Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Lisa23

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Lisa23 »

Hallo Dore und alle anderen,

Schuldgefühle meinen Eltern gegenüber, hege ich keine. Schuldig sah ich mich nie, eher unerwünscht und überflüssig. So wurde es mir auch vermittelt.

Eine ganz große Scham, was mein Elternhaus anbelangt, die habe ich heute noch immer. Groß geworden bin ich bei der Mutter, die alkoholkrank ist (immer noch) und nach meinem heutigen Kenntnisstand wohl die eine oder andere PS hat, wahrscheinlich Borderline. Da ich kein Arzt bin, will ich mich da nicht festlegen.

Meine Mutter lebt heute noch in den selben häuslichen Gegebenheiten, wie zu meiner Kindheit. Sie verhält sich immer noch so, wie sie es auch in meiner Kindheit tat.

Mittlerweile habe ich eine ziemlich große Distanz zu ihr aufbauen können. Im Laufe meines Lebens habe ich mich immer wieder für ihr Verhalten geschämt, auch für die Verhältnisse, in denen sie lebt. Ich setze noch heute alles daran, dass mein Umfeld, so wenig wie möglich von meiner Mutter erfährt oder sie gar kennenlernt. Ich habe einfach Angst, mit ihr verglichen zu werden.

Für meinen Vater schäme ich mich in ähnlicher Weise, obwohl er nach aussen in guten sozialen Verhältnissen lebt, nicht trinkt. Aber er ist charakterlich und menschlich ein großer Versager. Er hat nur das Glück, durch seine dritte Ehe, ein tragfähiges Gerüst zu haben. Auch er ist in meinen Augen psychisch krank und zu dem noch gemeingefährlich. Leider.

Mein ganzes Leben habe ich mich sehr einsam und verlassen gefühlt. Wahrscheinlich wird mich dieses Gefühl nie verlassen.

Liebe Grüße, Lisa
DYS-
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Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von DYS- »

Hallo Sonne

Die Situation hat sich nach meinem Auszug entspannt. Sie hat sich geändert. Ich habe zwar kein so herzliches Verhältnis wie zu meinem Vater, aber wir kommen klar.
Was mir fehlt ist eigentlich, dass ich ihr nicht vertraue. Ich konnte noch nie über meine Empfindungen mit ihr reden und das wird auch nicht mehr klappen.
Und mit Vätern aus der Generation (Jg. 32) geht das, glaube ich, überhaupt nicht.
Aber ich merke gerade jetzt, wo wieder ein Klinikaufenthalt ansteht, dass ich ihnen etwas bedeute. Ich finde es sehr traurig ihnen nicht einmal mitteilen zu können, weshalb ich in die Klinik muss. Ich kann ihnen nicht sagen wie schlecht es mir geht. Ich würde ihnen Leid zufügen.
Gestern z.B. bin ich bewusstlos aufgefunden worden. Als ich „wach“ wurde war schon der Rettungswagen auf dem Weg zu mir. Ich wollte trotz fast unerträglichen Kopfschmerzen und Schwindel nicht in der internistischen Klinik bleiben um keinen zu beunruhigen. Unterschrieb den Wisch mit Hinweisen was alles passieren kann und das ich auf eigene Verantwortung die Klinik verlasse. (M.E. war das psychosomatisch).

Ich will sie nicht mit meinen Wehwehchen (wieder?) krank machen

Hast du noch Kontakt zu deiner Mutter?

Ich danke dir für die guten Wünsche und wünsche dir das Gleiche

Gruß Dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
sonne44
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Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von sonne44 »

@ Hallo Mariana,

den "Schutzpanzer", ja, den kenne ich auch. Meiner ist im Laufe der Jahre ein wenig zusammengefallen; das Weinen wurde einfacher dadurch und heilsam.
Als Kinder haben wir "gelernt", stark zu sein für unsere Eltern, unsichtbar zu werden oder aber erfahrenen Schmerz so tief in uns zu begraben, dass wir selbst kaum "da ran kommen" - um es endich verarbeiten zu können.

@ Hallo Lisa,

Scham, schämen für die Familie. Müssen wir uns wirklich schämen? Wurden wir gefragt, als wir dort hineingeboren wurden? Nein.
Lisa, ich kann dich so gut verstehen, auch mir ergeht es mit meiner Mutter ähnlich.

Das Schlimmste, was Menschen zu mir sagten, das war "Du bist doch genauso wie deine Mutter." Sicher, ich weiss, dass ich nicht so bin wie sie... und doch tat es weh.

Ich rate dir, rein instinktiv, halte die Distanz zu deiner Mutter aufrecht, solange, wie du dich gut dabei fühlst.

Eines Tages aber kommt die Zeit, in der du dich mit ihr und deinem Vater auseinandersetzen wirst, sehr wahrscheinlich. Wenn du dann soweit bist, denk immer daran: du tust es für DICH.. nicht für sie oder jemand anderen.

Ich wünsche dir so sehr, dass du dich eines Tages NICHT mehr einsam und verlassen fühlst!

Liebe Grüsse

sonne44

@ Liebe dore,

Nein, das mit dem Vertrauen ist wohl "gelaufen"; geht mir auch so.
Wie auch soll man da vertrauen können?

..." mit meinen Wehwehchen (wieder?) krank machen "...

Dore bitte!! Wehwehchen..??
Ohnmächtig werden, nicht wissen, was nun wirklich ist (kann doch alles mögliche sein; ohne dir jetzt Angst machen zu wollen!)

Sieht so euer "miteinander klar kommen" aus? Hat sich da wirklich grundlegend was verändert... zu damals?

Ehrlich gesagt, nach meinem Empfinden nicht.
Sei mir bitte jetzt nicht bös, ja?

"Hast du noch Kontakt zu deiner Mutter?"
- Wenn´s hochkommt, 1x im Jahr, das genügt mir voll und ganz!

Liebe Grüße

sonne44
dore
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Registriert: 15. Mär 2006, 11:29

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von dore »

Liebe sonne 44,

Danke für deine vielen Beiträge. Wenn ich es richtig verstanden habe, gehst Du morgen nach bad Bramstedt. Ich wollte Dir hiemrit noch schnell alles Gute dafür wünschen und viel Kraft und dass es Dir nützen möge.
Liebe Grüße,
dore



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dore
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Registriert: 15. Mär 2006, 11:29

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von dore »

Hallo Mariana,

Du schreibst:
"Was ich schade finde ist, dass ich auch in der Therapie nur wenig über die Vergangenheit erzählen kann, die Hemmung ist einfach zu groß. Auch Gefühle kann ich nicht richtig zeigen. Ich habe es trotz über 25 Stunden noch nie geschafft, die Contenance zu verlieren und z.B. zu Weinen."


Das kenne ich auch sehr gut. Schau, ich bin jetzt über 3 jahre in der Gruppentherapie (tiefenpsychologisch) und habe rst vor gut 2 Jahren das erste Mal überhaupt erkannt, dass ich etwas verdärngt habe und ganz viel ungeleistetet Trauerarbeit in mir steckt, die mich krank macht. Der Schutzpanzer ist immens, ich habe es aber aber ein paarmal nach zähem Ringen nicht mehr geschafft, ihn aufrechtzuerhalten, und bitter geweint. Das wra in den Therapiestunden selbst, und mir unheimlich peinlich. Aber scheinbar genau das, was der Therapeut wollte. ich will mich seitdem mit meiner Geschichte auseinandersetzen, aber ift ist es zuviel. Dann reichen mir zwei, drei Sätze, und dann brauch ich wieder Ruhe. Irgendwie gehe ich dem immer aus dem Weg. Aber wenn dann bspw. im Fernsehen in komplett anderen Zusammenhängen von "traumatisierten Kindern" oder so die Rede ist, krieg ich von Null auf Hundert ein unheimliches Würgegefühl im Hals und den Druck, sofort loszuheulen. Tja, dann wird mir immer ein bißchen bewusst, was und wie stark ich es verdrängt habe. Vielleicht kennst du das ja.
Und ansonsten finde ich viele bekannte Dinge in deiner Kindheitsgeschichte wieder.Es ist so traurig. Wie bei dir, wundert sich auch mein Arzt und Therapeut immer wieder darüber, dass ich so viel "geschafft" habe. Hoffentlich wundert es mich selbst auch irgendwann einmal.
Ich schreib dir noch mal privat!
Ciao!

@ Robi
Was meinst du damit, dass Du erst beim Lesen des Beitrags gemerkt hast, dass auch du Spruen von solch einer Kindheit mit dir trägst?

@ Lisa
Dieses ewige Einsamkeitsgefühl ist auch immer bei mir, ich bin so mißtrauisch. Und die Erkenntnis, dass man den Eltern immer nur irgendwie eine Last war und sie einen nie geliebt haben, wie es "normal" wäre, ist äußerst bitter, finde ich. Kein Wunder, wenn man sich dann selbst auch ablehnt und wertlos fühlt. Woher soll´s auch kommen. ich finde es so schwierig, ein Selbstwertgefühl nachträglich aufzubauen, und mcih davon loszukoppeln. Mein Vater ist meiner Meinung nach auch psychisch krank und ein totaler Looser, also charakterlich. Auf ihn konnte ich auch nie zählen, er hat uns imme rnur pro forma großgezogen und physisch versorgt, das war´s. ich war emotional komplett verwaist. Jaja, viel Selbstmitleid, sorry.

Ciao, dore



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-Immanuel Kant-
Lisa23

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Lisa23 »

Hallo Dore,

es sind auch die frühen Verluste, die man in einer solchen Kindheit sehr oft erlebt.

Dazu braucht man manchmal ein ganzes Leben um das zu begreifen.

Auf meine Eltern konnte ich nicht bauen, das war mir schon sehr früh bewußt. Schon im Alter von 5 und später 7 Jahren, ging ich freiwillig für mehrere Monate zu einer Tante und deren Mann. Nur weg von der Mutter. Einen Vater gab es ja nicht. Den lernte ich erst wieder mit 10 Jahren kennen.

Zurück zur Mutter ging ich nur deshalb, weil meine Großeltern mit meiner Mutter im selben Haushalt lebten. Eigentlich waren meine Großeltern, meine Eltern. Zwischen meinem 15. und 20. Lebensjahr verlor ich meine Großeltern und 2 meiner Tanten. Diese große Trauer habe ich bis heute nicht überwunden. Diese 4 Menschen sind mir noch heute sehr gegenwärtig und ich vermisse sie noch immer.

Liebe Grüße, Lisa
Zehlendorf
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Registriert: 6. Feb 2008, 18:22

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Zehlendorf »

Hallo,
lest ihr immer noch mit?
Wie schade, jetzt habe ich euren Gedankenaustausch jetzt gerade erst gefunden. Er hat mich tief getroffen, denn genau das, was Ihr schildert, durchlebe ich seit so vielen jahren, bin jetzt 57. "Man kann sein Schicksal überwinden", so ähnlich wird es bei Euch geäußert. Leider nicht meine Erfahrung.

Meine Jugend stand unter der Erkrankung meiner Mutter (erster Krankheitsschub, als ich ca. 13 Jahre alt war, schwere Depression mit Wahnvorstellungen). Allerdings kann ich mich nicht daran erinnern, dass jemand mit mir als Kind darüber geredet hätte, was meine Mutter eigentlich hatte.In der Familie meiner Mutter gab es noch weitere Fälle scherer psychischer Krankheit. Mein Vater war völlig hilflos, und ich "übernahm" den Haushalt und die Sorge um meine Mutter, die völlig unberechenbar war. ADs gab es damals noch nicht, außerdem hatte meine Mutter keinerlei Krankheitseinsicht. Dabei liebte ich meine Mutter sehr, war ihr "Lieblingskind" (noch 3 Geschwister, die damals aber schon aus dem Haus waren) und schäme mich bis heute, weil ich ihr nicht mehr helfen konnte. Aber auch, so wie hier geschildert: Tiefe Scham über die Herkunftsfamilie, Angst, dass jemand herausfinden könnte, "was ich für eine bin".

Bis heute leide ich unter Hemmungen, kann niemanden "nah" an mich heranlassen. Beruflich funktioniere ich, kaum Probleme, aber Freunde finde ich bis heute nicht. Als Jugendliche war ich immer angepasst, gute Schülerin, nach außen unauffällig, aber ständige Ängste. Meine Mutter versank endgültig in ihren Wahn, als ich ca 21 war, danach konnte man sie nicht mehr ansprechen,sie lebte in einer Wahnwelt.

Ich sagte mich von ihr und meiner Familie praktisch los, studierte (allein und ohne Hilfe, in ständiger Geldnot), abgesehen von Gefühlen von Einsamkeit und Trauer, die mich zeitlebens begleiteten, dachte ich, es sei alles vorbei, habe kaum noch dran gedacht. Mit meinem Mann verstand (und verstehe ich) mich gut, meine Kinder schienen gesund, durchliefen Kindergarten und Schule, ich dachte, es sei alles "in Ordnung".

Dann, vor ca. 10 Jahren, erkrankte mein ältestes Kind (schwere Depressionen, Selbstmordgefährdung), vor ca. 4 Jahren ein 2. Damals erst kam mir alles wieder hoch: Angst, Scham und obendrein Schuldgefühle, weil jemand wie ich Kinder in die Welt gesetzt hatte. Angst, dass meine Kinder (heute 29 und 25 Jahre alt, Langzeitstudenten, intelligent aber lebensuntüchtig) nie selbständig werden würden.

Die Krankheit liegt über meinem Leben wie ein Fluch. Und ich finde keinen Ausweg. Wie viel lieber wäre ich selbst krank, so bin ich völlig hilflos und hoffnungslos, je älter meine Kinder werden, umso mehr.

Erst nachdem ich Kinder hatte (und das erste krank wurde) wurde mir die Möglichkeit genetischer Vererbung depressiver Erkrankungen bewusst, obwohl ich es eigentlich hätte wissen, zumindest aber ahnen müssen. Ich bin sehr interessiert an einem Gedankenaustausch, falls noch jemand so etwas erlebt hat. Ich suche seit Jahren nach einer Angehörigengruppe oder ähnlichem Aber das gibt es bei uns auf der "platten Land" nicht. Und es fällt mir so schwer, allein damit klar zu kommen!



dorenberg schrieb:
> Hallo nochmal,
>
> jetzt schreibe ich hier nochmal, weil es mich einfach mal interessieren würde, ob es hier jemanden gibt, der wie ich unter Depressionen leidet, weil er u.a. psychisch kranke Eltern hatte und somit eine verr-rückte Kindheit, wenn man so will. Ich find sehr wenig darüber im Netz. Und hab auch nur ein Buch, das wirklich auch für erwachsene Kinder ist, bei amazon gefunden.
> Meine Geschichte in der Kurzversion:
> Ich litt seit Geburt unter meiner psychotischen Mutter (alles dabei, Wahn, Manie, Schizophrenie)), die zusätzlich auch unter Depressionen und später auch noch unter multipler Sklerose litt. Sie war in meiner Kindheit und frühen Jugend sehr oft in Kliniken und alles andere als eine "normale" Mutter. Mein Vater hat mich und meinen Bruder dann später alleine großgezogen, er war aber auch ziemlich überfordert damit und auch schon länger depressiv.
> Ich bin jetzt 31, meine Mutter ist inzwischen gestorben (an MS) und in meiner jetzigen Therapie (seit 2004) ist mir klar geworden, dass in dieser Horror-Kindheit ein wesentlicher Grund für meine Depressionen und Ängste liegt.
> Dies war die Kurzfassung.
>
> Aber viel mehr interessiert mich, wer vielleicht ähnliches erlebt hat und kennt, und wie er damit heute für sich umgeht. Es fällt mir immer noch sehr schwer, darüber zu schreiben geschweige denn zu sprechen. Gott sei Dank konnte ich dies in der Therapie endlich tun.
triste
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Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von triste »

Liebe Anna,

ich möchte Dir zumindest kurz schreiben, auch wenn ich nicht mit ähnlichen Erfahrungen dienen kann, da ich keine Kinder habe. Immerhin habe ich psychisch auffällige Eltern, was aber wohl kaum vergleichbar ist mit dem, was Du erlebt hast.

Mir fällt eines bei Deinem Bericht auf und es ist natürlich nur die Sichtweise einer Aussenstehenden, aber vielleicht kannst Du ja etwas damit anfangen:
Hast Du je daran gedacht, selbst eine Psychotherapie zu machen, um das Erlebte zu verarbeiten? Ich habe den Eindruck, Du schätzt das alles kognitiv schon richtig ein, aber was ist mit Deinen unbearbeiteten Gefühlen? An die kommt man oft nur mit professioneller Hilfe heran und ich finde, Du könntest diese Chance durchaus noch wahr nehmen.
Zu Deinen Kindern: mit ein bisschen (oder mehr) Glück sind deren Depressionen behandelbar, d.h. wirksame Medikamente und Psychotherapie. Mit dieser Kombi kann man viel erreichen und sie sind noch jung....sie haben auf jeden Fall die Chance, noch "lebenstüchtig" zu werden!
Ich verstehe, dass Du Dir Sorgen machst, aber Schuld...das ist etwas, das es bei Depressionen nicht gibt!
Du kannst weder für den schweren Krankheitsverlauf Deiner Mutter, noch für das Auftreten der Krankheit bei Deinen Kindern, tausche die genetische Veranlagung für Depressionen aus gegen eine beliebige organische Erkrankung: würdest Du Dich dann auch so schuldig fühlen? Ich kann mir zwar vorstellen, dass man sich als Mutter schrecklich fühlt, wenn man sein Kind leiden sieht - und Depressionen sind extrem leidvoll - aber man kann auch etwas gegen die Krankheit tun und Deine Kids haben alterstechnisch noch gute Chancen, ihr Leben zu meistern.

Zunächst wünsche ich Dir, dass Du hier im Forum gute Gedanken bekommst und vielleicht noch Gesprächspartner mit ähnlichem Erleben. Denk doch mal über eine Therapie für Dich nach: Du hast doch einen Leidensdruck, oder? Wir müssen nicht immer alles alleine schaffen, weißt Du!

Alles Gute für Dich!
Virginia
dore
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Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von dore »

Liebe Anna!

Doch, also ich lese auch noch mit! Ich fand deinen Beitrag hier sehr mutig, dass du hier schreibst, und war gleichzeitig auch sehr traurig über das, was du schreibst. Es erinnert mich an emien eigene Kindheit. Meine Mutter litt auch unter Wahn und ist darin versunken, ich hab sie eigtl. nie kennengelernt, also ihre Persönlichkeit. Sie hatte alles: Depression, Psychose, Manie, alles. Und immer schön an uns Kindern ausgelassen. Und dann später noch Multiple Sklerose, woran sie vor einigen Jahren mit nur 45 J. gestorben ist. Meinen Vater dazu, der "nur ein bißchen depressiv" aber sonst arbeitsfähig etc. war, hat uns trotzdem nicht beigestanden und im Stich gelassen, eigtl. noch schlimmer. Obwohl ich später bei ihm aufgewachsen bin, aber nur mehr physisch versorgt als sonst irgendetwas. Somit habe ich mich auch immer alleine und einsam gefühlt, bis heute. Ich bin noch immer sehr misstrauisch, sehr aggressiv manchmal, und sehr, sehr ängstlich und deprimiert, bis heute. Naja, das zu mir.
Aber ich habe auch sofort gedacht, dass deine Meinung über deine beiden erkrankten Kinder, die "lebensuntüchtig" sind, sehr hart ist. Ich schließe mich Virginia an, dass heutzutage Depressionen aller Art GOTT SEI DANK eingermaßen bis gut in den Griff zu bekommen sind, dank neuerer AD´s und Therapien.
Aber ich frage mich auch, ob du eine Psychotherapie gemacht hast, um deine Kindheit aufzuarbeiten, die sicherlich schlimme seelische Verletzungen hinterlassen hat. Selbsthilfegruppen allein helfen eventuell nicht unbedingt, es braucht meiner Meinung nach einen guten, erfahrenen und sensiblen Therapeuten. Es ist wirklich hart, was du erlitten hast. Ich habe mich auch in dem erkannt, dass man als Erwachsener das ganze "vergisst" und eben sein Leben lebt. Mich hat es aber immer wieder eingeholt, ich hab es nur erst mit ca. 30 J. gemerkt, dass dem so ist. Alles mehr oder weniger verdrängt, ganz übel.
Ich hoffe, trotz aller Widrigkeiten, trotzdem meine ganzen seelischen Probleme/Depris und Ängste noch in den "Griff" zu kriegen, um unbefangener leben zu können. Manchmal denke ich auch, ich schaffe es nicht, und ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde, aber versuchen tue ich es natürlich. Und wenn ich will, kriege ich auch Kinder, Gene hin oder her. Das ist doch fast unmenschlich, so zu denken, wer dann alles keine Kinder kriegen "dürfte"...

Also, gerne können wir uns hier in diesem Thread noch austauschen, vielleicht hilft das auch schon ein wenig.

Alles Gute für dich und Kopf hoch!



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-Immanuel Kant-
Zehlendorf
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Registriert: 6. Feb 2008, 18:22

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Zehlendorf »

Hallo, Virginia und Dore,
vielen Dank für eure Antwort. Zunächst: Na klar habe ich bereits öfters über eine eigene Therapie nachgedacht und war bis vor 2 Jahren für anderthalb Jahren in einer Einzeltherapie. Na klar denkt man zunächst über eigene "Macken" und Fehler nach, wenn die Kinder krank werden, und sicher gab und gibt es da ne Menge.

Die Antwort der Therapie war zunächst einmal Amitriptylin, in Anbetracht der Schlafstörungen, die ich immer habe, wenn meine Kinder wieder in einer "heißen Phase" sind, sicher nicht falsch, aber ich vertrag das Zeug so schlecht und geholfen hats auch nicht so recht. Ohne Schlaf und Medikamente bin ich arbeitsfähig, fühle mich zwischendurch auch richtig gut, mit bin ich morgens schrecklich zerschlagen, hatte zweimal sogar einen Sekundenschlaf am Steuer (ganz schön gefährlich) und kann kaum reden, weil mir die Zunge am Gaumen klebt. Viel Reden ist aber nunmal mein Job und der macht mir ne Menge Spaß. Weiß nicht, wie ich die letzten 10 Jahre ohne Job überlebt hätte.


Die Therapie behandelte vieles, was ich schon weiß, und hatte wohl das Ziel, mir mehr Distanz zum Schicksal meiner Kinder zu verschaffen, sicher ein "Problem" von mir. Ich denke, es ist kein Wunder, wenn jemand mit einer solchen Kindheit eine Menge Narben durchs Leben schleppt und ich selbst habe ne Menge verdrängt, auch Sachen, die so schlimm waren, dass man sie eigentlich nicht "vergessen" kann. Meine Schwester hat mir später manches erzählt, woran ich keinerlei Erinnerung mehr habe. Wohl ein recht starker Selbstschutzmechanismus.


Ich habe eigentlich wenig "Hemmungen", mit anderen über meine Kindheit zu reden, das liegt aber daran, dass ich die ganze Sache emotional ganz weit von mir weghalte. Wie hätte ich sonst überleben sollen? Mal ganz im Ernst, wenn man als Mutter, so wie es ich im November erlebt habe, hören muss, dass einem der eigene Sohn, ein kluger, hübscher und sehr lieber Mensch wörtlich sagt "Ich bin nur noch Abfall und für den Müllhaufen gut" und "mein Leben ist vorbei" und man kann dann als Mutter noch "normal" schlafen, dann ist man meines Erachtens verdammt krank. Und davon will(!) ich gar keine Distanz bekommen.


Meine 3 Kinder haben ein unvorstellbar schlechtes Selbstwertgefühl und natürlich müssen (!) wir da etwas falsch gemacht haben. Und wenn ich aus heutiger Sicht, wo ich die "Ergebnisse" kenne, zurückdenke, fallen mir eine Menge Situationen und Reaktionen ein, die nicht in Ordnung waren. Aaaber: Ich kenne beruflich viele Eltern und Kinder, auch aus schlimmen Verhältnissen, mit psychischer Krankheit, Gewalt, Scheidungsgeschichten, Alkohol und was es sonst noch so alles gibt. In dieser Preisklasse haben meine Kinder wirklich nichts erleben müssen. Und wenn ich an meine Kindheit denke, wie meine Mutter das Haus verbarrikadierte, weil ihrer Meinung nach Russen mit Maschinengewehren im Vorgarten waren und überhaupt alles verstrahlt usw., dann ist auch das eine völlig andere Dimension.

Mein Gefühl bei der Therapie war auch, dass das Graben in Vergangenem (und das ist bei mir nun wirklich lange vorbei) eher meine Tendenz zu Selbstzweifel und Grübelei verstärkt, etwas was ich bewusst eher versuche abzustellen. Meine Erfahrung war immer - und damit habe ich mich praktisch am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen - dass es mir hilft, nach vorne zu sehen und tätig zu werden. Deshalb macht es mich auch so "krank", wenn ich sehe, dass meine Kinder die Zeit verstreichen lassen und ich ja nichts "für"(!)sie machen kann.

Wenn ich meine Vergangenheit überdenke, dann bin ich ziemlich stolz, auf das, was ich für mich erreicht habe, jedenfalls sehr viel mehr, als zu erwarten gewesen wäre. Natürlich bin ich dabei ein "Macher" geworden, der sich selbst, aber auch anderen ganz gerne eine Menge abverlangt, und genau das ist möglicherweise auch das Problem meiner Kinder. Mein Mann ist mir da ziemlich ähnlich. Die Bezeichnung "lebensuntüchtig" ist nicht so "ab)wertend" gemeint, wie sie sich anhört, sondern eine Zustandsbeschreibung. Ich sehe meine beiden kranken Kinder nicht auf dem Weg dazu, eine Beruf zu bekommen, mit dem sie sich über Wasser halten können. Dabei denke ich weißgott nicht an eine "Karriere", sondern daran, dass es ganz wichtig ist, auf eigenen Füßen zu stehen und nicht mehr von Mama und Papa abhängig zu sein. FÜr ihr Selbstwertgefühl wäre es wichtig und für uns als alte Eltern auch, denn wir werden nicht jünger.

Ich lese in dem Meinungsaustausch, der bisher gelaufen ist, sehr viel Verbitterung gegen die kranken Eltern. Das kann ich persönlich gar nicht teilen. Ich habe meiner Mutter ihre Krankheit nie übel genommen, im Gegenteil, ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als sie lustig und tatkräftig war, die Familie zusammenhielt. Die Krankheit traf sie "aus heiterem Himmel", so erinnere ich es jedenfalls. Und sie hat mich sehr geliebt, und alles für mich getan, so lange sie eben konnte. Ich habe bis heute Augenblicke, in denen ich denke, wie schade es ist, dass ich nichts mehr mit ihr besprechen kann und dass sie nach ihrer Krankheit nie wieder gesund geworden ist. Vorwürfe mache ich meinem Vater, der sich aus seiner Verantwortung mir gegenüber gestohlen hat, immerhin war ich das Kind, nicht er, und vor allem finde ich es so schrecklich, dass niemand außerhalb solch desaströser Familien sich verantwortlich fühlt, eingreift und hilft. Das war früher noch schlimmer als heute, ist aber im Prinzip genauso. Jeder, der mal mit psychisch Kranken zusammenleben musste, weiß mit Sicherheit, wie "ansteckend" das ist. Die Krankheit meines ältesten Kindes, das damit jahrelang zu Hause lebte, war wie ein schwerer, unerträglicher Druck der über uns allen lastete, auch gerade auf seinen jüngeren Geschwistern, die in der Pubertät waren und nicht die Aufmerksamkeit bekamen, die sie benötigt hätten. Angehörige - so empfinde ich das - werden allein gelassen mit dem Problem. Hilfe - wenn überhaupt - bekommt der Kranke und aus dieser Situation erwachsen dann neue Probleme, unter denen alle leiden. Warum haben wir damals keine Familientherapie haben können, die nicht nur unsere Beziehungen zu dem kranken Kind (und die Gefühle ihm gegenüber) behandelt hätte, sondern auch gerade die Ängste der jüngeren Geschwister. Soetwas haben wir damals verzweifelt und vergeblich gesucht.

Ich bin davon überzeugt, dass das ein Hauptproblem ist, unter dem alle Angehörige von psychisch Kranken - Eltern, Kinder und Geschwister - ganz schrecklich leiden, und die Kranken selbst, die sehr wohl merken, was ihre Krankheit anrichtet, ebenfalls. Jeder Cent, der hier investiert würde, könnte viel Leid und Kosten, die aus der ungelösten Situation resultieren, einsparen!
dorenberg schrieb:
> Hallo nochmal,
>
> jetzt schreibe ich hier nochmal, weil es mich einfach mal interessieren würde, ob es hier jemanden gibt, der wie ich unter Depressionen leidet, weil er u.a. psychisch kranke Eltern hatte und somit eine verr-rückte Kindheit, wenn man so will. Ich find sehr wenig darüber im Netz. Und hab auch nur ein Buch, das wirklich auch für erwachsene Kinder ist, bei amazon gefunden.
> Meine Geschichte in der Kurzversion:
> Ich litt seit Geburt unter meiner psychotischen Mutter (alles dabei, Wahn, Manie, Schizophrenie)), die zusätzlich auch unter Depressionen und später auch noch unter multipler Sklerose litt. Sie war in meiner Kindheit und frühen Jugend sehr oft in Kliniken und alles andere als eine "normale" Mutter. Mein Vater hat mich und meinen Bruder dann später alleine großgezogen, er war aber auch ziemlich überfordert damit und auch schon länger depressiv.
> Ich bin jetzt 31, meine Mutter ist inzwischen gestorben (an MS) und in meiner jetzigen Therapie (seit 2004) ist mir klar geworden, dass in dieser Horror-Kindheit ein wesentlicher Grund für meine Depressionen und Ängste liegt.
> Dies war die Kurzfassung.
>
> Aber viel mehr interessiert mich, wer vielleicht ähnliches erlebt hat und kennt, und wie er damit heute für sich umgeht. Es fällt mir immer noch sehr schwer, darüber zu schreiben geschweige denn zu sprechen. Gott sei Dank konnte ich dies in der Therapie endlich tun.
dore
Beiträge: 216
Registriert: 15. Mär 2006, 11:29

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von dore »

@ Anna

Hallo Anna!

Es ist schon schwierig, denke ich, mit all diesen Problemem umzugehen. Aber, wie gesagt, ich denke dass eine (weitere) Therapie sehr hilfreich für dich sein könnte. Aber das ist natürlich deine Sache!

@ all und Mika oder Mariana
Lest ihr hier noch mit?

Ciao!



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Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Anna,

ich habe gerade deine beiden Beiträge gelesen und die berühren mich ziemlich, weil ich mich zugleich ein Stück in dem wiederfinde, was Du über Dich selbst schreibst, als auch in dem, was du über Deine Kinder sagst.

Von meinen Eltern hat keiner eine Psychose oder war jemals in psychiatrischer oder therapeutischer Behandlung, aber irgendwie psychisch auffällig sind beide, vor allem mein Vater. Beide stammen auch wiederum aus belasteten Familien mit Gewaltproblemen, Suiziden, etc.
Die Ehe meiner Eltern war immer schwierig, als Kind hatte ich das Gefühl, ich muß die Familie "zusammenhalten", ich muß dafür Sorgen, daß Mama nicht traurig ist und daß Papa nicht im Suff oder in impulsiven Stimmungen irgendeinen Blödsinn macht. Also hab ich einen "starken Teil" entwickelt, der andere stützen und ihnen helfen kann.
Aber ein anderer Teil ist vielleicht so ähnlich, wie Deine Kinder, ich habe heftige Psycho-Krisen, habe extrem lange gebraucht, um ein Studium zu beenden, finde jetzt keinen Job und mit Beziehungen ist es auch schwierig.
Ich weiß, daß sich meine Mutter deshalb oft Sorgen macht, andererseits habe ich manchmal auch das Gefühl, daß sie sich ein Stück ihrer Stärke daher holt, sich um andere sorgen und sie stützen zu können (so wie ich das selbst manchmal auch tue). Jedenfalls denke ich oft, daß meine Mutter mir eigentlich am besten hilft, wenn sie was für sich selbst tut, dafür sorgt, daß es ihr gut geht.

Daß Du nicht im Vergangenen herumwühlen willst, kann ich verstehen - das kann manchmal hilfreich sein, um bestimmte Erlebnisse zu verarbeiten, aber es kann auch schwächen. Es gibt aber auch Therapien, wo mehr an den Ressourcen gearbeitet wird, geguckt wird, wie Du jetzt dein Leben so gestalten kannst, daß es erfüllt und zufrieden ist. Vielleicht wäre das was für Dich?

LG, Wolke
obsidiana

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von obsidiana »

Ich lese hier mit... bin in Analyse und es hat sich bestätigt - es gibt eben Mütter und auch Väter die nach aussen wahre "Gutmenschen" sind aber innerhalb läuft psychischer Mißbrauch ab den kaum einer sieht.

Ich kann erst jetzt darüber sprechen, ich hatte mir einen Partner gesucht der meiner Mutter verblüffend ähnlich war...

Ich setze hier mal einen link zu einem Buchauszug... beschreibt meine Kindheit noch sehr harmlos..

Und ich denke ich stehe damit nicht alleine da...

http://www.narzissmus.net/index.php?opt ... &Itemid=63

LG obsi
obsidiana

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von obsidiana »

Ich muss dazu sagen daß ich das verdammte Glück hatte in einer "gesunden" Umwelt gross zu werden, die menschen ausserhalb haben mich immer liebevoll angenommen.

Ich bin jetzt 56 - war also damals ne andere Zeit aber ich habe schon Angst um meine 2 Kinder, was habe ich "vererbt" und drum meine Energie zur Analyse.

Der Vater meiner Kids mit dem ich 14 Jahre zusammen war ist ein "Gutmensch", merkbefreit.. ich funktionierte nicht mehr und somit liess er seine "Königskinder" fallen... und auch meine Tochter hat Depressionen...
A never ending story...

Ich hoffe ich trigger hier niemanden??

Danke fürs lesen

obsi

Ich durfte mich nie freuen - meine Mutter nahm es mir sofort um selbst zu überleben... ja, so sieht ein Teil meiner Depression aus und wenn ich hier so mitlese kommt mir manchesmal sehr viel bekannt vor...
Wiegesagt, nur eine Facette der Depression...sie kann sehr vielfältig sein und jeder muss für sich selbst herausfinden wo das "Übel" liegt.
Dohle
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Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Dohle »

Das hat mich doch jetzt sehr berührt, insbesondere der Buchauszug - wie bei mir zu Hause früher, und auch ich habe festgestellt, in gewisser Weise meine Mutter geheiratet zu haben.
Leider habe ich bis heute nie das Gefühl erlebt, um meiner selbst willen geliebt zu werden, oder ich habe völlig verlernt, ein solches Gefühl überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, alles ganz große Sch****!!!
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Weltenwandlerin »

@ Dore:

ja, Mika liest noch mit.

Ich finde es toll, dass hier soviele über dieses schwierige Thema schreiben und es nicht zu meinem befürchteten Schuld etc. Szenario gekommen ist.

Dore, du wolltest Literaturtipps, da du mich privat nicht angeschrieben hast, mache ich das Ganze nun doch öffentlich:

ich habe gelesen oder teilweise gelesen:

*Alice Miller- "das Drama des begabten Kindes" ((emotionaler)) Mißbrauch von Kindern durch Eltern, gut lesbar, aber schmerzhaft)

*Bärbel Wardetzki- "Weiblicher Narzissmus"
(dito, Kontext auch zu Essstörungen)

*Heinz- Peter Röhr- "Narzißmus"
(dito, kurz und bündig)

*Susan Forward- "Vergiftete Kindheit"
(dito, sehr schmerzhaft zum Teil für mich)

*Joachim Bauer- "Warum ich fühle, was du fühlst" (gut verständliches Fachbuch auf der Basis moderner Hirnfoschung mit Erklärungsmodellen zum Thema Empathie, Spiegelneuronen etc., generell spannendes Thema!)

*Helmut Remschmidt/ F.Mattejat: "Kinder psychotischer Eltern" (Fachbuch, viel Empirie, eher was für die Psychologen unter uns

*Reinhold Schone/ S.Wagenblass: "Wenn Eltern psychisch krank sind" (Fachbuch, aber gut lesbar)

*Suess et al: "Bindungstheorie und Familiendynamik" (Fachbuch. Die Bindungstheorie nach Bowlby usw. könnte für einige hier spannend sein?!)

*Suess,et al: "Frühe Hilfen. Die Anwendung von Bindungs- und Kleinkindforschung in Erziehung, Beratung, Therapie und Vorbeugung." (Fachbuch)

*Mattejat, Lisofsky.: "Nicht von schlechten
Eltern. Kinder psychisch Kranker"
(Fachbuch, aber gut lesbar)

*Lenz: "Kinder psychisch kranker Eltern." (Fachbuch, mit Empirie, aber gut lesbar)

*Wegscheider : "Es gibt doch eine Chance. Hoffnung und Heilung für die Alkoholiker- Familie." (systemisch, sehr gut lesbar! Die Autorin beschreibt u.A. verschiedene Rollen, die Kinder in dysfunktionalen Familiensystemen einnehmen müssen, um zu überleben und die Auswirkung dieser auf das spätere Leben).

Die Liste ist um zahlreiche Artikel in Zeitungen etc. fortzusetzen und es kommen natürlich andauernd neue hinzu. Im Moment bewege ich mich im systemtheoretischen/ Familientherapeutischen Bereich für meine Arbeit, also wird aus dieser Ecke noch mehr Literatur kommen. Virginia Satir etc.

Wenn gewünscht, folgt Fortsetzung.

Viele Grüße,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
obsidiana

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von obsidiana »

Liebe Heike,

du hast dies nie gelernt, weil deine Gefühle dir genommen, unterdrückt wurden, weil deine Mutter/Vater diese brauchten um zu überleben.

Nach der Trennung vom Ex und nach meinem grossen Zusammenbruch, der Wiederholung des Traumaerlebnisses mit meiner Tochter... kam ich in eine für mich passende Klinik und fand dann den für mich maßgeschneiderten Therapeuten und es geht stetig bergauf, ich habe oft das Gefühl ich wachse über mich selbst hinaus.

Liebe Heike, ich wünsche dir daß du Mut für eine Therapie findest - immerhin beschäftigst du dich schon mit dem Thema, hast etwas sehr Wichtiges für dich erkannt und der richtige Zeitpunkt wird dann kommen

Ganz liebe Grüsse

obsi
dore
Beiträge: 216
Registriert: 15. Mär 2006, 11:29

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von dore »

@ Mika

Schön, dass du noch hier bist!! Genau, ich wollte dir eigtl. mal privat schreiben, genau deshalb hab ich gefragt, ob du hier noch mitliest. Ist ja schon ein Weilchen her, dass ich dir schreiben wollte, und ich weiß auch nicht, warum ich es nicht getan habe...

Vielen vielen lieben Dank für die umfangreiche Literaturauswahl, das ist toll, dass ich jetzt mal andere Tipps habe als die ewigen paar von amazon oder von netz und boden.

Mir fällt es nach wie vor schwer, darüber nachzudenken, zu schreiben oder zu reden. Möchte dies aber jetzt mehr tun, und ich schreib dir spät. am Wochenende mal privat, wenn ich das darf.

Gruß, dore!



Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.

-Immanuel Kant-
nDambi
Beiträge: 2
Registriert: 12. Jun 2008, 13:47

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von nDambi »

Hallo an alle,

ich finde diese Diskussion sehr interessant, beschäftige mich schon länger intensiv mit diesem Thema.

Ich bin bei einer alleinerziehenden angstgestörten, depressiven Mutter großgeworden, die alle ihre wenigen Ressourcen für ihr eigenes oberflächliches Funktionieren aufgewendet hat und nichts (mehr) für mich übrig hatte. Habe sie schon als kleines Kind als "innen hohl" erlebt.

Meine Reaktion auf ihr Nichtvorhandensein als Bezugsperson war ab der Pubertät starke Aggression. Ich zettelte über Jahre täglich immer den selben Streit an, der zu nichts führte und bei mir so mit 15, 16 selbst Depressionen auslöste. Bin dann nach dem Abitur ausgezogen und habe seitdem so gut wie keinen Kontakt. Meine Aggressionen ihr gegenüber sind noch genauso stark wie früher, ich denke ständig über sie nach und leide sehr unter der Tatsache, nie jemanden gehabt zu haben, der für mich da war (ihre seelischen Probleme hat sie nie thematisiert, die ganze Familie war dysfunktional und hat die offensichtlichen Probleme ignoriert).

Gibt es hier noch andere Leute, die mit Aggressionen auf die schlechte Bindung zu ihren Eltern reagiert haben? Habe das noch nie gehört und fühle mich sehr allein damit, auch wenn meine neue Therapeutin meinte, die Aggressionen wären ein gutes Mittel der Abgrenzung gewesen, und es sei wichtig, dass ich überhaupt meine Gefühle ausgedrückt habe. Owohl ich mich im Prinzip recht gefühlskalt meiner Mutter gegenüber fühle und mich auch kaum konkret an meine Kindheit erinnere, belastet mich das alles sehr (ich führe meine sozialen Ängste, Scham, Depressionen und starken Selbstwertprobleme auf jeden Fall auf diese Vergangenheit zurück), zumal meine Mutter vor einiger Zeit ernsthaft versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Ihr Freund erklärte mir das in einem Brief - es sei aus Trauer darüber geschehen, dass ich keinen Kontakt mehr wolle...
12345
Beiträge: 69
Registriert: 18. Jun 2008, 09:24

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von 12345 »

Hallo ich habe/hatte Eltern die nicht als psychisch krank diagnostiziert wurden - ich weiss folgendes von meinen Eltern:

Meine Mutter musste in ihrer Kindheit schon arbeiten.In ihrer Jugend hat sie alles verloren. Sie war über 3 Jahre Kriegsflüchtling - von Ost nach West.

Mein Vater wollte nicht zur SS und musste zum Strafarrest in ein Arbeitslager (er hatte Glück, andere die sich weigerten wurden erschossen).
Als sie ihn dann "hingebogen" hatten erlitt er in dem Krieg in den er nicht ziehen wollte schwere Kriegsverletzungen.
-Dieser KZ Part der Vergangenheit meines Vater kommt mir selbst immer unrealistisch vor, dazumal mein Vater selbst nie darüber geredet hat.

Meine Eltern wuchsen also in der Vorkriegszeit auf und erlebten als Adoleszenten den Krieg.

Sie haben nie gelernt über bestimmte Dinge oder Gefühle sprechen zu dürfen.

In meiner Herkunftsfamilie war immer Kampf und Krieg oder aber es gab eben kein Problem.
Über das ganze Chaos und die Folgen und die Verletzungen schreib ich hier nicht.

Ich habe auch einiges davon übernommen als Elternteil, schliesse mich dem an was weiter oben schon eine Mutter schrieb.

Wir Kinder(3) haben alle Probleme mit uns selbst, mit Beziehungen und mit unserern Emotionen, leiden an Deppressionen und Aggressionen, Sucht und psychosomatischen Leiden.

Ich fühle heute als Erwachsene und Mutter und als Frau in der Lebensmitte anders für meine Eltern als ich es früher getan habe.

Ich habe den Vorteil Therapien machen zu können. Daraus ergibt sich die Chance den Kreislauf zu verändern. Diese Chance muss ich nutzen, für mich, aber auch für meine Tochter.

Ich habe es aufgegeben meine Mutter verändern zu wollen.Ich akzeptiere sie wie sie ist. Ich fühle Liebe für meine Mutter, aber ich kann nicht tief kommunizieren mit Ihr, wir sind uns seelisch fremd. Und wir halten es auch nie lange miteinander aus.
Überhaupt gibt es immer noch Familieninterne Eskalationen auch zwischen und Geschwistern.
Der "Krieg" ist immer noch nicht beendet.

Meine Mama hat dennoch auf ihre Art immer versucht ihre Kinder gut grosszuziehen. Sie hat uns geliebt so gut sie konnte.

Mein Vater ist früh gestorben. An den Folgen der Kriegsverletzung, an denen der Krebs startete.

Klar sind Kinder eindeutig die Opfer, aber aus Kindern werden Erwachsene, vielleicht Eltern ...

Ich verzeihe meinen Eltern, ich danke Ihnen für das was sie mir mitgegeben haben an guten Eigenschaften und Lebenserfahrung.

Ich verzeihe auch den Grosseltern, den Eltern meiner Eltern, die ihren Kindern die Kindheit und Jugend geraubt haben bzw. rauben liessen durch den Adolf. Sie haben selbst so viel verloren, ihr Zuhause, einige ihrer Kinder ...

Und ich danke den Menschen die mir da weitergeholfen haben wo meine Eltern versagt haben, bzw. ich selbst nicht alleine weitergekommen wäre. Die mir aus der Krankheit rausgeholfen haben.

Ich war auch Opfer - aber jetzt bin ich es nicht mehr. Manchmal holen die alten Sachen mich ein aber dann muss ich es eben wieder weiter ansehen und aufarbeiten.


lieber Gruss
Saida
„Es kommt im Leben auf Kleinigkeiten an.“

Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), Schweizer Pädagoge
3241
Beiträge: 103
Registriert: 30. Mär 2008, 13:34

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von 3241 »

Hallo @ all,
hallo liebe Dore,

ich bin sehr froh, dass ich diesen Thread gefunden haben. Und ich bin sehr froh, dass ich wirklich nicht alleine mit dem Thema bin.

Die ganzen Zeilen machen mich sehr betroffen und nachdenklich. Vieles kommt mir sehr bekannt vor oder lief sehr ähnlich ab.
Was habe ich heute ? Viele Narben, Depression, soziale Phobie, Ängste.

Ich bin mit 19 Jahren ausgezogen und dachte alles sei vorbei. Heute (mit 31 Jahren) muss ich einsehen, dass nichts vorbei ist und ich bisher nur geflüchtet bin. So habe ich seit mehreren Jahren Depression, die aber erst seit Ende 2007 "offiziell" durch einen Zusammenbruch erkannt worden ist.
Seit dem bin ich in psychiatrischer/medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung. Und ich versuche seit dem den Kreislauf zu durchbrechen. Ich hatte immer Angst davor so zu werden wie meine Mutter. Leider muss erkennen, dass ich zu viel Ähnlichkeit mit ihr habe.


@ Dani Peters
Ich kann mich besonders mit Deinem Beitrag indentifizieren.

Meine Mutter war bereits vor meiner Geburt mit Unterbrechnungen mehrere Jahre in der Psychiatrie gewesen. Während der Schwangerschaft mit mir und nach meiner Geburt auch.
Daher bin ich in meinen ersten 2 1/2 Lebensjahren im Kinderheim aufgewachsen. Ich denke, dass war der erste Knacks in meiner Vergangenheit.
Wir haben, glaube ich, nie eine Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut.

Dann bin ich allein mit meiner depressiven, ja vielleicht sogar persönlichkeitsgestörten Mutter aufgewachsen. I

Ich glaube schon, dass sie mich soweit es ging geliebt hat. Aber ich glaube auch, dass sie mich als Angelhaken benutzt hat, da sie zu viel Angst hatte den mir gegenüber immer wieder angedrohten Suizid durchzuführen.
Als ich 15 Jahre war hat sie es dann auch versucht (mehr schlecht als recht, ich glaube es war mehr ein Hilfeschrei). Jedenfalls saß sie eines Tages in der Küche mit "angeschnittenen" Arm.....

In guten Zeiten war sie eigentlich ganz nett.
In schlechten Zeiten hat sie mich tagelang ignoriert, mir angedroht mich wieder ins Kinderheim zu stecken, gesagt, dass es ohne mich viel einfacher sei und sie sich schon lange umgebracht hätte u.s.w.
So war meine Kindheit wohl hauptsächlich geprägt von Verlustängsten, sozialer Isolation, Schuldgefühlen etc.

Und es war kein Mensch da, den ich mich hätte anvertrauen können, kein Mensch da, mit dem ich das "Schicksal" hätte wenigstens teilen können.

Bis heute kann ich keinem wirklich vertrauen, meine Gefühle äußern, Freundschaften entwickeln und zu erhalten. Ich wundere mich über mich selbst, dass ich insgesamt eine 8-Jährige, doch glückliche und harmonische Beziehung mit meinem Mann geschafft habe.

Seit der Pubertät reagiere ich auch aggressiv auf meine Mutter, habe mich ihr gegenüber eher abfällig, abweisend verhalten. Grund: den Abstand so gut wie möglich zu wahren. Ich habe mir eine dicke Panzerschicht zugelegt. Da geht halt nichts raus und nichts rein.

Meine Psychotherapeutin wundert sich auch, dass ich es geschafft habe, mich da hin durchzukämpfen wo ich heute bin.

Es wird natürlich auch meine Beziehung ggü. meiner Mutter thematisiert, die Problematik wird aus mehren Blickwinkeln betrachtet.
Inzwischen merke ich, dass meine Gefühle ggü. meiner Mutter "weicher" werden. Da passiert etwas !

Ich weiss, dass ich bis jetzt nur einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan habe. Aber ich habe angefangen des Kreislauf zu durchbrechen. Und es wird noch ein langer steiniger Weg sein, bis alles bearbeitet ist und ich meine Verhaltensmuster positiv verändern kann. Hoffentlich habe ich die Kraft und die Geduld.
Und das wünsche ich auch allen Anderen, die mit solchen Problemen fertig werden müssen.

Niniel
Es ist Zeit, mein Schatz es ist Zeit,

zu gehen und zu schweben

Zeit, mein Herz es ist Zeit,

zu sehen und zu leben

(Auszug Songtext "Auf zum Mond" UH)
Lee
Beiträge: 1074
Registriert: 5. Jul 2004, 16:42

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Lee »

Liebe Dys,

>>>Als ich mit 18Jahren mein Elternhaus verlies, war meine Mutter plötzlich völlig gesund. Ich frage mich manchmal ob ich sie wirklich krank gemacht habe, oder ob sie ohne meine Pflege einfach auf eigene Beine stehen musste.

Dritte Möglichkeit: Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ist extrem kompliziert; allein machen Muttern ihre (unbewussten?) Machtspiele keinen Spaß ...

Als ich Kind war, machte meine depressive Mutter das so: "Wenn du nicht mit mir spazieren gehst, bringe ich mich um." Gebeugte Schultern und reichlich Tränen dazu. Hat mich jedesmal zutiefst erschreckt und Schuldgefühle verursacht. Später, als ich erwachsen und längst ausgezogen war, empfing sie mich bei meinen Besuchen "krank" im Bett. Es ist mir schwergefallen, aber ein brutales "Ok, dann fahre ich wieder. Du brauchst Ruhe!" hat gereicht: Spontanheilung ohne Rückfälle ... Einerseits tut sie mir Leid, weil ich große Einsamkeit hinter ihren Bemutterungswünschen vermute, andererseits will ich nicht mehr für das Glück und Überleben meiner Mutter verantwortlich sein. Ich habe den Kontakt abgebrochen. Das Aufatmen seither überwiegt bei weitem die Schuldgefühle.

@ Mika: gerne Fortsetzung der Literaturliste!

Viele Grüße
Lee
Nico Niedermeier
Moderator
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Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Ich lese gerade ein super Buch zum Thema...vielleicht als Anregung für den ein oder anderen der von dieser Problematik betroffen ist: Borderline Mütter und Ihre Kinder von Christine Lawson
Beste Grüeß Dr. Niedermeier
tictac

Re: Kindheit mit psychisch kranken Eltern - jemand ähnliches erlebt?

Beitrag von tictac »

Hi!

Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der emotional wenig da war (und immer noch). Er war ziemlich streng und hatte so seine Dinge und Regeln die man auf jeden Fall befolgen sollte. Wenn dies nicht geschah, konnte er ziemlich heftig ausrasten. Zum Glück hat er mich nur ein Mal eine Ohrfeige verpasst (und da war ich schon erwachsen), aber ein großer erwachsener mann, der einem total fertig macht weil man aus versehen was kaputt gemacht hat, oder nach 2 minuten nicht sofort aus dem bett gesprungen ist - ist auch nicht toll :P

Ich glaube, dass er möglicherweise ein Borderline-Fall sein könnte. Wenn wir ab und zu reden, wenn ich da bin (und wir reden erst wenn wir beide betrunken sind!) habe ich versucht das Thema anzugehen, aber er lehnt ab.

Weiß aber das der voll der softy ist, im vergleich zu euren fällen, also sorry :/
12345
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Familie besuchen - Beitr. ist evtl. nicht für jeden gut - enthält Gewalterfahrung

Beitrag von 12345 »

Ich weiss nicht ob das o.k ist wenn ich das jetzt hier poste, aber ich habe nichts darüber gelesen ob das Thema Gewalt und Streit hier verboten ist, also schreibe darüber weil ich bald zu meiner Mutter zu Besuch fahre und etwas Angst davor habe.

Wenn es daneben ist, dann sage ich gleichmal finde ich es ok wenn es wieder gelöscht wird.

Es fällt mir auch nicht leicht das zu schreiben.

Wenn ich bei meiner Herkunftsfamilie zu Besuch bin gibt es häufig Streit, nicht selten mit lautem Geschrei und ausrasten, der Streit eskalierte auch schon bis zur körperlichen Auseinandersetzung. Es streiten sich: Meine Mutter und ich oder ich und meine Schwester oder meiner Schwester und ihr Mann oder ich und meine Schwester und ihr Mann oder meine Schwester und meine Mutter oder meine Schwester und meine Mutter und ihr Mann oder ich und meine Tochter.

Es endete schon mal damit dass ich Hals über Kopf die Reise abgebrochen habe, oder auch dass sie mich rausgeworfen haben (das letzte Mal war das so).

Ich schäme mich, ich nehme mir immer vor mich nicht in einen Streit einzulassen aber es passiert trotzdem.

Als Kind habe ich gesehen wie sich meine Eltern prügelten oder meine Eltern meine Geschwister körperlich bestraften, nach dem Tod meines Vaters wurde mein Bruder eingesetzt um mir die Leviten zu lesen.
Bei uns flogen Gegenstände durch die Gegend. Meine Mutter flog mal in eine Glastüre und hatte Schnittwunden, mein Bruder hat den Plattenspieler nachgeworfen bekommen, ich wurde als Kind auch geschlagen, bei einem Steit habe ich mich dazwischengestellt und mir wurden die Sehnen an der Hand mit einem Messer durchgeschnitten. Als mein Vater krank war hat er mit dem Gewehr rumgeballert, ich hatte da grosse Angst das er mich oder sich erschiesst weil er mich so seltsam ansah ...


Ich bereite mich auf diesen Besuch vor -in meiner Therapie am Mittwoch konkret und auch so.

Meine Tochter habe ich auch schon angegriffen, aber nicht so heftig und sie nie körperlich verletzt.

Ich bin seit 12 Jahren an dem Thema dran.
Zuerst habe ich nix davon wissen wollen.

Hier in meinem eigenem Zuhause und jetzigem Umfeld ist es gut, ich komme gut klar, ich bin sehr selbstkritisch und selbstreflektierend.
Wir haben klare Regeln beim Streiten.

Wenn ich aber wieder dort bei meiner Familie bin ist es nicht so einfach dass ich bei mir und gefasst bleibe.

Es beginnt mit diesem ewigen Gemaule und dem negativ-Blick, Unzufriedenheit breitet sich aus, Aggression breitet sich aus, Unruhe...

Ich komme fast nicht zu Wort (die anderen reden meist viel mehr als ich), bin deprimiert, die anderen maulen an mir rum weil ich anscheinend nichts aus meinem Leben mache und wie ich meine Tochter erziehe und und und ... schon bin ich in der alten Looserrolle. Oder sie meckern übereinander, über dies und jenes, die heutigen Zustande , Hinz und Kunz ...

Irgendwann kommen dann die unverarbeiteten Geschichten, Ungerechtigkeiten, Verletzungen...
ich hab es noch nicht raus wie dieser Mechanismus genau funktioniert aber er ist mächtig und kann das was aktuell ist und positiv ist, plattwalzen.

Es ist aber nicht immer so - manchmal ist es auch schön, wenn wir ein Spiel spielen oder wir was unternehmen oder einfach auch die Wiedersehensfreude. Selten gelingt es dass die Rollen vertauscht sind und ich meine Mutter die ja schon etwas wirr manchmal ist, betutteln kann, ihr was gutes tun kann - das freut mich.

Ich werde diesmal ein Programm für uns machen, möglichst eine Struktur. dass wir immer wieder raus kommen, was unternehmen und nicht diese Blase da entsteht.

Habt Ihr vielleicht Ideen für mich - mal abgesehen davon das ihr mir vieleicht raten möchtet dass ich gar nicht erst hinfahren soll - wie ich das ändern kann, diesen Kreislauf durchbrechen kann?

Wie macht ihr das denn? Oder besucht ihr eure Herkunfts-Familie nicht?

Lieber Gruss

Saida
„Es kommt im Leben auf Kleinigkeiten an.“

Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), Schweizer Pädagoge
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