Trauer - herzlose Therapeutin?

BeAk

Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von BeAk »

Liebe Möwe,

deine Therapeutin hat selber ein Problem mit der Trauer, mit dem Verlust eines lieben Menschen.
Zumindest ist es meine Vermutung, das sie ihre eigenen Hausaufgaben zu diesem Thema nicht gründlich bewältigt hat.

Jeder Mensch hat seine Verletzungen auch Therapeuten haben sie. Aber Therapeuten haben verdammt noch mal die Pflicht ihre Verletzungen aufzuarbeiten bevor sie sich an die Arbeit mit Patienten machen.
Eigentherapie und Selbsterfahrung sind verdammt noch mal nicht umsonst so wichtig.
Und Supervision kann auch nicht schaden, hat sie aber bestimmt nicht in Anspruch genommen.
Weltenwandlerin
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Weltenwandlerin »

Liebe Möwe,

ohohoho, das klingt schon hart, was du erzählst. Allein schon das Wort Litaneien. Und hat sie wirklich "herumplagen" gesagt? Ich finde, dass geht nicht. Kritik- beiderseits- gehört mit dazu. Aber offenbar führt es zu nichts als Schmerz bei dir, dass muss sie doch merken?! Manchmal ist pieksen gut und wichtig, aber nicht, wenn der andere noch zu "schwach" ist, bzw.einfach etwas anders braucht. Weißt du, sie kann ja empathisch reagieren und dir mitteilen, dass sie deinen Schmerz und "Bedürftgikeit" sehr wohl sieht. Aber das sie aus dem und den Grund jetzt entsprechend reagiert, weil...Das macht es transparent und plausibel und du würdest dich wenigestens ein bißchen gesehen fühlen. Oder?

Vielleicht solltet ihr eine Pause einlegen und danach klären, ob und wie es mit euch beiden weitergehen kann. Du hast den Eindruck, dass sie genervt von dir ist, oder? Wie hast du dich gefühlt, als sie dich am Ende umarmt hat? Mir hat diese Schilderung eine Gänsehaut gemacht. Sie klingt ambivalent und unberechenbar. Erst ist sie hart, verabschiedet sich schon, dann rudert sie zurück, kommt dir sehr nahe...Seltsam.

Hast du die Möglichkeit mit jemanden anderes darüber zu sprechen, z.B.Arzt, Beratungsstelle, Freunde?

Liebe Grüße,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Liber
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Liber »

Liebe Möwe,

die Beschreibung deiner letzten Stunde habe ich interessiert - und auch betroffen - gelesen.

Aha, du darfst also während der Therapiestunde nicht traurig sein und dies Gefühl auch zeigen - sondern nur über deine Trauer "reden" - sie darf aber sehr wohl ärgerlich werden und dir dies auch zeigen. Dein Verhalten sei kindlich, ihres aber erwachsen.

Ein merkwürdiger Widerspruch!

Ich habe den Eindruck, du hast sie mit der Position der Stärke und klaren Meinung, mit der du in diese Stunde gekommen bist, völlig aus dem Konzept gebracht. Und sie konnte damit und mit deiner Kritik überhaupt nicht umgehen. Anstatt zuzuhören, wie es DIR in der letzten Stunde gegangen war, fühlte sie sich persönlich angegriffen, wurde ärgerlich und fing an, um sich zu schlagen ("Litaneien", "herumplagen"!). Auch deine Ankündigung, die Therapie beenden zu wollen, scheint sie sehr überrascht zu haben. Sie hat wohl gemerkt: meine Patientin macht Ernst!

Am Schluss aber, als du aus deiner starken Position wieder ausgestiegen bist (allzu verständlich!) und weintest, da fühlte SIE sich anscheinend plötzlich wieder "stark" und konnte wieder in die überlegene Position gehen (Umarmung, bzw. Vorschlag, dass du es dir überlegen kannst).

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist für mich ihr Satz, dass du jetzt wieder "bei dir selbst" wärst - hatte sie dein Weinen in der Stunde vorher ja noch als "kindliches Verhalten" bewertet, das du ablegen solltest.

Alles in allem kommt mir das Verhalten deiner Therapeutin nicht kompetent vor. Mal abgesehen von ihren therapeutischen Fähigkeiten scheint sie auch in ihrer menschlichen Kompetenzen noch mehrere Baustellen offen zu haben.

Das ist natürlich an sich verständlich - denn wer hat nicht solche Baustellen und wunden Punkte? - aber wenn dieser Mensch als Therapeut arbeitet, kann das für die Patienten fatale Auswirkungen haben.


Ich hoffe, das kommt für dich jetzt nicht zu "hart" rüber. Denn auf der anderen Seite gab es in der dreijährigen Therapiezeit ja auch Nähe und Verbindendes und Fortschritte.

Dich davon zu lösen, das geht nicht innerhalb von zwei Tagen!

Meine Ansicht ist, dass du und deine Therapeutin jetzt gemeinsam viel mehr Zeit braucht, um das, was da geschehen ist, anzuschauen und aufzuarbeiten. Du hast dich in dieser Stunde ihr gegenüber mit klarer Position und erwachsen gezeigt und bist für dich eingetreten! Wenn sie das nicht unterstützen und fördern kann, sondern es im Gegenteil "untergräbt" - ja, dann ist wirklich die Frage, ob du bei ihr noch wirkliche Fortschritte machen kannst.

Ich stimme Mika zu, dass es ja nicht möglich ist, innerhalb von zwei Tagen eine solche Entscheidung zu treffen. Wie klingt für dich die Idee, jetzt erst mal eine Pause vorzuschlagen?

Liebe Grüße

Brittka
tomroerich
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Möwe,

ich bin gerade über deinen thread gestolpert und möchte was dazu sagen. Wenn ich das alles so lese, an einem Stück und ohne dich zu kennen und daher sozusagen beziehungslos daran gehe, bin ich nicht überzeugt, dass deine Therapeutin kalt und gefühllos ist. Die meisten Stimmen hier wünschen sich für dich, nach meinem Eindruck, Trost und Verständnis. Weil jeder glaubt, dass das die einzig menschliche Haltung angesichts von Leid sei. Wenns jemanden schlecht geht, dann muss man trösten - so der Konsens, auf den man sich auch schnell einigen kann, weil sich das warm und gut anfühlt.

Jemand, den ich für weise und erfahren halte, schrieb dazu: Trost sollte man für seine Feinde haben aber nicht für seine Freunde. Warum? Weil er so schön vergessen lässt, was einen quält. In der Wärme des Trostes erscheint dann Vieles wieder gut, was aber mitnichten gut ist. Die "Methode" deiner Therapeutin hat was. Und bedenke bitte, dass es sehr leicht ist, zu tösten, denn dabei fühlen sich beide Seiten gut. Wenn sie nicht völlig herzlos ist - und ich sehe keinen Grund, das anzunehmen - ist es sogar für sie der erheblich unbequemere Weg, dich hängen zu lassen. Sie kann sehr wohl den Impuls haben, dich zu trösten, aber sie kann ihm widerstehen und setzt dich dadurch der Kälte deiner Realität aus. Sie tröstet sie nicht einfach weg. Und das ist gut so. Wer hat gesagt, dass Therapie angenehm sei und einfach? Worauf kommt es denn an bei Therapie? Auf Trost? Ist Trost von einem Profi besser und wertvoller als von einer Freundin? Ich glaube, so wird es wahrgenommen.

Du wirst dich selbst trösten müssen. Wenn sie das schafft, deine Therapeutin, dann hat sie was geschafft. Dann bist du im Kontakt mit dir selbst, dann nimmst DU die Dinge in die Hand. Sieh mal ihre Härte nicht so als Herzlosigkeit an oder gar als Desinteresse. Auch wenn sie vergessen hat, dass du ihr schon viel von deiner Freundin erzählt hast - das heißt nichts. An die wichtigen Augenblicke einer Therapie wird sich der Thera erinnern. Aber was da so gesprochen wird, ist zu 90% Füllmaterial und ein tanz um den heißen Brei. Habe ich auch so gemacht, weil eben grad nichts anderes ging. Warum sollte sie sich das merken? Sie ist nicht deine Freundin oder deine Mutter. Es interessiert sie nicht, was du für ein Verhältnis zu deiner Freundin hast und auch nicht, ob sie krank ist oder nicht. Deine Trauer interessiert sie wohl und auch WIE du trauerst. Und sie kennt dich besser als wir hier. Sie nimmt einfach nur wahr, wie du mit dem Ereignis des Todes deiner Freundin umgehst und sie setzt es in Beziehung zu dem, was sie in dir als kindlich sieht. Das ist eine sehr gute Gelegenheit um dich spüren zu lassen, was los ist, was Verlust für dich bedeutet. Das kann gar nicht angenehm sein. Nein, es ist scheiß-schmerzhaft. Soll sie das nun wegtrösten und dir dadurch das Gefühl geben, dass imer einer kommen wird, und alles wegtrösten wird? Das wäre eine irreale Welt, die sie dann für dich baut.

Kannst du das so akzeptieren oder wenigstens in Betracht ziehen, dass nicht zu trösten manchmal sehr viel mehr wert ist? Und hat sie nicht dann doch noch dich umarmt?

Einen Gruß von Thomas
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Liber
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Liber »

Hallo Thomas,

sehr interessant, deine Sichtweise!

Diesen Blickwinkel hatte ich bisher noch nicht gesehen.

Ich werde das mal auf mich wirken lassen und später nochmal dazu schreiben.

Viele Grüße

Brittka
flora80
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von flora80 »

Hallo Thomas!

Ähnliche Gedanken hatte ich auch schon zu diesem Thread, ich war nur noch nicht dazu gekommen, das alles zu formulieren. Da du das aber jetzt sehr schön in meinem Sinne getan hast, bleibt mir nur noch ein zustimmendes Nicken.


Liebe Möwe!

Ich finde die Gedanken, die Thomas dazu geschrieben hat wirklich klug. Ich kenne deine Therapeutin natürlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie sozusagen die Gelegnheit nutzen möchte, etwas grundsätzliches (das vielleicht schon seit einer ganzen Weile in der Luft liegt?) zu klären. Dass das für dich schmerzhaft und hart ist, ist nachvollziehbar. Und vielleicht ist es ihr auch nicht so sonderlich gut gelungen, klar zu machen, was das Ganze soll... Aber ich würde auch nicht direkt sagen, dass sie herzlos ist. Meine Therapeutin ist auch nicht immer nett zu mir... Und das, WEIL sie sich extrem für mich einsetzt, nicht, weil ich ihr egal wäre.

Du schreibst ja auch, dass du schon lange bei ihr in Therapie bist. Ich denke, dass eine therapeutische Beziehung dann tragfähig genug sein sollte, so etwas gewinnbringend durchzustehen. Mir hilft in solchen Situationen die Suche nach dem positiven Aspekt, der sich dann nach einigem wühlen auch eigentlich immer finden lässt. Und DARAN lerne ich dann meistens eine Menge.
Du klingst enttäuscht und traurig, aber vor allem wütend. Und Wut ist so ziemlich das nützlichste Gefühl, dass man in der Therapie haben kann. Vielleicht ist es hilfreich, darüber nachzudenken, was dir die Wut sagt und wo sie eigentlich hin gehört.

Liebe Grüße, Flora
Lee
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Lee »

Hi Thomas, hallo alle!

Kann man Trauer "wegtrösten"? Kann man "ungute Gefühle" und Depressionen wegtrösten?

Ich glaube nicht, dass Trösten leicht ist. Im Gegenteil, es ist sauschwer. Als eine Freundin an Krebs erkrankte, sagte ich sofort: "Krebs ist heute kein Todesurteil mehr. Das wird wieder, ganz ganz bestimmt!", anstatt ihr zuzuhören, über ihre Gefühle zu sprechen und anzuerkennen, dass es vielleicht nie wieder wird. Heute schäme ich mich für dieses Ver-trösten.

Trost bedeutet nicht, dass man irgendwas "wegnimmt" - wirklicher Trost ist ein Geschenk. Man zeigt dem Anderen, dass er nicht allein ist, dass man sich nicht nur auf (erwachsene ) Worte beschränkt, dass man ihn so respektiert, wie er (gerade) ist - und dass man bereit ist, eigene negative Gefühle auszuhalten. Eine Therapeutin kann nicht hellsehen. Woher will sie wissen, dass "da keiner mehr kommt"?

Natürlich muss Möwe die Verantwortung für sich selber übernehmen und Trauerarbeit leisten. Das kann nur sie alleine. Aber doch nicht nur 24 Stunden nachdem ihre Freundin gestorben ist. Wie realistisch ist das denn?

@ Flora:

Das Positive-in-einer-Sache-Suchen hat eine Kehrseite. Man fragt sich: "Warum ist mir das passiert, was kann ich daraus lernen etc." Statt sich zu sagen, dass der Andere einen Fehler gemacht hat, der jedem passieren kann, sucht man nach etwas, das man an sich selber verbessern kann. Mich erinnert die obige Geschichte sehr an kindliche Konflikte: Welches Wohlverhalten muss ich an Tag legen, damit Papi und Mami mich lieb haben? Was muss ich tun, damit die Thera mich umarmt?

Viele Grüße
Lee
Liber
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Liber »

Hallo,

nun habe ich eine Weile die letzten Mails von Thomas und Lee auf und in mir wirken lassen.

Ich glaube wie Lee, dass echter Trost nicht leicht ist, im Gegenteil. Echter Trost bedeutet ja nicht, obenhin zu sagen "Es wird alles gut", sondern es bedeutet das Annehmen und Teilen des Schmerzes des anderen. Dazu muss ich mich zum einen wirklich für den anderen öffnen können - und gleichzeitig in mir selbst sein, um mich nicht überschwemmen zu lassen oder mit fortgerissen zu werden.

Echter Trost beschönigt nichts. Er besteht darin, zu zeigen: ich bin da, ich sehe deinen Schmerz, ich nehme ihn und dich wahr.

Warum sollte das im ganzen Leben nicht mehr möglich sein ("da kommt auch keiner mehr") ?

Das wichtigste ist es, sich selbst trösten zu können, das sehe ich auch so. Denn sonst bin ich in Abhängigkeit vom Trost eines anderen. Jede Therapie geht mal zu Ende und nicht immer ist ein Freund, der den echten Trost spenden kann, da.


Zum anderen aber gibt mir Thomas' Sichtweise auch sehr zu denken.

Sie ist radikaler als die Erwartungen, die sonst an TherapeutInnen gestellt werden: Verständnis, Zuwendung, Unterstützung - Eigenschaften, die mit einer "guten Mutter" in Verbindung stehen.

Diese andere Art der Therapie dagegen würde bedeuten, dass ich glasklar und ohne Abfederung und ohne Polster mit mir selbst und dem, was IST, konfrontiert werde.

Mit dem Tod, mit der Trauer, mit dem Allein-Sein. Denn es ist ja wirklich so, die Trauer um die Freundin ist Möwes Trauer, die niemand, kein Therapeut, keine Freundin oder sonstwer ihr abnehmen kann. Alle "billigen" Tröstungsversuche würden das nur verschleiern.


Nun fragt sich: Ob es gut ist, jemandem eine solche Konfrontation direkt nach einer Todesnachricht zuzumuten? Und dazu noch ohne (den echten) Trost?



Viele Grüße

Brittka
Lee
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Lee »

Hi Brittka, hallo zusammen!

>>>Diese andere Art der Therapie dagegen würde bedeuten, dass ich glasklar und ohne Abfederung und ohne Polster mit mir selbst und dem, was IST, konfrontiert werde.

Da wären wir wieder bei der Fähigkeit des Menschen, in allem einen positiven Sinn zu entdecken : Wenn eine Therapeutin ihre Patientin mit ihren wunden Punkten und unangenehmen Gefühlen konfrontiert und ihr so einen Zugang zu ihren (unbewussten) kindlichen Bedürfnissen ermöglicht, hilft sie ihr. - Das kann man so sehen.

>>>Nun fragt sich: Ob es gut ist, jemandem eine solche Konfrontation direkt nach einer Todesnachricht zuzumuten? Und dazu noch ohne (den echten) Trost?

Das frage ich mich auch. Muss nicht jeder für sich bestimmen (dürfen), wo seine individuellen Grenzen verlaufen? Kann man pauschal jemandem mit dem Zaunpfahl schlagen, weil man ihn zu kennen glaubt und vom Sinn der Konfrontation überzeugt ist? "Darf" eine Patientin in so einem Fall Grenzen setzen? Mitziehen oder die Therapie beenden ist mir in diesem Falle zu schwarz-weiß gedacht.

Ohne Polster mit sich selber und der Realität konfrontiert wird man auch "draußen". Dazu braucht man keine Therapie. Da muss es schon noch etwas mehr geben für's Geld oder? (Und damit meine ich nicht den Mutterersatz o.ä., der wirklich nicht weiterhilft.)

Viele Grüße
Lee
Emely
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Emely »

Hallo Ihr Lieben!

Brittka: Das "da kommt keiner mehr" hatte ich so verstanden, dass die Kindheitssituation und der damals benötigte Trost endgültig vorbei sei - und daher keiner mehr kommen könne.

Ich stimme Thomas zu, dass es darauf ankommt, sich selbst trösten zu lernen.

ABER: Den Weg, den sie dafür genommen hat (ob das überhaupt ihr Ziel war, sei auch mal dahingestellt), finde ich zu krass. Und "Litaneien" für das, was der Klientin wichtig ist, ist einfach abwertend.
Das Anfangsverhalten:
"Schließlich fing ich an zu weinen, und sie sagte, es ist, wie es ist, und ich solle das zulassen"
fand ich völlig okay. Sachlichkeit ist meiner Meinung nach in einer solchen Therapiesituation keine unangemessene Reaktion.

Was dann weiter folgte, besonders die Übung mit der Fußrolle, finde ich allerdings überfordernd. - Was da an vielleicht eigentlich Sinnvollem in einer Therapiestunde geschehen ist, wäre vielleicht besser in zwei oder drei Stunden passiert.

Herzlich grüßt

Emely
tomroerich
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von tomroerich »

Ich wollte auch nicht sagen, dass Trost immer schlecht sei und immer dazu führt, dass etwas verschleiert wird. Trost ist etwas absolut Wichtiges und Essentielles im menschliche Miteinander. Aber Trost ist manchmal auch Reflex und manche Menschen suchen reflexartig Trost, wenn sie in Schwierigkeiten stecken. Sie sind in diesem Punkt innerlich noch Kind und tun das, was Kindern ja auch zusteht, was aber den Erwachsenen lebensuntüchtig macht: Zu Mama laufen und erreichen wollen, dass die es wieder gutmacht. Das ist jetzt nur eine absichtliche Überspitzung und soll nicht Möwe beschreiben, die ich garnicht kenne. Aber etwas in der Art liegt ja bei ihr vielleicht vor. Ich schließe das aus dem Ansatz der Therapeutin zu betonen, dass eben keiner mehr kommt, um alles gut zu machen. Klar, Hilfestellung kann sich finden - die Therapeutin will sicher nicht damit sagen, dass man mutterseelenallein auf der Welt ist. Worauf es ankommt ist doch, ob man darauf baut oder nicht, ob man davon abhängig ist oder nicht. Wenn man nur dann zurechtkommt, wenn immer jemand zur Stelle ist, und sei es nur, um zu trösten, dann kann das kaum gut sein. Das ist dann ein echtes Problem und wäre es so, dann könnte ich die Therapeutin sehr gut verstehen.

Also, ich wollte hier keine Antithese installieren und den Trost grundsätzlich verwerfen. Es kommt halt drauf an. Wir kennen Möwe nicht und was sie für ein Problem hat und bei der Thera sind wir ja auch nicht dabei. Also ich kenne persönlich Menschen, die immer angelaufen kommen wenn es schwierig wird und Trost und Rat brauchen. Und die kann ich irgendwann nicht mehr richtig trösten, weil sie mich ärgerlich machen. Ich denke dann: Mensch, jetzt versuchs halt mal selbst oder werd doch mal erwachsen oder etwas in der Art. Und das ist kein Zeichen von Unmenschlichkeit sondern eine konkrete Ahnung davon, dass hier etwas schief läuft, dass man versucht, mich in gewisser Weise zu missbrauchen. Kennt ihr keine solchen Menschen?

Gruß in die Runde,

Thomas
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hubsia
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von hubsia »

Ein Hallo in die Runde!
Ich stolpere gerade mal hier rein,??????.
Giebt es Trost??? Aus eigener Erfahrung, nicht so richtig. Man hört sich das alles an aber begreifen tut man es erst mal nicht. Jetzt kommt das zu lassen, es ist für mich der Vorreiter vom Begreifen, wenn ich nix zulasse begreif ich auch nix. Ich habe das Glück eine tolle Therapeutin zu haben, die mich in kleinen Schritten dort hin geführt hat so denken zu können, nicht immer, aber immer öffter. Ich bin jetzt auch wieder in ein tiefes Loch gefallen, ich bin der Arsch alle Menschen sind gegen mich das volle Programm. Das denke ich dann so ein bis drei Tage, je nach Schwere, und dann durchs lesen
hier machts klick und der kölche Gedanke kommt hoch Arsch hu un Zäng usenander. So dann habe ich das Gefühl alle Rädchen im Kopf arbeiten wieder nicht nur die hälfte. Man muß sich Eselsbrücken bauen, jeder seine eigenen
so wie er es kann, es gibt nicht immer einen Anderen der einen hochzieht, wenn man es gelernt hat kann man es selber, es war bei mir ein sehr langer Weg, aber es geht. Das Wichtigste aber ist der Wille, ohne den geht garnix. Ich hoffe ich habe nicht zu geschwollen geschrieben, es waren meine momentanen Gefühle.
Alles liebe Hubert.
Emely
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Emely »

Hi Thomas,

ja, ich teile grundsätzlich Deine Auffassung zum Thema Trösten. Aber in dieser konkreten Situation fand doch offenbar eine Überforderung statt. Zu viel Konfrontation. Und mal ganz ehrlich, wenn ich voller Trauer über den Tod eines geliebten Menschen bin, und dann mit so`nem Kissenteil üben soll - also das klingt doch schon völlig absurd.

Ärgerliche Reaktion mag in Deinem Alltag angemessen sein für Menschen, die keine Verantwortung für sich übernehmen wollen - aber das ist doch keine therapie-adäquate Haltung - oder?!

Nun hat Möwe ja das Glück, hier im Forum zu schreiben - wie hätte sie aber ansonsten diese Erfahrung bewältigt, die sie ja offenbar überfordert.

Ja, seufz, auch ich kenne Menschen, denen ich von Herzen wünsche, verantwortlich für sich selbst sein zu können. - Wer nicht!

viele Grüße

Emely
Feelalone
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Feelalone »

Hallo @all!
Ich frage bewusst provokant:
Was ist "richtiger" Trost?
In meinen Augen wäre dies, eine Situation "ungeschehen" machen zu können - wie z.B. der Tod der Freundin - und das geht leider nicht.

Egal, wie auch immer, wenn man in so einer akuten Situation der Fassungs-losig-keit steckt, darf(?) man meiner Meinung nach sehr wohl auf einen gewissen Beistand hoffen.
Da durch muss man sowieso mehr oder weniger ALLEIN - genauso wie durch die Depri.

Aber - so denke ich - man darf auch spüren, dass für kurze Augenblicke jemand da ist, der einen in der Schwere der Situation auffängt.

Ist man automatisch als der/die Getröstete wieder "Kind"??!
JEDER Mensch braucht in gewissen Situationen Trost und nicht jeder hat das Glück, von Freunden Beistand zu bekommen.
In meinen Augen ist es nicht kind-/lich, auf Trost zu hoffen und ihn anzunehmen.

Die Therapeutin erscheint mir in ihren Reaktionen sehr undurchsichtig!
Warum diese Umarmung - obwohl es anscheinend ihren sonstigen Gepflogenheiten widerspricht.
Als Aussenstehende empfinde ich das als nicht "situationsgerecht" und hat, wie es Möwe selbst beschrieb, noch mehr verunsichert.

Trotz allem erscheint mir dieser Konflikt als eine Art CHANCE, einen grossen Schritt therapeutisch weiterzukommen.
Ich wollte und will es auch oft nicht wahrhaben, aber gerade Konflikte mit meiner Thera und deren Lösung bringen mich echt weiter. Auch, wenn ich da manchmal an die Grenzen meiner Thera und meiner eigenen gelange.

Ich würde trotz allem oder gerade deswegen die Flinte (noch) nicht ins Korn werfen!!

Fl.
"...der Horizont ist weit...

schenke mir die Flügel des Adlers...."
tomroerich
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von tomroerich »

Hi Emely,

<em>Und mal ganz ehrlich, wenn ich voller Trauer über den Tod eines geliebten Menschen bin, und dann mit so`nem Kissenteil üben soll - also das klingt doch schon völlig absurd. </em>

Also das mit der Kissengeschichte finde ich auch nicht so doll. Aber ich kann diese Methode auch grundsätzlich nicht leiden.

Klar, die Therapeutin wirkt so, wie sie Möwe beschreibt, wenig einladend. Das geht mir nicht anders. Ich würde trotzdem an Möwes Stelle in mich gehen und mich fragen, ob ein Therapieabbruch aus einer emotionalen Enttäuschung heraus richtig ist.

Grüße an alle!

Thomas
Betroffene für Betroffene

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tomroerich
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von tomroerich »

Hi Flamingo,

Was ist "richtiger" Trost?
In meinen Augen wäre dies, eine Situation "ungeschehen" machen zu können - wie z.B. der Tod der Freundin - und das geht leider nicht.

Ja, was ist Trost und wozu wird er überhaupt gebraucht? Menschen trösten sich selbst mit allem Möglichen. Mit Alkohol, Schokolade, was Schönes zum Anziehen etc. Oder eben mit Liebe, die ein anderer gibt.

Deshalb hat Trost auch immer etwas von Verdrängung. Man braucht ihn, wenn man selbst nicht mehr aushalten kann oder möchte, was einem gerade passiert. Das darf man sich aber erlauben, man muss eben selbst entscheiden, wieviel Verdrängung und Trost gut ist. Aber was Anderes ist es wiederum, Trost einzufordern, denn das bedeutet, dass man den anderen für zuständig hält.

Grüße,

Thomas
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BeAk

Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von BeAk »

Hallo Ihr Lieben,

ich habe eher den Eindruck das es der erwachsenen Möve garnicht um Trost ging, sondern um Anteilnahme.
"Ich sehe Deinen/Ihren Schmerz und verstehe ihn," das zu vermitteln währe angemessen gewesen.
Denn um Trauer zu verarbeiten muß man sie durchleben.
Die Therapeutin wollte aber so schnell wie möglich diese normale Trauerreaktion beenden. Weil sie die Trauer nicht ertragen konnte? Es an ihren eigenen Wunden rührte?

Jedenfalls erreichte sie damit das Gegenteil, das verletzte Kind kam zum Vorschein.
Emely
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Emely »

"Deshalb hat Trost auch immer etwas von Verdrängung"

Ist das so - immer - und gerade auch wenn es um Trauer geht?
Wenn ich voller Trauer um einen Verstorbenen bin und von Gefühlen überschwappe, und mich tröstet jemand, verdränge ich dann? Was verdränge ich dann?

Mir hat es immer sehr gut getan, wenn mir in solchen Momenten der Trauer jemand gesagt hat, wie sehr ihm der betreffende Mensch auch fehlt, bzw. mir von seiner eigenen Trauer um jemanden erzählt hat.
Es ist manchmal einfach sehr tröstlich und wohltuend, mit seinen Gefühlen nicht allein zu sein.

Trauern heißt einfach auch mal Stehenbleiben. Trost zu suchen heißt stehenzubleiben. Für eine gewisse Zeit finde ich das okay.

Aber ich glaube, ich verstehe, was gemeint ist: Trost-Suchen als Ablenkung von sich selbst, von den Problemen, von den eigenen Ängsten. Trost-Suchen als passive Haltung, weil man nicht aktiv werden kann oder will. Das ist dann sicher Vermeidung, Verdrängung.

Schwierig wird´s, wenn dies ein Dauertrostzustand ist. (trostlos sozusagen -ähem, okay: gekalauert)
Wenn der Trost - wie Essen, Saufen, Sex, Liebe - nur dazu dient, die eigene Leere auszufüllen, das eigene ungelebte Leben - dann ist Verdrängung da.

Wieweit ich als Gegenüber das zulasse - selbst wenn mir klar ist, das es gerade nur - oder auch - um solche Art von Trost geht, die jemand von mir erwartet, liegt ja in meinem Ermessen und meiner Verantwortung, gell?

Emely
Liber
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Liber »

Hallo Thomas,

ja, was ist "richtiger" Trost und wozu wird Trost gebraucht.

Irgendwo im neuen Testament steht: "Der Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber geströstet werden von Gott."

Und nun ist die Frage: worin besteht dieser Trost, was ist dieser Trost? Wie spüre ich, wie erlebe ich ihn? Und kann ich ihn nur durch einen anderen "getrösteten" Menschen erleben?

Es wird da noch weiter gesagt, dass nur der trösten kann, Trost weitergeben kann, der selbst durch Leiden gegangen ist und Trost empfangen hat.


Dieser Trost hat nichts mit den Ersatzbefriedigungen zu tun, mit dem die Menschen sich selbst zu trösten versuchen, mit Essen, Trinken, Kaufen usw. Und wohl auch nichts mit dem Trostsuchen bei einem anderen Menschen, der als "stark" erlebt wird und der nun Schutz bieten soll. All diese Tröstungen machen und halten abhängig. Von den Ersatzbefriedigungen. Von dem "starken" Menschen (der mit vollem Recht irgendwann ungeduldig reagieren wird).

Ich kenne diese Art Trostsuche in Ersatzbefriedigungen selbst auch. Sie hat ihren Grund in der Angst, einen Schmerz, eine Trauer ohne diesen "Puffer" nicht ertragen zu können. Aber ich spüre jetzt, dass es eben Ersatzbefriedigungen sind. Nicht das "Eigentliche".

Der göttliche Trost - ja, was das wohl ist?

Liebe Grüße an alle und gute Nacht!

Brittka
tomroerich
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Brittka,

Der göttliche Trost - ja, was das wohl ist?

Der göttliche Trost ist nicht das, was wir denken und erwarten. Es ist nicht ein Jemand, der kommt und tröstet, so wie Mutter kommt und tröstet. Sondern wenn du bei dir bist, dann ist Gott mit dir. Was sollte dich dann noch beunruhigen? Und wer das hat, der ist auch für andere Trost.
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Caramia
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Re: Trauer - herzlose Therapeutin?

Beitrag von Caramia »

Im Leben gibt es immer wieder Steine die man nicht wegräumen kann. Darum ist es gut sich neben ihnen einzurichten so gut es geht.















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