Hallo DocHolliday,
hier nun der versprochene 2. Teil meiner Gedanken zu einem älteren post von dir.
Sorry für die Tippfehler, aber bei der Länge (und Leidenschaft) geraten manchmal die Tasten durcheinander...
Der Blick eines TP Patienten sollte zunehmend nach innen gerichtet sein, auch "Introspektion" genannt, und der Therapeut ist dabei zurückhaltend und gibt aber entscheidende Denkangebote. Der Patient sollte bereit sein, verfestigte Sichtweisen über sich in Frage zu stellen und die Herkunft zu analysieren...Ursachenforschung in eigener Sache zu betreiben...und vieles mehr...eine hochsensible Zusammenarbeit unter "Laborbedingungen"... und "Draufdreschen" ist das Gegenteil davon...
Das ist aber jetzt, glaube ich, eher nur deine persönliche Auffassung davon, was ein TP (und ein Patient) tun
sollten. Wenn das deine Erfahrung ist, und sie dir geholfen hat, dann ist das nur zu begrüßen.
Nur möchte ich kurz drauf eingehen, weil ich glaube, daß es eher deine persönliche Auffassung ist, da man „fachlich“ einiges einwenden könnte.
1. Wie gesagt: Wenn dir deine Erfahrung geholfen hat, dann ist das schon mal das wichtigste. Daraus abzuleiten, warum diese Methode einer anderen (z.B. VT) überlegen sein sollte, könnte man allerdings u.a. folgendermaßen in Frage stellen:
Genauso aber kritisieren viele Betroffene, daß diese „Denkangebote“ oft zu
keiner Veränderung des Gefühls oder des Verhaltens führen. Plump ausgedrückt: Man hat z.B im Rahmen einer TP erkannt, daß diese Selbstunsicherheit, die man in sich trägt, damit zu tun hat, daß die Eltern wenig Vertrauen in einen als Kind gesetzt haben, und man zudem noch als jüngstes Kind im Schatten des älteren Bruders, des sunnyboys der Familie, stand. Und dennoch ertappen sich so viele von uns dabei, wie dieses Unwohlsein bei aller Reflektion und Introspektion nicht weicht, oder in gesellschaftlichen Anlässen die Schüchternheit einen immer noch im Griff hat.
Was du beschreibst ist so, wie es in Theorie funktionieren soll, tut es aber zu oft nicht. Natürlich kannst du jetzt den Joker ziehen und sagen: „Dann war er halt nicht wirklich bereit.“
Patient sollte bereit sein, verfestigte Sichtweisen über sich in Frage zu stellen und die Herkunft zu analysieren
2. Sorry DocHolliday, aber so formuliert hört sich das für mich wie nachgesprochene Sätze aus einem Lehrbuch an. Da schwingt, für mich, dieses „
der Patient muß schon bereit sein, seine Meinung zu ändern, sonst geht’s natürlich nicht“.
Da nehme ich mal ausnahmsweise eine menschenfreundliche, milde Haltung ein: Ich gehe davon aus, daß der Mensch, außer wenn masochistisch veranlagt, nicht leiden möchte. Daß er kämpft und versucht, glücklich zu sein. Er ist, um dein Wort zu benutzen, „bereit“, findet aber nicht den Weg. Vielleicht weil es sich halt nicht um ein allgemeines Problem, sondern eine
Krankheit handelt?
Aber Krankheiten wären keine Krankheiten, wenn man sie durch Introspektion oder Infragestellung „verfestigte(r) Sichtweisen“ ändern/heilen (ja, ich bin noch nicht so resigniert, daß ich das Wort „heilen“ im psychischen Bereich aufgeben möchte) könnte. Das hat schon Sokrates getan.
3.Es würde im Umkehrschluss auch bedeuten, Krankheiten wie Depression wären das Ergebnis „verfestigter Sichtweisen“. „Tja, der Patient ist halt so verfestigt in seinem pessimistischen Denken, da hat er sich seine Depression selber gemacht“ (nicht, daß die eigene Einstellung nicht
mit eine Rolle spielen würde, aber halt nur
eine Rolle, wie bei jeder Krankheit übrigens).
(Ich weiß, du hast es nicht so formuliert, ich überspitze dein Argument, um zu verdeutlichen, was deine Aussagen meiner Meinung nach implizieren und um zu versuchen, meinen Gedankengang verständlich, weil nicht vage, rüberzubringen…)
Da bist du dann irgendwie total verhaltenstherapeutisch in deinem Ansatz: Sichtweisen hinterfragen und durch neue zu ersetzen
ist ein wesentlicher Bestandteil der KOGNITIVEN VT.
Vielleicht haben du und ich TP auch falsch verstanden.
Akademikern oder „Fachleuten“ in Psychoanalyse würden sich wahrscheinlich die Haare aufstellen, wenn sie hören, sie würden versuchen, den Patienten seine „verfestigten Sichtweisen in Frage zu stellen“.
Eher glaube ich geht es in Richtung: Durch freie Assoziation, Traumarbeit und über die Übertragung den Zugang zu unbewußten Konflikten zu ermöglichen. Nach Bewußtmachung des Unbewußten hat das Sympton dann theoretisch keine Existenzgrund mehr und „löst sich auf“.
Aber das wird mir jetzt einer dieser theoretischen und klugscheißerischen Theoriedebatten, in denen sich Vertreter beider Schulen gerne hineinsteigern, und man sich fragt, was der Patient letztendlich davon weiß oder hat.
4. In deinem oben zitierten Satz (ich komme nach diesem kleinen Exkurs in die PA wieder zu deinem Argument über TP) schwingt für mich wieder sowas in der Richtung mit: “
Na ja, wenn er solche Angst vor Hunden hat, dann sollte er schon bereit sein, das zu hinterfragen und eingestehen, daß seine Angst vielleicht übertrieben/unbegründet ist."
(Du siehst, auf dieses „der Patient SOLLTE „bereit“ sein“ reagiere ich ziemlich allergisch.)
Weißt du, wie sich z.B. eine Zwangserkrankung anfühlt? Meinst du, dadurch, daß er „bereit genug“ ist, seinen Waschzwang zu hinterfragen und „einzusehen“, daß das ein maladaptativer Bewältigungsversuch unbewußter Konflikte ist, der Zwang nachläßt? Tut er nicht.
Abgesehen von der Tatsache, daß sich auch nach noch so intensiver freier Assoziation und Traumanalyse die Zusammenhänge oft leider
nicht erkennen/konstruieren lassen.
Es gibt leider nicht immer einen so schönen kausalen Zusammenhang, dessen Herstellung das Symptom heilt/lindert, wie in der Lehrbüchern gerne als Paradebeispiel für die Überlegenheit der eigenen Theorie über andere aufgeführt werden:
„
Meine Eltern haben mich bei der kindlichen Masturbation erwischt und gesagt, ich sei „schmutzig“, und einige Jahre später entwickelte ich einen Waschzwang.“ Oder „
Ich wurde als Kind mal von einem Hund gebissen und seitdem habe ich eine Hundephobie“)
Ja, im besten Fall ist es so wie in den Lehrbüchern, aber zu oft auch nicht. Was machst du dann?
Da freuen sich VTler und sagen, daß sie genau deshalb nicht so sehr in der Vergangenheit rumwühlen, weil Introspektion und das Herstellen von Zusammenhängen nicht wirklich das Symptom beheben, sondern lediglich etwas Erleichterung bringen, „daß man darüber gespochen hat“.
Dazu möchte ich erwähnen, daß ich eigentlich
persönlich immer zur PA/TP „tendiert“ habe, „daran geglaubt“ habe. Ich fand, wie du, aufgrund theoretischer Veranstaltungen VT furchtbar plump und doof, allein der Name suggeriert für mich sowas wie „Hundedressur“. Ich hatte auch eine Menge theoretische Argumente/Überzeugungen dafür bzw. dagegen. Und habe mich auf dieser Grundlage in eine mehrjährige Analyse begeben.
Inzwischen ist mir Theorie ziemlich egal, was für mich zählt, ist das Gefühl und die Chemie mit dem Gegenüber. Eine Analyse war für mich, obwohl anfangs vielversprechend, sehr enttäuschend, mehrere Erstgespräche bei PA/TP ebenfalls – und als ich durch Zufall es mit VT zu tun haben „mußte“, da war ich einmal sogar positiv überrascht und erschrocken über meine „ideologische“ ( ja letztendlich
sind therapeutische Ansätze/Schulen eine Ideologie über Mensch, menschliches Leiden und sowas wie „Seele/Psyche“) – Blindheit.
Im Grunde finde ich diese dichotomische Teilung in VT oder PA/TP fürchterlich, weil es 2 Extreme sind. Nicht jeder Therapeut (außer viele Analytiker, meiner Erfahrung nach) sind so extrem, aber letztendlich wird man mehr oder weniger vor die Wahl gestellt, frei zu assoziieren und zum x.Mal darüber zu sprechen, wie die Schläge des Vaters einen verletzt haben (TP/PA), oder, ganz plump, das mal so stehen zu lassen und durch den „Aufbau angenehmer Aktivitäten“ (Fahrradfahren, ein Buch lesen, ein heißes Bad) oder dem ersetzen von negativen Gedanken durch positive diesen negativen Gefühlen was entgegenzusetzen (VT). Stark vereinfacht, ich weiß, aber größtenteils auch so erfahren.
Was hilft nun wirklich? Beides, oder keines. Manchen das eine, anderen, das andere. Und vielen leider keins von beiden, sonst hätten wir nicht so viele Chronifizierungen und Frühverrentungen.
Inzwischen habe ich beides ausprobiert und meine Erfahrung ist, daß die Theorien ziemlich egal sind, deshalb finde ich diese Diskussionen manchmal Haarspalterei und daß sie eher dem Nazißmus des jeweiligen Vertreters als dem Wohle des Patienten dient, dem letztendlich egal ist, wer „recht“ hat, oder was der „Zusammenhang zwischen Geld und Kastration“ ist, oder „Ist das Begehren das Begehren des anderen“?, oder „Sind die biologisch, kulturell und subjektiv bestimmten Affekte und Gefühlsregungen übersetzbar, ja durch Sprache ersetzbar?“ (freud-lacan-gesellschaft).
Als Patient möchte ich Erleichterung/Hilfe.
Das einzige, was einem helfen kann, (glaube/denke ich, weiß es aber nicht und habe natürlich keine Beweise dafür) ist wahres Verständnis und eine heilende Beziehung. Ich habe die meisten Analytiker als weltfremd erlebt (viele haben einfach geschwiegen und mich reden lassen, was meine Instabilität und Verzweiflung ins Unermeßliche schießen lassen hat), einige etwas menschlicher, besonders im Rahmen einer TP, weil sie nicht so sehr auf „ihre“ Theorie und „ihre“ Schule bestanden haben.
Aber mir hat eine langjährige Analyse nichts, wirklich nichts gebracht. Gleichzeitig habe ich (offen gestanden ein einziges Mal) VTler mit Tiefgang kennengelernt, die also nicht plump waren und mehr Verständnis und Scharfsinnigkeit aufbringen konnten, als das vermeintlich „Tiefen“psychologische.
Und wenn ich den Faden weiterspinne und denke: Gut, das einzige, was wirklich hilft, ist die Chemie und die heilsame Beziehung, dann frage ich mich, wozu all diese Jahre Ausbildung. Was Patienten am meisten bewegt oder trifft sind dann oft nicht die tiefgründigen Interpretationen oder verhaltentherapeutischen Übungen, sondern die eine Geste, der eine Nebensatz, die eine Begegnung, die nicht so Teil des therapeutischen „Repertoirs“ ist. Das habe ich sogar ein paar Mal von Therapeuten gehört.
Die zweite Konsequenz ist die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Man muß halt suchen, vermutlich Jahrelang, um dann durch, wie Zarra sagt, letzendlich Zufall/Glück an die Person zu geraten, bei der es paßt und hilft. Hat diese Person ein geheimes Wissen, das der Rest der Therapeuten nicht hat? Hat sie eine bessere Ausbildung, mehr Zertifikate? Nein. Es paßt einfach auf menschlicher Ebene.
Das macht die Suche auch so schwierig und langwierig.
Die weitere Schlußfolgerung, die sich aus diesem Gedankengang ergibt ist, daß, wenn die menschliche Begegnung das Wesentlich ist, es dann kein Therapeut sein muß. Ein Pfarrer, ein Freund, ein Seelsorger, ein Berater, irgendjemand mit ausreichender Feinfühligkeit und sozialer Kompetenz (die bei Therapeuten übrigens nicht selbstverständlich ist) und dem ehrlichen Wunsch, jemand in Not zu helfen.
Puh, ich schicke diesen letzten Teil erstmal ab, bevor er zu lang wird..... Ich hoffe, es war nicht zu langweilig.