Guten Morgen lieber Schatten,
dann will mal versuchen, Dir alles zu beantworten.
Im Vorfeld schonmal sorry - das wird bestimmt wieder sehr lang (der Name "Otterchen" kommt nämlich aus dem Indianischen und heißt übersetzt "die viele Wörter braucht" )
Auf welche Art hast du es dir denn selbst erarbeitet? Ich mein, man kommt ja als Depri i.d.R. nicht selbst auf gewisse Zusammenhänge... Und bist du diesen Weg auch allein gegangen oder hattest du da konkrete Unterstützung? Warst du mal in Therapie? Und hast du ADs genommen?
Wahrscheinlich schon seit meiner Kindheit (latent) depressiv.
1998 mit einem wundervollen Mann zusammengewesen - und dabei fast verrückt geworden, weil ich durch ihn stark mit meinen Defiziten konfrontiert wurde. Er war so lieb zu mir - und ich konnte das nicht erwidern.
Damals habe ich meine 1. Therapie angefangen.
Er hat es aber mit mir nicht ausgehalten und die Beziehung beendet.
1999 war ich dann 8 Wochen in einer Klinik. Es hat zwar nicht soooo viel gebracht, aber ein wenig habe ich aus dieser Zeit schon mitnehmen können.
In der Folgezeit habe ich mich ein wenig mit mir selbst beschäftigt. Ich lebte allein und habe mich mit Büchern beschäftigt wie "von mir aus nennt es Wahnsinn" oder "emotionale Intelligenz" etc.
Danach bin ich wieder in eine Beziehung gegangen... bis Ende 2006. Am Ende der Beziehung merkte ich auf einmal: menno - das ist doch wieder depressiv! Du steckst wieder mittendrin in einer Depression und hast es nicht gemerkt!
Also bin ich hergegangen und habe mit meiner Hausärztin gesprochen. Ergebnis: Psychiater und Psychologin. Und mit dieser Frau hatte ich einen absoluten Glücksgriff!
Seit 2007 lebe ich allein und beschäftige mich mit mir, mit der Depression, und war für 2 Jahre in einer VT. Ich lese Bücher zu dem Thema, stand auch außerhalb der Therapiestunden mit der Therapeutin per Email in Kontakt, lese auf zeitzuleben.de (gute Seite - empfehlenswert z.B. der Artikel "ich bin viele"), bin hier im Forum, höre entsprechende CDs usw.
Eine vielfältige Beschäftigung mit der Depression also.
Seit Ende 2008 ist die Therapie beendet, aber ich nehme seit Anfang 2007 ADs, also auch jetzt noch.
Und sei's drum, dass ich mich damit einfach sicherer fühle (aber ich glaub schon, dass das nötig ist, zumal ich wegen einer Frauensache was anderes einnehmen muss, was Depressionen begünstigen kann).
Wie fühlt sich das an, wenn du merkst, DAS bist jetzt DU? Fühlst du da einen Unterschied zwischen einem "Glauben, dass gerade das ICH spricht" und einem "Wissen, dass es das ICH ist"?
Ich spüre immer ganz leise in mir drin Stimmen (nein, ich bin nicht verrückt )... das sind so immer wiederkehrende Gedanken wie z.B. "ich bin kein schlechter Mensch".
Diesen Gedanken habe ich nachgespürt. Und mittlerweile wird diese Stimme leiser, weil sie keine Angst mehr haben muss, für einen schlechten Menschen gehalten zu werden (kindlicher Anteil - Erfahrungen aus der Kindheit, nachhaltige Eindrücke).
Es fühlt sich einfach mit der Zeit stimmiger an. DAS ist das was mir entspricht.
Beispiel: seit ich denken kann, interessiert mich bei Horoskopen z.B. nur das Thema "Liebe". Gesundheit oder Finanzen - das war mir immer egal.
Bei Männern ging's mir ähnlich: ich wollte nicht spielen, kein schnelles Vergnügen oder sonstwas - ich habe immer nach Liebe gesucht (und bis auf das eine mal nicht gefunden).
DAS war also das, wonach ich gesucht habe, und jetzt bringe ich das selbst in mein Leben: Liebe, Wärme, Fürsorge, Nähe, Zuwendung, Interesse, Bestätigung...
Während dieser Zeit habe ich unendlich viel gelernt, und das habe ich alles irgendwo niedergeschrieben, sei es in Emails an meine Therapeutin, an mich selbst, in Tagebücher oder sonstwas. Ich glaube, das Niederschreiben festigt sowas - bei mir zumindest. Wenn ich es aufschreibe, sackt es irgendwie besser in mein Bewusstsein, und ich kann eher auf all das Positive zurückgreifen.
Jede Kleinigkeit als Angriff zu sehen, ist für mich leider Normalität.
Das war für mich auch so. Ich bin aber wesentlich ruhiger geworden, und jetzt kann ich sogar mit Kritik besser umgehen. Mein Vorgesetzter (wir haben ein gutes Verhältnis) hat mich letztens angesprochen, dass ich dies-und-das nicht so gut gemacht hätte. Früher wäre sowas niederschmetternd gewesen, aber heute sehe ich das eher sachlich: es geht ihm darum, dass die Abläufe in der Firma nicht belastet werden. Ich kann also seine gute Absicht erkennen, konnte mir seine Bedenken anhören, und ich habe eine (wie ich finde) gute Lösung dafür gefunden. Alles ohne mich angegriffen zu fühlen!
Darum geht's auch in dem anderen Fred, den ich vorhin angesprochen hab - warst du "früher" auch völlig desinteressiert an anderen Menschen? Und ändert sich das wirklich, wenn man sich selbst mehr Zuwendung schenkt?
Das kenn ich... eigentlich wünscht man sich, irgendwer würde sich endlich mal für mich interessieren - oder?
Nun, ich habe mich für mich interessiert - und zwar lange und ausgiebig. Mutig, offen und ehrlich. Mit allen dunklen Abgründen und schmerzhaften und unbequemen Einsichten. Alleine, diese laut zu denken und sich einzugestehen, hat mich schon nach vorne gebracht.
Ich weiß also jetzt besser, was in mir los ist - und ich sage JA dazu. Einer meiner Kernsätze war "das ist doch normal, sich so zu fühlen! wer würde denn anders fühlen, wenn er sowas erlebt hat?"
Damit habe ich meinen Gefühlen immer Recht gegeben, ihre Berechtigung. Sie wurden bestätigt, sie durften sein. Und das fühlt sich gut an. Man lernt so, sich selbst, seinen Gefühlen mehr zu vertrauen.
Und langsam, ganz langsam beginnt man, nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen Menschen zu sehen. Ich kann viel eher Körpersprache und Gesichtsausdrücke deuten, das ist ein Wahnsinn!
Und ich weiß, dass ich immer die Wahl habe, dass ich mich abgrenzen darf, dass ich zwischenmenschliche Beziehungen so gestalten kann, dass sie mir gefallen. Statt zu sagen "das will ich nicht" kann ich mir jetzt Gedanken machen und sagen "ich möchte das so-und-so haben". Das ist ein Unterschied!
Ich wende mich gerade einer Frau zu, die ich schon lange kenne und der es mies geht. Mein Vorsatz war zunächst, ihr beizustehen, ihr zu helfen, für sie da zu sein. Mittlerweile freunden wir uns an. Aber ICH kann das beeinflussen.
Trotzdem wünsche ich mir, dass ich irgendwann einmal ECHTES Interesse für andere verspüre, also nicht solches, wo ich irgendwas erreichen will oder Interesse, das ich mir nur einrede, sondern ich würde gern wirklich Interesse entwickeln. Geht das?
Spontan würde ich sagen: klar!
Aber zunächst braucht es das Interesse an Dir selbst. Komm, ich bring Dir mal ein paar Beispielfragen, die Du für Dich beantworten kannst:
welche Kleidung trägst Du am liebsten?
und warum?
welche Haarfarbe und Frisur hast Du?
und warum?
trägst Du Schmuck?
wenn ja: welchen? warum? was gefällt Dir daran?
wenn nicht: warum nicht?
was machst Du morgens nach dem Aufstehen?
und warum?
Verstehst Du, worauf das hinausläuft? Ist Dir das alles schon bewusst?
Du kannst das übrigens prima auch auf das innere Kind anwenden:
was war Deine Lieblingsfarbe?
was hast Du am liebsten gegessen?
womit hast Du am liebsten gespielt?
warst Du lieber drinnen oder draußen?
wovor hattest Du Angst?
worüber konntest Du Dich so richtig freuen?
etc.
Es macht mir zwar schon Spaß, aber so unbeschwert wie du kann ich das wohl nicht genießen
Wie wär's, wenn Du mal den Spieß umdrehst?
Mach einfach mal ein Blödmannsspiel daraus. Buzzer, auch wenn Du nichts weißt. Buzzer nicht, aber brüll die richtige Antwort raus. Hau auf die falschen Tasten. Sage ihm vor und verschenk den Punkt. Einfach mal verrückt sein und sich damit abfinden, dass Du absolut der Loser sein wirst heute Abend - aber dass Du jede Menge Spaß haben wirst.
Und versuch zu fühlen, wie das ist, mit Spaß zu verlieren.
Meinst Du, das kriegst Du hin?
Du scheinst immer noch Versagensängste zu haben. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich habe das einfach nur als lustiges Spiel betrachtet - da gibt es immer Gewinner und Verlierer. Warum soll ich mir die Laune verderben, indem ich mich schlecht fühle, wenn ich nicht gewinne? Was passiert denn Großaratiges, wenn ich verliere? Nix!!! Dein Freund freut sich über seinen Gewinn - und Du kannst Dich mit ihm freuen. Versuch doch mal, ihm seinen Gewinn zu gönnen. Das fühlt sich toll an! Du nimmst Dir damit nichts weg. Ich wollte auch immer die Kreativste, die Beste sein - aber mittlerweile kann ich auch anderen Applaus zollen, wenn sie was Tolles geleistet haben, ohne mich automatisch in Frage zu stellen. Die freuen sich wie Bolle, wenn man sagt, dass die das super gemacht haben. Und ich brech mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich das anerkenne. Im Gegenteil: irgendwie nimmt mir das auch die Last, immer die Beste sein zu müssen. Jetzt bin nicht mehr nur ich die kreative Denkerin in unserem Team, sondern andere kommen auch mit tollen Ideen daher. Ist doch toll.
Ich bin jetzt mal nicht so vermessen, zu fragen, ob du mich in deiner mail an dich selbst ins CC rein nimmst Aber vielleicht kannst du ja mal so ganz grob dein Leben umschreiben?
Ähm, das hab ich ja nun oben gemacht - oder willst noch mehr?
Oder willst Du echt "meine Geschichte" lesen? Hm... ganz ehrlich? Ich hätte das Gefühl, dass das triggert. Nein, kein SM. Aber trotzdem natürlich ultra-persönlich.
Hm... nein, ich glaube, das ist zu früh. Das haben erst 2 Menschen gelesen, und noch nicht einmal meine Freundin kennt den Text. Ich möchte zunächst einmal, dass die Menschen, die nah an mir dran sind, diesen Text kennen, bevor ich den an jemanden schicke, den ich nur als Nick aus einem Forum kenne.
Ich glaube, das kannst Du nachvollziehen *knuddel*
Was/wen verstehst du denn unter "öffentlich"? Willst du ein Buch schreiben oder hast du da jemand bestimmtes im Hinterkopf, dem du gern deine Geschichte erzählen (=lesen lassen) möchtest?
Das mit dem Buch schwirrt schon irgendwie in meinem Kopf herum - allerdings gibt es schon etliche Bücher zu diesem Thema.
Vielleicht etwas initiieren, das besagt, dass nicht nur der SM giftig für eine Kinderseele ist, sondern dass auch andere Formen der Vernachlässigung, des psychischen und physischen Missbrauches verheerende Folgen haben können.
So, jetzt mal Schluss... nein, ich habe mich nicht genötigt gefühlt, Dir zu antworten, sondern ich hoffe, dass meine wortreichen Ausführungen Dir irgendwie Mut machen und Anregungen geben können.
Das war bislang MEIN Weg - und es gilt für jeden, seinen eigenen Weg zu finden. Ich kann Dir nur beschreiben, wie ich es gemacht habe - das kann bei Dir ganz anders aussehen. Aber ich empfinde tief in mir eine ruhige Gewissheit, dass das das Richtige für mich war und immer noch ist.
Ich habe quasi Mich zu meinem Hobby gemacht