es ja an mich – die Maskentänzerin ist wahrscheinlich der Widerspruch in sich – aber davon will ich mich ja auch befreien (von dem Perfektionsstreben meine ich)?

Und ich genieße die Lebendigkeit, die ausgelassene Fröhlichkeit und mein zunehmendes auch mal Kämpferische/meine Bedürfnisse verteidigende immer wieder, wenn ich aus der Depression wieder in das Leben zurückfinde.

LG von der Maskentänzerin


Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?

© Aya Yven

Liber
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo Ihr Lieben,

@Manu - sorry, wenn ich deine Postings falsch verstanden haben sollte.

@Virginia und Maskentänzerin - aus meiner Sicht schließt die Haltung der Gelassenheit es nicht aus, sich leidenschaftlich einer Tätigkeit, einem Menschen, einer Diskussion hinzugeben. Ich glaube aber wirklich, dass wir Gelassenheit hier einfach unterschiedlich definieren. Wenn du dir einer Sache in dir wirklich sicher bist, wenn du sie für dich wirklich klar und eindeutig erkannt hast und WEISST, dass es so ist - und diskutierst auf dieser Basis dann mit Überzeugung und Leidenschaft darüber - dann ist das doch nichts anderes als Gelassenheit UND Leidenschaft. Meine Sicht.


@Flora - . Auch ich verliere die Gelassenheit an meinen "wunden Punkten" allzu schnell. Und ich glaube auch, solange da noch Heilungsbedarf besteht, begegnen wir solchen Situationen immer wieder.

@kormoranin - das fällt mir gerade noch zu deinem Posting ein: die Hingabe an etwas, sei es Malen, Musik, die Natur, ein anderer Mensch ... das ist Ausdruck von Liebe.


Viele Grüße und eine gute Nacht

Brittka
Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey Brittka ,

no need to say sorry!

Mich selber betrifft das Thema im Moment ja weniger im privaten Bereich, als eben eher in der Firma.

...und, es ist halt noch immer so, je gelassener ich bin, desto mehr "Forderungen" prasseln auf mich ein, und irgenwann ist nun mal der Punkt erreicht, wo es nimma geht, da kann ich mir dann noch so oft einreden, ich wäre Wonderwoman (höchstens Wonderbrawoman *zwinker* )

Zur Zeit eben wieder mal der Konflikt @ wir brauchen eindeutig (viel) mehr Personal, weils eben nun mal (nur etwas realistisch betrachtet) nicht zu schaffen ist....und, ich auch nicht wirklich Lust hab, das Arbeitsklima wie letzten Herbst wieder auszuhalten *heftig war*.

Ne gute Nacht Euch!
manu
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