Aufgeben können wir uns später immer noch

Zen
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Re: Aufgeben können wir uns später immer noch

Beitrag von Zen »

Hallo Feuerfisch,

Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt.
1000 mal hate ich mich schon gedanklich getrennt.
Gemacht habe ich es nie. Kann Dir darauf auch keine vernünftige Antwort geben.

Eines solltest Du aber nicht vergessen, wenn ich hier schreibe, ist es so wie ich es empfinde. Es gibt ja genug Angehörige, die mit ihrem Partner gut zurechtkommen.
Die gemeinsam einen Weg gefunden haben, damit das zusammenleben für beide keine Last wird.

Ich will hier keinen Betroffenen verletzen oder bloßstellen.
Aber so wie ich unsere Situation beschreibe, so habe ICH sie erlebt.
Mein Mann wieder ganz anders.
Unsere Geschichte, aus seiner Sicht geschrieben, ist mit meiner Geschichte, wahrscheinlich garnicht zu vergleichen.
Vergesse das bitte nicht, wenn du hier liest.

Es grüßt Dich
Sammie
Alma21
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Re: Aufgeben können wir uns später immer noch

Beitrag von Alma21 »

Hallo Feuerfisch,

kann meinen zwei "Vor"-Schreiberinnen nur beipflichten.

Auch wenn es mit viel Verdruß, Spannung und oftmals großem Frust verbunden ist, die Depression eines Angehörigen/Partners auszuhalten, so gibt es doch immer noch das Gefühl, daß einen zusammenhält.

Auch wenn ich hier das Forum als Ventil für mich sehe (um eben meinen Frust loszuwerden, den ich ihm gegenüber nicht loswerden kann - wg. seiner Krankheit), so vergesse ich niemals, daß es der Mann ist, den ich aus tiefstem Herzen liebe und für den ich mir auch aus tiefstem Herzen wünsche, daß er einen Weg heraus aus der Krankheit findet und eine gemeinsame Zukunft mit Hilfe der Therapie möglich ist.

Aber so, wie es für den Betroffenen manchmal hoffnungslos erscheint, so ist es auch manchmal für den Angehörigen hoffnungslos.

Grüße Gizmo
Zen
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Re: Aufgeben können wir uns später immer noch

Beitrag von Zen »

Der Umzug.

So ein Wohnungswechsel ist in der Regel im Vorfeld schon mit Stress verbunden.
Warum tu ich mir das an ?? Ich muss bescheuert sein.
Denn es musste eine Wohnung, unser Keller und 2 Garagen leer geräumt werden.
Aber ich wollte eine positive Veränderung für uns beide, dann muss ich jetzt da durch.

Ich hatte mich früh genung um ein Umzugsunternehmen gekümmert. Mein Mann
um einen Fliesenleger, der 2 Zimmer und den küchenspiegel fliesen sollte.
Eigentlich war ich guter Dinge, denn eine gute Planung vermeidet Stress, so dachte ich.
Habe früh genung angefangen Kisten zu packen und diese gleichzeitig in den Trockenraum im Keller gebracht.
Man rechnet pro qm einen Karton. Die Kartons konnte ich nicht in der Wohnung stehen lassen, aus Platzmangel.

Mein Mann hatte Urlaub beantragt von Mitte Dez. - 06.02.09
Unser Umzug sollte am 02.02.09 stattfinden, ein Montag.
Den Schlüssel bekamen wir am 31.12.08.

Ich hatte Anfang Dez. schon mit dem ausmisten des Kellers und meiner Garage angefangen.
Seine Garage ist sein Problem nicht meins.
An den Wochenenden fuhr ich dann alles zu den Betriebshöfen der Stadt. Was für eine Maloche.
Mein Mann lag im Bett.
Gutes Zureden half nichts, rum motzen genau so wenig.

Trotzallem besprachen wir gemeinsam, wie wir die Wohnung gestalten wollten. Welche Farben und Tapeten die Wände bekommen und wie wir unsere Möbel stellen.
Am 01.01. fuhr er ohne Kommentar in die neue Wohnung um dort die alten Tapeten von den Wänden zu holen.
Zur Info, mein Mann ist gelernter Maler und Anstreicher, er kennte sich mit diesen Arbeit aus.

Man das klappt ja doch ganz prima, ich war froh, dass auch er jetzt endlich mal die Initiative ergriff und ich nicht um alles betteln musste.

In der ersten Woche lief es ganz gut.
Wenn ich Feierabend hatte, packte ich weiter fleißig Kartons.
Er war tagsüber in der neuen Wohnung.

Als ich an dem Wochenende dann zur Wohnung kam, war ich das erstemal entäuscht.
Es waren zwar einige Zimmer schon Tapeten frei, aber er war bei weitem noch nicht so weit wie ich dachte.

Ein Freund bot seine Hilfe an, die er auch dankbar annahm.
Ich hatte ja leider noch keinen Urlaub, denn dieser war erst ende Januar.

Dann meldete sich unser Fliesenleger, dass er leider den Termin nicht einhalten kann, er müsse ins Krankenhaus.
War zwar schade, aber wir hatten noch genügend Zeit für Ersatz.
Fliesenleger Nr. 2 hatte nur noch in der letzten Januar Woche Termine frei.
Er meinte aber, für diese 2 Zimmer und den Küchenspiegel, wäre das kein Problem.

Unser Freund konnte auch nur an den Wochenenden helfen, so das mein Mann in der Woche ganz allein war.
Der Umzugstermin rückte immer näher und in der neuen Wohnung kam er nicht voran.

Einmal überraschte ich ihn, wie er im Wohnzimmer auf einer Decke lag und pennte.
Ich stand kurz vor einem Anfall.
Das darf doch wohl nicht wahr sein.
Wir stehen bis zur Halskrause in Arbeit und er pennt.
Ich pendelte von einer Wohnung zur andern, wusste nicht wo ich zu erst anfangen sollte und er dreht in der neuen Wohnung Däumchen.
Und wenn es ganz schlimm kam, fuhr er nach Hause und legte sich ins Bett.

Manchmal saß er vor mir und weinte, er sagte dann, dass es Ihm leid tut.
Aber das nutzte jetzt nichts, es musste weitergehen. Ich konnte mir keine Auszeit erlauben, obwohl ich selber Reif für Insel war. Musste vor meiner Mutter noch schauspielerische Fähigkeiten beweisen, damit Sie davon bloß nichts mitbekommt.
Aber das ist ein anderes Kapitel.
Der Termin rückte immer näher.

Der Fliesenleger wollte am Donnerstag den 29.01 anfangen.
Am Mittwochabend bekam ich den Anruf von seiner Frau, dass auch Fliesenleger Nr. 2 im Krankenhaus liegt.
Jetzt bekam ich wirklich einen Anfall.
Ich war gerade dabei das letzte Geschirr aus den Küchenschränken zu räumen.
Doch die Teller und Tassen packte ich nicht mehr ein, sie flogen wie UFO´s duch die Küche.
Er lag im Bett. Zwei Zimmer mussten noch tapeziert werden, aber er lag im Bett.
Durch mein Geschrei und das splitternde Geschirr kam er aus dem Schlafzimmer.
Überall nur Scherben und ich schreiend mitten drin.
Er versuchte mich zu beruhigen, aber ich wollte mich nicht beruhigen. Ich schrie wie eine Verückte.
Nach ein paar Minuten ging es mir einigermaßen besser.
Jetzt einen klaren Kopf bewahren und in so einer Situation macht sich ein intakter Freundeskreis bezahlt.

Es war ca. 18.00 und ich rief sämtliche Leute an, die auch wieder ihre Freunde und Bekannten anrufen sollten.
Ich brauche für Morgen einen Fliesenleger. Wie und woher ist egal, hauptsache er steht morgen auf der Matte.

Um 21.00 hatte ich Fliesenleger Nr. 3 der auch pünktlich um 9.00 Uhr am Donnerstag anfing.
Das er die Absolute Schlafpille war, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen.
Er brauchte einen Tag zum Vorbereiten und drei Tage um einen Raum zu fliesen. Sonntagabend um 22.00 war er mit dem Schlafzimmer fertig, die Arbeit war sauber und ordentlich, aber ich war fix und fertig.
Denn Morgen war der Umzugstermin.

Unser Freund, der noch nie eine Wand gefließt hatte, hat den Küchenspiegel gesetzt.
Mein Mann guckte aus dem Fenster.

Um 8.00 stand das Umzugsunternehmen vor der Tür.
Am Tag vorher, platzte ein Rohr in unserer alten Küche und Wasser lief unter das Laminat, das sich dann wie alter Käse nach oben bog.
Um 10.00 war unser Kater verschwunden, den ich vorsichtshalber im Bad eingesperrt hatte.
Irgendein Trottel hatte die Tür geöffnet.
Um 13.00 vermisste meine Mutter ihre Geldbörse und um 15.00 wollten die Möbelpacker unser Bett nicht mehr mitnehmen.

Trotz Planung ging etliches voll in die Hose.

Kater zum Glück wieder aufgetaucht, Geldbörse aber nicht und noch einen riesen Zirkus mit den Möbelpackern gehabt.
Von denen einige nicht mehr ganz nüchtern waren und noch Geld von den Kunden klauten.
Es war ein alt eingesessenes Unternehmen, nicht irgendeine Pseudofirma.

Aber auch dieser Horrortag ging um.
Zwei Tage später lag ich flach. Konnte mich kaum noch bewegen, hatte Schüttelfrost, Durchfall, Brechreiz, dass komplette Programm.
Wie ein Luftballon aus dem so langsam die Luft ausweicht.
Sogar das umdrehen im Bett viel mir schwer und da bekam ich das erstmal richtig Angst.

Mir ging es so dreckig, das ich dachte, so fühlt es sich also an, wenn man den Löffel abgibt.

Ich hatte mich total verausgabt und brauchte 3 Wochen bis ich mich einigermaßen wieder gefangen hatte.

Unsere neue Wohnung war zwar sehr schön, aber so richtig freuen konnte ich mich nicht, weil ich wieder das Gefühl hatte einen riesen Fehler gemacht zu haben.

Mein Mann gab mir dieses Gefühl, auch wenn er was anderes behauptete.


Fortsetzung folgt.
Zen
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Re: Aufgeben können wir uns später immer noch

Beitrag von Zen »

2009

Das neue Jahr fing nicht gerade gut an.
Ein stressiger Umzug, trotz ausreichender Planung und als Krönchen mal wieder ein Krankenschein.

Mir ging es richtig dreckig, trotzdem ging ich nach 3 Wochen wieder arbeiten.
Zuhause lief es auch nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich hatte das Gefühl meinem Mann fühlt sich in der neuen Umgebung nicht wohl.
Wir stritten uns wegen jeder Kleinigkeit und wir gingen uns immer mehr aus dem Weg.
Das war jetzt in der neuen Wohnung auch kein Problem. Es gab genügend Ausweichmöglichkeiten.

Ich hielt mich viel im Garten auf und als der Frühling kam, geriet ich richtig in einen Pflanzrausch.
Der Garten bestand zu 99% nur aus Rasen, so fing ich an den Garten umzugestalten.
Ich hatte genug Ausgleich und Arbeit.

Er verbrachte seine Freizeit im Bett. Ich konnte es an 5 Fingern abzählen, wann er sich mal draussen blicken ließ.

Ende April bekamen wir einen Anruf aus Holland. Der Hafenmeister meldete sich mit der Bitte um Rückruf.
Mein Herz rutschte in die Hose, den der erste Gedanke war, Schiff geklaut, oder abgesoffen oder sonst was.

Doch es kam ganz anders. Er hatte einen Kaufinteressenten. Obwohl das Boot garnicht zum Kauf ausgeschrieben war.
Mein Mann war froh, diesen Balast endlich los zu werden, ich war am Boden zerstört.

Es war ein Ehepaar in unserem Alter. Beide waren begeistert von dem Schiff.
Innerlich sträubte sich alles gegen einen Verkauf, aber ich musste jetzt einfach zu einer Lösung kommen.

Es liegen tausende Schiffe zum Verkauf in Holland, manche kriegen ihr Boot überhaupt nicht los, trotzdem laufen die Kosten weiter.
Ich habe unser Boot noch nicht mal angeboten, aber einen Interessenten.
Dann ging alles sehr schnell, wir wurden uns einig über den Preis und auf unserer letzten Fahrt nach Holland liefen die Tränen bei mir, als wenn alle Schleusen in Holland auf einmal geöffnet worden wären.

Meinem Mann ging es trotzdem nicht besser.
Er zelebrierte jeden abend seine Tabetteneinnahme, aber ich sah einfach keine Besserung.
Auf meine Bitte sich doch nochmals in ärztliche Hände zu begeben reagierte er garnicht.

Auch ich war fertig, konnte mich schlecht konzentrieren, war häufig krank und überfordert.
Traf ich Freunde in der City oder beim Einkauf, fing ich plötzlich an zu weinen.
Oder im Supermarkt, zwischen Marmelade und Pizza. Ein blöder Gedanke und schon ging es los.
Ich hatte meine Gefühle einfach nicht mehr unter Kontrolle.

Dann starb auch noch unser Kater, der 16 Jahre mit uns zusammen lebte.
Ich hatte Urlaub und wollte mich eigentlich etwas erholen.
Der Kater der seit Jahren Herzkrank war, wollte von jetzt auf gleich nicht mehr fressen. Auch seine Tabletten, die er auch regelmäßig in Leckerchen verpackt einnahm, wollte er nicht mehr nehmen.
Er hatte einfach keinen Bock mehr auf sein Leben und hat wohl für sich selber beschlossen, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.

Wieder war ich am Boden zerstört, auch mein Mann war sehr traurig.

Der Sommer ging so langsam zu Ende, das Jahr 2009 hat uns auch bis dahin kein Glück gebracht.
Ich war Dauergast bei meinem Hausarzt, bis er sagte, so kann das doch mit Ihnen nicht weiter gehen ?

Er schickte mich zu einem Pschologen.
Mein Glück war, das dieser Psychologe eine neue Praxis eröffnet hatte.
Mittwochs angerufen, Montags war schon mein erster Termin.

Meinen Mann ging es immer schlechter. Er sah an manchen Tagen aus, wie ein lebender Leichnam. Saß stundenlang zusammen gesunken auf der Couch, oder er lief von einem Zimmer zum andern, wie ein Tiger im Käfig.

Ich hatte keinen Urlaub mehr, hier mal einen Tag, dort mal 3 Tage. Immer wenn es ihm sehr schlecht ging habe ich mir ein paar Tage frei genommen, aus Angst es könnte was passieren.

Eines Abends konnte ich es nicht mehr mit ansehen. Seit Tagen ging es ihm so schlecht das ich drauf und dran war den Notarzt zu rufen.
Er bat mich unter Tränen, es nicht zu tun.

Was sollte ich jetzt machen, verdammt.
Anrufen, nicht anrufen? Noch warten ? Aber worauf?
Ich war total unsicher, hatte auch mit unserem Hausartzt darüber gesprochen, aber was sollte er denn machen, wenn meine Mann nicht will.

Nach einem langen Gespräch mit meinem Mann, gestand er mir das er seit Monaten keine Tabletten mehr nimmt.
Ich war sprachlos. Ich habe es doch jeden Abend gesehen wie er seine Medikamente einnahm.
Nein, er hat nur so getan als ob.
Er versprach mir zum Arzt zu gehen.
Nur wann, dass sagte er nicht.

Sein Zustand wurde immer kritischer, ich hatte Angst zur Arbeit zu fahren.
Er blieb auch immer öffter zu Hause, denn er hatte noch jedemenge Urlaubstage.

Bis der 10 November kam.
Mein Wecker klingelt um 04.30 Sein Bett war leer.
Als ich noch total verschlafen in die Küche ging, saß er vor dem Fernseher.
Wie ich das hasse. Morgens schon diese Berieselung von Werbung und agressiven Talk- Shows.

" Der Robert ist tot " war alles was er an diesem Morgen zu mir sagte.
Ich noch nicht richtig wach, mein Gehirn lief noch auf Sparmodus, konnte damit überhaupt nicht anfangen.
Robert? Welcher Robert? Wir hatten keinen in unserem Bekanntenkreis der Robert hieß.

Erst auf dem Weg zur Arbeit in den Nachrichten hörte ich was passiert war.
Robert Enke, unsere Nr 1 im Fussball war tot.

Im laufe des Tages wurden weitere Einzelheiten bekannt.
Da dachte ich wieder an meinem Mann, wie er es mir heute morgen sagte " Der Robert ist tot "
Ich hatte plötzlich das Gefühl, als wenn er mir vermitteln wollte -der Robert, der hat es endlich geschafft -.

Ich hatte keine ruhige Minute mehr an meinem Arbeitplatz.

Fortsetzung folgt
Zen
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Re: Aufgeben können wir uns später immer noch

Beitrag von Zen »

November 2009

Robert Enke hat aufgrund seiner Depression seinem Leid ein Ende bereitet.
Zeitungen berichteten, Radio informierte und im Fernsehen gab es eine Info Sendung nach der Anderen zum Thema Depression.
Und ich hatte einfach nur Angst.

Der Zustand meines Mannes wurde von Tag zu Tag schlimmer. Wie ein gehetztes Tier, dass nicht weiß wo es sich verkriechen soll, lief er von einem Zimmer zum andern.
Wenn er sich hinlegte, stand er nach 5 Minunten wieder auf, um sich dann doch nach 5 Minuten wieder hinzulegen.
So ging das über Stunden.

Was sollte ich nur machen?
Notarzt anrufen?
Warten bis er selber in die Klinik geht, oder soll ich Ihn Zwangseinweisen lassen ?
Und dann?
Wie wird dann unser gemeinsames Zusammenleben sein, wenn ich diesen Schritt gehen würde?
Welchen Auswirkungen würde das auf Ihn, auf uns haben?

Den Einweisungsschein für die Klinik hatte ich schon vor Wochen bei unserem Hausarzt geholt.
Aber immer wieder vertröstete mich mein Mann auf Morgen.
Morgen wollte er in der Klinik anrufen.
Morgen wollte er direkt zur Klinik fahren.
Morgen wollte er sich einen Psychologen suchen.
Morgen wollte er wieder Medikamente einnehmen.
Morgen wird wieder alles besser.
Morgen, morgen, morgen.
Ich hasste dieses Wort, konnte es nicht mehr hören.
Was ist, wenn es für Ihn kein Morgen mehr gibt?
Es musste jetzt was passieren und nicht morgen.

Ich hatte keine ruhige Minute mehr an meinem Arbeitsplatz. Wenn ich zu hause anrief, ging er nicht ans Telefon.
Warum nicht ? Was ist da los?
Ich musste etwas unternehmen. Egal was.

Das alles zerrte so an meinen Nerven, dass ich mich kaum noch auf irgendetwas konzentrieren konnte.

Am 12.11.rief ich einfach in der Klink an und schilderte seinen Zustand.
Die aufnehmende Ärztin, erklärte mir, dass die Klinik wegen unserem Umzug nicht mehr für meinen Mann zuständig ist und ich sollte mich doch bitte schön in Wohnungsnähe eine neue Klinik suchen.

Mir blieb die Luft zum Atmen weg.
Das auch noch. Das hat mir gerade noch gefehlt.
Wie soll ich meinem Mann auch noch davon überzeugen, eine ganz neue Klinik aufzusuchen, wenn er schon die größten Probleme hat, in die Klinik zu gehen, die Ihm vertraut ist. Wo er 2007 schon einmal wegen seiner Depression in Behandlung war.

Ich machte der Dame an anderen Ende der Leitung klar, dass es eine freie Krankenhauswahl gibt und mein Mann außerdem eine 2 B Versicherung hat. ( 2 Bett mit Chefarztbehandlung)
Und siehe da, plötzlich war alles kein Problem mehr.
Man braucht nur das Zauberwort " 2 B " sagen und schon öffnen sich Tür und Tor.
Ja, wenn das so ist, sollten wir doch so schnell wie möglich kommen.

Leichter gesagt als getan. Er wollte nicht, noch nicht.
Warum ? Das weiß wohl nur ein Depressiver.

Für mich bestanden diese letzten Tage und Nächte nur aus Angst und einer wahnsinnigen Belastung.
Ich konnte Nachts nicht schlafen und Tagsüber nicht denken, geschweige meine Arbeit vernünftig erledigen.
Immer wieder der gleiche Gedanke. Was passiert jetzt zu hause.

Am 18.11. bin ich mit einem sehr unguten Gefühl zur Arbeit gefahren.
Dort angekommen wollte ich gleich meinen Vorgesetzten aufsuchen, um Ihn um 2 Tage Sonderurlaub zu bitten.
Ausgerechnet an diesem Tag war er nicht da, so ging ich zu seiner Vertretung.
Mein Jahresurlaub war aufgebraucht. Meine Überstunden bis auf einen kläglichen Rest abgebaut.
Für sollche Notfälle spart man sich aber immer ein paar Tage auf, meinte die Vertretung pikiert. So einfach wäre das nicht mit dem Sonderurlaub, da muss erstmal ein Antrag gestellt werden.
Klar, für einen Antrag zu stellen habe ich jetzt auch gerade Zeit und Notfall habe ich in den letzten Wochen jeden Tag gehabt.
Nochmal sprach ich die Dringlichkeit meiner Situation an und wenn es so nicht geht, dann melde ich mich jetzt hier und gleich auf der Stelle krank.
Ich bekam meine 2 Tage Sonderurlaub, ohne Antrag stellen. Trotzdem musste einer gestellt werden.
War mir völlig egal, ich war schon wieder auf dem Weg nach Hause.

Am 19.11.sind wir morgens gemeinsam zu der Klinik gefahren.
Zwischen meinem Anruf in der Klinik und unserem Erscheinen waren 7 Tage vergangen.
Die Ärztin machte mich gleich zur Schnecke.
In der Abteilung hätte man vor Tagen schon alles vorbereitet und ich bringe meinen Mann erst jetzt.
Das ist ja wohl die Höhe, ob ich denn nicht sehe wie schlecht es Ihm geht.

In diesem Moment hätte ich zum Mörder werden können.
Was bildet diese blöde Ziege sich eigentlich ein?
Seit Wochen lebe ich am Limit, bettel und flehe das mein Mann endllich in die Klinik geht, organisiere, mache und tue was in meiner Macht steht.
Riskiere Stress an meinem Arbeitsplatz wegen dem Sonderurlaub und die Ärztin haut mir so einen Text um die Ohren.

Als alle Formalitäten erledigt waren, fuhr ich nach hause um erstmal nur zu heulen, was der Tränenkanal so hergab.
Mein TH. schrieb mich krank, als er mich Tage später sah.

Mein Mann blieb bis Ende März 20101 in der Klinik.

Z.Zt ist er krankgeschrieben. Er wurde auf neue Medikamente umgestellt.
Leider merke ich noch keine positiven Veränderungen.
Es ist so wie vor 4 Jahren, vor 6 Jahre, vor 2 Jahren, vor der Klinik, sowie nach der Klinik.
Eigentlich ist es so wie immer.
Sein Tagesablauf der letzten Wochen bestand aus schlafen, rund um die Uhr fernsehen und rauchen, was die Lunge so verkraften kann.
Von einer Struktur in seinem Tagesablauf keine Spur.
Er macht die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht.
Er setzt kaum einen Schritt vor die Tür.
Anfallende Arbeiten bleiben wie immer an mir hängen.
Ich bin es leid, immer nur zu bitten und betteln, zu motivieren, zu trösten.

Ich brauche selber Motivation, selber Trost, damit wir nicht untergehen.
Trotzdem geht es uns noch um einiges besser, wie vielen Anderen, die finanzielle Sorgen und Existenzängste haben.

Ich bin im hier und jetzt angekommen, ob unsere Geschichte ein Happy End haben wird, kann ich nicht sagen.
Ich kann nur hoffen, dass mein Mann endlich anfängt sich seiner Depression zu stellen um an sich arbeiten zu können.

......denn aufgeben können wir uns später immer noch......

In eigener Sache

Mein Bericht ist hiermit beendet. Ich werde nicht mehr so viel im Forum schreiben.
Meine wenige Zeit, die ich zur Verfügung habe, möchte ich wieder mehr für mich nutzen.

Ich danke allen, die mir geantwortet habe und durch ihre Sichtweise der Dinge, mir neue und andere Denkanstöße gegeben haben.
Sollte ich auf die eine oder andere Antwort mal nicht reagiert habe, war das keine böse Absicht, oft fehlte mir auch die Zeit dazu.

Mein Profil ist weiterhin offen, wenn mir jemand schreiben möchte, kann er / sie es gerne tun. Es würde mich freuen.

Es grüßt Euch alle herzlich
Sammie
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