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Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 11. Apr 2015, 23:54
von anna54
Hallo zusammen
wer ein Berufsverbot für Depressive fordert,und das in einer verantwortlichen politischen Funktion,der kann morgen auch fordern,dass Depressive ihre Kinder nicht mehr erziehen dürfen.
anna 54

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 07:08
von Botus
Es wäre sinnvoll, Depressionen zu verhindern, bevor sie entstehen.

Viele Menschen leben heute einfach so dahin.

Kein Plan, keine Anleitung, keine Vorbilder, keine Werte, keine Ziele.

Das einzige, was sie haben, sind Wünsche.

Wie sie ihre Wünsche verwirklichen können, wissen sie oft nicht. Sie
denken, dass andere dafür zuständig wären. Diese Erwartung wird
aber zumeist enttäuscht. Die Fähigkeit, selbst dafür zu sorgen, fehlt
vielen. Dieses Fehlende sollte ergänzt werden.

Das gilt insbesondere auch für die nächsten Generationen. Die Kinder
bekommen vielfach gar nichts von Zuhause mit. Auch hier müsste das
Fehlende ergänzt werden.

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 09:31
von Nico Niedermeier
Hallo von der Moderation,

nachdem ja Anna 54 gestern angemahnt hatte, wo denn die Reaktion der Moderation bleibt, will ich das mal versuchen:-). Zuerst mal hat ja kaum jemand (aus dem professionellen Lager), momentan in Deutschland, so viele korrigierende Information zu verbreiten versucht, wie die Deutsche Depressionshilfe. Ulrich Hegerl ist Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe,ich bin einer der Stellvertreter und der zweite Stellvertreter ist Thomas Müller Rörich. Thomas Müller Rörich ist zugleich Vorsitzender der Deutschen Depressionsliga,die ebenfalls sich quasi permanent in den letzten Wochen zu dem Thema geäußert hat.

Ulrich Hegerl ist z.B. im Spiegel von letzter Woche in einem langen Interview zu lesen, oder in der Süddeutschen Zeitung (heute gerade auch online) und ich muss für die Deutsche Depressionsliga z.B. nur an unsere Mitforistin hier aus dem Diskussionsforum denken,die sich ganz wunderbar bei "Hart aber Fair" geschlagen hat..
Übrigens waren wir alle ziemlich erstaunt darüber, wie viel über das Thema schon geschrieben und geredet wurde und wie unfassbar lange es gedeuert hat, bis jemand aus dem Forum dieses Thema überhaupt aufgegriffen hat...da war schon mal ne gute Woche rum...

Gerne schreibe ich auch was zu meiner persönlichen Meinung. Das Problem an allen persönlichen Meinungen (so auch meiner) ist, dass man ja jemandem etwas unterstellt (dem Copiloten) den man selbst gar nicht gekannt hat und es insofern schon mal entweder eine Frechheit oder Größenwahn ist...
Trotzdem haben wir ja alle schnell einer persönliche Meinung..Ich selbst denke, dass Depression der Aufhänger ist, der auch so offiziell diagnostiziert wurde und darum dreht sich jetzt alles in diesem Kontext um Depression. Rein fachlich ist so ein Verhalten aber für eine klassische Depression sicher sehr untypisch und man könnte eher an eine Kombination mit einer Persönlichkeitsstörung oder einer wahnhaften Depression denken..

Ich stimme eher mit Sonnenblume überein....die Medien leben von "bad news", Politiker müssen quere Meinungen vertreten um wahrgenommen zu werden und in vier Wochen wird sich ein neues Thema finden müssen...

Trotzdem befürchte auch ich, dass sich das Stigma eher wieder ein bisschen vergrößern wird, es wird eine Verknüpfung von Depression und Gefahr für andere zumindest für einen begrenzen Zeitraum haften bleiben...leider

Herzliche Grüße am Sonntag Morgen
Nico Niedermeier

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 11:16
von timmie2002
ich habe seit dem unglück bewusst keine nachrichten gehört oder gelesen und mich auch nicht an dieser diskussion hier beteiligt. was durch die medien hochgebauscht wird, soll mich nicht ereichen. doch denke ich oft an die opfer und deren angehörige. wie so oft schon bei anderen geschehenissen, wird an diese kaum gedacht.

mir fehlt in unserer gesellschaft mal wieder sensibilität für menschen, die leiden. das betrifft eben opfer und angehörige, ja und es betrifft uns.

"Trotzdem befürchte auch ich, dass sich das Stigma eher wieder ein bisschen vergrößern wird, es wird eine Verknüpfung von Depression und Gefahr für andere zumindest für einen begrenzen Zeitraum haften bleiben...leider" das durfte ich letzte woche in der klinik unmittelbar erleben, als radfahrer vorbeifuhren und eine frau auf die klinik zeigte und rief: "da ist eine bombe drin!"

gegen dummheit kämpfen selbst götter vergebens.

glg final

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 11:53
von anna54
Guten Morgen zusammen
herzlichen Dank an Sie Herr Dr. Niedermeier für Ihre ausführliche Antwort!
Ja,ich hatte eine Reaktion angemahnt,weil ich sie für wichtig halte.

Nicht jeder liest die Süddeutsche,die Welt,den Spiegel---oder Die Welt am Sonntag,danke auch an die vielen die entsprechende Links hier einstellen.

Deshalb ist die Reaktion hier im Forum so wichtig,es geht um uns,um unsere Stellung in der "Außenwelt",wie werden wir wahrgenommen,Resignation----oder mutiger Schritt nach vorn---mit sachlicher Information und Offenheit.
Bei der Forderung nach einem Berufsverbot hört bei mir alles Verständnis auf.
Allein die Androhung einer dann möglichen "Überprüfung" macht die Depression zu einem Schleudersitz im Arbeitsleben.

Ich habe auch die Sendung von Plasberg gesehen,fand die Frau X---leider hab ich den Namen vergessen---sehr gut,Hut ab,sich da hin zu setzten.

Eine kleine Begebenheit am Rande:
ganz ganz früher hatten arme Leute,die kein Badezimmer und entsprechende Möglichkeit hatten, oft Läuse.
Im Volksmund waren sie entsprechend bezeichnet.

Viel viel später bekamen ganz ganz viele Kinder wieder Läuse,spassend nach den Urlaubzeiten waren Kindergärten wahre Brutstätten.
Die Eltern lernten damit umzugehen.

Da höre ich ein Gespräch von zwei Männern,beide Chefs einer bekannten Firma:
sagt der eine,meine beste Mitarbeiterin ruft mich an,sie kann heute nicht kommen,ihr Kind hat Läuse.
Beiden Männern stand das Entsetzten ins Gesicht geschrieben.
Beide waren sich sofort einig: so einer Mitarbeiterin gehört sofort gekündigt,Läuse----was sind das für Verhältnisse----!?

Es bleibt hängen,was aus Unwissenheit oder auch Angst vor entsprechenden Krankheiten einfach im Kopf ist.

Werde mich aufmachen,auch wir haben in unserem Kreis das Bündnis Depression
mal sehen,was da läuft.
anna54

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 12:25
von Katerle
Sonnenblumes Beitrag kann ich nur zustimmen.

Danke auch an Herrn Niedermeier.

Nun ich denke, Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen hatte es schon immer gegeben in der Gesellschaft und das wird auch weiterhin nicht einfach sein, sie abzubauen.

Aber man sollte auch dabei nicht vergessen dass es Betroffene gibt, die ihr Leben trotz Krankheit versuchen zu meistern und das Beste draus machen.

Liebe Grüße
Katerle

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 12:31
von Christiane1
Moin,moin,

genau gesagt lagen zwischen dem Absturz und der ersten Erwähnung hier im Forum sechs Tage. Das ist aber nicht viel.
Viele Menschen hatten in den ersten Tagen viel mehr damit zu tun das Ereignis an sich zu verfolgen, zu begreifen und das Leid und die Bilder- und Berichtefluten zu sortieren, die zunächst noch in wenig Zusammenhang standen mit der Kenntnis über die persönliche Entscheidung eines Einzelnen als Hauptursache für den Absturz.

Und dass es sich hierbei um keine seelisch gesunde fristlose Kündigung eines Mitarbeiters bei Germanwings handelte dürfte ja wohl jedem klar sein.

Auch ich möchte jetzt wissen wieso es dazu kommen konnte.
Ich bin besonders daran interessiert wie man so etwas in Zukunft vermeiden kann.
Der "Faktor Mensch" hat in der Arbeitswelt in bestimmten Berufen die emotionale Stufe von Computern erreicht und sollte möglichst ähnlich reibungslos funktionieren.

Der Faktor Mensch hat hier jedenfalls völlig versagt und dieses nicht greifbare Ding führt und verführt nun zu allerlei Spekulationen, denen aber Klugheit und Wissen entgegengesetzt wird. In unserem Fall von Leuten, die auch etwas zu sagen haben (und nicht nur ein doofer Politiker) und zwar in grösster Kenntnis dessen, was eine Depression ist, wie sie behandelt wird und worin sie sich unterscheidet von anderen seelischen Krankheiten.

Ich habe keine Sorge, dass das Thema Gefährliche Depressive
sowieso bald vom Tisch ist derer, die merken, dass sie damit nicht durchkommen.
Es sind Wichtigtuereien vermeintlich gesunder Leute und ich bin sicher, dass die auch vorher schon so gedacht haben. Dazu bedurfte es keines Absturzes wie diesem, nur jetzt dürfen sie es endlich mal loswerden und ihrer Sekretärin vielleicht sogar kündigen, weil die schon wieder fehlte und man sie vom Psychiater herauskommen sah.

Insgesamt bin ich einfach traurig über dieses Ereignis und sauer über die Tatsache, dass die Technik hierbei versagt hatte.
Leider habe ich zu Beginn auch, das muss ich mir selbst und meinen hochgeschaukelten Emotionen verzeihen, nur gedacht, dass der zweite Pilot an allem Schuld ist. Ich hatte nicht bedacht, dass der Schritt davor, also die Technik, den Absturz erst überhaupt ermöglicht hatte.

Ich erlebe die Diskussionen öffentlich nicht bedrohlich oder ausgrenzend, nur nervig teilweise.

LG, Christiane

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 14:16
von krimi56
@Christiane1

Du hast mir einen wirklich guten Denkanstoß gegeben.
Danke für deinen Beitrag.

@all

Die Sendung „hart aber fair“ am 30.03.2015 „Notfall Psyche – Gefahr auch für die Mitmenschen?“ begann mit einem Zitat zu einer Eigenschaft des Menschen die, wie Herr Plasberg vorweg sagte, zu den Lebensgrundlagen gehört, ob in einem Flugzeug und auch auf der Erde. Also überall.

„Zu den Eigenschaften des Menschen gehört, dass er ohne Vertrauen kaum lebensfähig ware… .
Man muss darauf vertrauen können, dass das Dach hält, unter dem man schläft und das ein anderer gezimmert hat;
dass das Wasser ohne Gift ist, das ein anderer abgefüllt hat.
Wer alles bedenkt, verwirft und wieder bedenkt, der würde zu nichts mehr kommen.
Tausend Mal am Tag bleibt einem kaum etwas übrig, als sich auf andere zu verlassen.“


Lassen wir uns das Vertrauen, unser Vertrauen in unsere Mitmenschen in verantwortungsvollen Berufen nicht kaputt machen.

krimi

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 21:13
von w-j-l
----

Herzliche Grüße
w-j-l

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 12. Apr 2015, 23:48
von Christiane1
Mir tut das alles unfassbar leid und das darf niemals wieder passieren.
Gute Nacht
Christiane

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 05:55
von Botus
Ich finde es realitätsfern, zu glauben, der Pilot habe aufgrund seiner Erkrankung eine Chance auf Verständnis, auf Nachsicht, auf Wohlwollen, auf Mitfühlen, Mitleid oder Ähnliches seitens der Umwelt gehabt.

Denn die Außenwelt sah in ihm einen jungen dynamischen Aufsteiger in hoher Position und in schneidiger Uniform. Für solche Männer gibt es in unserer Gesellschaft das Gegenteil. Sie müssen mit dem Hass und dem Neid vieler leben.

Die einzige Möglichkeit des Copiloten, jemanden zu finden, dem er sich anvertrauen kann, war der Besuch von Ärzten. Aber auch dort konnte er nicht frei reden, denn wenn er da nur ein einziges falsches Wort sagt, wäre seine Existenz vernichtet.

Wenn wir diese Tragödie verstehen wollen, müssen wir uns in Menschen mit schweren Depressionen hinein versetzen, die niemanden haben, mit dem sie reden können, weil es niemandem gibt, dem sie trauen können.

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 08:25
von Sunshine90
Lieber Dobi,

sicher, dass wir das müssen? Wo wurde festgestellt, dass er tatsächlich zu dem Zeitpunkt an Depressionen und nicht an etwas anderem gelitten hat? Das ist ja genau das, was die meisten hier nicht glauben, dass er nur an Depressionen gelitten hat und sie der Auslöser dieser Tat sein könnten.

Nur weil die Außenwelt einen jungen Aufsteiger sieht, den sie hasst und beneidet, heißt das auch noch lange nicht, dass er niemanden hat, mit dem er reden konnte, da könnte jemand im näheren Umfeld gewesen sein (Eltern, Freunde), den er hinter die Fassade hätte blicken lassen können ("könnte" das ist alles Spekulation).

Ich finde das ist alles zu spekulativ und greift eventuell zu kurz, manchmal passieren vielleicht einfach Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht verstehen und begreifen können, damit müssen wir wohl leben, aber man sucht oft intuitiv nach Erklärungen, Klarheit wird es hier wohl nicht mehr geben...

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 08:44
von Botus
Hallo Christiane,

ich habe hier nur versucht, meinen Blickwinkel beizusteuern.

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 09:22
von malu60
Hallo Zusammen
ich denke auch an die Messe im Kölner Dom.Soviel Leid ist über die Angehörigen
von jetzt auf gleich in ihr Leben eingebrochen.Alle Spekulation holt ihre Lieben nicht zurück.
Es ist unfassbar traurig und weiter zuleben ein langer,trauriger Weg.Es sollten Fachleute und Gelder bereitgestelt werden,um langfristig Hilfestellung den Tauernden die es brauchen und annehmen können an die Seite zu stellen.Darüber wird nicht soviel berichtet.........

Das wir jetzt sogar als Depressive zum politischen Thema werden,erschüttert mich sehr.Sich Chefs anvertrauen zu müssen,da die Krankschreibung so lange war,Mobbing und Unverständnis der Kollegen aushalten zu müssen,die ja für einen mitarbeiten müssen,das alles erfordert Mut und Kraft.Meist ist ja dann auch eine Frühverrentung die Folge,bei mir war das so,was für eine Depression nicht förderlich ist,so ist man ausgemustert und die äußere Struktur ist erstmal weg.

Nun sollen zu Beginn schon Berufswahl ,vielleicht noch Fahrtauglichkeit und was den Politikern sonst noch einfällt begrenzt werden und das bei einer Gesellschaft,die Depressionskranke geradezu produziert.Kranke trauen sich nicht zum Arzt,der Mitarbeiter wird über seine Grenzen belastet,sonst kann er gehen..........(so geht es natürlich nicht überall zu)

Im Kontext zum Co-Piloten war die Diagnose so schnell in allen Medien,fast jeder kennt in seinem Umfeld depressive Menschen,und weiß eigentlich,wie antriebslos und kraftlos zurück gezogen man lebt in diesen schweren Zeiten.Nicht umsonst hat der Co-Pilot damals seine Ausbildung unterbrochen.Da wird er vielleicht auch depressive Zeiten gehabt haben und konnte an der Ausbildung nicht weiter teilnehmen.Es ärgert mich,dass diese Tat so mit der Depression in Verbindung gebracht wird und man uns von der Gesellschaft an den Pranger stellen will.
Von dieser Krankheit kann jeder betroffen werden,meines Wissens auch namhafte Politiker waren zeitweise erkrankt.Wir sind keine Zeitbomben sondern auch Mütter und Väter,die mit kranken Phasen leben müssen und auch für andere gut da sind,ob im Beruf oder in der Familie
Dies sind so meine Gedanken schöne Grüße Malu

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 09:28
von Christiane1
Hi Dobi,

ich hab doch gar nichts gesagt zu dir ?


Davon ganz abgesehen, wir müssen uns doch nicht alle immer nur lieb haben und immer alles verstehen, das wäre ja zum Gruseln.

Einen schönen Tag,

LG Christiane

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 10:11
von Botus
Hallo,

ich finde es schade, dass in der öffentlichen Diskussion immer nur eine Handvoll Auslöser für Depressionen diskutiert werden, ebenso auch nur eine Handvoll Symptome. Dass es eine Vielzahl möglicher Auslöser und Symptome gibt, wird regelrecht ignoriert.

Es wird ebenso ignoriert, dass die Depression heute eine Volkskrankheit ist. Viele Menschen zeigen entsprechende Symptome, auch ihre Biografien zeigen es ganz deutlich. Aber die Betreffenden halten sich für ganz normal, schließlich geht es Freunden und Freundinnen ja genauso. Es bilden sich entsprechende Gemeinschaften. Die Betreffenden bestätigen sich gegenseitig, wie normal sie doch alle seien.

Wer als Neuer in so eine Gemeinschaft kommt, wird von den anderen überstimmt. Der Neue gilt dann als unnormal (schließlich sind alle anderen normal). Somit ist es für einen Gesunden heute nahezu unmöglich, nie mit dem Phänomen in Berührung zu kommen. Es sei denn, man wird ein Einsiedler, ohne Telefon, ohne Fernseher, ohne Internet.

Liebe Grüße vom Dobi

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 10:32
von anna54
Hallo zusammen
ein Berufsverbot gibt es in der Tat ja schon für viele Depressionsbetroffene.
Nur hat das einen anderen Namen----es heißt dann irgendwann Frühverrentung.

Mein Arbeitgeber war bei der ersten depressiven Episode sehr verständnisvoll---ich konnte in den drei Monaten gut den Kontakt halten.
Er versprach mir in die Hand,dass er mir niemals wegen der Depression kündigen wurde.
Ich gehörte seit über 18Jahren zum Team,war seine erfahrenste Mitabeiterin,machte "nebenbei" viel Fortbildung,bot für seine "Kunden" einen zusätzlichen Beratungsservice an---alles in der "Freizeit".

Dann kam nach vielen Jahren die zweite Episode,da war dann der Kontakt nicht mehr möglich,er war nicht zu sprechen,als ich über eine Wiedereingliederung sprechen wollte---- bekam ich die Künigung----zu allem verlangte er sofort den Schlüssel.
Sein Versprechen könne er nicht halten-----ich sei ja auch WIEDER krank geworden,das trage das Team nicht mit.

Ich habe mich dann noch durch verschiedene Zeitverträge bei verschiedenen Arbeitgebern gerettet,was eine viel zu hohe Belastung insgesamt war.
Irgendwann konnte ich nur noch die Frühverrentung beantragen.

Noch heute ist die Kündigung der tiefste Einbruch gewesen.
Die Depression hatte mir schon fast alles geraubt-------ich mußte mein Leben wiederfinden----und dann auch noch darin bestehen.
Die Kündigung war eine zutiefst menschliche Enttäuschung-----auch die Worte,mit denen sie begründet wurde.
Ich wurde aussortiert----weil ich nicht mehr die "Alte" war.

Ein Berufsverbot,allein die Diskussion in den Medien darüber,was und wie man mit Depressiven umgehen sollte und könnte------------das ist eine Schande.

Zehn Jahre später hat sich mein alter Chef entschuldigt,da ging er selber in den Ruhestand----da war zu spät----ich hatte mich ins Ehrenamt "gerettet"----
aussortiert
als minderwertig angesehen
das sind die schlimmsten Verletzungen,wenn die zu dem Leidensdruck dazu kommen,dann hab ich einfach Angst----Angst um jeden der seine Diagnose bekommt,noch mehr Sorge um die vielen "Leistungsträger",die sich einer fachlichen Diagnostik und Behandlung entziehen,weil Depression ein Unwort geworden ist.
anna54

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 12:16
von Christiane1
Das mit dem Unwort trifft es voll, Anna.

Vorhin bin ich bei meinem alten Arbeitgeber entlang gefahren und besah mir das neue Bürogebäude, welches zur Strassenseite hin komplett verglast ist.
Du meine Güte, dachte ich noch, ich kann der Dame am Schreibtisch im dritten Stock ja unter den Rock schauen. Die Mitarbeiter dort sind nicht glücklich über ihre neuen Büros, die nun überhaupt keine Privatsphäre mehr ermöglichen. Jeder sieht jeden und von draussen wirkt es, als würde man in einen riesigen Büromöbelladen schauen.

Ich habe jemanden in der Familie, der dort beschäftigt ist und er erzählte mir, dass die Firma seit einigen Jahren eine Sprechstunde anbietet für psychologische Gespräche. Dort wird Schlange gestanden, weil immer mehr sogenannte Leistungsträger, zu denen ich 21 Jahre lang ebenfalls gehörte, mit dem Druck nicht mehr zurechtkommen. Viele davon Anfang 50 und das Herzblut dieser Firma, doch sie werden langsam aber sicher hinausgedrückt von neuen, frischen Leistungsträgern.

Ich bin seit 2007 fort und gleich danach berentet und ich erinnere mich an die Schmach, die ich fühlte beim Abschiedsgespräch.
Urplötzlich war ich nichts mehr, die psychologische Sprechstunde gab es da noch nicht, und so stand ich mit 43 Jahren alternativlos auf der Strasse.
Richtig schlimm war mein letzter Gang ins Büro, um meine persönlichen Sachen zu holen, zum letzten Mal den PC herunterzufahren und allen Kollegen bye zu sagen.

Unser Chef war ganz froh, dass er sich mit mir nicht mehr herumschlagen musste und verhielt sich am Ende wie ein richtiges Schwein.
Am liebsten hätte ich ihm das "Sie" wieder angeboten und ihm eine schöne Depression gewünscht.
Glaubt man der Statistik könnte das irgendwann auch eintreten.

Die öffentlichen Redner, Forderer und Angsthasen sind so weit entfernt von jeder Realtiät und man bräuchte sie nur mal anzupusten, damit sie aus ihrem wohltemperierten Turm herauspurzeln.
Von denen fühle ich mich schon mal gar nicht bedroht und ich schenke ihnen einfach keine Beachtung.

Dagegen beachte ich meine unmittelbare Umgebung und habe viel gesprochen mit Leuten über den Absturz. Nicht ein Mensch ist dabei, der
sich nun Sorgen macht oder meint, dass die Depression des Piloten Schuld war.
So weit hat sich das Wissen um diese Krankheit durch die unermüdliche Aufklärung immerhin durchgesetzt, so dass auch Nicht-Betroffene unterscheiden. Jeder kennt jemanden, der wiederum jemanden Depressionserkrankten kennt, das ist ganz normal geworden.
Aber was da passiert ist im Kopf des Piloten entzieht sich gänzlich der Vorstellungskraft und manche Leute müssen wohl, damit es ihnen besser, geht, einen Begriff dafür finden.

So gehe ich gerade damit um und halte meinen Ärger über das öffentliche Gerede im Zaume.
Wir Depris können ja, wo in Deutschland doch so wahnsinnig viel demonstriert wird, uns auch mal vereinen und mit Plakaten auf die Strasse gehen. So in der Art "Ich nehm Citalopram und find das gut" oder so.

LG
Christiane

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 14:55
von Botus
Aus meiner Sicht wollen viele nach dieser Tragödie um jeden Preis eine Krankheit als ursprüngliche Ursache finden, um von der Möglichkeit abzulenken, dass hier eine Denke ursächlich war, mit der heute viele aus Kindheit und Jugend in das Leben entlassen werden, wo sie dann reihenweise scheitern, bzw. krank werden. Wir reden hier nicht über einige wenige. Die Krankheit entwickelt sich um Massenphänomen. Es ist vollkommen richtig, dass die Bedingungen heute teilweise schrecklich sind. Aber in früheren Zeiten waren die Bedingungen noch schlimmer. Ich denke, dass es andere Ursachen haben muss, dass heute so viele krank werden.

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 15:17
von Sonnenblume14
Ich sehe das differenzierter und ich versuche mal, das vorsichtig auszudrücken. Ganz gleich, was mit diesem Piloten geschah, ob die Depression eine Ursache ist oder nicht, sollte man die Depression einmal als Krankheit für sich betrachten.

Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich erschrocken war, wie wenig Gedanken ich mir in der Tiefphase um andere gemacht habe. Ich fühlte mich wie fremdgesteuert und hatte nur ein Ziel: dieses Gefühl loszuwerden, dieser Qual in meinem Kopf ein Ende zu setzen. Das umfeld war ausgeblendet. die Therapeuten empfanden dies als "normales" Krankheitssymptom.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass jemand, der sich KEINE Hilfe sucht, sondern stur die Zähne zusammenbeisst und weitermacht, weil ansonsten die Karriere, die schicke Uniform - im Grunde alles den Bach runtergeht ... dann kann eine solche Tiefphase durchaus gefährlich werden. Auch für andere.

Es ist traurig, dass berufliche Erfolge, dass meine frau-Mein-Haus-Mein-Auto diesen hohen Stellenwert haben. Wir (und damit meine ich die Bewohner der Industrienationen) haben den Blick für das Wesentliche verloren und sind völlig vom Weg abgekommen. menschen, die sich diesem Lebensmodell nicht anschließen, die irgendwo in ihrem Wohnwagen im Grünen mit etwas Gemüseanbau gllücklich sind, die werden von der GEmeinschaft ausgeschlossen. HIER liegt der Kern des Problems.

Und ganz gleich, welche konsequenzen jetzt gezogen werden, ob Berufsverbot oder nicht ... die Depressionen werden zunehmen und zu einem gesellschaftlichen Problem werden. in vielerlei Hinsicht. Wenn Menschen zwei Jobs machen müssen, um nur ansatzweise genügend zum Leben zu haben, wie soll das auf Dauer funktionieren?

LG Sonnenblume

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 15:35
von anna54
Hallo zusammen
liebe Christiane
das Herzblut der Firma ist ein Gut,dass nicht zu bezahlen ist,wohl aber können es gute Chefs hüten,wie einen Schatz. Dabei vermehren sie auch noch ihr Hab und Gut.
Das ist heute nicht mehr in den Köpfen der Chefs und Vorgesetzten,
entweder hören sie auf schlechte Berater,oder sie haben sich nie die Mühe gemacht, sich darum zu kümmern.

Viele Depressive kennen das aus ihrer beruflichen Tätigkeit,sie haben mit ihren empfindlichen Sensoren die Waage gehalten,so manches Chaos verhindert,so manche menschliche Trägödie aufgefangen.

Der gläserne Büroturm----Menschen werden durchleuchtet----"die Unterwäsche sichtbar"----nur ein Bild,aber es zeigt die mangelnde Fürsoge der Arbeitgeber.
Dass Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht haben----das wurde inzwischen verlernt----sicher auch der zu erwartenden Gewinnoptimierung geopfert.

Wir Depressive sind nicht eine Randgruppe----
wir sind am Puls der Zeit
und diese Zeit wurde mit Füßen getreten
jetzt bleibt nur der junge Leistungsträger übrig----der von Praktika zu Praktika hangelt,dann in Zeitverträgen wartet,bis irgendwann----------ist er schon zu alt,oder sollte er jeh krank geworden sein?
So viele Austeigerplätze wie diese Arbeitswelt bräuchte,können gar nicht gefunden werden.

Mit 65 Jahren noch Vierlinge bekommen,die Medien reißen sich drum
diese Welt ist krank!

Alles hat seine Zeit----
Aber Arbeitsplätze müssen auch Raum bieten für Langsame,sich wieder einfindende Mitarbeiter nach Krankheit,für pflegende Angehörige,wie auch junge Mütter----die dürfen ja heute ihren Bauch zeigen,aber bitte nicht störend die Arbeitsabläufe verlangsamen.

Es kommt bald eine Phase,wo gute Mitarbeiter gesucht werden,weil einfach gute Leute knapp werden,da wird sich das Blatt wenden,solange die Arbeitgeber drum verlegen sind.

Die Depression ist die schwarze Dame,die man zu Tisch bitten sollte----um sie zu fragen:was sie einem zu sagen hat
wohl wahr----
aber unsere Gesellschaft hat es noch viel nötiger----auf die zu hören,die angeblich gescheitert sind.

Im Scheitern die Stärke entdecken
das ist das Geheimnis auch mit schweren Depressionen
ein gutes Leben führen zu können.

anna54

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 15:42
von Selea
:hello: ihr alle miteinander.

Als Initiatorin dieses Threads____bin ich selber _____"begeisterte Leserin" .

Es kommen soviele interessante Meinungen, Denkanstöße und Ideen zusammen.
Einfach Klasse.

Auch Herrn Dr. Niedermeier vielen Dank für das Statement.
Klasse :) wären noch Links gewesen z.Bb.für Hegerls Interview etc. etc.

Ich finde es bewundernswert, dass Viele hier in dem Thread derart politisch und sozialkritisch denken können, sich auch dafür einsetzen, vehement hier kämpfen, die Meinung sagen.

Es gab in den letzten Jahrzehnten tatsächlich viele coming outs.
Ich habe abgetrieben
In den 70er Jahren,so meine ich.
Ich bin schwul
Ich bin lesbisch
Ich habe AIDS
Ich bin Alkoholiker
u.v.m.

Und in den Köpfen der Menschen fanden Veränderungen statt, es wurden sogar Gesetze geändert.

Warum nicht auch irgendwann ganz selbstverständlich sagen können
Ich habe Depressionen/Ich kenne Depressionen_____und davon geht die Welt nicht unter

Selea

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 16:22
von Botus
Ich glaube, dass es schon aufgrund der rasant steigenden Anzahl Erkrankter eine steigende Akzeptanz für die Krankheit geben wird. Das ist ja bei anderen Dingen auch so gewesen. Die Akzeptanz steigt automatisch mit der Anzahl.

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 17:46
von Katerle
@ Dobi

Das wäre wünschenswert, denn man kann ja auch nicht alle Erkrankten auf einmal aus dem Verkehr ziehen, das würde das blanke Chaos bedeuten...

LG

Re: Aktueller Umgang der Medien zum Thema "Depressionen"

Verfasst: 13. Apr 2015, 21:06
von Sonnenblume14
@Anna - deinen Beitrag kann ich so unterschreiben. Danke dafür, du sprichst mir aus der Seele.

Besonders die Vierlinge mit 64 --- mein spontaner Gedanke war ähnlich. Hier hat jemand noch nicht gemerkt, dass alles seine Zeit hat. Die Kinder haben auszubaden, dass Muttern sihc mit dem biologischen Alter nicht abfinden kann. Nicht alles, was heutzutage machbar ist, ist sinnvoll und ethisch vertretbar.

Der gläserne Büroturm ... ein gutes Beispiel. Meine Chefin meinte kürzlich, eines der Probleme läge in der anonymen Atmospäre und der fehlenden identifizierung der Menschen in Führungspositionen. Gewinne für Aktionäre, gewinnoptimiertes Führen der Firma, Ausquetschen bis zum bitteren Ende. Bei mittelständischen Familienunternehmen sei das oft anders, man kennt sich persönlich und manchmal funktioniert die Devise "geht es meinen Mitarbeitern gut, geht es auch dem Chef gut" noch. Aber genau diese Unternehmen werden an die Wand gequetscht von den "großen".

Und, Dobi, ich glaube nicht, dass die Akzeptanz der Depression eine Lösung ist. Denn die Menschen sind ja definitiv krank und KÖNNEN die Arbeitsleistung in dieser Form nicht erbringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Druck nachlassen wird, wenn kaum noch gesunde Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

LG Sonnenblume